Dieses Sonderplenum sollte für Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, aber insbesondere auch von der Sie tragenden Koalition, ein Weckruf sein. Halten Sie sich an die Gesetze, veranlassen Sie Abschiebungen, wo die Verfahren mit entsprechenden Ergebnissen abgeschlossen sind! Verschließen Sie sich nicht in Einsichten, die andere Parteifreunde – und ich schaue da jetzt geradeaus, Herr Hey, zur SPD –, zum Beispiel Ihre Landräte, längst haben: beschleunigte Asylverfahren, Ausweitung von sicheren Herkunftsstaaten auf die gesamte Westbalkanregion, Visapflicht für Menschen aus den Westbalkanstaaten! Keine Drehtüren heißt keine Folgeanträge für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, konsequente Abschiebung abgelehnter Asylanträge. Wir brauchen Platz, Toleranz und Hilfsbereitschaft für die wirklichen Kriegsflüchtlinge, nicht für die, die meinen, den Wohlstand unseres Landes auskosten zu wollen, und mit den ihnen eigenen Vorstellungen von Recht und Gesetz. Ich prophezeie Ihnen, wenn sich der Kurs, den wir heute beschrieben haben, nicht ändert, reden wir in ein paar Monaten von ganz anderen Problemen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich hier mal ganz deutlich klarstellen, dass ich nicht die Kollegin eines oder irgendeiner AfD-Abgeordneten bin. Sie können mich gern als Abgeordnete bezeichnen, aber nicht als Kollegin, Herr Höcke.
Meine Damen und Herren, der Flüchtlingsrat Thüringen hat am Wochenende in einer Pressemitteilung davor gewarnt,
es dürfe nicht sein, „dass auf dem Rücken der Flüchtlinge und schutzsuchenden Menschen politische Scharmützel ausgetragen und rassistische Ressentiments bedient werden“. Diesem Appell kann ich mich eigentlich nur aus vollstem Herzen anschließen, aber ich habe leider in den letzten Wochen und auch heute wieder den Eindruck, dass genau das passiert, dass auf dem Rücken von Flüchtlingen und schutzsuchenden Menschen politische Scharmützel ausgetragen und rassistische Ressentiments bedient werden und dass einige der Protagonistinnen und Protagonisten das Bedienen vorurteilsbehafteter Ängste und rassistischer Ressentiments ganz bewusst in Kauf nehmen, sei es, um – wie ich das in einer Pressemitteilung auch schon öffentlich formuliert habe – ihr Mütchen an Rot-Rot-Grün zu kühlen, sei es, um sich als die volksinteressenvertretende Oppositionspartei zu profilieren, oder sei es, um von eigenen Unterlassungen der vergangenen Jahre abzulenken, meine Damen und Herren.
Welcher Stimmung dabei Vorschub geleistet wird, scheint egal. Wem damit in die Hände gespielt wird, scheint egal. Was das dann für die schutzsuchenden Menschen bedeutet, die ohnehin schon mit einer häufig kaum erträglichen Situation fertigwerden müssen, das interessiert offenbar auch nicht.
Meine Damen und Herren, ich hätte mir nie im Leben vorstellen können, dass sich so etwas wie vor 23 Jahren in Rostock-Lichtenhagen einmal wiederholen würde. Wir sind mit Schneeberg, mit Freital, mit Heidenau, aber auch in Thüringen mit dem, was bei Nazi-Aufmärschen gebrüllt wird, dem sogenannte besorgte Bürger beipflichten, mitbrüllen und hinterherlaufen, wir sind mit dem, was in sozialen
Meine Damen und Herren, ich hätte mir nie im Leben vorstellen können, dass 23 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen, 23 Jahre nach dem sogenannten Asylkompromiss, bei dem das Grundrecht auf Asyl derart beschnitten wurde, dass man von der De-facto-Abschaffung des Asylrechts spricht, dass es wieder verantwortliche Politikerinnen und Politiker sind, die die sogenannten Bürgerinnen und Bürger bestärken, ihnen zustimmen und sie ernst nehmen wollen. Wir sind mit dem, was aus Bayern populistisch gebrüllt wird, mit dem, wie der Bundesinnenminister von Leistungseinschränkungen und Sonderlagern spricht, und auch mit dem, wie in Thüringen mit dem Thema von einigen Protagonistinnen – und da meine ich nicht allein die parteipolitischen Protagonistinnen auf Landesebene – umgegangen wird, nicht weit davon entfernt, meine Damen und Herren.
