Protocol of the Session on September 12, 2019

Zweitens: Damit werden Familien durchschnittlich je Kind und Jahr um 1.540 Euro entlastet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine richtige Stange Geld, mit der können die Familien richtig etwas anfangen. Gerade Familien, die nicht zu den reichen zählen, sondern armen Familien greifen wir unter die Arme. Sie haben somit finanziellen Spielraum, um sich bestimmte Dinge, vielleicht einen gemeinsamen Wunsch, erfüllen zu können. Ich meine, das ist sozial gerecht, denn allen Kindern in Thüringen sollen gute Zukunftsperspektiven aufgezeigt werden.

Drittens: Wir verbessern auch die Qualität in den Kindertageseinrichtungen. Bereits mit der ersten

Novelle wurde der Betreuungsschlüssel verbessert. Bei den Drei- bis Vierjährigen betreut eine Fachkraft seit August dieses Jahres nur noch 12 statt bisher 14 Kinder. Hierfür haben wir als Land rund 53 Millionen Euro bereitgestellt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Viertens gab es die Diskussion über Kita-Leitung. Große Kindergärten mit mehr als 100 Kindern haben bis zu einer halben Stelle zusätzlich für die Leitungsaufgaben erhalten. Wir sind da nicht am Ende der Diskussion, aber es war ein wichtiger Schritt. Das sind immerhin noch mal 5 Millionen Euro, die im Haushalt eingestellt wurden, um diesen Schritt auch gehen zu können.

Wichtig war – und wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, aber nicht nur mit der Landeselternvertretung, sondern auch mit anderen –, die Elternmitwirkung zu stärken und auszubauen. Das lag allen drei Fraktionen sehr am Herzen und ich halte das für richtig, in unserer offenen, unserer multikulturellen Gesellschaft tatsächlich Eltern in Entscheidungen einzubeziehen, die in den Kindergärten getroffen werden. Das können Personalentscheidungen sein, das können Öffnungs- und Schließzeiten sein oder auch Gebührenentwicklungen. Das sind alles Fragen, bei denen Eltern gut mitreden können und ihr Wort nicht nur ein Gewicht haben soll, sondern hat und das gesetzlich auch so verankert ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten in Thüringen immer – seit 2017 habe ich das mitbekommen, vorher sicherlich auch schon – die Debatte: Wie ist es denn nun mit Beitragsfreiheit und Qualitätsverbesserung. Ist das ein Widerspruch oder gehört das zusammen? Ich habe immer erklärt, dass das kein Widerspruch ist, sondern dass der Gleichklang von Beitragsfreiheit und Qualitätsverbesserung konsequent angegangen werden muss. Deswegen fahren wir mit diesen Schritten fort, das heißt – und deswegen die zweite Novelle des Kindertagesbetreuungsgesetzes –, dass ab 1. August 2020 ein weiteres Kindergartenjahr beitragsfrei wird, das vorletzte Kindergartenjahr vor der Einschulung. Das heißt, die letzten beiden Jahren vor der Einschulung sind beitragsfrei. Das haben wir im Haushalt beschlossen und damit sind 15 Millionen Euro wiederum im Portemonnaie, um diese Maßnahme zu finanzieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir das hochrechnen, dann kommt für meine Familie rund 3.000 Euro Ersparnis heraus, wenn

(Minister Holter)

