Ich glaube, wir können uns alle noch daran erinnern, was eigentlich Anlass und Ursprung für dieses Gesetz war: Nicht weit von hier entfernt wurden zwei Kinderleichen in einer Gefriertruhe gefunden. Und das war der Punkt, wo wir auch hier im Landtag gesagt haben, wir müssen ein System entwickeln, wie wir auf Fälle aufmerksam werden, wo Familien, wo Eltern mit ihrer Erziehungskompetenz überfordert sind, wo sie Hilfe brauchen und wo wir Kinder vor Misshandlung und Schlimmerem schützen müssen. Dabei ist Thüringen einen ganz besonderen Weg gegangen, denn wir haben ein Einladungssystem für die Früherkennungsuntersuchungen eingeführt. Dieses Einladungssystem wird in diesem Gesetz geregelt.
Wir haben in dem Gesetz eine Frist, wie lange es wirksam ist, bevor es verlängert werden muss. Diese Frist wäre jetzt zum 31.12. dieses Jahres abgelaufen, sodass wir, wenn jetzt diese Verlängerung nicht beschlossen wird, im nächsten Jahr dieses Gesetz nicht mehr hätten und damit die Eltern nicht mehr an die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen erinnert würden.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist ein wichtiges Gesetz und es hat einen sensiblen Zweck. Vor diesem Hintergrund hätte dieses Gesetz, auch wenn es nur um eine Verlängerung geht, eine intensive Auseinandersetzung hier im Landtag erfordert. Leider hat es die Landesregierung aus welchen Gründen auch immer sehr spät eingebracht, sodass die Möglichkeiten, es zu verändern bzw. Änderungen zu diskutieren, nicht so gegeben sind, wie das gewesen wäre, wenn wir einen längeren Vorlauf gehabt hätten. Deswegen wird es jetzt auch nur darum gehen, diese Entfristung aufzuheben und es um weitere fünf Jahre zu verlängern.
Wir haben trotzdem eine Anhörung im Ausschuss durchgeführt, die sehr umfangreich war, wenn auch nur schriftlich. Die Stellungnahmen haben uns als Fraktion ermutigt, einen Änderungsantrag einzubringen. Ich finde, das ist ein guter Änderungsantrag, der durchaus auch Zustimmung, nicht nur von der Landesregierung, sondern auch von den regierungstragenden Fraktionen hier im Hause bekommen könnte. Denn wir wollen nicht nur, dass das Gesetz um weitere fünf Jahre verlängert wird, sondern dass das Gesetz auch vor Ablauf der fünf Jahre tiefgehend evaluiert wird. Wir wollen also das gesamte Meldeverfahren unter die Lupe nehmen, wollen analysieren, wo es Defizite gibt, wo Optimierungsbedarf vorhanden ist und wo es Dinge gibt, die wir verbessern können, damit das Gesetz auch bei denen, die es ausführen müssen, einen besseren Ruf hat.
habe, tat es mir schon ein bisschen leid, dass wir eigentlich ein Gesetz haben, mit dem wir etwas Gutes bezwecken wollen, bei dem aber aufgrund vieler bürokratischer Hürden der Eindruck entsteht, dass das Gesetz vielleicht nicht sinnvoll sei. Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen, dass das Gesetz nicht schlechtgeredet wird, sondern wir wollen diese nächsten fünf Jahre nutzen, damit diese Evaluierung durchgeführt wird.
Ich habe noch die Hoffnung, dass Linke, SPD und Grüne dieser Evaluierung zustimmen, denn es ist nicht nur ein Vorschlag von uns. Es war letztendlich die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, die in ihrer schriftlichen Stellungnahme eine Evaluierung des gesamten Verfahrens gefordert hat; es war der Gemeinde- und Städtebund, der noch mal ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine Evaluierung seit dem Jahr 2013 nicht stattgefunden hat und dass diese notwendig sei; es ist die Landesärztekammer Thüringen, die das ebenso sagt, dass wir dringend eine fundierte wissenschaftliche Evaluierung des Einladungsverfahrens und der Umsetzung dieses Gesetzes brauchen, und es ist aber beispielsweise auch die Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Thüringen.
