Protocol of the Session on March 28, 2019

So einfach, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ist das also: freie Wahl und gleiche Wahl einerseits,

freies Mandat und Repräsentation des ganzen Volkes andererseits.

Das jetzt von den rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetz will diese für den freiheitlichen Staat fundamentalen Zusammenhänge – deswegen sagte ich, dass hier tatsächlich die Axt an die Grundlagen unseres Staats gelegt wird – beseitigen. Dabei bedient sich Rot-Rot-Grün nicht nur der Umdeutung unserer Verfassungsbegriffe, sondern gibt zu erkennen, dass unser ganzes Gemeinwesen auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden soll.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, lassen Sie mich das noch mal etwas eingehender erläutern.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das mag für Sie ganz neu sein! Für uns ist das schon länger Realität!)

Erstens ist hier die Umdeutung unserer Verfassungsbegriffe zu nennen. Zentral ist hier der Begriff der Gleichberechtigung. Gleichberechtigung bedeutet, ich wiederhole es, gleiches Recht für gleiche Person bzw. gleiches Recht für gleiche Sachverhalte. Rot-Rot-Grün aber deutet Gleichberechtigung um in Proportionalität bzw. proportionale Gleichheit. So wird in dem Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, mit Blick auf das Wahlrecht aus Gleichberechtigung paritätische Gleichheit. Dabei wird schlicht unterstellt, dass genau dies von Verfassung wegen gefordert sei. Begründet wird dies übrigens nicht. Das lässt sich im Übrigen auch nicht begründen.

(Beifall AfD)

Wie aber kommt man dann auf so einen Einfall? Das fragen sich alle vernunftbegabten Menschen, die sich diesen Gesetzentwurf einmal etwas zu Gemüte geführt haben. Diese Frage führt uns dann zum zweiten Punkt, nämlich dazu, dass Rot-RotGrün unsere Verfassungsordnung auf den Kopf stellen will. Was nämlich hinter dem Gesetzentwurf steht, ist nicht der Gedanke der freien Repräsentation, wie sie für unsere Verfassungsordnung fundamental ist – hören Sie gut zu, vielleicht wissen Sie es noch gar nicht. Vielleicht hat derjenige, der diesen Gesetzentwurf formuliert hat, tatsächlich im Hintergrund gearbeitet. Auch wenn das nicht die Abgeordneten der Regierungskoalition gewesen sein sollten, sondern nur ein Referent im Hintergrund: Hinter dem Gesetzentwurf steht der Gedanke der ständischen Repräsentation. Nach diesem Konzept sind bestimmte Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung quasi spiegelbildlich bzw. proportional auch in die Vertretungskörperschaften zu setzen. Das kann man aber nur fordern, wenn man glaubt, dass die Interessen

dieser Gruppen – das ging aus Ihrer Rede hervor, Herr Adams, dass Sie diesen Glauben besitzen – auch nur von ihnen selbst repräsentiert werden können. Genauso steht es auch in Ihrem Gesetzentwurf. Demnach kann die für Frauen richtige Politik auch nur von Frauen betrieben werden. Das nämlich ist der Sinn der Formulierung, eine nicht paritätische Besetzung der Parlamente wirke sich wörtlich, ich zitiere kurz mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, „auf den Inhalt politischer Entscheidung aus, insbesondere auf die Rechtssetzung.“ Oder der Formulierung, dass die Qualität der politischen Entscheidung vom, wörtlich, „subjektiven Vorverständnis der an der politischen Entscheidung Beteiligten“ abhänge.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wollen Sie doch nicht bestrei- ten!)

Mit anderen Worten: Interessen von Frauen können in Ihrer Denke nur von Frauen wahrgenommen werden, Interessen von Männern nur von Männern, Interessen von Armen nur von Armen, Interessen von Rothaarigen nur von Rothaarigen, Interessen von Vegetariern nur von Vegetariern usw. usf.

Meine Damen, meine Herren, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, das ist natürlich nicht nur offenkundig absurd, weil die Repräsentation aller Gruppen zu Ende gedacht zum Kollaps der staatlichen Institutionen führen muss, sondern es zerstört die Voraussetzungen der Freiheit und Gleichheit aller Bürger als Bürger und die freie Repräsentation als Entsprechung zur Volkssouveränität. Es zerstört unsere Verfassungsordnung. Da machen wir als AfD nicht mit.

(Beifall AfD)

Ich weiß sehr wohl, dass wir in unserer Staatsordnung bereits Schritte hin zur positiven Diskriminierung um der angeblichen Gleichberechtigung willen unternommen haben. Ich erwähnte das eingangs schon. Das können wir etwa in der Einstellungspolitik im öffentlichen Dienst sehen, wo männliche Bewerber bei gleicher Qualifikation das Nachsehen haben, wenn sich eine Frau auf die Stelle beworben hat. Wir sind also bereits auf einer schiefen Ebene unterwegs – leider, muss ich sagen. Aber dieses Paritätsgesetz geht in seiner Vorstellung einer ständischen Repräsentation von Gruppenrechten einen unerhörten – ich betone: einen unerhörten – Schritt weiter. Noch mal: Dieses Modell, das Sie hier präferieren, ist rückwärtsgerichtet, denn wir leben nicht mehr – und ich muss sagen, Gott sei Dank – in einer ständischen Gesellschaft, sondern in einem auf der Volkssouveränität beruhenden Nationalstaat.

