Protocol of the Session on July 3, 2019

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gilt für alle wichtigen Dinge des täglichen Bedarfs – vermeintlich. Denn unter täglichem Bedarf werden nicht nur Grundnahrungsmittel wie Brot oder Milch verstanden, sondern zum Beispiel auch Kaviar, Sammelmünzen, Schnittblumen oder dekorative Bilderwerke. Hygieneartikel wiederum und besonders Menstruationsartikel werden mit einem höheren Steuersatz von 19 Prozent besteuert. Damit werden sie nicht als Artikel des täglichen Bedarfs gewertet, sondern als Luxusartikel.

Auf der Seite des Bundesfinanzministeriums heißt es dazu: „Das Prinzip ist einfach: Das, was im Alltag gebraucht wird, wird auch niedriger besteuert.“ Da fragt man sich doch: Was wird im Alltag gebraucht? Kaviar oder Sammelmünzen? Oder doch eher Tampons oder Binden?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Periode ist kein Luxus, das wissen wir Frauen. Sie ist nichts, wogegen oder wofür sich menstruierende Personen entscheiden könnten, die Periode gehört einfach zum Alltag von Frauen dazu. Somit braucht es auch entsprechende Hygieneprodukte.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die hohe Besteuerung der Produkte stellt eine fiskalische Diskriminierung von menstruierenden Personen aufgrund ihres Geschlechts dar. Dies betrifft vor allem auch Personen mit niedrigem Einkommen. Schauen wir uns einmal die Regelsätze bei Hartz IV an, da sind nur 16 Euro für Gesundheitspflege im Monat enthalten. Werte Kolleginnen und Kollegen, geschätzt werden von Frauen im Monat 5 bis 6 Euro für Monatshygieneartikel ausgegeben. Ich finde, da macht es schon einen großen Unterschied, ob diese mit 12 Prozent weniger besteuert werden. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass dieser Unterschied sehr schnell politisch erreicht wird, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wie wichtig die Debatte um die Absenkung des Steuersatzes ist, zeigt zugleich eine Petition im Bundestag, die die Senkung der Steuern auf Monatsprodukte auf den Weg gebracht hat. Innerhalb von wenigen Tagen waren 81.000 Unterschriften für diese Petition auf den Weg gebracht und jetzt wird sich der Deutsche Bundestag mit diesem Thema befassen.

(Ministerin Keller)

Andere Staaten reagieren auf so eine diskriminierende Wirkung des Steuersatzes von Monatshygieneartikeln sogar mit der vollständigen Abschaffung von Steuern auf diese Produkte. An der Stelle kann ich nur sagen: Wir sollten von Irland, Australien, Indien oder Kenia lernen, dann Deutschland, hast du etwas Positives getan. Lasst uns an der Stelle im zweiten Schritt auch für diese Abschaffung der Mehrwertsteuer kämpfen.

Das Tabu, über Menstruation zu sprechen, brechen wir auch, indem wir eine ungerechte Besteuerung hier endlich einmal thematisieren. Die Periode ist kein Thema von einigen wenigen, sondern eines Großteils der Bevölkerung, denn Frauen haben diese in den zurückliegenden oder vor sich liegenden Jahren noch zu erleben. Damit gehört sie zur Normalität im Alltag vieler. Um diese Normalität damit zu unterstreichen neben der Senkung des Steuersatzes von Menstruationsprodukten, muss auch darüber gesprochen werden, dass kostenfrei Menstruationsprodukte in öffentlichen Toiletten ausgelegt werden. Für mich als Frau ist das heute sehr wichtig. Ich hoffe, die Bundesratsinitiative, Frau Ministerin, zeigt Wirkung, damit wir spätestens nächstes Jahr vielleicht hier an der Stelle eine positive Meldung zu berichten haben.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als nächstem Redner erteile ich Abgeordneten Kowalleck von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für das Thema. Es ist ja doch ein wichtiges Anliegen und vielleicht darf ich einführend sagen: Wir haben an dieser Stelle auch schon öfter über das Thema „Mehrwertsteuersätze“ gesprochen. Meine Vorrednerin hat verschiedene Beispiele gebracht, ob im Schnellrestaurant das Problem ist, nimmt man das Essen mit oder isst man es dort. Gerade auch das Thema von Kindernahrung oder Kinderprodukten hat uns auch schon an verschiedenen Stellen beschäftigt. Wenn Hundekekse mit

