Die Landesregierung, allen voran das Bildungsministerium, hat diesen Auftrag auch angenommen und dazu Ende 2018 einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Und da bin ich schon beim ersten Kritikpunkt: Ja, dieser Gesetzentwurf hätte auch früher vorgelegt werden können. Nicht zu vergessen ist aber, dass ihm ein sehr intensiver und langer Dialogprozess vorangegangen ist, bei dem sich auch alle an Schule Beteiligten einbringen konnten und eingebracht haben.
Und auch für diesen Kraftakt gilt insbesondere – das will ich noch mal ganz deutlich sagen – den Mitarbeiterinnen im Bildungsministerium, aber auch sonst allen Akteurinnen, allen Akteuren, den Lehrerinnen, den Interessenverbänden, den Gewerkschaften, den Erzieherinnen, den Eltern, den Schülerinnen unser ausdrücklicher Dank.
Zum parlamentarischen Verfahren, denn in dem befinden wir uns ja nun: Als Fraktionen haben wir uns jedenfalls sehr genau und ausführlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigt und dabei natürlich auch immer wieder den offenen Dialog mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren gesucht. Wir haben viele Diskussionsrunden mit Bürgerinnen und Bürgern im Land durchgeführt. Wir haben uns mit schulischen Praktikerinnen ausgetauscht und wir haben junge Menschen eingeladen, sich aktiv in den Diskussionsprozess einzubringen. Ich verweise auf die vielen Tagungen rund um das Thema „Inklusion“, auf Fachgespräche zur Demokratisierung von Schule, auf kommunalpolitische Tage, auf Veranstaltungen in der Fläche. Und ich wage die Vermutung, dass es bisher in der Geschichte des Landes und des Landtags kein Gesetz gab, welches so lange und so intensiv – und durchaus auch so kontrovers – im Land diskutiert wurde. Aber die Demokratie lebt ja auch von der Debatte, so lange jedenfalls, wie sie fair geführt wird. Fairness meint natürlich nicht die ständig vorgetragenen Anwürfe der CDU, wir würden – wahlweise massenhaft – Schulen schließen wollen, die Förderschullandschaft zerschlagen oder gar ein Einheitsschulsystem etablieren wollen. Ich sage es hier noch einmal ganz deutlich, auch und gerade zu Ihnen als Eltern: Alle diese Behauptungen sind falsch.
Im Bildungsausschuss haben wir uns in sieben Sitzungen und in einer umfassenden mündlichen Anhörung am 7. Februar bis tief in die Nacht mit dem Schulgesetz befasst. Das Ergebnis unserer Befassung liegt in Form der 24-seitigen Beschlussempfehlung vor und enthält viele Änderungsvorschläge von Anzuhörenden, die wir aufgegriffen haben.
Nun zu den wesentlichen Änderungen am Gesetz – ich will hier drei Bereiche aufgreifen. Ich sage es noch mal: Die Aufgabe von Fraktionen im parlamentarischen System ist es, dass sie sich auch mit Änderungsanträgen zu Gesetzen beteiligen. CDU und AfD haben dies nicht getan.
Zunächst zu den neuen Schulgrößenvorgaben: Ja, es war so, die Landesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf erstmalig Regelungen für die Schulnetzplanung vorgeschlagen. Dazu muss man wis
sen, dass alle Bundesländer bislang verbindliche Vorgaben für die Schulnetzplanung machen, außer Thüringen. Und hier hatte die Landesregierung, Bezug nehmend auf die Expertenkommission „Zukunft Schule“, eigene Vorschläge gemacht, wie diese Vorgaben aussehen könnten, insbesondere welche Größe die Schulen im Land haben sollten. Die Kommunen wiederum als Schulträger haben dazu gemeinsam Stellung bezogen und eigene Vorschläge für Schulgrößenvorgaben gemacht. Deren Anregungen sind wir als die regierungstragenden Fraktionen gefolgt, weil wir Schulnetzplanung als gemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen für gute Schulen im Land begreifen.
