Protocol of the Session on March 1, 2019

(Beifall AfD)

Zu Punkt 2 Ihres Antrags in aller Kürze: Sie wollen erneut, dass die Landesregierung geeignete Maßnahmen unternimmt, um Akteure der Drogen- und Suchtprävention auf kommunaler Ebene zu vernetzen. Auch das ist mir zu wischiwaschi, vor allem nach einer umfangreichen Anhörung.

Zu Punkt 3 Ihres Antrags: Die Landesregierung soll eine Landesstrategie „Drogen- und Suchtprävention an Schulen“ erarbeiten, um landesweit einheitliche und verbindliche schulische Standards für die Präventionsarbeit zu schaffen sowie die Informationen über bestehende schulische Präventionsprogramme und geeignete Projekte zu intensivieren. Auch das ist mir viel zu oberflächlich, um dem zuzustimmen, vor allem wenn es von den rot-rot-grünen Fraktionen kommt.

Vor allem, Frau Engel, wenn ich Ihre Rede gehört habe, da zweifelt man ja wirklich an allem. Eigentlich war die ganze Rede fürchterlich, muss man sagen, was die Thematik angeht,

(Unruhe DIE LINKE)

gerade was Sie am Ende gesagt haben. Ihre Auslassung, dass die Unterscheidung in legale und illegale Drogen vollkommen willkürlich sei, und die Schlüsse, die Sie gezogen haben, das ist einfach vollkommen daneben bei der Thematik.

(Beifall AfD)

(Unruhe DIE LINKE)

Allgemein ist mir noch in sehr guter Erinnerung, dass Frau Prof. Weichold von der Friedrich-SchillerUniversität Jena in der Anhörung erklärt hat, sie selbst habe zunächst bei der WHO in Genf gearbeitet und dort Richtlinien für die Evaluation von Lebenskompetenzprogrammen entwickelt, sodann habe sie das Programm IPSY entwickelt und dieses dann selbst evaluiert. Wen wundert es, dass sie dann zu dem Ergebnis kommt, dass ihr Programm gut ist? Falls das mit der Landesstrategie „Drogenund Suchtprävention an Schulen“ nach dem gleichen Prinzip gemacht werden soll – na dann gute Nacht!

Insgesamt ist Ihr Antrag entweder unausgegoren oder absichtlich viel zu vage. Ich stimme ihm jedenfalls nicht zu. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Dr. Hartung von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zu meiner Vorrednerin nur so viel: Ich möchte eine einzige Gesellschaft sehen, bei der man Drogenprobleme mit mehr Polizei gelöst hat. Da gibt es keine.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch fand ich die Anhörung sehr aufschlussreich. Dort sind sehr viele Anregungen gekommen und ich möchte an dieser Stelle die drei Punkte herausgreifen, die wir dann auch zur Grundlage des Antrags genommen haben. Der erste Punkt – und das ist für mich der entscheidende und eigentlich auch der bedenklichste –: Wir haben überhaupt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie dramatisch die Situation tatsächlich ist. Wir haben keine Thüringer Erhebung, wir haben keine Überblicke, wir haben lediglich mittelbare Zahlen, aus denen wir Rückschlüsse ziehen können. Das ist zum einen die Anzahl der polizeilich auffälligen Drogendelikte. Es ist zum anderen die Frage, wie viele Drogenabhängige aus welchen Gründen medizinisch vorstellig werden. Und es ist natürlich auch hier zunächst darauf zu achten, dass wir eine ordentliche Erhebung der Datenlage bekommen, um darauf reagieren zu können, denn wir müssen wissen, wo die Schwerpunkte sind, wo wir das größte Problem haben, in welchen Regionen wir uns besonders engagieren müssen und wo das Problem vielleicht etwas

(Abg. Muhsal)

geringer als bislang ist. Und wenn wir heute in der Zeitung lesen, „Erfurt hat ein Drogenproblem“, dann ist das nur ein Schlaglicht. Ich glaube, wir brauchen da ein Raster, das wir über das ganze Land legen müssen, um zu wissen, wo die Probleme noch virulent sind.

Ein zweiter wichtiger Punkt – auch das ist aufgefallen –: Wir haben eine Vielzahl an Projekten, wir haben eine Vielzahl an Trägern, aber die Vernetzung innerhalb dieser Projekte und unter den Trägern ist relativ unterentwickelt. Für mich ist der denkwürdigste Punkt, dass der Vertreter der Polizeidirektion Erfurt vom Projekt IPSY überhaupt das erste Mal in der Anhörung erfahren hat. Das ist eine Situation, die ist geradezu widersinnig, weil dieses Projekt unter wissenschaftlicher Begleitung einen wertvollen Ansatz liefert – und ein wesentlicher Vertreter der Polizei hat es bislang nicht gekannt. Solche Dinge dürfen nicht mehr vorkommen. Auch diesem Punkt widmet sich unser Antrag.

