Protocol of the Session on September 26, 2019

Als Zweites muss ich mich wundern, dass es offensichtlich unterschiedliche Aussagen bei Ihnen in der Fraktion gibt. Ich fand, wir haben in den letzten Sitzungen des Umweltausschusses und auch des Infrastrukturausschusses sehr aufschlussreiche, sehr transparente und offene Gespräche geführt. Das Umweltministerium hat mit aller Offenheit zu dem Stand der Entwicklung gesprochen, zu dem, wie sich der Wolf entwickelt hat, welche Schäden entstanden sind. Es gab schriftliche Ausarbeitungen dazu. Es ist mir aus fachlichen Gründen vollkommen unverständlich, warum Sie diese Informationen mit einem neuen Antrag noch mal einfordern und die Debatte dazu noch mal eröffnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die einzige Begründung ist – muss ich leider feststellen –, dass Ihnen zum Wahlkampf nichts weiter einfällt und Sie daher jetzt diese eine Wölfin, die es in Thüringen gibt, noch mal als Wahlkampfschlager auspacken. Das finde ich sehr bedauerlich.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Sie hat schon zweimal geworfen!)

Jetzt möchte ich gleich zum nächsten, doch eher populistisch herüberkommenden Argument kommen, was Herr Primas heute wieder genannt hat und was auch in Rotkäppchen-Wolf-Geschichten, teilweise auch in der Öffentlichkeit vorangetrieben wird, dass eine Gefahr besteht, eine Gefahr für Thüringer, für den ländlichen Raum; der Wolf ist gefährlich, er greift die Menschen an und es besteht eine Gefahr. Wir haben jetzt noch mal genau nachgeschaut, ob wir auch wirklich nichts übersehen haben. Aber in den letzten Jahren, seit der Wolf wie

der in Deutschland heimisch geworden ist, gibt es mittlerweile 73 Wolfsrudel, 5 Wolfspaare und 10 Einzeltiere. Kein einziges von diesen Tieren – von Südbayern bis zur Ostsee, von West nach Ost – hat jemals einen Menschen in Gefahr versetzt, ihn angegriffen oder geschädigt. Da bitte ich doch, dass das zur Kenntnis genommen wird und hier nicht die Menschen verrückt gemacht werden,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

ihnen eingeredet wird, dass eine Gefahr ausgeht – von einem einzelnen Tier in Thüringen erst recht nicht. Natürlich war es so, als der Wolf einheimisch wurde, dass es eine neue Situation war und dass dann auch erst Schutzmaßnahmen ergriffen werden konnten. Das haben auch alle Erfahrungen in Deutschland gezeigt, dass, wenn diese Schutzmaßnahmen etabliert wurden, der Wolf das auch merkt, dass es da einen Widerstand gibt, und er dann auch nicht mehr Nutztiere jagt. Dieser Punkt war in Thüringen etwas zu spät, weil die Schutzmaßnahmen erst eingeführt wurden, als der Wolf auch erkannt wurde, und da war es auch was ganz Normales. Und das hat dazu geführt, dass die Wölfin sich im Jagdverhalten auch daran angepasst hat, dass sie gerade in Zeiten, wo wenig Nahrung da war, auch Nutztiere gerissen hat. Das ist aber nichts Ungewöhnliches. Das ist sehr bedauerlich und wir müssen uns als verantwortungsvolle Politiker natürlich Gedanken machen, wie wir mit der Situation umgehen.

Ich denke, das Wichtigste ist, dass die Schäferinnen und Schäfer oder die Landwirte in solch einer Situation nicht alleingelassen werden. Die Landesregierung und das Umweltministerium haben sofort ein Förderprogramm für Schutzmaßnahmen mit umfangreichen Förderungen auf den Weg gebracht und haben gesagt – und das war mir auch persönlich im Umweltausschuss sehr wichtig, dass wir gesagt haben: Die Entschädigung wird so großzügig ausgeführt, dass kein Landwirt, kein Schäfer schlechtergestellt ist, nachdem ein Schaden aufgetreten ist, als wenn der Wolf nicht da gewesen wäre. Das hat dazu geführt, dass es im Jahr 2019 auch eine Entschädigung – ungefähr 26.000 Euro – und Präventivmaßnahmen ungefähr in der dreifachen Menge gegeben hat.