mein Kind das vorletzte und letzte Jahr besucht. Das ist meines Erachtens eine Sache, die sich sehen lassen kann. Das ist sozial gerecht. Das hilft den Familien auch, ihre eigenen Wünsche, ihre eigenen Vorstellungen in ihrer Familie umzusetzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind aber nicht stehen geblieben. Wir verbessern die Qualität. In den kommenden Jahren wird in der Altersgruppe der Vier- bis Fünfjährigen das Betreuungsverhältnis von 1 zu 16 auf 1 zu 14 verbessert. Und wir haben uns darauf verständigt, ein dreijähriges Modellprojekt für Kindergärten mit komplexen Bedarfen – sprich in sozialen Brennpunkten – vorzubereiten. Ziel ist es, diese mit multiprofessionellen Teams und durch eine gute Prozessbegleitung zu unterstützen. In bis zu 100 Kindergärten in Thüringen sollen Teams gezielt unterstützt werden, um so sicherzustellen, dass alle Kinder, egal aus welchem Elternhaus sie kommen, aus welchem Milieu sie kommen, die beste Bildung erhalten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend – und das ist wirklich keine Rangund Reihenfolge, wie ich das aufgezählt habe – möchte ich zu einem sehr wichtigen Punkt kommen. Darum dreht sich ja auch die Diskussion im Zusammenhang mit der Qualität. Das bedeutet: Wie kommen wir zu mehr Erzieherinnen und Erziehern? Wir brauchen Fachkräfte in den Kindergärten, auch in den Horten, aber auch in der Kindertagespflege, die ich hier mit einschließen möchte. Deswegen denke ich, im Namen aller zu sprechen – ich hoffe, dass ich im Namen aller spreche, die hier im Saal sind –, wenn wir den Erzieherinnen und Erziehern, aber auch denen, die in der Kindertagespflege tätig sind, heute unseren Dank aussprechen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie arbeiten mit einem hohen Engagement, mit hoher Motivation. Sie geben das Beste für die Kinder in Thüringen. Herzlichen Dank!

Es geht darum, diese harte Arbeit wertzuschätzen, und es geht darum, sie auch zu unterstützen und in gewisser Weise auch zu entlasten. Da bin ich mir mit den Trägern einig, Herr Kullmann, dass wir dort gemeinsam in der Pflicht sind. Es gilt also auf der einen Seite – das ist unsere Verantwortung als Freistaat –, den Personalschlüssel so zu verändern, dass gute Arbeitsbedingungen möglich sind, und auf der anderen Seite natürlich solche Ausfälle wie Krankheit, Urlaub, Fortbildung, die ja normal in je

dem Unternehmen oder in jeder Einrichtung realisiert werden, dann besser zu kompensieren. Es geht aber auch um mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung der Arbeit mit den Kindern und für die Elternarbeit. Deswegen hat sich die Koalition entschieden, die sogenannten Minderungszeiten von 25 Prozent ab August 2020 auf 28 Prozent zu verändern. Das soll zusätzlich berücksichtigt werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Praktisch heißt das, dass die jetzigen Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten weniger Zeit mit den Kindern verbringen werden, das heißt, dass wir mehr Erzieherinnen und Erzieher in die Einrichtungen bringen müssen: eine Herausforderung, die ganz klar mit einer solchen Veränderung dieses Mindestpersonalschlüssels zusammenhängt.

Wir gehen mit der ersten und zweiten Novelle des Gesetzes und den Verbesserungen des Personalschlüssels wichtige Schritte, hier werden noch mal 16 Millionen Euro investiert. Wichtig ist aber, dass wir auch den Zugang zum Beruf des Erziehers verbessern. Hier bin ich der Bundesregierung dankbar, auch der Großen Koalition – ich sage das ganz bewusst auch als ein Politiker einer anderen Partei –, dass Franziska Giffey die Fachkräfteoffensive gestartet hat. Denn mit der Fachkräfteoffensive können wir auch neue Wege in der Erzieherausbildung gehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im August 2019 haben die ersten 61 Auszubildenden im Rahmen eines vierjährigen Modellvorhabens ihre praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin begonnen. PiA heißt das Zauberwort, ist die Abkürzung, praxisintegrierte Ausbildung, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Interessant ist, dass wir jetzt mit den 61 begonnen haben, nächstes Jahr noch mal 60 aufnehmen. Das bestimmt der finanzielle Rahmen, den uns der Bund gegeben hat, den schöpfen wir aus. Aber die Anmeldung von Frauen und Männern, die in diese praxisintegrierte Ausbildung wollen, ist natürlich wahnsinnig groß. Wir müssen uns darüber verständigen, wie dann auch in den nächsten Jahren diese praxisintegrierte Ausbildung in Thüringen fortgesetzt wird. Ich bin der Überzeugung, wir haben gar keine Alternative, wir werden die praxisintegrierte Ausbildung in Thüringen zu einem Regelfall der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher machen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Minister Holter)