7 Prozent besteuert werden und Kinderkekse mit 19 Prozent, ist das auch so ein Beispiel, wozu man sagt: Wo ist denn da der Faktor der Gerechtigkeit? Da kann man ganz viele Beispiele anführen, ob es beim Obst ist, das mit 7 Prozent besteuert wird, oder beim Obstsaft, der mit 19 Prozent besteuert wird. Ich denke, wir sehen das im täglichen Leben. Ich bin auch jemand, der regelmäßig einkauft, ob das Brot, Butter, Bier ist oder auch Hygieneprodukte, ich arbeite da entsprechend meinen Einkaufszettel ab. Ich denke, es ist wichtig, dass man als Abgeordneter die Preise kennt und weiß, wie die Dinge des täglichen Lebens besteuert werden – das ist ja heute auch unser Thema bei der Aktuellen Stunde. Ich weiß deshalb eben auch, dass regelmäßig bestimmte Produkte mit entsprechenden Nachlässen versehen sind. Sie kennen das ja, täglich oder am Wochenende schneien die Prospekte herein und dann sieht man, dass Produkte im täglichen Leben gesenkt werden. Wenn man ein kühler Rechner ist, kann man dann das eine oder andere sparen.

Die große Frage ist ja immer, meine Damen und Herren: Wird eine Senkung der Mehrwertsteuer dann überhaupt weitergegeben? Das ist in verschiedenen Fällen durchaus anzuzweifeln. Am Ende ist es doch so, dass der Markt bestimmte Dinge regelt. Ich habe das eben bewusst als Beispiel gebracht. Wir sehen das wirklich immer, wenn die verschiedenen Prospekte der Discounter ins Haus schneien, dass dann die Angebote gemacht werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch mal an die Diskussion erinnern, die wir im Bundestag haben. So hat der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gesagt, dass er das Vorhaben unterstützt und dass auch die SPD für eine Ermäßigung ist, wenn es gelingt, die Preise flächendeckend und dauerhaft für Periodenprodukte in Höhe der Ermäßigung zu senken. Aber Herr Binding – Herr Pidde wird ihn besser kennen – sagt eben auch, dass nicht sichergestellt werden kann, dass der ermäßigte Steuersatz auch tatsächlich zu einer Entlastung der Verbraucherinnen führt, die Unternehmen können schließlich nicht gezwungen werden, ihre Preise entsprechend zu senken. Er meint auch, dass gerade auch Steuererhöhungen tendenziell sofort als Preisanhebungen weitergegeben werden, Senkungen eher nicht.

Ich muss aber auch sagen, das ist die eine Frage. Im vorliegenden Fall steht vielmehr die Frage nach der Gerechtigkeit im Steuersystem. Ich denke, darauf hat auch meine Vorrednerin Frau Stange hingewirkt. So haben auch bereits Finanzpolitiker der Unionsfraktionen auf Bundesebene gefordert, dass

(Abg. Stange)

die Umsatzsteuer auf Produkte der Monatshygiene von 19 auf 7 Prozent abzusenken sind. Ich erinnere da an die Aussagen unserer finanzpolitischen Sprecherin Antje Tillmann aus Erfurt. Sie erklärte, dass die Anwendung der Regelsteuersätze auf Produkte der Monatshygiene weder inhaltlich noch steuersystematisch zu begründen sei. Da sind wir ja auch wieder in dieser Diskussion, die ich einführend genannt habe, dieser Frage der Gerechtigkeit. Das umfasst eben auch diese Produkte der Monatshygiene.