Das ist auch sehr wichtig, dass wir dort die Nutzer unterstützt haben, aber es ist kein Grund zu sagen – wie es die AfD auch gemacht hat: Der Wolf ist jetzt eine Haushaltsposition, da können wir einsparen und stattdessen werden keine Schulen gebaut oder andere Investitionen gemacht. Das ist eine Dimension an Kosten, die dort aufgetreten sind – 100.000 Euro –, das ist natürlich auch viel Geld,

aber nicht in so einer Dimension, dass man so einen Popanz aufbauen muss.

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Was wäre denn die Alternative?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Nächstes, wie man jetzt weiterhin damit umgeht, höre ich dann von der CDU: Ja, der Wolf muss entnommen werden, der muss ins Jagdrecht, der muss gejagt und erschossen werden. In den vorherigen Debatten haben Sie das ganz eindeutig gesagt. Das war Ihr Allheilmittel. Sie haben doch sogar die Anträge aus Brandenburg zitiert und auch die Bundesregelung vorgelegt und haben gesagt: Wenn wir als CDU das machen, dass der Wolf ins Jagdrecht kommt, dann wird alles gut. Das suggerieren Sie doch. Und weil das die rot-rot-grüne Landesregierung nicht gemacht hat, argumentieren Sie, dass das nicht ausreichend ist und dass nicht genug gehandelt wird.

(Unruhe CDU)

Und wenn Sie sich das mal genau anschauen, was denn passiert, wenn es im Jagdrecht ist, wird sich in der Praxis überhaupt nichts ändern,

(Beifall DIE LINKE)

denn es ist immer noch eine artenschutzgeregelte Art und es gibt eine ganzjährige Schonzeit.

Herr Kobelt, kommen Sie bitte zum Schluss.

Also Ihre Lösungsmöglichkeiten sind auch nicht andere.

(Unruhe CDU)

Und Sie werden auch nicht weiterkommen, als wir das gemacht haben. Ich wünsche mir von Ihnen, dass Sie sich für eine Weideprämie auf Bundesebene einsetzen, so wie wir es in Thüringen gemacht haben.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

So wird den Schäferinnen und Schäfern geholfen. Da bitte ich um Zusammenarbeit. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Frau Kollegin Wagler von der Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen, werte Kollegen, wenige Tiere werden politisch derzeit so missbraucht wie der Wolf. Während für ungeschützte Weidetiere tatsächlich eine Gefahr von diesem Raubtier ausgeht, kann man von einer realen Gefahr für die Bevölkerung eigentlich nur sprechen, wenn man nicht mehr ernst genommen werden will.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wäre das Gleiche, wie zu behaupten: Aus Angst vor dem Fuchs geht man nicht mehr in den Wald. Von nicht tollwütigen Füchsen geht als scheues Wildtier genauso wenig Gefahr für die Bevölkerung aus wie vom Wolf. In Deutschland existiert die Tollwut nicht mehr. Es gibt in Deutschland keine dokumentierten Fälle von Wolfsangriffen. Ich kann nur annehmen, dass hier absichtlich Ängste geschürt werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anders sieht das aber bei den Weidetieren aus. Die Sorgen der Weidebauern müssen wir durchaus ernst nehmen, denn die Weidehaltung ist für Tiere nunmal die beste aller Haltungsformen. Wir müssen unsere Weidetiere schützen, genauso wie wir auch schon immer unser Geflügel schützen mussten, damit es der Fuchs nicht holt. Einer angemessenen Förderung der Weidetierhaltung muss deshalb Vorrang eingeräumt werden. In Thüringen leisten wir da, denke ich, bereits ganz gute Arbeit mit der Schaf-Ziegen-Prämie und mit der Gewährung von Zuwendungen zur Vermeidung und Minderung wirtschaftlicher Belastungen durch Wolf und Luchs.

Der Wolf ist ein Spitzenraubtier. Er ist wichtig für die Gesunderhaltung der Wildpopulation und auch zur Regulation des Wildbestands. Bei dem jetzigen Zustand des Walds, bei der Dringlichkeit, mit der abgestorbene Waldbestände ersetzt und verjüngt werden müssen, können wir jede Hilfe zur Regulation eben dieses Wildbestands ganz dringend brauchen. Der Wolf unterliegt berechtigt einem starken Schutzstatus.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Kobelt)

International wird er in verschiedenen Schutzabkommen berücksichtigt, in dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen, in der Berner Konvention und in der EU-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, also der FFH-Richtlinie. In den Anhängen II und IV dieser Richtlinie ist der Wolf aufgeführt; sie stellen damit hohe Anforderungen in Bezug auf den Artenschutz in Verbindung mit dem Wolf.