Mit den neuen Instrumenten der Schulkooperationen und den umfassenden Ausnahmeregelungen wird es in der Praxis – ich sage es ganz deutlich – zu keinerlei Schulschließungen kommen – im Gegenteil. Durch Kooperationsmöglichkeiten werden Impulse für die Schulentwicklung gegeben.
Zum Zweiten geht es um das durchaus umstrittene Thema „Inklusion“, manche nennen es auch Ideologieprojekt. Lassen Sie mich ganz deutlich formulieren: Inklusion ist ein Menschenrecht.
Inklusion ist nicht, sozusagen von Gnaden etwas zu bekommen, sondern Inklusion ist ein Rechtsanspruch und geht tatsächlich jeden an. Wir stärken den inklusiven Ansatz des Gesetzes, indem wir – liebe Eltern, lassen Sie sich das noch mal sagen – das Elternwahlrecht stärken.
Inklusion ist natürlich auch eine Frage der Haltung, und auch wir haben genau dieselben Briefe bekommen, aus denen Herr Tischner vorhin zitiert hat. Ich sage Ihnen: Sie als Eltern des Jungen, die Sie beschreiben, dass Ihr Sohn eine besondere Lernumgebung braucht – die wird er auch künftig haben, wenn Sie sich so entscheiden. Und ich sage auch den Eltern, die sich Sorgen machen, weil ihr Kind Mehrfachbeeinträchtigungen hat, dass auch sie eine besondere Lernumgebung in Anspruch nehmen können, wenn sie das wollen. Aber ich sage genauso den Müttern und Vätern, die uns geschrieben haben, die sich wünschen, dass ihr Kind im Gemeinsamen Unterricht beschult wird, dass diese künftig genau diesen Rechtsanspruch einlösen können.
Der Gesetzentwurf hat bereits vorgesehen, dass Eltern, deren Kind einen sonderpädagogischen Förderbedarf hat, die Förderschule anwählen können. In Richtung gemeinsamer Unterricht war dies – das gebe ich zu – im Entwurf nicht so eindeutig formuliert. Daher haben wir nun entsprechend klargestellt, dass auch beim Gemeinsamen Unterricht der Elternwille ganz zentral und entscheidend ist.
Wir haben außerdem vereinbart, dass Schülerinnen mit Förderbedarf – und zwar egal welchen Förderbedarfen, sei es im sprachlichen Bereich, im motorischen Bereich oder in sonstiger Hinsicht – bei der Klassenbildung grundsätzlich doppelt gezählt werden. Das bedeutet ganz konkret mehr Förderung durch kleinere Klassen. Und wir stellen klar, dass präventive Förderung bei Lernschwierigkeiten in der Grundschule von Anfang an gewährleistet wird, und begegnen damit auch der Sorge vieler Eltern, deren Kinder Entwicklungsschwierigkeiten aufweisen. Sie bekommen von Anfang an jedwede Unterstützung.
Nun zum Thema „Demokratie“: Demokratie ist eine gesellschaftliche Errungenschaft, die wir tagtäglich neu verteidigen müssen. Das erleben wir auch hier. Demokratische Bildung und demokratische Schulstrukturen sind dafür grundlegend. Daher machen wir konkrete Vorschläge, wie wir Mitbestimmungsund Mitspracherechte von Schülerinnen und Schülern verbessern können. So stärken wir die Informationsrechte. Wir schaffen mit der Ombudsstelle eine unabhängige Beratungs- und Beschwerdestelle für Schülerinnen und Schüler und geben der Schulkonferenz mehr Entscheidungsspielräume, was beispielsweise den Schulbeginn, Ganztagskonzepte, aber auch Grundsätze der Antidiskriminierungsarbeit anbelangt.
Zu unserem Entschließungsantrag: In diesem haben wir noch einige begleitende Hinweise zusammengefasst und formulieren aber auch Erwartungen an die Landesregierung, die mit unserem Änderungsantrag zusammenhängen. So verankern wir im Schulgesetz mehr als bisher die Aufgabe, sich aktiv gegen Gewalt, Diskriminierung und Mobbing an Schulen einzubringen. Dafür sollen gezielte Maßnahmen entwickelt werden. Außerdem sollen für die Schulkonferenz unterstützende Leitlinien und für Lehrkräfte praxisnahe Hinweise für die Gremienarbeit an Schulen entwickelt werden. Damit die Ombudsstelle ihre Wirkung entfalten kann, müssen
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin wirklich froh, dass wir heute das Schulgesetz gemeinsam verabschieden, denn gute Schule lebt von Vielfalt, individueller Förderung und demokratischer Teilhabe.
