Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Linken errechnet, wie hoch der Mindestlohn sein müsste, damit die Betroffenen im Alter von einer Rente oberhalb der Grundsicherung leben können. Es gibt verschiedene Rechnungen dazu. Die Bundesregierung sagt zumindest, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von 45 Jahren Dauer müsste ein Lohn/ein Mindestlohn von 12,63 Euro gezahlt werden, um im Alter oberhalb der Grundsicherung von 814 Euro brutto im Monat zu liegen. Wer es also beim derzeitigen Mindestlohn belässt und nur marginale Erhöhungen beschließt, der nimmt bewusst einen Zuwachs an Armut, einen Zuwachs an Altersarmut in Kauf. Denn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihr Leben lang gearbeitet haben und am Erfolg ihres Landes mitgewirkt haben, werden im Alter lediglich von einer Grundsicherung leben müssen.
Ich finde das sehr bedrückend und erlebe immer wieder in Gesprächen mit Beschäftigten, wie wenig Wertschätzung sie erfahren, wie wenig Wertschätzung sie wahrnehmen, und hier an der Stelle müssen wir dringend etwas ändern.
Nun wissen wir auch, dass diese unterirdischen Löhne ihre Gründe haben. Ein Grund, das wissen wir: Hier in Ostdeutschland wurde Niedriglohn lange Zeit als Standortfaktor propagiert. Es wurden damit Unternehmen angelockt. Wir hatten eine Massenarbeitslosigkeit und durch die Hartz-IV-Gesetzgebung ist prekäre Beschäftigung, ist faktisch ein Niedriglohnsektor etabliert worden. Wir haben hier eine geringe Tarifbindung. Und Frau Holzapfel, Sie haben gesagt, dass Sie die Bedeutung der Sozialpartnerschaft schätzen und dass sich der Staat hier raushalten muss. Aber Sie wissen auch, dass hier Politiker im Land propagiert haben, dass es betriebsratsfreie Zonen gibt, dass es gewerkschaftsfreie Zonen gibt, und hier hat sich der Staat sehr
Ich schätze die Sozialpartnerschaft, wir wissen aber auch, dass wir hier an der Stelle einen Niedriglohnsektor haben und dass deswegen – das war einer der Gründe – der Mindestlohn eingeführt werden musste, um zumindest die schlimmsten Auswüchse heilen zu können. Aber das kann natürlich nur der Anfang sein, die derzeitige Summe, die im Gespräch ist.
Den seinerzeit eingeführten Mindestlohn von 8,50 Euro und die umgesetzten und geplanten Erhöhungen können wir nur als Anfang sehen, denn die Betroffenen erhalten heute bei einem Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde in Vollzeit ein Brutto-Gehalt in Höhe von 1.529 Euro. Mit den geplanten Erhöhungen zum 01.01.2019 auf 9,19 Euro pro Stunde kommen die Betroffenen auf ein Mehr von 60,55 Euro brutto pro Monat. Nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 werden die Mindestlohnempfänger im Jahr 2020, also nach sechs Jahren gesetzlichen Mindestlohns, gerade einmal 147,05 Euro brutto mehr im Monat verdienen. Um die Lage der Beschäftigten also wirklich zu verbessern, muss ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro eingeführt werden.
Ich freue mich auch, dass sich diesen Forderungen, für die die Linke schon sehr lange steht, nun auch wichtige Funktionsträger der Bundes-SPD angeschlossen haben. Frau Nahles und Herr Scholz fordern ebenfalls einen Mindestlohn von 12 Euro und unterstützen unsere Aussage, dass Unternehmen beim Lohn nicht sparen sollten. Auch Bundesarbeitsminister Heil sieht 12 Euro Mindestlohn als realistisch an und fordert eine schnelle Steigerung des Mindestlohns nach 2020. In diesem Zuge soll ebenfalls das Verfahren der Mindestlohnkommission auf den Prüfstand gestellt und eine schnellere Verfahrenspraxis angestrebt werden. Ich bin froh darüber, dass es jetzt die Aussagen gibt, weil ich mich auch noch sehr gut daran erinnern kann, dass ich doch sehr harsche Kritiken bekommen habe, als ich vor zwei Jahren gesagt habe, dass der Mindestlohn so nicht ausreichend ist, sondern dass er mindestens auf 10 Euro und schrittweise auf 12 Euro angehoben werden müsste. Ich bin aber froh, dass jetzt hier auch nachgezogen wird und dass wir hier jetzt auch gemeinsam diese Position vertreten.