Das bedeutet, dass die Auszubildenden wie bei einer dualen Ausbildung beim Träger angestellt sind, eine tarifgerechte Ausbildungsvergütung bekommen. Aber heute ist es so bei diesem Modellprojekt, dass eben 100 Prozent der Kosten für die Ausbildungsvergütung vom Staat übernommen werden, also ein Anteil aus der Fachkräfteoffensive des Bundes und ein Teil des Geldes nehmen wir aus den Mitteln des Gute-KiTa-Gesetzes. Es ist einfach wichtig und die ersten Wochen zeigen schon, dass Menschen ihren Traumberuf ergreifen können, weil es eine Ausbildungsvergütung gibt. Ich habe mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an dieser Ausbildung gesprochen. Sie haben mir gesagt: Wenn es diese Ausbildungsvergütung nicht geben würde, hätte ich nie Erzieherin werden können. Das, glaube ich, ist doch wichtig, dass wir motivierte, engagierte Frauen und Männer in diesen Beruf bekommen, und deswegen ist die praxisintegrierte Ausbildung meines Erachtens so wichtig.

Entscheidend ist aber – und das haben mir die Gespräche in den Einrichtungen gezeigt –, dass wir drei Säulen haben. Wir brauchen diejenigen, die einen Hochschul- oder einen Universitätsabschluss haben. Wir haben ja mit dem Gesetz in der ersten Novelle festgelegt, dass zukünftig die Frauen und Männer, die Kita-Leitung übernehmen, ein Hochschulstudium absolviert haben sollen. Diese Menschen brauchen wir. Und wir brauchen auf der anderen Seite auch diejenigen, die den bisherigen Weg der Ausbildung gegangen sind, und wir nehmen die praxisintegrierte Ausbildung hinzu, was dann eben eine dreijährige Ausbildung bedeutet. In Bezug auf die bisherige Ausbildung erlaube ich mir meine Meinung zu sagen. Wir haben in Bezug auf die Pflegeberufe in Deutschland eine Regel gefunden, wie diese auch entgeltfrei für die Auszubildenden erfolgen kann. Ich bin der Meinung, da sind der Bund und auch das Land bzw. die Länder gefordert, auch ähnliche Regeln für die Erzieherausbildung zu finden, wie sie in den Pflegeberufen gefunden wurde, die generalisierte Ausbildung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen also Menschen, Frauen und Männer mit einem Hochschulstudium, wir brauchen diejenigen, die eine bisherige Ausbildung realisieren, und wir brauchen diejenigen, die in drei Jahren in der praxisintegrierten Ausbildung Erzieher bzw. Erzieherin geworden sind.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch ganz bewusst sagen und auch an die Träger appellieren, dass wir dabei nicht stehen bleiben können. Es geht am Ende auch um attraktive Beschäftigungsbedingungen. Und da möchte ich hier ein Plädoyer

für die Tariftreue abgeben und möchte die Trägerinnen und Träger auch bitten und auffordern, Tarifverträge mit den jeweiligen Gewerkschaften abzuschließen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht darum, dass der Erzieherberuf auch vom Einkommen her attraktiv sein muss. Da geht es um Tarifverträge. Der AWO Regionalverband MitteWest-Thüringen hat ja diesen Weg beschritten, hat Tarifgespräche mit ver.di und der GEW aufgenommen und am 15. August ist es zu einer Tarifeinigung gekommen. Das ist doch ein Beispiel, da kann ich nur die Träger auffordern: Nachziehen, nachmachen, Tarifverträge abschließen, damit es gute Lohn- und Gehaltsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen gibt.

Das war ein Kraftakt, meine Damen und Herren, es war nicht so einfach, das auf den Weg zu bringen, wenn man sich überlegt, wie wenig Zeit wir für diese Fragen hatten. Es ist wichtig, dass es eine gemeinschaftliche Anstrengung war. Deswegen möchte ich insbesondere den Sprecherinnen und Sprechern der Koalitionsfraktionen, also Torsten Wolf, Birgit Pelke und Astrid Rothe-Beinlich, für ihr Engagement danken, aber auch den Fraktionen insgesamt, weil es nicht nur eine Leistung von Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern war, sondern es ist eine gemeinschaftliche Leistung der gesamten Koalition, herzlichen Dank dafür.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun möchte ich etwas dazu sagen, wo die Unterschiede zwischen der Koalition und der Opposition liegen. In der Politik gibt es ja eine Maxime und das ist auch im Leben so: Man muss sich an seinen Taten und nicht an seinen Worten messen lassen. Das führt uns zur CDU. Ich vermisse bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU ein klares Konzept für die frühkindliche Bildung.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie wollen das doch gar nicht!)