Unser Ziel ist es, wirklich jedes Kind zum bestmöglichen Abschluss zu bringen. Ich sage Ihnen: Es gibt noch viel zu viele Kinder im Land, die über keinen Schulabschluss verfügen.
Wichtig ist deshalb auch die Erweiterung der Schulpflicht für Kinder, die zu uns geflüchtet, die später zu uns gekommen sind, sodass diese künftig bis 18 ganz regulär zu ihrem Schulabschluss kommen können. Mit dem neuen Schulgesetz, das in den vergangenen sechs Monaten intensiv im Landtag diskutiert wurde, setzen wir genau diesen Anspruch um. Wir entwickeln den inklusiven Unterricht und geben Förderschulen entgegen allen Unkenrufen verlässliche Entwicklungsperspektiven. Wir stärken das längere Gemeinsame Lernen, den Ganztag und erweitern die Bildungszugänge auch für Zugewanderte. Wir erhöhen die demokratischen Mitbestimmungsrechte für Schülerinnen und Schüler und schaffen Vorgaben für tragfähige Schulstrukturen. Keine Schule muss geschlossen werden. Durch neue Schulkooperationen kann der Unterrichtseinsatz verbessert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch sagen, dass mich zwei Dinge wirklich ärgern. Das ist zum einen, wenn die Ängste und Nöte von Eltern benutzt und geschürt werden und ihnen wirklich suggeriert wird, ihre Kinder hätten künftig keine Perspektive mehr in der Schule, die sie besuchen. Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht, gehen Sie dem nicht auf den Leim.
Unsere Förderschulen und deren Expertise brauchen wir auch morgen noch genauso, wie wir sie heute brauchen.
Das Zweite, was mich ärgert, ist, dass die CDU heute als Tischvorlage einen Entschließungsantrag auf unsere Tische verteilen lässt,
in dem sie faktisch sagt: Wir nutzen das Gesetz zwar als Trittbrett, weil wir es ablehnen wollen. Wir sagen noch einmal, dass wir auch wichtig sind, formulieren aber keinen einzigen Änderungsantrag. – Das ist ein Armutszeugnis. Vielleicht drückt sich das darin aus, wie viele von der CDU der Debatte jetzt hier lauschen.
Ich wünsche mir jedenfalls eine breite Zustimmung zum Schulgesetz, denn Schule funktioniert nur im Miteinander. Mein Dank gilt noch einmal allen an Schule Beteiligten und allen, die sich für dieses Schulgesetz starkgemacht haben. Vielen herzlichen Dank.
Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Für die Landesregierung Herr Minister Holter, bitte schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Gäste auf der Zuschauertribüne, liebe Abgeordnete, lassen Sie mich mit einem Dank beginnen. Als Erstes möchte ich – wie immer von diesem Podium – den Lehrerinnen und Lehrern in Thüringen für ihren unermüdlichen Einsatz danken. Das Schuljahr geht zu Ende. Sie haben auch in diesem Schuljahr 2018/2019 Übermenschliches und Unerreichbares geleistet, herzlichen Dank dafür.
Lehrerin und Lehrer sein in Thüringen ist einfach wunderbar, allerdings unter schwierigen Bedingungen.
Ja, in der Pressekonferenz im März habe ich gesagt, das Gesetz ist eine Provokation. Der Gesetzentwurf hat provoziert. Er hat eine Diskussion über die Zukunft der Schulen provoziert, er hat eine Diskussion über Schulstandorte und Schulgrößen in Gang gesetzt und darüber, wie es weitergehen soll mit dem Gemeinsamen Unterricht, mit der Inklusion, wie die Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam unterrichtet werden können, wie die Digitalisierung umgesetzt wird und viele andere Dinge mehr. Diese Diskussion hat aber auch gezeigt, dass es eine Erblast gibt, eine