Aber ich will es noch mal in Erinnerung rufen, die Würde des Menschen ist unantastbar und alle Deutschen bekennen sich – so sagt es zumindest Absatz 2 des Artikels –, zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft. So steht es zumindest auf dem Papier. Diesem Anspruch, meine Damen und Herren, fühlt sich die rot-rot-grüne Koalition verpflichtet. Die Achtung der Grund- und Menschenrechte jedes und jeder Einzelnen ist Grundlage der Thüringer Flüchtlingspolitik. Allen soll mit Respekt und Würde begegnet werden, steht in unserem Koalitionsvertrag. An diesem Anspruch halten wir fest, auch wenn die Situation schwierig ist.
Ja, es stimmt, die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist nicht gut. Aber die Landesregierung arbeitet daran. Sie arbeitet daran, mit Gegebenheiten fertig zu werden, die nicht allein durch die gestiegenen Zahlen bedingt sind, die nicht erst seit dem 14. September 2014 oder dem 5. Dezember 2014 steigen, sondern die eben auch von der Vorgängerregierung, Herr Mohring, hinterlassen wurden: mit einer heruntergewirtschafteten, nicht erst neuerdings, sondern schon seit Jahren sanierungsbedürftigen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg, mit einer Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl, von der durch das damalige CDU-Innenministerium – damals war es im Innenausschuss Herr Rieder – lange behauptet wurde, es sei nur eine übergangsweise Außenstelle.
Ich will auch noch mal daran erinnern, wie die Bürgerinnen und Bürger in Suhl darüber informiert wurden, dass eine Außenstelle von Eisenberg in Suhl
eröffnet wird. Sie wurden dadurch informiert, dass irgendwann mal ein Bus hielt, aus dem eritreische Flüchtlinge ausstiegen. Das war die Informationspolitik, die die damalige Landesregierung – Herr Geibert an der Spitze als verantwortlicher Minister – betrieben hat.
Herr Mohring hat vorhin so schöne Worte gefunden und gesagt, man solle nicht nur in der Opposition laut brüllen, sondern sich der Verantwortung stellen. Herr Mohring, das kann ich Ihnen sehr leichten Herzens zurückgeben. Sie sollten nicht nur heute in der Opposition laut brüllen, sondern sich auch Ihrer Verantwortung stellen, die Sie bis zum 5. Dezember letzten Jahres getragen haben.
Mit fehlenden Erstaufnahmekapazitäten hat die jetzige Landesregierung zu kämpfen, die eine amtierende Landesregierung fast ein Vierteljahr hat brachliegen lassen, und zwar in dem Wissen, wie schwierig es ist, weitere Kapazitäten zu erschließen. Ich will noch einmal an die Innenausschusssitzung letztes Jahr am 11. Juli erinnern, da hat Staatssekretär Rieder vor dem Innenausschuss beklagt, die Landesregierung sei mindestens neun Monate auf der Suche nach einem geeigneten Objekt gewesen. Wenn man uns, der Landesregierung, heute vorwirft, sie würde dilettantisch arbeiten, dann möge man sich mal das Ergebnis vom letzten Juli anschauen, Plätze für 136 Asylsuchende mit der Ansage, allerhöchstens bis März nur eine Übergangsregelung.
Die rot-rot-grüne Landesregierung ist jetzt seit noch nicht ganz neun Monaten im Amt und, meine Damen und Herren, ich finde, im Vergleich zu ihren Vorgängern machen Herr Minister Lauinger und Staatssekretärin Dr. Albin gemeinsam mit den übrigen Ressorts der Landesregierung einen guten Job.