(Beifall AfD)

Übrigens war, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, die ständische Repräsentation das Modell, das auch dem – es wundert uns ja gar nicht – DDR-Parlamentarismus zugrunde lag. Daran möchte ich im 30. Jahr der Friedlichen Revolution gern noch mal anlassbezogen erinnern.

(Beifall AfD)

Ziemlich genau vor 30 Jahren, meine Damen und Herren, nämlich am 23. Februar 1989, wenige Monate vor dem Untergang der DDR und wenige Wochen vor den manipulierten DDR-Kommunalwahlen, stand auf Seite 2 des „Neuen Deutschlands“ – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin –: „Unsere Volksvertretungen“ – also die Vertretungen der DDR, das ist meine Ergänzung – „repräsentieren in ihrer Zusammensetzung weitgehend die Bevölkerung im jeweiligen Bereich, die Klassen und Schichten, politischen Parteien und Massenorganisationen, Geschlechter, Berufs- und Altersgruppen.“ So steht es da und so klingt es, wenn man von ständischer Repräsentation spricht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ständig oder ständisch?)

In dem Artikel wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Wahlrecht der DDR dies schon durch die Kandidatenauswahl sichert. Natürlich war die Volkskammer nicht mit den heute bekannten 60 Geschlechtern paritätisch besetzt.

(Beifall AfD)

Von deren Existenz war damals natürlich noch nichts bekannt. Aber dass man diese Volkskammer schön in Gruppen aufgeteilt hat und die auch einen entsprechenden von vornherein zugewiesenen Anteil an den Sitzen hatten, das ist bekannt. So sah der Ständestaat DDR aus.

Meine Damen und Herren, wir sehen also, wes Ungeistes Kind der vorliegende Gesetzentwurf ist. Es ist ein Gesetzentwurf aus dem Arsenal der Rückständigkeit und der Diktatur.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was denn sonst? Man kann gewiss der Meinung sein – und das möchte ich abschließend betonen –, dass Frauen zum Beispiel im öffentlichen Leben, etwa in der Politik, präsenter sein sollten, dass mehr Frauen mitwirken sollten oder beispielsweise mehr Frauen in Parlamenten sitzen sollten. Das kann man durchaus als Meinung vertreten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da sind Sie ja in Ihrem Metier!)

Was im freiheitlichen Staat aber nicht geht, ist, diese berechtigte Forderung per gesetzlichem Zwang umsetzen zu wollen.

(Beifall AfD)

Deshalb ist dieser Gesetzentwurf verfassungswidrig und deswegen werden wir ihn, falls er verabschiedet wird, mit allen juristischen Mitteln angreifen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. Als Nächste spricht Abgeordnete Müller von der Fraktion Die Linke.

Dass dieser Gesetzentwurf für Spannung oder für Diskussionsfreude sorgt, das haben wir uns gedacht, aber dass so eine Partei am Anfang schon ihr Frauenbild deutlich zur Kenntnis bringt, das hat mich noch mal erschreckt. Ja, man sieht es an Ihrer Partei, Herr Höcke, Stadtratsliste der AfD Erfurt, ich glaube, 14 Kandidierende, davon eine Frau ganz weit hinten. Das zeigt doch, wie notwendig es ist, dass wir Frauen stärker in die Parlamente oder Parteien dazu bringen sollten,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist doch so! Sie, Frau He- rold, kommen ja auch fast nie zum Stadtrat!)

dieses stärker anzugehen.

Noch mal etwas zur Thüringer Verfassung: Darin steht – ich wiederhole es gern noch mal –: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.“ Das ist Auftrag an uns alle. Dass nun nicht jeder eine Clara Zetkin wird, das weiß ich auch, aber das Parlament soll sich mit der Gleichberechtigung der Frauen auch in dieser Legislatur beschäftigen und da ist das Paritätsgesetz ein Einstieg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bekanntermaßen sind so ziemlich die Hälfte der Erdbevölkerung, also auch der Bevölkerung in Thüringen, Frauen. Durch Abwanderung kann sich das manchmal zeitweise verschieben. Das haben wir alle erlebt. So gab es eine Zeit lang auch in Regionen in Thüringen einen leichten Männerüberschuss, da uns die jungen, qualifizierten Frauen verlassen haben. Dass Frauen immer noch in unserer Gesellschaft benachteiligt sind, brauche ich wenige Tage

nach dem jährlichen Equal Pay Day – den Sie alle verfolgt haben, das habe ich eben mitbekommen – nicht weiter zu vertiefen. In vielen Gremien, auch hier in Aufsichtsräten und Einrichtungen, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Das hat dann nicht nur seine Ursache in familienunfreundlichen Arbeitsabläufen.