Der dritte Punkt, den ich herausheben möchte, ist die Frage, welcher Qualität die einzelnen Angebote sind. Wenn ich mich beispielsweise erinnere, dass verschiedene Jugendhilfevertreter und Jugendamtsvertreter erzählt haben, wie schön das doch war, als der Revolution Train den Schülern zur Verfügung gestellt wurde und wie toll die Schüler das aufgenommen haben, und kurz darauf dürfen wir lernen, dass der didaktische und pädagogische Ansatz und auch die Konzeption als hochproblematisch eingeschätzt werden, dann wissen wir, dass es dabei eine erhebliche Diskrepanz der tatsächlichen Qualität und der gefühlten Qualität einzelner Akteure gibt.

Deswegen, glaube ich, müssen wir darauf reagieren. Wir brauchen, und das sehe ich ganz dezidiert anders als meine Vorrednerin, wesentlich mehr Bildung in dem Bereich, nicht nur für die Schüler, wir brauchen sie für die Lehrer, für die Sozialarbeiter, wir brauchen eine stärkere Vernetzung, wir brauchen einen organisatorischen Überbau. All dem trägt unser Antrag Rechnung und ich bitte, ihn deshalb anzunehmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will etwas anders beginnen, als ich das eigentlich vorhatte. Gerade jetzt in der Faschingszeit gehört es offenkundig schon dazu, auch mal gemeinsam zu trinken, das ist auch gar nicht verwerflich. Aber vielleicht haben Sie sich schon mal in die Lage von Menschen versetzt, die sich – aus welchen Gründen auch immer – bewusst dafür entscheiden, nicht zu trinken, nicht zu rauchen, weil sie das für sich so wollen. Wissen Sie, wie oft ich als Spaßbremse bezeichnet werde, nur weil ich nicht trinken möchte?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das können wir uns vorstellen!)

(Beifall AfD)

Wie oft ich als Frau gefragt werde, ob ich etwa schwanger wäre oder warum ich nicht mal eben mit anstoßen würde?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das hat mich noch nie einer gefragt!)

(Heiterkeit AfD)

Das hat Sie vielleicht noch nie jemand gefragt – das kann auch andere Ursachen haben.

Das klingt jetzt alles sehr lustig. Ich will damit nur aufzeigen, wie normal es in unserer Gesellschaft ist, Alkohol zu konsumieren. Und das beginnt eben leider immer früher. Ich finde schon, dass man darüber reden können muss, dass das auch Gefahren mit sich bringt, dass es scheinbar so selbstverständlich ist: Jetzt hab dich nicht so, ein Glas Sekt kannst du doch mal mit uns trinken.

(Heiterkeit CDU)

Vielleicht haben Sie mal Respekt davor, wenn sich Menschen anders entscheiden,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

genauso wie Sie vielleicht Respekt davor haben sollten, wenn Menschen in eine Suchtabhängigkeit geraten, anstatt sich hier vorne hinzustellen und eine Person aus unserer Partei zu diskreditieren, die dazu gestanden hat, dass sie süchtig geworden ist.

Frühzeitiger und intensiver Drogenkonsum und daraus resultierende Sucht- und Abhängigkeitserkrankung stellen – das wissen wir alle – eine eminente Gefährdung für das gesunde Aufwachsen von Jugendlichen und jungen Menschen dar. Ich will das auch an einigen Fallzahlen erläutern: So steigt die Zahl der aus Krankenhäusern entlassenen jungen Menschen, die infolge von Drogenkonsum vollsta

(Abg. Dr. Hartung)

tionär betreut wurden, seit Jahren. Wurden nach Angaben des Statistischen Landesamts im Jahr 2011 noch insgesamt 552 Fälle von unter 20-Jährigen gezählt, die aufgrund von Alkoholkonsum vollstationär in Krankenhäusern aufgenommen wurden, ist diese Zahl im Jahr 2017 bereits auf 661 angestiegen. Frau Engel hat auch schon darauf verwiesen: Das ist eine Steigerung um 20 Prozent. Auch die Fallzahl von jungen Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern, die aufgrund von massivem illegalem Drogenkonsum vollstationär behandelt wurden, steigt. 2011 waren es 195 Betroffene, im Jahr 2017 wurden 320 Patientinnen und Patienten unter 20 Jahren gezählt. Das ist ein Anstieg um fast 40 Prozent. Hinzu kommen auch gestiegene kriminalstatistische Fallzahlen von nicht legalem Drogenkonsum.

