Meine Damen und Herren, ich glaube, ich muss hier nicht erst ein Katastrophenszenario entwerfen, es ist bereits da. Jeder versteht, warum ein funktionsfähiger öffentlicher Gesundheitsdienst wichtig ist.
Vielleicht noch mal ganz kurz ein historischer Abriss, um Ihnen zu zeigen, dass es nicht so ist, dass nicht gewarnt wurde. Es war im September 2015, dass die CDU den Antrag „Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Thüringen“ stellte. In Anhörungen wurde das Problem deutlich und im September 2016 beschloss der Landtag den Antrag „Den öffentlichen Gesundheitsdienst weiterentwickeln und stärken“. Darin wurde von der Landesregierung gefordert, eine Bestandsanalyse des ÖGD in Thüringen vorzulegen und zwar bis zum IV. Quartal 2017.
Das fachlich zuständige Landesverwaltungsamt hat eine Analyse erstellt, das Sozialministerium aber hat Anfang 2018 den Bericht als untauglich bezeichnet und in der Schublade verschwinden lassen. Jetzt stellt sich hier natürlich die Frage auch in Anbetracht der aktuellen Berichte: War die Analyse wirklich untauglich oder hat sie einfach nur ehrlich die Missstände aufgezeigt, Frau Ministerin? Was jedoch sicher ist: Ein externer Gutachter wurde nun beauftragt, der mit Steuergeld eine weitere Bestandsanalyse erstellen soll. Sie soll im I. Quartal 2019 vorliegen. Man darf gespannt sein.
Der Beschluss des Landtags im September 2016 enthielt noch einen weiteren interessanten Punkt. Die Landesregierung wurde damals gebeten, Zitat: „in dieser Legislatur ein modernes Thüringer Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst auf den Weg zu bringen“. Im März 2017 kam dann die Information des Sozialministeriums: Eine konkrete zeitliche Untersetzung zur Entwicklung eines ÖGDGesetzes liegt noch nicht vor. – Zitat aus dem Sozialministerium. Seitdem: Still ruht der See und die Probleme borden über.
Hier wäre schon einmal interessant, von der Ministerin zu erfahren, wie der Zeitplan nun aussieht. Die Probleme sind da, es wurde viel angekündigt, aber es passiert nichts. Ob die Landesregierung auch diesen Beschluss des Landtags missachten will – ich weiß es nicht.
Mein Appell an Sie, Frau Ministerin Werner: Ignorieren Sie die Krise im öffentlichen Gesundheitsdienst nicht länger! Schieben Sie das Problem nicht länger auf die lange Bank! Stehen Sie unseren Kommunen bei und helfen Sie mit, eine langfristige und tragfähige Lösung für den Ärztemangel im öffentlichen Gesundheitsdienst zu finden! Vielen Dank.
Vielen Dank. Als nächste Rednerin erhält Abgeordnete Pfefferlein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Ja, in Thüringen herrscht eine Mangelsituation. Es gibt zu wenig Interessierte für die Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst. Es fehlen Medizinerinnen und Mediziner. Fast jede fünfte Stelle in den Landkreisen und Städten ist unbesetzt oder in naher Zukunft davon betroffen und dann passiert es, dass im UnstrutHainich-Kreis, wenn die beiden vakanten Stellen nicht zum Jahresende nachbesetzt werden können, nur noch ein Zahnmediziner im Jugendmedizini
schen Dienst arbeitet. Aber dieser Personalmangel ist leider kein Einzelfall, weder in Thüringen noch bundesweit, denn wir befinden uns da in großer Gesellschaft. In ganz Deutschland ist die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern in den vergangenen Jahren massiv zurückgegangen, meist noch stärker als in Thüringen, laut dem Bundesverband öffentlicher Gesundheitsdienste um circa 30 Prozent. Kein Wunder also, dass im November Medizinerinnen und Mediziner in Berlin auf die Straße gingen, um für eine bessere Bezahlung zu protestieren. Die Ärztinnen und Ärzte fordern zu Recht Verdienste, die dem Tarif des Marburger Bunds vergleichbar sind. Würden die kommunalen Arbeitgeber als Tarifverantwortliche hier ihre Verpflichtung annehmen, denn auf sie kommt es an, dann könnten auch die Gesundheitsämter im harten Wettbewerb des ärztlichen Arbeitsmarkts ihren Hut wieder in den Ring werfen. Bislang nämlich verdienen die ÖGD-Medizinerinnen und -Mediziner bis zu 1.500 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern.