Die Unionsfinanzpolitiker haben das Ministerium aufgefordert, einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Für mich stellt sich aber an dieser Stelle dennoch die Frage: Warum haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, das als Aktuelle Stunde eingebracht und nicht als Antrag? Wir haben ja auch hier einen Antrag der CDU-Fraktion vorliegen zur Umsetzung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Online-Angebote von Zeitungen und vergleichbaren Medien, werden uns also auch zukünftig mit diesem Thema beschäftigen. Ich denke, es ist wichtig, die Argumente, die wir heute austauschen, ernst zu nehmen und auch Frauen in dieser Frage zu unterstützen. Wir haben das auch hier an dieser Stelle schon gesagt: Gerade die Frauen, die sich finanziell diese Dinge nicht so leisten können wie andere, müssen unterstützt werden. Es ist die Frage, ob das zielführend ist bei dem ermäßigten Steuersatz. Da habe ich ja jetzt schon einige Punkte angebracht. Vielmehr brauchen eben auch diese Frauen weitergehende Unterstützung und das sollte man hier nicht auf die Produkte der Monatshygiene begrenzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit an dieser Stelle.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Dr. Pidde von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bei den Hygieneartikeln des täglichen Bedarfs ist der volle Mehrwertsteuersatz zu zahlen. Ich kann deshalb den Unmut verstehen, weil auch meine Fraktion das als unangemessen findet und darauf drängt, diesen Punkt zu verändern. Allerdings sieht die SPD-Fraktion es so, dass es nicht nur notwendig ist, einen Sachverhalt in der ganzen Mehrwertsteuergesetzgebung zu ändern, sondern dass es einer grundsätzlichen Neuregelung bedarf: Für welche Sachverhalte brauchen wir einen vollen Mehr

wertsteuersatz und wo soll die Ermäßigung greifen?

Das deutsche Mehrwertsteuersystem ist dermaßen unübersichtlich und in vielen Teilen – nicht nur hier, wenn es um die Hygieneartikel geht – nicht mehr nachvollziehbar. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz ist vor über 50 Jahren aus sozialen Gründen eingeführt worden, zuerst für Lebensmittel, Waren des täglichen Bedarfs, Trinkwasser, später für Bücher und Zeitungen, Kulturgüter und dann kam auch noch der Nahverkehr dazu, der auf diesem Weg subventioniert worden ist. Über die Jahrzehnte hat sich im Umsatzsteuerrecht ein System von zahlreichen Vergünstigungen festgesetzt. Bei mancher dieser Regelung fragt man sich heute wirklich, warum es diese überhaupt gibt. Herr Kowalleck hat so schöne Beispiele mit ermäßigtem und vollem Mehrwertsteuersatz genannt. Auch der Unterschied zwischen Maultier und Maulesel möchte erwähnt sein, für das eine sind beim Kauf 7 Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen, bei dem anderen 19 Prozent. Das sind schon Dinge, die wirklich an den Haaren herbeigezogen sind. Leider ist die Liste dieser Vergünstigungen und Ausnahmetatbestände mit der Zeit durch Urteile – wo es also geändert werden musste –, aber auch durch erfolgreichen Lobbyismus immer mehr ausgefranst worden. So haben wir ein Ermäßigungssystem, was in vielen Fällen wirklich ungerecht ist, und in anderen Fällen auch als ungerecht empfunden wird. An ein Beispiel will ich noch mal erinnern, nämlich an die „MövenpickSteuer“, als die FDP im Bundestag damals durchgesetzt hat, den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Hotelübernachtungen einzuführen, um dort eine Förderung für die Hotellobby zu leisten.

Meine Damen und Herren, das alles zeigt, dass es im Grundsatz nicht darum gehen sollte, bei der Mehrwertsteuer über weitere Sonderregeln zu diskutieren, vielmehr sollten endlich Mut und Konsenswillen zwischen Bund und Ländern aufgebracht werden, an dieser Stelle wirklich einmal den viel beschworenen Steuerdschungel zu lichten. Bereits 2010 hat der Bundesrechnungshof eine umfassende Reform und Überarbeitung der Ausnahmetatbestände gefordert. Bisher ist allerdings wenig passiert. Meine Fraktion spricht sich dafür aus, nicht klein-klein vorzugehen, sondern eine Überprüfung aller Ermäßigungstatbestände vorzunehmen und dann eine strukturelle Neuordnung im Umsatz- und Mehrwertsteuerrecht zu erreichen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Kowalleck)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Muhsal von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Bundestag wurde kürzlich eine Petition eingereicht, die den Bundestag auffordert zu beschließen, Hygieneprodukte für Frauen statt mit 19 Prozent mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozentpunkten zu besteuern. So weit, so gut. Da es sich um Produkte des täglichen Bedarfs handelt, ist die Petition nachvollziehbar und die Umsetzung unterstützenswert. Wenig nachvollziehbar ist allerdings, warum Die Linke dazu eine Aktuelle Stunde im Thüringer Landtag beantragt.