Ganz klar, ich kann es nicht erkennen. Ich würde mich gern damit auseinandersetzen, aber Sie haben bisher nichts sehen lassen. Vielleicht kommt ja übermorgen auf Ihrem Parteitag etwas heraus, vielleicht aber eben auch nicht. Deswegen müssen wir auf Ihre Taten schauen. Als Sie zuletzt das Kultusministerium geführt haben und für den Kindergartenbereich verantwortlich waren, hatten Sie die sogenannte Familienoffensive erdacht und umgesetzt. Sie werden sich erinnern: Das ganze Land lief Sturm dagegen. Ohne vorhergehende Diskussio

(Minister Holter)

nen mit den Eltern sollten Landesmittel für die Kitas um ein Drittel gekürzt werden. Die Erhöhung der Elternbeiträge, die Verschlechterung der Qualität sollten billigend in Kauf genommen werden. Das war vor 14 Jahren, das war 2005. Aber ich habe hier in Thüringen gehört, dass das niemand vergessen hat. Alle reden über dieses Chaos und diese Katastrophe, die mit der Familienoffensive verbunden war.

2019 teilt die CDU-Fraktion per Pressemitteilung mit, es müsse um eine Qualitätsdiskussion und nicht um eine Kostendiskussion gehen. Ihre Alternative wäre eine Höchstgrenze für Elternbeiträge. Nun sagen Sie mir und auch den Eltern in Thüringen aber bitte mal: Warum benennen Sie dann keine Zahl? Warum sagen Sie dann nicht, was die Höchstgrenze ist?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Entweder können Sie sich nicht festlegen oder Sie wollen sich nicht festlegen. Mit Ihnen kaufen die Thüringerinnen und Thüringer die Katze im Sack. Vielleicht kommt die böse Überraschung noch, wenn der von Ihnen festgesetzte Höchstbetrag dann möglicherweise sehr hoch und höher als heute ist. Ich kann nur sagen, die Familienoffensive lässt grüßen. Deswegen, meine Damen und Herren der CDU, werden Sie konkret. Sagen Sie den Frauen und Männern, den Thüringerinnen und Thüringern, was Sie vorhaben und legen Sie Alternativen vor. Bisher gibt es keine Änderungsanträge zu diesem Gesetz und ich hätte mir gern gewünscht, dass Ihre Alternative mal vorgelegt wird, dass man sich damit auseinandersetzen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Koalition aus Linken, SPD und Bündnis 90/Die Grünen steht für einen anderen Weg: klare, verlässliche Linie, Dialog mit allen Beteiligten. Die zweite Novelle des Gesetzes ging einher mit einem breiten Dialogprozess mit der Landeselternvertretung, dem Gemeinde- und Städtebund, den Trägern und den Gewerkschaften. Es ist mir, Herr Ministerpräsident, bei der Veranstaltung vergangene Woche Mittwoch mit Franziska Giffey in der Staatskanzlei, als wir den Vertrag zum Gute-KiTa-Gesetz unterschrieben haben, noch mal von allen Beteiligen gesagt worden, dass es wichtig war, den Dialogprozess zu haben und diesen auch fortzusetzen. Das gab es vorher nicht. Wir stehen für Transparenz, wir stehen für Dialog, wir stehen für Mitnahme der Beteiligten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben also gemeinsam diskutiert, welche Schritte wir gehen wollen. Natürlich bringt jeder seine Interessen ein. Das ist auch normal. Wenn ich Träger wäre, würde ich auch die Interessen eines Trägers einbringen. Wenn ich Landeselternvertreter wäre, würde ich die Interessen der Eltern einbringen usw. Das sind normale Diskussionsprozesse, selbstverständlich. Aber am Ende – das finde ich das Hervorragende – haben wir uns geeinigt und haben gesagt: Das sind die Wege – wie ich sie beschrieben habe –, die wir jetzt gehen. Das ist die Frage, die auch mit der Initiative des Bundes, mit dem Gute-KiTa-Gesetz und der Fachkräfteoffensive zusammenhängt.