In Zeiten des Fachkräftemangels, in Zeiten, in denen überall gut geschultes und ausgebildetes Personal gesucht wird, wer kann es da gut Ausgebildeten verdenken, wenn sie sich eine besser bezahlte Stelle suchen. Für uns, Bündnis 90/Die Grünen, ist der öffentliche Gesundheitsdienst als sogenannte dritte Säule eine wichtige Säule unseres Gesundheitssystems. Für viele ist der ÖGD fest verbunden mit den Schuleingangsuntersuchungen. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass die Impfausweise in der Schule auf Vollständigkeit geprüft wurden oder der Schulzahnarzt regelmäßig zu Besuch war. Aber der Öffentliche Gesundheitsdienst hat viele Aufgaben mehr; über die oben genannten hinaus gehört der Infektions- und Katastrophenschutz in das vielfältige Aufgabenspektrum. Dazu kommen Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien, Mütterberatung, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen usw. Da ist auch die Umwelt- und Seuchenhygiene dabei. Und nun: Die dritte Säule wankt und damit wankt ein unverzichtbarer Teil unseres Sozialstaats. Was in Thüringen gerade passiert, liebe CDU, war auch unter Ihrer Regierungsverantwortung vorauszusehen.
Die Problematik, im ÖGD fachlich hoch qualifiziertes Personal zu bekommen, ist lange bekannt. Vor allem im ländlichen Raum, wo womöglich auch die hausärztliche und fachärztliche Versorgung schwierig ist, kommt da noch eine weitere Problemlage dazu. Das ist nicht thüringenspezifisch, sondern in allen Bundesländern so, aber wir müssen hier als
Politikerinnen und Politiker reagieren. Wir können es uns nicht leisten, dass diese gesellschaftspolitisch so wichtigen Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllt werden können. Wir können es uns nicht leisten, dass die Säulen in den Gesundheitsämtern chronisch unterbesetzt sein werden. Und wir von Bündnis 90/Die Grünen setzen uns für einen starken ÖGD ein, der als attraktiver Arbeitgeber moderne Gesundheitsversorgung in den Kommunen und Landkreisen sicherstellen kann.
Die rot-rot-grüne Regierung hat sich im Gegensatz zu den Vorgängerregierungen – das muss man an dieser Stelle auch sagen – dieser notwendigen Verantwortung gestellt. Seit Oktober 2016 können Landkreise und kreisfreie Städte eine anteilige Förderung des Landes zur Zahlung einer der beiden möglichen Zulagen beantragen, um das Gehaltsniveau für Ärzte im ÖGD attraktiver zu gestalten.
So unterstützt die rot-rot-grüne Landesregierung den ÖGD ganz konkret mit 500.000 Euro im Haushalt – jedes Jahr. Es muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass die eigentliche Verantwortung ganz klar bei den Kommunen liegt und dort viel zu oft stiefmütterlich behandelt wurde.
Die Gebietsreform wäre eine gute Chance gewesen, um auch hier neue, zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.
Der ÖGD braucht eine breite und nachhaltige politische Unterstützung auf allen Ebenen, von Kommune bis Bund. Wir von Bündnis 90/Die Grünen stellen uns in Thüringen gern dieser Verantwortung. Es muss funktionieren, die Personalentwicklung und die Personalausstattung im ÖGD am Umfang der fachlichen Aufgaben und nicht allein an finanzpolitischen oder verwaltungspolitischen Vorgaben auszurichten. Nur so kann es gelingen, wieder Ärztinnen und Ärzte für diese anspruchsvolle und wichtige Tätigkeit im ÖGD zu gewinnen und den Kollaps dieser wichtigen dritten Säule zu verhindern. Vielen herzlichen Dank.
legenheit nutzen: Auch wenn die Personalsituation in unserem Öffentlichen Gesundheitsdienst, in den Gesundheitsämtern angespannt ist, wenn dort Ärzte fehlen, gibt es dort trotzdem Mitarbeiter, nicht nur Ärzte, die unter dieser angespannten Situation eine gute Arbeit leisten und das alles sicherstellen, was dort die Aufgaben sind. Da sollten wir uns an dieser Stelle erst mal bedanken.
