Insofern hier noch mal ein deutliches Signal an die kommunale Ebene: Es ist klar, entstehen Mehraufwendungen, dann werden die bei der nächsten Revision, Finanzausgleichsgesetz und Finanzmasse berücksichtigt. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass auch jede kommunale Behörde daran interessiert ist, erstens, dass ihre Informationen barrierefrei über das Netz zu beziehen sind, und zweitens, dass jeder Bürger von außerhalb einen elektronischen Zugang zur Behörde haben kann. Insofern muss man hier auch eine, wie ich es immer nenne, kommunale Eigeninteressenquote mit unterstellen. Sie machen nicht nur etwas in unserem Auftrag, sondern eben auch im eigenen Interesse, weil dieser elektronische Zugang insbesondere die Dienstleistungsfunktion der kommunalen Ebene erhöht. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir einen wichtigen, einen modernen Gesetzentwurf vorgelegt, um Online‑Angebote der öffentlichen Verwaltung des Landes und der Kommunen für Menschen mit Behinderung verbindlich barrierefrei zu machen. Wir setzen damit die Vorgaben der entsprechenden EU-Richtlinie konsequent um. Berücksichtigt wird dabei nicht allein der digitale Zugang zu den öffentlichen Angeboten, beispielsweise die Führerscheinbeantragung im Internet oder Vergabeplattformen, sondern auch die Nutzung von internen Anwendungen der Verwaltung für die Beschäftigten selbst. Zukünftig soll so sichergestellt werden, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen barrierefrei auf die Arbeitsplattformen ihrer Dienststelle zugreifen können.
Meine Damen und Herren, damit diese Vorgaben keine bloße Luftnummer sind, werden mit dem Gesetz eine Überwachungsstelle beim Thüringer Finanzministerium sowie eine Durchsetzungsstelle beim Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen angesiedelt. Sie sollen die Einhaltung sicherstellen und in Konfliktfällen vermitteln.
Zusätzlich gestärkt haben wir die Durchsetzung der Regelungen zur digitalen Barrierefreiheit, indem wir die im Gesetz definierten Ausnahmeregeln mit einer zusätzlichen Überprüfungsklausel versehen haben. Wenn eine öffentliche Stelle von einer Ausnahme Gebrauch macht, weil die Technik eine Umsetzung momentan noch nicht ermöglicht oder aktuell unverhältnismäßig hohe materielle Belastungen entstehen, muss dies begründet und dokumentiert werden. Die Ausnahmetatbestände müssen danach nach drei Jahren überprüft werden und – sollten sie dann nicht mehr greifen – gegebenenfalls überarbeitet werden.
Meine Damen und Herren, meiner Fraktion war es besonders wichtig, dass es für die Thüringer Kommunen mit dieser Gesetzesinitiative keine zusätzlichen Verpflichtungen über die Vorgaben der EURichtlinie hinaus gibt. Denn an diese sind sie ja automatisch gebunden, aber es entstehen keine zusätzlichen Kosten.
Ich bitte um Zustimmung für diesen Gesetzentwurf. Mit dem Gesetz setzt Rot-Rot-Grün EU-Recht folgerichtig um und verbessert den Zugang zu digitalen Anwendungen für Menschen mit Behinderungen konsequent. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, die Wege eines demokratischen Dialogprozesses sind manchmal verworren – die intensive Debatte um ein Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen hat die Koalition eine lange Zeit beschäftigt, und zeitgleich hat die Umsetzung der EU-Richtlinie zu barrierefreien Webseiten Thüringen zum Handeln gezwungen.
Dem Problem wurde abgeholfen, indem der Passus zu barrierefreien Webseiten herausgelöst und als eigenständiges Gesetz eingebracht wurde – damit konnte der Prozess zum Thüringer Gesetz zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen weitergeführt werden.
Die EU-Richtlinie formuliert einen Minimalkonsens für Barrierefreiheit auf Webseiten, welche die Mitgliedstaaten natürlich weiter fassen dürfen. Das haben die Sozialpolitikerinnen eigentlich in einem Entwurf des Thüringer Gleichstellungs- und Inklusionsgesetzes auch getan. Im federführenden Ausschuss für Haushalt und Finanzen allerdings sind dann diese weitreichenden ursprünglichen Änderungsvorschläge leider wieder entfallen.
Und wir sind wieder zurück – Werner Pidde hat es ja begrüßt – auf dem Stand der EU-Richtlinie. Hier wäre aus unserer Sicht ein mutiges Weitergehendes über die EU-Richtlinie hinaus wünschenswert gewesen – auch in der Anhörung wurde das so geäußert.
Jetzt haben wir den etwas kruden Fall, dass wir zwei Gesetze zu einem ähnlichen Regelungsgegenstand haben – ein Gesetz zu barrierefreien Webseiten und ein separates Gleichstellungsgesetz haben nicht viele Bundesländer. Wir haben das jetzt, aber Herr Kuschel hat ja auch gerade schon von Ausnahmen gesprochen, die Thüringen hat, den Kommunalen Finanzausgleich, also warum nicht auch wir?