(Beifall AfD)

Die Petition ist eingereicht, die Petition wird im Petitionsausschuss des Bundestags behandelt werden. Warum die Thüringer Landesregierung darüber hinaus noch eine Bundesratsinitiative anstrengen soll, bleibt Ihr Geheimnis, und, Frau Stange, dazu haben Sie sich ja auch nicht geäußert.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Das wird die nächste Regierung machen!)

Vielleicht ist der Grund, dass sich die linke Bundestagsfraktion nicht in der Lage sieht, der Petition zuzustimmen, ich weiß es nicht. Vielleicht ist der Grund auch, dass die Linken einmal mehr in populistischer Manier ein Problem aufbauschen und instrumentalisieren wollen, um sich selbst besser dastehen zu lassen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Aus Ihrem Mund hört sich das toll an!)

Ja, das glaube ich Ihnen, Herr Blechschmidt, das tut Ihnen leid.

Fest steht allerdings, dass das Problem der nicht ermäßigten Mehrwertsteuer kein Problem ist, das ausschließlich auf Frauen fokussiert wäre. Nur nebenbei bemerkt: Das Ziel der Petition, den ermäßigten Steuersatz für Frauenhygieneprodukte zu erreichen, teilen wir durchaus, das habe ich gesagt. Aber die Begründung dieser Petition treibt doch – ich drücke es mal vorsichtig aus – so manche Stilblüte. So ist beispielsweise davon die Rede, dass Menstruierende nicht nur „systematisch diskriminiert“ würden, sondern auch meistens Frauen seien.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Also, das geht ja gar nicht!)

Der menstruierende Mann scheint also die neueste neumodische Erfindung zu sein. Darüber werden sich vielleicht alle im Genderdschungel Verlorengegangenen freuen. Ich denke, der heteronormative Teil der Bevölkerung wird allerdings langsam in Deckung gehen.

(Beifall AfD)

Nichtsdestotrotz ist in der Begründung der Petition darüber hinaus von „offenem Sexismus“ die Rede, was wohl ziemlich weit am Kern der Sache vorbeigeht. Für welche Produkte der ermäßigte Steuersatz und für welche der Steuersatz von 19 Prozent gilt, ist seit jeher wenig nachvollziehbar. Das wurde schon angesprochen. Warum Hundekekse 7 Prozent Mehrwertsteuer haben und Kinderkekse aber mit 19 Prozent besteuert werden, das weiß kein Mensch. Warum Feinschmeckerprodukte wie Gänseleber, Froschschenkel, Wachteleier, Krebsfleisch, Riesengarnelen oder Schildkrötenfleisch unter den ermäßigten Mehrwertsteuersatz fallen, grundlegende Hygieneprodukte aber mit dem vollen Satz besteuert werden, das ist genauso wenig nachvollziehbar. Zu Hygieneprodukten gehören beispielsweise auch Zahnpasta, Zahnbürsten, Rasierschaum, Rasierklingen für Männer und für Frauen, Toilettenpapier usw. usf.

(Beifall AfD)

Solche Hygieneprodukte gehören zur gesundheitlichen Grundversorgung und sollten daher in Deutschland für jeden zu einem angemessenen Preis verfügbar sein. Das gilt aber auch und vor allem für Kinderhygieneprodukte wie Windeln, für die ebenfalls 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig sind.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt auch andere Menschen, die Windeln brauchen!)

Ja, da haben Sie natürlich recht. Für Inkontinenzprodukte, Frau Rothe-Beinlich, sollte das selbstverständlich auch gelten. Das ist auch kein Witz, Frau Rothe-Beinlich, das zeigt einfach mal, dass von den Linken diese Bundesratsinitiative viel zu kurz greift, wenn es darum geht.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Warten Sie doch erst mal ab!)