Die Situation, Herr Zippel, die Sie beschrieben haben, die wir alle beschreiben können, ist nicht neu, aber Vorschläge von Ihnen habe ich letzten Endes auch nicht gehört. Und das, was Sie zu den Zulagen gesagt haben, stimmt nicht. Die Ministerin wird vielleicht dann dazu was sagen, dass das nur für …
Es geht darum, dass diese Zuschläge wirken, es konnten auch schon sechs Ärzte eingestellt werden. Wir wissen, das reicht nicht aus. Es reicht wirklich nicht aus. Die Landesregierung steht vor dem Abschluss der Verhandlungen mit der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, damit die Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdiensts aus Thüringen in Zukunft unentgeltlich, weil nämlich wir das dann bezahlen, an der Weiterbildung teilnehmen können.
Ich habe meine Probleme damit, vom Land zu verlangen, dass die Ärzte besser bezahlt werden, und das Land soll das machen. Aber die Ärzte sind nicht bei uns angestellt, die Ärzte sind in den Landkreisen angestellt und die Landkreise sind Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands. In den Gesprächen, die die Landesregierung mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband führt, lehnt dieser es ab, Tariferhöhungen für die Ärzte oder eine bessere Bezahlung für die Ärzte einzuführen. Da, das muss ich auch sagen, tragen auch die Landkreise als Mitglied dieses Kommunalen Arbeitgeberverbands eine Verantwortung und man kann da nicht immer nur auf das Land schauen.
Nun komme ich zufälligerweise aus dem UnstrutHainich-Kreis. Ja, wir haben keine Ärzte mehr im Gesundheitsamt. Das ist eine schlimme Situation. Eine Ärztin geht in Rente, die andere lässt sich in einer Niederlassung anstellen, weil sie dort mehr Geld verdient. Deswegen arbeitet unser Gesundheitsamt trotzdem. Wir haben reagiert, damit die Bevölkerung zumindest nicht in Gefahr ist, indem wir mit unserem kommunalen Krankenhaus Kooperationsverträge abschließen, dass dort Ärzte delegiert werden, beliehen werden und Aufgaben des ÖGD und unseres Gesundheitsamts erfüllen.
Was die zahnärztliche Versorgung betrifft, meine Damen und Herren, das läuft bei uns schon seit sechs Jahren so, dass wir dort private Zahnärzte gewinnen konnten, die die zahnärztlichen Untersuchungen in den Schulen durchführen. Also ich will keine Panik machen, ohne zu beschönigen, wie die Situation ist.
Meine Vorrednerin hat es schon gesagt, ich muss darauf zurückkommen: Gebietsreform, Kreisgebietsreform. Was hat denn die Masse der Landräte gesagt? Was wollt ihr denn mit einer Gebietsreform? Wir erfüllen alle Aufgaben, wir brauchen so eine Gebietsreform nicht, wir können alle Aufgaben erfüllen. Ich habe damals schon gesagt, der Öffentliche Gesundheitsdienst wird der Bereich sein, wo diese Herangehensweise, wir erfüllen alles, das erste Mal krachen geht, und genau das tritt ein. Deshalb müssen wir neue Wege gehen, auch wie der Öffentliche Gesundheitsdienst strukturiert sein kann. Mir schwebt Folgendes vor und das will ich in die Diskussion auch einbringen: Nehmen wir den Landkreisen den Öffentlichen Gesundheitsdienst weg, lösen wir die Gesundheitsämter aus den Landkreisen raus, dann haben sie aber auch keine Geldmittel über den Kommunalen Finanzausgleich für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu kriegen. Schaffen wir in den vier Thüringer Planungsregionen zentrale Gesundheitsämter, die in dieser Region die Aufgabe kooperativ wahrnehmen. Das wäre eine Struktur, die den jetzigen Gegebenheiten entspricht, und es wäre vor allem eine effektive Gestaltung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes: Gesundheitsämter in den Regionen, die für diese Regionen verantwortlich sind. Das ist auch mit Personaleinsatz effektiv möglich. Ich bin für eine Regionalisierung und werde das auch in den Diskussionsprozess zum Öffentlichen Gesundheitsdienst, den wir weiter führen werden, einbringen.