Deswegen werden wir als CDU-Fraktion dem Gesetz natürlich zustimmen, denn wir wollen, dass es das auch weiterhin als zusätzliches Instrument gibt, um auf Familien aufmerksam zu werden, die einen Hilfebedarf haben und die Unterstützung für die Kinder brauchen. Aber ich werbe auch dafür, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen, damit wir nicht nur mit den Beteiligten noch mal verschiedene Mängel diskutieren können, sondern eben auch schauen, ob man das Gesetz eventuell weiterentwickeln sollte, beispielsweise um die angesprochenen Meldungen bezüglich der U3 und der U9 oder auch der Jugendgesundheitsuntersuchung J1 im Alter zwischen 12 und 14 Jahren.
Sie sehen, es gibt viele Punkte, die eine Evaluierung notwendig machen würden. Ich bin gespannt, was Ihre Meinung dazu ist und danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Zuschauertribüne, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen am Livestream, werte Kolleginnen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die Landesregierung das ThürFKG ändern, also das Thüringer Gesetz zur Förderung
Liebe Besucherinnen, liebe Besucher, wir haben hier im Landtag so eine seltsame Angewohnheit: Wir geben Gesetzen gern sehr lange, unverständliche Namen, nur um die dann wiederum mit noch abstruseren Abkürzungen noch unverständlicher zu machen. Aber Sie brauchen jetzt im Moment überhaupt keine Sorgen zu haben. Alles, was Sie sich jetzt für diese Debatte merken müssen, ist, dass wenn das Kürzel „ThürFKG“ fällt, das Thüringer Gesetz zur Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder gemeint ist.
Im Gegensatz zum langen Namen ist das Gesetz eher einfach. Darin ist lediglich das Thüringer Einladungs- und Erinnerungsverfahren für die Früherkennungsuntersuchungen – auch die sogenannten U-Untersuchungen – sowie das Verfahren für gegebenenfalls folgende Meldungen an das Jugendamt gesetzlich beschrieben.
Das bereits 2008 in Kraft getretene Gesetz soll nun aufgrund seiner positiven Auswirkungen auf die Kindergesundheit und den Kinderschutz um weitere fünf Jahre verlängert werden. Bereits vor zehn Jahren forderten die Bundesländer die Einführung eines bundesweit einheitlichen Einladungs- und Erinnerungsverfahrens für die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder. Doch bis heute ist der Bundesgesetzgeber dieser Forderung leider nicht nachgekommen. Daher haben fast alle Bundesländer – so auch Thüringen – eigene Einladungs- und Erinnerungsverfahren eingeführt. Thüringen hat dabei im Vergleich zu anderen Bundesländern ein recht engmaschiges Netz des Gesundheits- und Kinderschutzes von Kleinund Vorschulkindern entwickelt. Nur wenige Eltern in Thüringen versäumen die Früherkennungsuntersuchungen für ihre Kinder. Jahr für Jahr werden dadurch zwischen 97 und 98 Prozent erreicht. Bei Kindern, die auch nach einer Erinnerung nicht am Untersuchungstermin teilnehmen, wird das Jugendamt informiert. Dieses entscheidet dann, ob es die Eltern einlädt oder sie in der Wohnung aufsucht.
Frau Abgeordnete, lassen Sie sich kurz unterbrechen. Ich möchte einen Hinweis auf die Zuschauertribüne geben: Bitte die Fotoaufnahmen unterlassen, das ist nicht in der Hausordnung, ja? Danke schön.
dass die Gültigkeit des Gesetzes um weitere fünf Jahre verlängert wird. Zudem sind redaktionelle Anpassungen notwendig. Für Sie, liebe Besucherin
nen und Besucher, als Erläuterung: Es wurden zum Beispiel die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres – kurz KinderRichtlinien genannt – verändert und umbenannt in Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses für die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern, also nur noch Kinder-Richtlinie. Und da ist es natürlich richtig und wichtig, wenn auch doch sehr bürokratisch, die Verweise im ThürFKG daran anzupassen.
Die Kinderrichtlinie ist nämlich eine wichtige Grundlage für das ThürFKG, denn darin sind die Kriterien für die Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 festgelegt – also von unmittelbar nach der Geburt bis zum Alter der Kinder von etwa fünf Jahren.
