Protocol of the Session on March 27, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne, die Zuschauer am Livestream sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin neben mir Frau Abgeordnete Rosin Platz genommen. Die Redeliste führt Herr Abgeordneter Schaft.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Lieberknecht, Herr Abgeordneter Rietschel, Herr Minister Prof. Dr. Hoff und Frau Ministerin Taubert.

Gestatten Sie mir zu Beginn folgende allgemeine Hinweise: Der Ältestenrat hat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung für Herrn Tassilo Klöppel, Auszubildender beim MDR, eine Dauerarbeitsgenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen im Plenarsaal erteilt.

Die Landesärztekammer Thüringen, der Verein Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e. V., die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen und die AOK Plus haben für heute zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 19.00 Uhr beginnen soll. Das Thema lautet: „‚Gemeinsam – Regional – Vernetzt‘ – Herausforderungen der medizinischen Versorgung gemeinsam bewältigen“.

Die UNICEF-Arbeitsgruppe Erfurt führt morgen im Foyer ihren traditionellen Verkauf von Osterkarten sowie Grußkarten zugunsten der UNICEF-Kinderhilfsprojekte durch. Ebenfalls im Foyer präsentiert sich während der Plenarsitzung das Projekt „Weidewonne“. Dieses wird vom Ministerium für Umwelt, Energie, Naturschutz sowie der Stiftung DAVID getragen. Damit soll für die Landschaftspflege durch Thüringer Schäfer geworben werden.

Kommen wir zur Tagesordnung: Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 4 hat die Drucksachennummer 6/6994 und zu Tagesordnungspunkt 18 die Drucksachennummer 6/6989.

Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 2 hat die Drucksachennummer 6/7006 und zu Tagesordnungspunkt 3 die Drucksachennummer 6/7001.

Zu diesen Tagesordnungspunkten 2 und 3 haben die zuständigen Ausschüsse erst heute abschließend beraten. Die Beschlussempfehlungen können dadurch auch erst im Laufe des heutigen Tages be

reitgestellt werden, sodass unter Einhaltung der Frist gemäß § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung die beiden Tagesordnungspunkte erst am Freitag zum Aufruf kommen können. Ein Aufruf davor setzt eine Fristverkürzung nach § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung voraus. Diese kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.

Die Fraktionen waren im Ältestenrat übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 3 heute auf jeden Fall aufzurufen. Deshalb stimmen wir nun über die Fristverkürzung zur Beratung des Tagesordnungspunkts 3 in der heutigen Plenarsitzung ab. Erhebt sich Widerspruch gegen diese Fristverkürzung? Ich sehe, das ist nicht der Fall, dann würden wir so verfahren.

Die Tagesordnungspunkte 1 und 5 wurden in den zuständigen Ausschüssen noch nicht abschließend beraten und werden deshalb von der Tagesordnung abgesetzt.

Zu Tagesordnungspunkt 7 wurde eine zweite Neufassung des Gesetzentwurfs verteilt, zu Tagesordnungspunkt 18 wird ein Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/7005 verteilt.

Der Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses 6/3 zu Tagesordnungspunkt 19 hat die Drucksachennummer 6/6990.

Der Wahlvorschlag der Fraktion Die Linke zu Tagesordnungspunkt 20 hat die Drucksachennummer 6/7000.

Die Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu Tagesordnungspunkt 21 haben die Drucksachennummern 6/7002 und 6/7003.

Zur Fragestunde in Tagesordnungspunkt 22 kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Drucksachen 6/6967, 6/6968, 6/6970, 6/6972, 6/6973, 6/6975, 6/6977 und 6/6992. Die Mündliche Anfrage in der Drucksache 6/6974 wurde von der Fragestellerin in eine Kleine Anfrage umgewandelt.

Die Landesregierung hat mitgeteilt, zu Tagesordnungspunkt 14 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Bitte schön, Herr Blechschmidt.

Danke, Frau Präsidentin. Namens der Koalitionsfraktionen beantrage ich drei Platzierungen. TOP 12 „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2019

und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“ hätten wir gern als ersten TOP am Donnerstag. Den TOP 10 „Gesetz zur Änderung des Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetzes“ würden wir gern am Freitag als zweiten TOP aufrufen. Anknüpfend an Ihre Worte, dass erst heute entsprechende Sitzungen in Ausschüssen stattgefunden haben, würden wir auf alle Fälle das „Thüringer Gesetz zur Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen“ erst am Freitag abarbeiten.