Ich warne hier vor Panikmache. Der Öffentliche Gesundheitsdienst braucht unsere Unterstützung, aber er braucht neue Formen, neue Strukturen, die den Anforderungen entsprechen. Wir müssen nachdenken, welche Aufgaben wir entschlacken können. Wir müssen auch darüber nachdenken, was die zukünftigen Aufgaben des ÖGD sind. Noch etwas will ich an dieser Stelle einbringen: Hygienekontrolle wurde erwähnt. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel das für Lebensmittelsicherheit zuständige Landesamt für Verbraucherschutz die Hygienekontrollen an den Thüringer Krankenhäusern durchführen kann. Neue Strukturen brauchen wir. Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Netz! Am 6. Dezember war der Presse zu entnehmen, dass in Thüringen jetzt erstmals ein Kreisgesundheitsamt ganz ohne Arzt auskommen muss. Der deutlich ausgeprägte und weit verbreitete Mangel an Ärzten und Zahnärzten im ÖGD in Thüringen und darüber hinaus deutschlandweit ist ein seit vielen Jahren bekanntes Problem. Einsamer Spitzenreiter bei den Unterbesetzungen ist die deutsche Hauptstadt Berlin. Dieser entwickelt sich auch auf diesem Gebiet, SPD regiert, immer mehr zum „failed state“.
Aber zurück zu Thüringen: Es fehlen Ärzte zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und Maßnahmen, die als Schutz der Bevölkerung vor Krankheiten verschiedenster Art und als Schutz vor gesundheitlichen Risiken dienen sollen. Die Ursachen sind vielfältig. In Rede stehen zu wenig Beratung und Aufklärung an den Universitäten in der Orientierungsphase in Richtung Facharztausbildung, abschreckende und überbordende Bürokratie hält auch den einen oder anderen Interessenten davon ab, sich auf das Abenteuer als Amtsarzt einzulassen.
Hinzu kommen immer neue Aufgaben, Nachwuchsmangel und der wachsende Finanzdruck kommunaler Haushalte, der die Gestaltungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen immer mehr einschränkt. Viele Ärzte wünschen sich schon während des Studiums natürlich eine rein ärztliche Tätigkeit, während zu den Aufgaben eines Amtsarztes in allererster Linie verwaltungsrechtliche Tätigkeiten gehören.
Der Haupthinderungsgrund für mehr Bewerber auf die Stellen im öffentlichen Dienst ist allerdings mal wieder – wenn wundert es – das niedrige Gehaltsniveau. Ärzte in kommunalen Krankenhäusern verdienen zwischen 1.000 und 1.500 Euro mehr als ihre Kollegen hinter dem Schreibtisch in der Amtsstube.
Das Thüringer Gesundheitsministerium hat eine halbe Million Euro in den Haushalt 2017 eingestellt, die auf Antrag an die Kommunen überwiesen werden sollen, was insgesamt jedoch im Moment nur eine Thüringer Notlösung darstellt. Sinnvoller wäre es, das Problem über den Kommunalen Arbeitgeberverband in Thüringen zu lösen und Ärzten und Zahnärzten im Öffentlichen Gesundheitsdienst generell und von vornherein höhere Tarife zuzusprechen.
Das wiederum ist zustimmungspflichtig durch den Kommunalen Arbeitgeberverband und dessen Mitgliederversammlung. Selbiger ist bisher leider in diese Richtung nicht tätig geworden. Nach den Worten des ersten Vorsitzenden des Marburger Bundes, Rudolf Henke, ist dieser Streit um die Be