Die vom Land Thüringen im April durchgeführte Befragung sowie die im Ausschuss durchgeführte Anhörung der Jugendämter, des Thüringer Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sowie des Vorsorgezentrums für Kinder am Landesamt für Verbraucherschutz hat deutlich gemacht, dass das ThürFKG wesentlich zur Verbesserung von Kindergesundheit und Kinderschutz beiträgt. So hat das hiesige Einladungs- und Erinnerungsverfahren die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen signifikant erhöht und ist mittlerweile auf einem stabilen, sehr hohen Niveau. Es erhalten dadurch fast alle Thüringer Kinder eine wissenschaftlich anerkannte Untersuchung zur Früherkennung von Gesundheitsstörungen, welche die normale körperliche oder geistige Entwicklung beeinträchtigen oder gefährden. Und ich denke, dass allen klar sein dürfte, dass je früher eine solche körperliche oder geistige Störung erkannt und behandelt wird, desto besser doch die Chancen auf eine Heilung sind.
Außerdem haben die Jugendämter angegeben, dass die an sie weitergeleiteten Informationen, zum Beispiel über eine Nichtteilnahme an der Untersuchung, dazu beitragen konnten, Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung überhaupt erst wahrzunehmen oder Hilfebedarf bei Familien schneller zu erkennen und diese zu unterstützen. Allein die Möglichkeit der schnelleren Intervention der Jugendämter spricht für das ThürFKG.
Natürlich gibt es auch Kritik an dem Gesetz. Der bürokratische Aufwand, der mit den Einladungen, Erinnerungen und dem Meldeverfahren einhergeht, ist sehr hoch, birgt die Gefahr menschlicher Fehler und kann natürlich noch optimiert werden. In der schriftlichen Anhörung wurde deshalb häufig die Anregung vorgebracht, die Meldeformulare sowie das Verfahren zu evaluieren und zu verbessern. Die Kritik ist natürlich begründet, aber leider nicht im Rahmen dieser Gesetzesänderung zu lösen, denn die Ursachen für die Falschmeldungen sind nicht im Gesetz begründet, sondern liegen im Voll
zug bzw. bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelung. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat daher in der Beratung des Sozialausschusses Anfang Dezember bereits zugesichert, dass es weitere intensive Gespräche mit allen am Verfahren Beteiligten geben wird. Ziel ist es, das Meldeverfahren zu effektivieren sowie eine Evaluierung zu veranlassen und dies nicht erst nach fünf Jahren, sondern jetzt beginnend.
Damit erübrigt sich leider auch Ihr Änderungsantrag, liebe CDU. Im Zuge dieser Kritik am Meldeverfahren aber eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzumachen, halte ich für moralisch falsch, denn: Wie viel ist uns ein gesundes Kind wert?
Wie viel kostet Kindeswohl? Wie viel Zeit und Geld sind wir alle bereit, in den Kinderschutz zu investieren? Im Moment haben wir zur Verlängerung des Gesetzes keine Alternative. Eltern, Kinder, Ärzte und Jugendämter bestätigen den positiven Nutzen des ThürFKG für Kindergesundheit und Kinderschutz. Selbst wenn das ThürFKG nur der Kindergesundheit dient und nicht dem Kinderschutz, so wie es die kommunalen Spitzenverbände behaupten, selbst dann lohnt sich doch der damit verbundene Aufwand.
Denn das Wohlbefinden von Kindern kann mit keinem Geld der Welt aufgewogen werden. Ich bitte Sie daher, diesem Gesetzentwurf der Landesregierung zuzustimmen. Vielen Dank.
Vielen Dank für die Möglichkeit, Frau Engel. Geben Sie mir recht, dass es uns mit unserem Änderungsantrag und der Evaluierung nicht um die KostenNutzen-Analyse geht, sondern um die Frage der Evaluierung des Verfahrens? Es ist ja auch nur ein Satz, den dieser Änderungsantrag beinhaltet.