Ja, es stimmt, die derzeitige Situation an den Erstaufnahmestellen entspricht noch nicht dem, was wir uns unter humanitärer Aufnahme und Unterbringung vorstellen. Ja, es gibt nach wie vor Probleme, in den Kommunen weitere Unterbringungskapazitäten zu erschließen, aber, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, diese Probleme lösen wir nicht dadurch, dass einfach mit irgendwelchen hochgerechneten Zahlen angeblich tausend ausreisepflichtiger Menschen behauptet wird, die ideologisierte Politik der Landesregierung verwehre den richtigen Flüchtlingen einen guten Unterbringungsplatz, Herr Abgeordneter Herrgott. Diese Probleme lösen wir auch nicht dadurch, dass wir nach Ausschreitungen an einer Erstaufnahmeeinrichtung in
das Horn der Ausländerfeinde blasen, deren Behauptungen wiederholen und davon sprechen, es sei in Thüringen wiederholt zu ethnisch-religiös gefärbten Konflikten und Gewaltausbrüchen gekommen und Deutschland werde zum Kampfplatz fremder Kulturen.
Und den in diese Eskalation verwickelten Asylsuchenden wollen wir auch noch das Recht auf Asyl absprechen bzw. dieses Recht von Wohlverhalten abhängig machen, Herr Fiedler. Andererseits haben Sie aber nicht mal die Traute, mit einer Pressemitteilung zu reagieren, wenn Asylsuchende angegriffen werden zum Beispiel Ende Juli in Greiz. Herr Heym, da bekommen viele Bürger den Eindruck, es sei nicht so schlimm, wenn Asylsuchende angegriffen werden. Und was das für die Stimmung in Thüringen oder in Deutschland bedeutet, das können Sie sich auch selbst ausdenken.
Meine Damen und Herren, wir lösen die Probleme auch nicht dadurch, dass wir das Thema der Flüchtlingsaufnahme reißerisch zu einem Sommerlochthema machen, indem immer wieder dieselben unhaltbaren Vorwürfe erhoben werden, ohne dass tatsächlich konstruktive Vorschläge folgen.
Ich finde, es ist ein Hohn – und da will ich einfach mal Mike Mohrings Worte wiederholen –, wenn Sie, Herr Mohring, Landtagsfraktionsvorsitzender der Partei, die bis vor einem Dreivierteljahr regiert hat und genau das Ministerium leitete, welches für die Erstaufnahmestellen zuständig war, bezüglich der Zustände in Eisenberg von „es ist ein Hohn“ sprechen. Sie warten nach Ihrem Besuch, dem Besuch von Herrn Voigt und Herrn Herrgott, mit denselben Vorwürfen und vermeintlichen Lösungsvorschlägen auf wie vorher. Ich war vorige Woche auch in Eisenberg. Ich habe mich mit vielen Menschen am vergangenen Montag vor die Landesaufnahmestelle gestellt, um Nazis und Rassisten zu zeigen, dass Flüchtlinge eben nicht schutzlos ihrer Hetze ausgeliefert sind,
dass wir solidarisch mit den geflüchteten Menschen stehen, und ich war nicht allein, sondern gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats auch in der Landesaufnahmestelle in Eisenberg und habe mir die Zustände angesehen, innerhalb wie außerhalb dieser Einrichtung. Ergebnis war nicht eine Pressemitteilung oder großes mediales Tamtam, sondern eine Art Protokollnotiz mit Vorschlägen, wie die Situation verbessert werden kann. Und die Landesregierung hat reagiert. Es wurden außerhalb Zelte aufgestellt, damit eben die Menschen, die spätabends oder nachts ankommen, nicht dem Wetter schutzlos ausgeliefert sind. In den Zelten wurden Liegen und Decken zur Verfügung
gestellt. Es ist jetzt dafür gesorgt, dass auch außerhalb dieser Einrichtungen eine ärztliche Versorgung angeboten wird, wenn jemand krank ist, und dass die Menschen eben nicht ewig lange ohne irgendeine Fürsorge draußen warten müssen. Die Security wurde angewiesen, die Menschen respektvoller zu behandeln.
Es klingt ganz banal, aber für die ankommenden Menschen sind das immense Verbesserungen und ich möchte mich bei Herrn Lauinger dafür bedanken, dass, wenn auf solche Mängel hingewiesen wird, tatsächlich auch schnell versucht wird, die Situation zu verbessern und die Mängel zu beseitigen.