Gibt es weitere Anmerkungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann werden wir über diese Platzierungen abstimmen – als Erstes TOP 12 am Donnerstag als erster TOP. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sowie die fraktionslosen Abgeordneten. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Es enthält sich die Fraktion der AfD. Damit ist diese Platzierung so bestätigt.

Ich komme zur nächsten Platzierung: TOP 10 am Freitag als zweiten Tagesordnungspunkt. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die fraktionslosen Abgeordneten, die Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Gibt es Gegenstimmen? Haben Sie zugestimmt?

(Zuruf Abg. Kießling, AfD: Ja, wir hatten zu- gestimmt!)

Also auch Zustimmung der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist dies so beschlossen.

Wir kommen zu dem Wunsch, Tagesordnungspunkt 2 auf jeden Fall am Freitag zu behandeln. Dann bitte ich jetzt um die Zustimmung für diese Platzierung. Das sind die fraktionslosen Abgeordneten, die Fraktionen der AfD, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und Die Linke. Wer ist dagegen? Dagegen sind zwei Abgeordnete aus der CDU-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Das waren drei!)

Wer enthält sich? Es enthält sich die Mehrheit der CDU-Fraktion und Abgeordneter Reinholz. Damit ist diese Platzierung auch so bestätigt. Ich sehe keine weiteren Anmerkungen.

Dann treten wir in die Tagesordnung ein und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23

Aktuelle Stunde

Alle Fraktionen haben jeweils ein Thema zur Aktuellen Stunde eingereicht. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für dieses Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten für jedes Thema. Bei fraktionslosen Abgeordneten beträgt die Gesamtredezeit in der Aktuellen Stunde 5 Minuten. Diese Gesamtredezeit kann durch einen fraktionslosen Abgeordneten auf die beantragten Themen zur Aktuellen Stunde aufgeteilt werden.

Hat die Landesregierung in einer ersten Wortmeldung eine Redezeit von mehr als 10 Minuten in der Aussprache zu einem Thema in Anspruch genommen bzw. ergreift sie erneut das Wort, so erhält jede Fraktion jeweils 2 Minuten Verlängerungszeit.

Gemäß § 27 Abs. 1 der Geschäftsordnung bestimmt die Präsidentin die Reihenfolge der Redner. Zwischenfragen sind nicht zulässig.

Ich rufe auf den ersten Teil der Aktuellen Stunde

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Brexit: Eine Europäische Union ohne Großbritannien – mögliche Auswirkungen auf Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/6971 -

Ich eröffne die Aussprache und als Erste hat Frau Abgeordnete Henfling das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Ganz ehrlich – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht –, aber ich kann ein Wort nicht mehr hören und das ist „Brexit“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit über zwei Jahren mit dem Ergebnis des Referendums in Großbritannien am 23. Juni 2016 wird die Welt in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte oder besser gesagt die Nicht-Fortschritte der Brexit-Verhandlungen informiert.

Ich bitte doch um mehr Aufmerksamkeit.

(Abg. Blechschmidt)

Inzwischen lässt sich das Agieren der britischen Regierung und des britischen Unterhauses mit einem Wort beschreiben, nämlich: Chaos. In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Abstimmungen, die das Wie des Brexit bestimmen sollten. Über den Austrittsvertrag, über den mit Brüssel nachverhandelten Austrittsvertrag, über einen Austritt ohne Vertrag, den sogenannten Hard Brexit oder über die Möglichkeit eines zweiten Referendums. Immer wieder stimmte die Mehrheit der britischen Abgeordneten dagegen. Wofür sie letztendlich sind, wie also ein mehrheitsfähiger Brexit tatsächlich aussehen könnte, ist auch zwei Tage vor dem eigentlichen Austrittstermin, nämlich am Freitag dieser Woche, offen. Heute Abend will das britische Unterhaus selbst ausloten, welcher Brexit eine Mehrheit in den eigenen Reihen finden würde. Noch immer stehen sieben Möglichkeiten im Raum: Das Austrittsabkommen von Theresa May, ein NoDeal-Brexit, ein zweites Brexit-Referendum, die Rücknahme des Austrittswunsches gegenüber der EU, ein Freihandelsabkommen mit der EU, ein Verbleib des Landes in der Zollunion oder ein Verbleib des Landes im Gemeinsamen Markt. Ob eine Verschiebung des Brexit-Austrittstermins auf den 12. April entscheidungsfördernd ist, wird sich zeigen.