Klarstellen will ich an dieser Stelle noch einmal, dass Alkohol und dessen übermäßiger Konsum eine der konstanten Haupttodesursachen für junge Menschen darstellt. Die Zahl der Jugendlichen, die mit akuter Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden mussten, lag im Jahr 2014 bei 22.628 Fällen. Das sind doppelt so viele wie noch im Jahr 2000. 10 Prozent der Jugendlichen konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen und jeder vierte Jugendliche trinkt regelmäßig, so die Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wir müssen also in der Suchtprävention und auch und gerade im Umgang mit der gesellschaftlich akzeptierten Droge Alkohol wesentlich sensibler werden, darum geht es mir.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht mir um einen bewussten Umgang und es geht mir um einen ehrlichen Umgang damit. Ich kann die Janusköpfigkeit im Umgang mit Drogen in dieser Gesellschaft schwer ertragen.

Unser vorliegender Antrag ist Ausdruck dafür, dass wir uns als Rot-Rot-Grün dieser Herausforderung stellen. Schließlich hat das Land gemeinsam mit den Kommunen und auch mit den schulischen und außerschulischen Akteurinnen und Akteuren eine hohe Verantwortung für eine gelingende Drogenund Suchtprävention von Kindern und Jugendlichen. Das funktioniert eben nicht nur mit drakonischer Abschreckung, das wissen wir alle.

Es geht in erster Linie darum, den Gedanken der Prävention und des Jugendschutzes auch umzusetzen. Wir stehen als Koalition gemeinsam dafür, dass Drogen nicht verharmlost, aber eben auch nicht ideologisch verteufelt werden. Wir setzen stattdessen auf eine wirksame Prävention, auf kon

sequenten Jugendschutz und auf Entkriminalisierung und Aufklärung statt Abschreckung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel ist es, dass Menschen gar nicht erst abhängig werden. Klar ist aber auch, falls sie doch in eine Abhängigkeitserkrankung geraten, dann sollten sie auch die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Unsere Schulen als zentrale Bildungsorte haben dabei einen wichtigen schulgesetzlichen präventiven Auftrag. Sie sollen, so heißt es auch jetzt schon, die Gesundheitserziehung unterstützen und schulbezogen umfassende Konzepte zur Gesunderhaltung und für eine gesunde Lebensweise entwickeln. Ein Schwerpunkt der Konzepte soll die Prävention mit Blick auf nicht legale Drogen sowie von Tabak und Alkohol sein.

Wir haben uns daher im Bildungsausschuss im Rahmen des Selbstbefassungsantrags auch intensiv mit der Situation des Drogenkonsums unter Jugendlichen und an Thüringer Schulen befasst. Wir haben ja auch schon gehört, welche Ergebnisse aus der umfassenden schriftlichen und mündlichen Anhörung zu Tage getreten sind. Für uns waren es durchaus renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie zum Beispiel Frau Prof. Weichold, die zu Wort gekommen sind. Wir haben aber auch Fachleute aus der Drogenberatung, der Jugendhilfe, Mitarbeiterinnen der Sicherheits- und Schulbehörden und den Landesjugendring dazu angehört. Im Ergebnis der Anhörung mussten wir feststellen, dass Präventionsarbeit an Schulen noch zu sehr von Unsicherheiten geprägt ist und sich je nach Schulstandort bzw. dem individuellen Engagement einzelner Lehrkräfte zum Teil gravierend unterscheidet.

Um hier alle Lehrenden entsprechend zu sensibilisieren, legen wir in unserem Antrag einen Schwerpunkt bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung aller an Schule Beteiligten, weil sie nämlich auch erst dafür geschult werden müssen. Wenn wir hören, dass an vielen Schulen, aber auch bei der Polizei Programme beispielsweise gar nicht bekannt sind – es wurde schon gesagt, Herr Loyen kannte das IPSY-Projekt zum Beispiel auch nicht –, dann ist klar: Da brauchen wir Bildung genau in dieser Frage.

Wir mussten auch feststellen, dass eine Vielzahl von Präventionsprojekten und -programmen kaum bekannt sind bzw. deren Inanspruchnahme sehr stark variiert. Hier wollen wir schlicht und ergreifend mehr Transparenz und verlässliche Informationen für alle gewährleisten. Außerdem bemängelten viele Anzuhörende – das stimmt auch – das Fehlen von verlässlichen wissenschaftlichen Daten zum Drogenkonsum von Jugendlichen in Thüringen. Es

geht uns eben nicht darum zu mutmaßen, sondern tatsächlich einmal zu erheben – selbstverständlich wissenschaftlich –, welche Drogen konsumiert werden, wie sie von wem tatsächlich genommen werden und wie die Jugendlichen damit in Berührung gekommen sind. Daher sieht unser Antrag vor, dass wissenschaftliche, verlässliche und repräsentative Daten zum Drogenkonsum junger Menschen in Thüringen erhoben werden sollen. Die FriedrichSchiller-Universität hat sich hier schon als Partnerin angeboten.

Wir wollen und müssen in der schulischen Suchtprävention ein deutliches Stück vorankommen. Unser Antrag beschreibt dafür einen gangbaren Weg, deshalb bitten wir auch hier um Unterstützung und Zustimmung. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)