Zum Vorschlag der antragstellenden Fraktion, die Wolfsvorkommen aus den Anhängen II und IV der Richtlinie zu entfernen und sie stattdessen im Anhang V aufzunehmen: Der Anhang V der FFHRichtlinie listet Tier- und Pflanzenarten auf, für deren Entnahme aus der Natur besondere Regelungen getroffen werden können. Sie dürfen jedoch nur im Rahmen von Managementmaßnahmen genutzt werden. An dieser Stelle möchte ich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Mitgliedern unserer Bundestagsfraktion zum Thema „Wolf“ verweisen. Ausgesagt wird hier zum Beispiel, dass der zwischen Bund und Ländern mittels eines aufwendigen Monitorings ermittelte Wolfsbestand jederzeit digital abgerufen werden kann. Mittels interaktiver Kartenmodule könnten für alle Regionen Deutschlands über die letzten 20 Jahre Entwicklungen der Wolfspopulation jederzeit nachvollzogen werden. Der Erhaltungszustand des Wolfs wird im Rahmen eines nationalen Berichts gemäß Artikel 17 der FFH-Richtlinie im September 2019 fertiggestellt werden. Der Bericht wird also bald vorliegen. Möglicherweise ergeben sich daraus neue Erkenntnisse, ob eine Lockerung des Wolfsschutzes gerechtfertigt sein könnte. Diese sollten wir abwarten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn nur dann haben wir eine ordentliche, eine gesicherte Datengrundlage, über die man diskutieren kann, und keine Behauptungen. Außerdem wird mit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Mai dieses Jahres bereits ermöglicht, Wölfe leichter abzuschießen, wenn es zu Übergriffen auf Nutztiere kommt.

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen: Wir haben in Thüringen nur eine Wölfin. Von einer gesunden, selbsterhaltenden Population kann daher keine Rede sein. Der Wolf übernimmt wichtige Ökosystemdienstleistungen für unseren Wald.

(Unruhe AfD)

Die Wolfshybriden wurden auf die einzige Art und Weise entnommen, die rechtlich möglich war, mit milderen Mitteln, also Lebendfallen. Später wurde

dann der Fangschuss angewendet. Das Schießen ist rechtlich nur legitim, wenn mildere Mittel ohne Erfolg angewendet wurden. Das wäre auch in allen anderen Bundesländern nicht anders möglich gewesen, solange wir in einem Rechtsstaat wohnen.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Steuerung der Wolfspopulation ist schwer möglich. In Sachsen gibt es seit 20 Jahren Wölfe. Dort wurde zum Beispiel beobachtet, dass ein Wolf innerhalb von zwei Tagen von der Lausitz nach Berlin und wieder zurück in die Lausitz trabte. Wie wollen also Sie, liebe AfD, die Ausbreitung der Wölfe verhindern? Sie sind extrem mobil, laufen bis zu 50 Kilometer täglich und halten sich an keine Ländergrenzen. Wir müssen also mit den Wölfen umgehen, mit ihnen leben lernen, so wie es in Rumänien, Osteuropa und Italien schon längst der Fall ist. Dafür müssen wir unsere Weidetierhalter unterstützen. Zu 99 Prozent fressen Wölfe andere Wildtiere und sind wichtig für die Gesunderhaltung und Regulation unserer Wildpopulation, aber Sie sind auch sehr lernfähig. Wölfe können theoretisch lernen, Weideschutzzäune zu überspringen, obwohl sie eigentlich eher untergraben werden. Wölfe können auch von anderen Rudelmitgliedern lernen. Die wirksamsten Schutzmaßnahmen – das lehren die jahrzehnte- und jahrhundertelangen Erfahrungen von Ländern, in denen der Wolf nie ausgerottet war – sind Herdenschutzhunde und Schutzzäune. Über diese Schutzmaßnahmen und deren ständige Anpassung müssen wir im Gespräch bleiben. Es geht um die Unterstützung unserer Weidetierhalter. Denen ist allerdings überhaupt nicht geholfen, wenn sie eine Bedrohung der Bevölkerung konstruieren. „Rotkäppchen und der Wolf“ ist ein Märchen. Dieses Märchen diente dazu, junge Mädchen vor Übergriffen von fremden Männern zu warnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ging also in dem Märchen tatsächlich nie um ein Wildtier, und diesen Eindruck habe ich auch bei den Anträgen der CDU und AfD. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erhält das Wort Herr Staatssekretär Möller vom Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich finde, das, was man aus dieser Debatte lernen kann, ist,

(Abg. Wagler)

glaube ich, in erster Linie, dass die Landesregierung fünf Jahre super gearbeitet hat.