Doch wie geht es eigentlich den Britinnen und Briten? Das Land ist gespalten, der Brexit treibt Keile zwischen Familien, zwischen Freundinnen und Kolleginnen. Da sind auf der einen Seite die Nationalistinnen, die der Europäischen Union schon immer kritisch gegenüberstanden, die einen zügigen Hard Brexit befürworten. Auf der anderen Seite sind die Pro-Europäerinnen, die die Zukunft eines weltoffenen, Wohlstand und Frieden sichernden Großbritanniens und einer geeinten und starken Europäischen Union sehen.

Lassen Sie mich einige Worte zum Referendum verlieren. Wie einleitend erwähnt, stimmte im Juli 2016 eine knappe Mehrheit, nämlich 52 Prozent, für den Austritt Großbritanniens und Nordirlands aus der Europäischen Union. Schaut man in einzelne Regionen, gibt es da unterschiedliche Abstimmungsverhalten. In England und Wales stimmte eine knappe Mehrheit für den Austritt, in Nordirland und Schottland hingegen stimmte die Mehrheit mit 56 und 62 Prozent für den Verbleib. Inzwischen, fast drei Jahre nach dem Referendum, werden kritische Stimmen immer lauter. Guy Verhofstadt, der Brexit-Verhandlungschef des EU-Parlaments, spricht davon, dass der Brexit gekauft und das Referendum manipuliert wurde. Dieser Auffassung

sind inzwischen viele Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen und Politikerinnen. Das Gesicht der Anti-EU-Bewegung ist Nigel Farage, selbst britisches Mitglied im EU-Parlament. Farage erhielt für seine Brexit-Kampagne unter anderem von dem britischen Milliardär Arron Banks eine Million Pfund, die höchste Summe, die in der politischen Geschichte des Königreichs jemals gespendet worden ist. Hilfe gab es auch vom rechtspopulistischen Breitbart Network aus der USA und Steve Bannon, mit dessen Hilfe gezielt die sozialen Medien als Brandbeschleuniger genutzt wurden. Bannon war Vizepräsident von Cambridge Analytica, einem Unternehmen, welches 80 Millionen Menschen ausspionierte. Mit den gewonnen Daten wurden Behauptungen auf die potenziellen Wählerinnen zugeschnitten, Propaganda wurde maßgeschneidert personalisiert verbreitet. Auf diese Weise wurde das demokratische Prinzip verändert, wurden demokratische Prozesse, wie öffentliche Debatten und Faktenüberprüfungen, untergraben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum sage ich das? Wir befinden uns in einem Superwahljahr, so nennen wir das ja immer gern. Am 26. Mai haben wir hier in Thüringen nicht nur die Kommunalwahlen, sondern auch die Wahl zum Europaparlament. Uns treibt tatsächlich um, wie momentan Stimmung gemacht wird, wie Politik gemacht wird. Ich glaube, das hat auch Auswirkungen auf Thüringen und deswegen hier auch unsere Aktuelle Stunde.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie erinnern sich alle an die Schreckensszenarien, die in Großbritannien an die Wand gemalt wurden, warum die Leute für einen Brexit stimmen sollten. Erinnern Sie sich an die Vote-Leave-Kampagne von Boris Johnson, die am Ende übrigens täglich 100.000 Pfund für, ich nenne es immer gern Propaganda ausgegeben hat. Inzwischen beschäftigt sich übrigens unter anderem die britische Justiz mit den Manipulationen, mit der Spionage und dem Verdacht, dubiose Spendengelder erhalten zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten in Thüringen und in Europa vergiften das Klima, sie wollen unsere Demokratie abschaffen und vor allen Dingen übernehmen sie dann am Ende keine Verantwortung dafür.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete!