Protocol of the Session on September 12, 2019

Auch ist es bislang völlig ungeklärt, wie es nach 2022 mit der Finanzierbarkeit eines weiteren beitragsfreien Kindergartenjahres bestellt ist. Jeder, der in diesem Land politische und gesellschaftliche Verantwortung trägt, weiß, dass sich ab 2021 das Haushaltsvolumen sowohl des Landeshaushalts als auch das der kommunalen Haushalte wegen der sich verändernden rechtlichen Bedingungen auch mit Blick auf einen möglichen wirtschaftlichen Abschwung erheblich vermindern wird.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unsere Kinder sind uns das aber wert! )

Es wird wahrscheinlich kein Zurück auf dem Weg zum zweiten beitragsfreien Kindergartenjahr geben.

(Beifall DIE LINKE)

Dies hat aber zur Folge, dass das pädagogische Innenleben in unseren Thüringer Kindergärten mit Blick auf die Betreuungsqualität wahrscheinlich einer erheblichen Reduktion unterliegen wird.

(Beifall CDU)

Wir hätten uns hingegen gewünscht, dass diese Bundesmittel tatsächlich ausschließlich für Qualitätsverbesserungen in den Kindergärten benutzt würden. Diese Haltung wurde durch zahlreiche Zuschriften im Rahmen der Anhörung bestätigt. So äußerte sich etwa das Evangelische Büro Thüringen – ich zitiere –: „Wir sind weiterhin der Ansicht,

(Minister Holter)

dass eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels vorzugswürdig ist gegenüber dem beabsichtigten weiteren beitragsfreien Jahr.“ Oder auch der Kinderschutzbund Thüringen – ich zitiere auch hier –: „In allen Stellungnahmen [...] hat der Kinderschutzbund Thüringen darauf hingewiesen, dass ihm der qualitative Ausbau der Kita-Betreuung wichtiger ist als die Einführung eines beitragsfreien Kita-Jahres.“ Auch die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege – in Thüringen breit aufgestellt – lehnt in ihrer Stellungnahme die Einführung eines zweiten beitragsfreien Kindergartenjahres ab, da der wirksame und stetige Ausbau der Betreuungsqualität und ein weiteres beitragsfreies Jahr langfristig nicht finanzierbar sein werden.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor circa einem Jahr haben wir im Rahmen einer von meiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde hier im Plenum über die Verwendung der Mittel aus dem GuteKiTa-Gesetz des Bundes in Thüringen diskutiert. Damit wollten wir einen Dialogprozess zwischen der Landesregierung sowie den Fachleuten in den Einrichtungen, den Kindergartenträgern, den Kindergartenleiterinnen und Bürgermeistern zur konkreten Verwendung dieser Bundesmittel in Thüringen anregen. Wie die Zuschriften im Rahmen der Anhörung zeigen, hat dieser Dialog, den Sie zwar vorhin benannt haben, Herr Minister Holter, nicht stattgefunden.

(Zwischenruf Holter, Minister für Bildung, Ju- gend und Sport: Das ist doch eine Lüge!)

Denn insbesondere die kommunalen Spitzenverbände kritisieren mit Nachdruck, dass ihre Änderungsvorschläge im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht berücksichtigt wurden.

(Beifall CDU)

Auch die Gewerkschaft ver.di kritisiert in ihren Stellungnahmen – ich zitiere –, „dass die im § 3 Absatz 3 des Gute-KiTa-Gesetzes formulierte Beteiligung u. a. der Sozialpartner bei der Ermittlung der Handlungsfelder, Maßnahmen und Handlungsziele […] nicht ausreichend gewesen ist.“ Das ist schade, denn gerade weil die Koalitionsfraktionen immer wieder beteuern, Politik auf Augenhöhe zu machen, sich nicht anmaßen, klüger zu sein als die Fachleute, wäre ein intensiver Dialog mit den Fachleuten über die Verwendung dieser Mittel wünschenswert gewesen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben den gepflegt, den Dialog!)

Auch gerade deshalb habe ich mich sehr über einen Beitrag gefreut, der kürzlich im MDR gezeigt wurde, in dem sich Fachleute, also Erzieherinnen, Kindergartenleiterinnen, zu Wort meldeten. Sie wollen einen Dialog. Sie fordern einen Dialog und möchten als Fachleute eine Fachdebatte über die Verbesserung der Qualität in den Einrichtungen in Thüringen initiieren, denn auch sie kritisieren die Schwerpunktsetzung der Landesregierung zugunsten eines weiteren beitragsfreien Kindergartenjahres. Auftakt dieser Diskussion soll eine Veranstaltung am 30. Oktober in Erfurt sein. Am Ende soll ein Thüringer Bündnis für Kindheitspädagogik entstehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Prozess begrüßen wir als CDU-Fraktion ausdrücklich,

(Beifall CDU)

denn auch für uns hat die Verbesserung der Betreuungsqualität Vorrang. Sie ist für uns der wichtigste Gradmesser guter Bildungspolitik im frühkindlichen Bereich, denn das Wohl und oft auch die Entwicklungschancen der Jüngsten hängen für uns ganz klar an der Betreuungsqualität in den Kindergärten.

(Beifall CDU)

Wir setzen uns für eine gesunde und kostenfreie Vollverpflegung für jedes Kind im Kindergarten ein. Auch weitere Investitionen für moderne und ausreichende Kindergartenplätze haben für uns klar Vorrang.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend ist festzustellen, dass dieser Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün im Wesentlichen der populistischen Absicht dient, den Menschen in Thüringen den Eindruck zu vermitteln, diese finanziell zu entlasten. Diese Entlastung erreicht nur die Teile der Gesellschaft, die durchaus leistungsfähig sind. Mit diesem Gesetz wird vermieden oder gar verhindert, dass sich die Qualität der Betreuung in unseren Kindergärten verbessert. Gerade die Chancen auf Bildung, vor allem für sozial benachteiligte Familien, werden vermindert.