Für den Thüringer Landtag sieht die Frauenrepräsentanz ganz gut aus – über 40 Prozent. Dann könnte man provokant sagen: Wozu brauchen wir es dann? Wir brauchen es, weil es im Moment daran liegt, dass wir drei wunderbare Parteien im Thüringer Landtag vertreten haben, die diese Listenaufstellung schon paritätisch besetzen. Daran liegt das und nicht daran, dass Frauen aus Ihren Reihen irgendwie einen vorderen Listenplatz bekommen haben.

Nach Artikel 2 der Thüringer Verfassung – das habe ich eben schon gesagt –, der in diesem Punkt einer langjährigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und von Verfassungsgerichten folgt, dürfen Frauenfördermaßnahmen ergriffen werden, solange noch eine gesellschaftliche Diskriminierung bzw. Schlechterstellung von Frauen besteht. Das ist die verfassungsrechtliche Begründung für eine gesetzliche Quotierung. Gesellschaftspolitisch soll sie ein Hebel sein – auch bei Parteien, die der Gleichstellung von Frauen bisher nicht so offen gegenüberstehen. Der Gesetzentwurf ist nach Ansicht unserer Fraktion ein wichtiger Einstieg; das hat auch Herr Adams eben schon mal gesagt. Und ja, langfristig sollten und müssen wir vielleicht auch über eine Quotierung der Wahlkreismandate nachdenken.

(Beifall DIE LINKE)

Das wäre dann eine ganz große Lösung. Doch jeder Reformweg beginnt mit vielen kleinen einzelnen Schritten. Natürlich ist es eine berechtigte Frage, ob nicht auch Quoten für andere Bevölkerungsgruppen wie Migrantinnen oder behinderte Menschen ins Auge gefasst werden müssen, wenn es um die Beseitigung von sozialer Diskriminierung und von Unterrepräsentanz geht. Außerdem müssen wir auch über eine Schutzklausel für Parteien zur verfassungsrechtlichen Prüfung diskutieren, die aus programmatischen Gründen nicht quotieren wollen, weil es vielleicht reine Frauen- oder reine Männerparteien sind. Aber – wie eben schon erwähnt – es ist als ein erster Baustein und Instrument für mehr Geschlechterparität geformt, nicht aber als fundamental feministisches gesetzliches Zwangswerkzeug. Das würde in solcher Zuspitzung auch zum verfassungsrechtlichen Crash führen.

(Abg. Höcke)

Uns als Linke-Fraktion ist bewusst, dass die Quotierung – wie gesagt – ein kleiner Schritt der Emanzipation ist, aber kein Allheilmittel, schon gar nicht das alleinige. Für eine emanzipierte und emanzipatorische Gesellschaft braucht es viele unterschiedliche Schritte. Und es geht bei einer solchen um möglichst große Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der auf einzelne Personen zielenden Gesellschaft, nicht nur um die Emanzipation im Verhältnis der Frauen zu den Männern. Doch – wie gesagt – der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein und er sollte und muss in den Ausschüssen diskutiert werden, auch mit einer öffentlichen Anhörung. Daher beantrage ich die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss als federführenden Ausschuss, an den Gleichstellungsausschuss und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

Ich will zum Schluss noch mal sagen: Wir haben alle die Festlichkeiten zu „100 Jahre Weimarer Verfassung“ erleben dürfen, wir haben die Feierlichkeiten im Deutschen Bundestag dazu verfolgen können. Dort hat die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth aufgerufen: Ja, wir brauchen ein Paritätsgesetz. Von daher lade ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, gern zur Diskussion dazu ein und ich würde mich über Ihre Vorschläge richtig freuen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Kellner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörer auf der Tribüne, bevor ich zum Gesetzentwurf komme: Herr Adams, ich habe vorhin das Gefühl gehabt, Sie reden gar nicht über Ihren Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben. Hier steht nämlich: Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes – Einführung der paritätischen Quotierung. Sie haben im Rundumschlag in alle Richtungen ausgeholt. Das haben Sie nur gestreift, deswegen habe ich mich etwas gewundert, ob ich vielleicht hier nicht den richtigen Text vorliegen habe.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe es begründet und Sie haben es genau verstanden!)

Aber gut, das hat sich jetzt geklärt. Ich habe ja gehört, es scheint doch um dieses Gesetz zu gehen. Dann komme ich auch gleich darauf zu sprechen: Der Frauenanteil in Thüringen beträgt 50,5 Prozent und wir haben ja von Vorrednern gehört, dass unser Landtagsparlament mit 40,6 Prozent Frauenanteil gut bestückt ist.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dank Rot-Rot-Grün!)