Es ist heute schon das eine oder andere Mal gesagt worden, dass es sich bei der Aufnahme und Unterbringung und bei der Integration von Flüchtlingen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die wir nur gemeinsam, nur mit konstruktiven Vorschlägen und durch gemeinsames Handeln meistern werden. Deshalb möchte ich kurz auf den Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingehen. Wir verstehen ihn als ein Angebot, als eine Unterstützung für die gemeinsame Meisterung dieser Herausforderung. Wir haben eine ganze Reihe von Punkten aufgeschrieben, die sich über die Landesregierung an die Bundesebene richten, beispielsweise – es ist schon angesprochen worden – dass es auf Bundesebene tatsächlich zur zeitnahen und vollständigen Besetzung der schon 2014 angekündigten und versprochenen 2.000 Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt. Meines Wissens sind bisher gerade 650 dieser Stellen besetzt. Da hat die Bundesregierung also noch zu tun, damit sie ihre Versprechen erfüllen kann.
Als zweiten Punkt wollen wir die Landesregierung darin unterstützen, dass zeitnah an allen Erstaufnahmestellen BAMF-Außenstellen eingerichtet werden. Es geht nicht allein darum, wie viel Zeit und Transportkosten dadurch eingespart werden könnten und um die Asylverfahrensbeschleunigung, es geht auch darum, dass durch beschleunigte Verfahren Spannungen unter den Flüchtlingen abgebaut werden können, weil sich viele Flüchtlinge, die sehr lange warten müssen, ohne dass ihnen jemand genau sagen kann, wann sie zum BAMF gefahren werden und ihre erste oder zweite Anhörung bekommen, zurückgesetzt fühlen, sich gegenüber anderen, die schneller an die Reihe kommen, benachteiligt fühlen. Auch dadurch entstehen Spannungen in derart voll belegten Erstaufnahmeeinrichtungen.
Wir haben die dauerhafte und strukturelle finanzielle Beteiligung des Bundes in unserem Antrag aufgenommen. Wir haben die zeitnahe Einführung einer Gesundheitskarte analog dem Bremer Modell aufgenommen. Das muss ich nicht weiter erläutern,
das hat Herr Minister Hoff vorhin schon gemacht. Das ist eben auch eine ganz konkrete Unterstützung für die finanzielle Situation der Kommunen: Wenn die Gesundheitskarte eingeführt wird, dann ändert sich die finanzielle Belastung, die die Landkreise und kreisfreien Städte derzeit in der medizinischen Versorgung zu tragen haben. Wir haben – und das kommt Herrn Mohring und seinem Sofortprogramm entgegen – in Punkt 9 die mit dem Landeshaushalt beschlossene Erhöhung des Betreuungsschlüssels für eine Verstetigung für den nächsten Doppelhaushalt in unserem Antrag. Das bedeutet mehr Sozialarbeit, Herr Mohring, dem könnten Sie wahrscheinlich zustimmen, wenn Sie es ernst meinten mit Ihrem Sofortprogramm. Leider aber hat dieser eine Punkt, den ich tatsächlich gut finde, der konstruktiv ist, nicht Eingang in Ihren Antrag gefunden, den Sie hier diesem Plenum vorlegen. Das finde ich schade.
Wir haben im zweiten Abschnitt unseres Antrags einige Prüfaufträge an die Landesregierung, weil wir bei manchen Dingen nicht Bescheid wissen, beispielsweise welche Liegenschaften des Landes sich eignen. Die Landesregierung macht schon, wir haben es trotzdem in unserem Antrag drin, dass mögliche Liegenschaften des Landes geprüft werden, ob sie für Erstaufnahmeeinrichtungen oder auch Gemeinschaftsunterkünfte geeignet sind. Wir wollen prüfen, wie wir die finanziellen Herausforderungen für die Kommunen durch einen möglichen zusätzlichen Ausgleich auffangen und unterstützen können. Wir wollen eine möglichst flächendeckende Asylverfahrensberatung einführen. Es geht bei der Sicherheit für die Menschen nicht nur darum, dass Asylverfahren schneller gehen, sondern dass die Menschen auch wissen, wie das Asylverfahren läuft und welche Rechte sie unter Umständen im Asylverfahren haben.