(Beifall CDU)

Vieles, was die ausdrückliche Landtagsmehrheit tut, ist ausschließlich dem nachvollziehbaren Bemühen geschuldet, von den Thüringern wiedergewählt zu werden. Dabei wird oft, so auch in diesem Fall, billigend in Kauf genommen, dass den Menschen Lösungen angeboten werden, die tatsächlich keine sind.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Wo ist Ihr Antrag?)

Und schon wenige Zeit später wird es notwendig sein, in diesen Fällen Korrekturen vorzunehmen, oft auch schmerzhafte Korrekturen. Diese müssen dann natürlich andere vornehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns als CDU-Fraktion hat eine gute Betreuung und Förderung der Jüngsten oberste Priorität. Deshalb werden wir dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht zustimmen und uns der Stimme enthalten.

(Unruhe DIE LINKE)

Denn wir wollen weder die Nutzung der Bundesmittel in Thüringen blockieren noch den kleinen Schritt der Verbesserung des Betreuungsschlüssels bei den Vier- bis Fünfjährigen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückgratlos!)

Abschließend noch ein Wort zum Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen: Das Aufgreifen der Petition „Die Welt spricht Kindergarten!“ aus Bad Blankenburg ist aus unserer Sicht richtig und wichtig.

(Beifall CDU)

Der Begriff „Kindergarten“ muss wieder mehr in unserer Sprache verankert werden, gerade bei den Kindern, die nämlich Kindergarten sagen, und vor allen Dingen auch bei den Eltern. Ein Land, in dem Friedrich Fröbel, der Vater des Kindergartens, geboren wurde und in dem der erste Kindergarten entstand, muss Vorreiter sein, damit dieser Begriff geschützt wird, und das begrüßen wir ausdrücklich. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Pelke von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst erst mal anknüpfend an die Rede des Ministers: Heute ist ein guter Tag für Thüringen, das ist von Ihnen schon ausgesprochen worden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte mich den Dankesworten anschließen, die Sie hier ausgesprochen haben. Dank an alle, die beteiligt waren, um wieder ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Und ich will mich auch mal

bei der Bundesebene bedanken. Frau Rosin, falls Ihnen das entgangen ist: Es gibt noch eine Große Koalition auf Bundesebene. Ich finde, die Familienministerin hat das in Absprache mit dem gesamten Kabinett mit einem wunderbaren Gesetz relativ gut gemacht. Wir waren im Übrigen, wenn ich nicht ganz verkehrt liege, das elfte Land, das mittlerweile unterschrieben hat. Dann braucht man auch hier nicht noch mal sehr seltsame Zeitaspekte auf den Tisch zu bringen. Aber jedenfalls ein herzliches Dankeschön für diese gute Zusammenarbeit, die zeigt, dass es auch zwischen Bund und Ländern vernünftig funktionieren kann,

(Beifall DIE LINKE)

wenn man es denn will und ein Interesse daran hat. Deswegen noch mal herzlichen Dank. Ich glaube, die Unterzeichnung des Vertrags in der Staatskanzlei hat das auch deutlich gemacht, auch das hat der Minister schon angesprochen. Bei allen Dankesworten – er kann sich ja nicht selbst danken –, möchte ich auch mal dem Ministerium ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Ihnen insbesondere, weil Sie derjenige sind, der gerade auch in dieser Frage immer zugehört hat und aus dem, was er gehört hat, entsprechende Schlussfolgerungen gezogen hat und dann gemacht hat – dafür ein ganz herzliches Dankeschön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will nur mal in die Richtung sagen, Frau Rosin: Wenn es einer gewesen ist, der immer Gespräche mit Trägern, mit Verbänden, mit den Eltern, mit Erzieherinnen und Erziehern geführt hat, dann hat er es gemacht. Und ich weiß ja nicht, ob man vergessen hat, es in Ihr Redekonzept mit reinzuschreiben: Auch die Arbeitsgruppen – es ist die Arbeitsgruppe „Zukunft Kindergärten“ angesprochen worden – und diese Gespräche haben vorher schon stattgefunden. Ich meine, wenn Sie vielleicht persönlich nicht angesprochen worden sind, das kann sein. Aber die, die es wissen müssen, die waren mit dem Minister im Gespräch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen finde ich es ein bisschen schade, liebe Kollegin Rosin, dass Sie da jetzt noch mal so richtig in die Wahlkampfmottenkiste gegriffen haben. Wenn es eine Veranstaltung in der Staatskanzlei gibt, eine Ministerin, Franziska Giffey als Familienministerin hier herkommt, ein Vertrag unterschrieben wird, alle, die damit zu tun haben, auch anwesend sind und sich positiv dazu äußern, dann weiß ich nicht, wieso Sie da wieder eine Wahlkampfebene daraus machen. Unverständlich! Das, was Sie

(Abg. Rosin)

hier immer versuchen deutlich zu machen, dass es ausschließlich Ihnen um die Verbesserung der Qualität geht: Himmel noch mal, wenn man beides machen kann, dann soll man beides tun!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen Qualitätsverbesserung und wir wollen Entlastung der Eltern – darum geht es uns. Wenn Sie ständig meinen, dass die Mutter der Weisheit die Wiederholung sei, dann gibt es auch eine Abwandlung des Sprichworts: „Die Wiederholung ist die Mutter des Lernens.“ Deswegen werde ich jetzt noch einiges wiederholen, in der Hoffnung, dass Sie lernen, dass wir beides tun wollen: Das eine tun, ohne das andere zu lassen.