Wir hätten uns das gerne ein bisschen anders gewünscht und sind mit dem Prozess nur bedingt zufrieden, und auch mit dem Ergebnis. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in Länderrecht ist allerdings zwingend erforderlich und bietet eine Verbesserung der bestehenden Verhältnisse. Also es ist nicht so, dass dabei jetzt nichts rumkommen würde, aber wir haben da durchaus weitergehende Forderungen.
Wir wollen immer noch ein Mehr an Barrierefreiheit, wollen aber auch die Betroffenen hier nicht länger darauf warten lassen, dass eine Verbesserung eintritt, und bitten daher um Zustimmung und eventuell Aufruf in der nächsten Legislaturperiode, um es besser zu machen. Vielen Dank.
Danke schön. Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Gibt es aus dem Rund noch eine Meldung? Nein, das sehe ich nicht. Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Taubert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist ja schon von allen Abgeordneten des Hauses, von Frau Schulze angefangen, sehr umfassend über diesen Gesetzentwurf gesprochen worden, sodass ich mir das erspare. Ich möchte nur sagen, auch für mich, Frau Henfling, ist das Glas halb voll. So ist das. Diese Maßnahmen jetzt umzusetzen, bedeutet für die Landesverwaltung schon eine ganze Menge und für die Kommunalverwaltung auch. Und wenn wir das Stück geschafft haben, dann kann man sicherlich auch noch über andere Dinge sprechen, aber im Moment, glaube ich, ist das für einzelne, vor allem kleine Einheiten eine echte Herausforderung. Besser ist es, wir setzen diesen Teil, da stimme ich Ihnen hundertprozentig zu, Frau Henfling, jetzt um, damit wir an der Stelle endlich auch weiterkommen. Herzlichen Dank.
Danke schön. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung, als Erstes über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 6/7319. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Es enthält sich die CDU-Fraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Jetzt stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/6686 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung über die Beschlussempfehlung ab. Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich jetzt
um das Handzeichen. Das sind die Fraktion der AfD und die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? Dagegen ist niemand. Wer enthält sich? Es enthält sich die CDU-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich bitte, sich von den Plätzen zu erheben, wer dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt. Das sind die Koalitionsfraktionen und die AfD-Fraktion. Danke schön. Wer enthält sich? Es enthält sich die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? Sehe ich keine. Damit ist der Gesetzentwurf auch in der Schlussabstimmung angenommen.
Gesetz zur Änderung des Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/7416 - ERSTE BERATUNG
Wünschen die Koalitionsfraktionen die Begründung? Das sehe ich nicht. Dann eröffne ich die Aussprache und als Erster spricht Abgeordneter Wirkner von der CDU-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute nun liegt uns der Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün zur Änderung des Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetzes vor. In Punkt A – Problem und Regelungsbedürfnis – wird im zweiten Absatz darauf hingewiesen, dass die besoldungsrechtliche Eingruppierung des Aufarbeitungsbeauftragten von der der übrigen Beauftragten des Landes abweicht. Derzeit erfolgt die Besoldung des Aufarbeitungsbeauftragten in Thüringen auf der Grundlage von A16. Zum Vergleich: Im Land Sachsen, mit circa 4 Millionen Einwohnern insgesamt, erfolgt die Besoldung des Aufarbeitungsbeauftragten momentan auf der Grundlage von E15Ü, also wesentlich geringer. Man mag nun mal, was die Aufgaben des Aufarbeitungsbeauftragten betrifft, vielleicht unterschiedlicher Meinung sein, aber wir sollten uns bewusst darüber sein, dass die Funktion des Landesbeauftragten – und dies ist unabhängig von der Person oder deren fachlichen Eignung, das möchte ich hier ganz besonders hervorheben – äußerst sensibel zu betrachten ist, anders als das bei den weiteren Landesbeauftragten der Fall ist. Die Aufgaben sind
sehr vielseitig und dies schon seit Einsetzung eines Aufarbeitungsbeauftragten, bedarf es doch in dieser Funktion besonderer Zuwendung für jene Personen und Opfergruppen, die noch heute unter den Folgen von 40 Jahren SED-Diktatur leiden, sei es zum Beispiel durch politische Inhaftierung zu DDRZeiten oder sei es – um nur einige Beispiele zu benennen – die Opfergruppe der Zwangsausgesiedelten, die nun schon seit mehr als 30 Jahren um eine angemessene Entschädigung ringen. Auch die Einrichtung eines Notfallfonds lässt auf sich warten. Weder im Bund noch hier im Land Thüringen waren wir in den letzten Jahren in der Lage, eine schon lang erhoffte angemessene Lösung zu schaffen.
Ich sagte anfangs, dass es sich bei dem Amt des Aufarbeitungsbeauftragten um ein sehr sensibles Amt handelt. Darüber hinaus ist es meiner Meinung nach ein sehr politisches Amt, in das die Opfergruppen seit vielen Jahren große Hoffnungen auf Zuwendung und Hilfeleistung bei all ihren oft sehr individuellen Problemen setzen.