Ich gebe Ihnen recht, dass es Ihnen damit nicht um Kosten-Nutzen geht, sondern um die Effektivierung des Verfahrens, das ist richtig. Allerdings hat die Staatssekretärin bereits im Ausschuss zugesagt, dieses Verfahren sowieso zu evaluieren, weshalb Ihr Änderungsantrag eigentlich hinfällig ist.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Herold von der AfD-Fraktion zu uns.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Netz, wir beraten hier heute abschließend über das Gesetz mit dem sperrigen Namen „Förderung der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder“. Wie schon bei der ersten Lesung von allen Fraktionen zu vernehmen war, ist dieses Gesetz notwendig und sehr zu begrüßen. Es hat sich in der ersten Fassung in den letzten Jahren weit überwiegend bewährt, wie aus zahlreichen Zuschriften der zum Thema angehörten sachkundigen Vereine und Personen zu vernehmen war. Das Gesetz in seiner derzeitigen Fassung wurde seiner Schutzfunktion für die Gesundheit der Kinder in einem hohen Maße gerecht. Durch das in dem Gesetz geregelte Meldesystem konnten in den letzten fünf Jahren über 800 Kinder mit Hilfebedarf und 55 Fälle von Kindeswohlgefährdung festgestellt werden, bei denen dann das Jugendamt korrigierend und helfend eingreifen konnte. Das war zwar nicht perfekt, aber das Untersuchungs- und Meldesystem funktioniert gut genug, sodass die Jugendämter und der dann auch hoffentlich passend besetzte öffentliche Gesundheitsdienst hier korrigierend und helfend eingreifen können.
Das Gesetz ist gut, aber es ist nicht so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte, zumal in einem Fall wie diesem hier, wo Regierungsfraktionen und Opposition in seltener Einmütigkeit im Aus
schuss diesem Gesetzesvorhaben zugestimmt haben. Aus den Zuschriften der Anzuhörenden gingen zahlreiche Anregungen und Verbesserungsvorschläge hervor, von denen ich hier nur einige vorstellen und erläutern möchte. Angeregt wurde zum Beispiel, die Papiermenge bei den Elternanschreiben und Einladungen zur Untersuchung etwas zu verkleinern. Ich halte das auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und des verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen für einen sinnvollen Vorschlag. Die allermeisten Amtstexte lassen sich sprachlich straffen und auf das Wesentliche konzentrieren.
Aus den Reihen der Ärzteschaft kam der Wunsch nach Aufnahme zweier weiterer Untersuchungen, der U3 und der U9, in den Reigen der Vorsorgeuntersuchungen. Unter dem Aspekt, dass bei Wegfall der U9 Fachleute unter anderem das Entstehen einer Impflücke befürchten, sollte die Landesregierung in Thüringen mit gutem Beispiel vorangehen und diese Untersuchung wieder in den Einladungsservice aufnehmen. Dem Einwand seitens der Landesregierung, dass für die U3 aufgrund des sehr jungen Alters der infrage kommenden Kinder noch keine Meldedaten bei den Einwohnermeldeämtern vorliegen würden, kann man doch ganz einfach dadurch begegnen, dass man der jungen Mutter kurz nach der Entbindung die Einladung zu dieser Untersuchung gleich mit auf den Weg gibt und das Verfahren kurz erklärt.
Dann komme ich gleich zu einem weiteren Problem, das sich bei der Auswertung der Anhörungsunterlagen ergeben hat. Seit Jahren steigt der Anteil der ausländischen Kinder an den Retouren bei den Einladungen. Fachleute erklären das damit, dass aufgrund häufiger Umzüge der Eltern oft die aktuellen Meldedaten fehlen, wie es in der letzten Ausschusssitzung von der Vertreterin der Landesregierung zu erfahren war. Nun ergibt sich für mich als rechtstreue Bürgerin daraus die Frage,
wie das bundesdeutsche Meldegesetz in diesem Falle angewendet wird. Ich gehe davon aus, dass die Meldeämter mit dem Thüringer Landesrechenzentrum mit einer funktionierenden Datenleitung verbunden sind, sodass das automatisiert ablaufende Einladungsund Meldeverfahren die Einladungsschreiben an alle Eltern und Personensorgeberechtigten mit Hauptwohnsitz in Thüringen ordnungsgemäß verschicken kann. Auch kann man wohl davon ausgehen, dass die Meldeämter in Thüringen untereinander vernetzt sind und die Zugänge und die Abmeldungen der jeweiligen Wohnorte innerhalb kürzester Zeit registriert werden. Da ergibt sich für mich die Frage: Gibt es hier etwa im Thüringer Meldegesetz unentdeckte Vollzugsdefizite?
Eine weitere offene Frage, die auf jeden Fall noch zu klären wäre, ist die Frage der Lesbarkeit der Ein
ladungen, da ja nicht zwingend bei den Eltern kleiner Kinder aus dem Ausland mit ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen gerechnet werden kann.