So weit zu unserem Änderungsantrag. Ich möchte gegen Ende meiner Rede noch mal auf einiges eingehen, was die sogenannten sicheren Herkunftsländer betrifft. Herr Herrgott hat heute in der Einbringung des Antrags der CDU gesagt, am Grundrecht auf Asyl darf es keine Abstriche geben. Ich habe es dazwischengerufen und will es jetzt noch einmal an die Adresse der gesamten CDU sagen: Dann hören Sie doch endlich auf, Abstriche am Grundrecht auf Asyl zu fordern, meine Damen und Herren!
Immer wieder kommen Sie mit der Leier von den sogenannten sicheren Herkunftsländern. Immer wieder betonen Sie, es gäbe richtige und falsche Flüchtlinge.
Immer wieder machen Sie den Unterschied zwischen sogenannten Bürgerkriegsflüchtlingen und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen. Ich möchte zu den Flüchtlingen aus den sogenannten Balkanstaaten sagen: Es sind einige dieser Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Dementsprechend hat sich auch die Quote der Anerkennung von Asylanträgen aus diesen „sicheren Herkunftsländern“ geändert. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland in 2014 nach Angaben von Eurostat eine Anerkennungsquote von 0,8 Prozent bei Flüchtlingen aus Serbien gehabt, von 1,6 Prozent bei Flüchtlingen aus Bosnien, von 0,6 Prozent bei Flüchtlingen aus Mazedonien. Sie nehmen solche Zahlen als Beleg dafür, dass die Situation dort nicht so schlimm sein kann, dass die Fluchtgründe, die die Menschen angeben, nicht so schlimm sein können, dass sie Asylgründe hergeben. Die Lesart anderer ist die, dass hier politisch entschieden wird, was als Fluchtgründe anerkannt wird, dass politisch entschieden wird aufgrund von Zahlen, welche Staaten oder welche Länder als sichere Herkunftsländer erklärt werden und dass sich danach dann die Anerkennungsquoten und die Art und Weise, wie mit den Asylanträgen umgegangen wird, ändert. Frau Hennig-Wellsow hat vorhin schon mal angedeutet, wir haben inzwischen in anderen Ländern ganz andere Anerkennungszahlen, so zum Beispiel in der Schweiz und Finnland bei kosovarischen Asylsuchenden eine Anerkennungsquote von 40 Prozent. Bei Flüchtlingen aus Serbien sind es in der Schweiz 37 Prozent, die anerkannt werden, bei Flüchtlingen aus Bosnien sind es in Belgien und in Frankreich 20 Prozent der Asylgesuche, die anerkannt werden, und beispielsweise in Großbritannien werden 18 Prozent der aus Albanien gestellten Asylanträge anerkannt.
Man kann also ganz anders umgehen mit den Fluchtgründen, die aus diesen sogenannten sicheren Herkunftsländern geltend gemacht werden. Zu Albanien beispielsweise sagt die Europäische Kommission, das sei ein Land, wo Korruption und Schattenwirtschaft herrschten. Zu Serbien sagt die Europäische Kommission, es seien dort wichtige Elemente an Rechtsstaatlichkeit und unabhängiger Justiz nicht vorhanden. Im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mahnte die EU an, fundamentale Rechte wie die Meinungsfreiheit und der Schutz von Minderheiten seien beispielsweise in Serbien nicht gewährleistet. Man kann nicht sagen, dass alle Menschen, die von dort hierherkommen und Antrag auf Asyl stellen, nur wegen der fehlenden Perspektive kommen. Es ist einfach so, dass beispielsweise Angehörige von Minderheiten schlimmer Diskriminierung ausgesetzt werden, die dann dazu führt, dass der Zugang zu Erwerbsarbeit, der Zugang zu Ausbildung, zu medizinischer Versorgung,
zu Bildung, zu Schule nicht gewährleistet ist, nicht, weil die Menschen arm sind, sondern weil sie aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Minderheit, beispielsweise zur Gruppe der Roma, diskriminiert werden.