Im vorliegenden Gesetzentwurf ist geplant, die Besoldung des Aufarbeitungsbeauftragten für die Aufarbeitung der DDR-Diktatur von der Besoldungsgruppe A16 auf die Besoldungsgruppe B3 zu erhöhen, das entspricht circa 8.000 Euro. Wie wir zwei Tagesordnungspunkte zuvor hören konnten, ist gleichzeitig geplant – das ist das, was mich heute etwas schockiert hat –, in der nächsten Legislaturperiode den Behindertenbeauftragten von der B3 auf die A16 herabzustufen. Das erschließt sich mir nicht, da in dem Gesetzentwurf unter Punkt A im zweiten Absatz geschrieben steht: „Ebenso weicht die besoldungsrechtliche Eingruppierung des Aufarbeitungsbeauftragten von der der übrigen Beauftragten ab.“ In der Begründung steht: „Die Aufwertung der Eingruppierung von der Besoldungsgruppe A16 in die Besoldungsgruppe B3 (für den Aufar- beitungsbeauftragten) erfolgt als Angleichung an die übrigen [...] Landesbeauftragten, die als Spitzenwahlbeamte auf Zeit auch jeweils mindestens in B3 eingruppiert werden […]“. Da erschließt sich für mich nicht, warum man auf der einen Seite etwas heruntergruppieren und auf der anderen Seite etwas hochgruppieren will. Das erschließt sich für mich nicht.
Wir sind der Meinung, dass die Erhöhung unverhältnismäßig ist, betrachtet man die unbefriedigenden Ergebnisse bezüglich finanzieller Entschädigungen von Opfergruppen. Da müssen wir alle in diesem Landtag angesprochen sein. Uns ist es hier im Land Thüringen in den letzten Jahren nicht gelungen, einen eigenen Weg für eine echte Entschädigung der Opfergruppen zu beschreiten, zum Beispiel für die Einrichtung eines Notfallfonds für die
Linderung von Folgeschäden für Opfer der SEDDiktatur, oder sei es für die Opfergruppe der Zwangsausgesiedelten, wie schon erwähnt. Auch im Bund lassen bis heute Regelungen auf sich warten, obwohl zumindest einiges auf den Weg gebracht wurde. Ausgehend davon sind wir der Meinung, dass die Höherbesoldung zu einem Politikum werden kann, auf der einen Seite den Aufarbeitungsbeauftragten höher einzugruppieren, während jene, die schon seit Jahren auf eine finanzielle Unterstützung hoffen, immer noch leer ausgehen. Entscheidungen dieser Art schaffen aus unserer Sicht den Nährboden für jene, die behaupten, die da oben verstehen es, sich zu bedienen, und wir hier unten gehen leer aus. Dies können und dürfen wir nicht gut finden.
Herr Abgeordneter, lassen Sie sich kurz unterbrechen. Herr Geibert hat einen Antrag zur Geschäftsordnung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich wäre doch dankbar, wenn das zuständige Mitglied der Landesregierung anwesend wäre bei diesen doch sehr wichtigen Ausführungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Wirkner, bitte setzen Sie fort. Ein Mitglied der Landesregierung ist anwesend.
Die Landesregierung ist anwesend. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner!
Wie ich schon sagte: Die da oben bedienen sich und wir hier unten gehen leer aus. Und das ist in der heutigen politischen Situation eine komplizierte Geschichte, die wir bei all solchen Anträgen heutzutage beachten müssen. Das können und dürfen
wir nicht gut finden und lehnen daher diesen Gesetzentwurf – und ich möchte betonen ungeachtet der Person des Aufarbeitungsbeauftragten Herrn Dr. Wurschi und dessen Leistung – ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir reden hier in der Tat über eine ganz besondere Position und das nicht nur, weil wir uns im Jahr 30 nach der Friedlichen Revolution befinden. Es geht um die herausragende Bedeutung des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur und es geht natürlich auch um die Erfüllung einer Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, das Landesbeauftragtenwesen auf den Prüfstand zu stellen und anzugleichen. Wir tun dies, und zwar vorliegend, indem wir die beiden beim Landtag angegliederten Beauftragten, nämlich den Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur und den Bürgerbeauftragten, rechtlich aneinander angleichen.
Erstens ist es so, der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur darf eben nicht einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes oder einem entsprechenden Organ der Europäischen Union oder einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören. Das haben wir jetzt geregelt. Er darf neben seinem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und wird weder der Leitung, noch dem Aufsichts- oder dem Verwaltungsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Dies soll der gesellschaftlichen Erwartung an eine unabhängige und ausschließliche Beschäftigung des Landesbeauftragten mit der historischen, politischen und juristischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Freistaat Thüringen gerecht werden. Darüber hinaus gruppieren wir ihn zukünftig in eine B3-Besoldung ein. Diese Höhergruppierung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass sich das Aufgabenspektrum des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur im Rahmen der letzten Gesetzesnovelle von 2013 deutlich erweitert hat und dies sich auch in der Besoldung widerspiegeln muss.