Ich will auch auf die Mindestlohnkommission eingehen, Frau Holzapfel, weil Sie das auch angesprochen haben: Mir ist natürlich ganz genau bewusst, welche Aufgabe die Mindestlohnkommission hat, dass sie einen Vorschlag für die Erhöhung erarbeitet, die dann durch das Bundesarbeitsministerium verordnet wird. Hier sind also die Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Sozialpartner gefragt, sich zu einigen. Aber ich will trotzdem etwas zum Prozedere sagen, denn im Mindestlohngesetz wird die Min
destlohnkommission angehalten, für den Beschluss über die empfohlene neue Höhe des Mindestlohns verschiedene Kriterien heranzuziehen. Die haben Sie auch benannt. Im Gesetz steht: „Die Mindestlohnkommission prüft im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden.“ In der Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission wurde sich aber leider nur auf den Tarifindex verständigt. Das war auch damals meine Kritik, dass sich aus meiner Sicht die Mindestlohnkommission eben das Kriterium des Mindestlohns an der Stelle nicht entsprechend zurate gezogen hat. Ich sage es noch mal: Was soll denn Mindestschutz bedeuten? Mindestschutz bedeutet doch, dass die Menschen vor Armut geschützt werden müssen, dass sie auch vor Altersarmut geschützt werden sollen. Und eine Bezugnahme lediglich auf die Entwicklung des Tarifindexes greift dabei definitiv zu kurz. Das Mindeste ist, dass Beschäftigte vor Armut geschützt werden. Ich bin froh, dass hier das Prozedere der Mindestlohnkommission auch noch einmal überprüft werden soll.
Wir brauchen also eine neue Untergrenze für den Mindestlohn von ehemals 8,50 Euro auf erforderliche 12 Euro. Das wäre dann auch die Basis für die Weiterentwicklung des Mindestlohns in den kommenden Jahren.
Lassen Sie mich noch einen Verweis treffen: Ein Stundenlohn in Höhe von 12 Euro liegt im Übrigen noch unterhalb der Entgeltgruppe 3, Stufe 1 des TV-L, dem Tarifvertrag des Freistaats Thüringen. In der Entgeltgruppe 3 des TV-L werden Beschäftigte eingruppiert, die Botendienste und andere Helfertätigkeiten erledigen. Eine Eingruppierung unterhalb der Entgeltgruppe 3 erfolgt bei Landesbediensteten in Thüringen nicht. Wir erhalten übrigens als Ministerium auch immer wieder Anfragen von Unternehmern und Arbeitgebern in Thüringen, auch gerade zum Tariflohn. Und gerade auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftebedarfs empfehlen wir als Ministerium offensiv einen Stundenlohn in Höhe von mindestens 12 Euro.
Alle von mir im Moment vorgetragenen Argumente sind auch ein Grund, warum ich mich beispielsweise in der Debatte um den vergabespezifischen Mindestlohn zum einen vehement dafür ausgesprochen habe und zum anderen auch für eine höhere Summe gestritten habe. Wir haben uns zumindest auf den vergabespezifischen Mindestlohn geeinigt und darüber bin ich froh.
Es wurde schon von mehreren gesagt: Der Mindestlohn ist schon lange kein Schreckgespenst mehr. Die positiven Auswirkungen sind seit seiner Einführung klar erkennbar. Es ist an der Zeit, alle von den wirtschaftlichen Erfolgen profitieren zu lassen, damit jeder Mensch von seiner Arbeit anständig leben kann und ein Altwerden in Würde vor allem möglich ist. Herzlichen Dank.
d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Wie geht die Landesregierung mit dem Problem der sexuellen Gruppengewalt (Ta- harrush gamea) in Thüringen um?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/6371
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der antragstellenden Fraktion, zunächst dem Abgeordneten Henke. Bitte, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, werte Gäste, bei diesem Vorgang stelle ich mir unseren Ministerpräsidenten vor, wie er am Bahnhof in Saalfeld steht und ruft: Inschallah, das ist der schönste Tag in meinem Leben!
Was wissen wir zum Thema „Taharrush“? Beim diesjährigen Weimarer Zwiebelmarkt kam es zu einem Übergriff, bei dem aus einer Gruppe Schutzbedürftiger heraus eine junge Frau abgedrängt, eingekreist und sexuell belästigt wurde.
Ihr zu Hilfe eilender Freund wurde geschlagen und getreten. Erst die anwesenden Sicherheitsleute konnten unter heftiger Gegenwehr der Täter die beiden befreien und vier Kriminelle festhalten.
Erst Dutzende Polizeibeamte – am Ende waren es über 60 – konnten die Lage vollends beherrschen. So weit, so normal mittlerweile im besten Deutschland aller Zeiten.
Was haben wir zwischenzeitlich noch erfahren? Die Ergriffenen sind drei Syrer mit subsidiärem Schutz. Wann eigentlich werden diese Aufenthaltstitel widerrufen? Und ein Iraker als Haupttäter, der nur geduldet und mit ausgesetzter Abschiebung versehen war. Man kann es fast herbeten. Unser Iraker ist 18-fach polizeibekannt, meist wegen Gewaltdelikten, mit Freiheitsstrafe geadelt, die natürlich zur Bewährung ausgesetzt ist, wobei er ein halbes Jahr in U-Haft gesessen hat. Es würde mich interessieren, unter welchen Umständen jemand hierzulande in den Genuss eines halben Jahres U-Haft kommt!
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie vorhin nicht zu- gehört oder was?)
Zum Verfahrensstand wurde mitgeteilt, man arbeite fieberhaft, die individuelle Tatbeitragszurechnung falle aber schwer. Daher gäbe es keinen dringenden Tatverdacht gegen eine bestimmte Person. Im geschwurbelten Juristendeutsch wird die Tat mit „Die Tatverdächtigen haben die Geschädigte bedrängterweise angetanzt“ beschrieben. Die Landesregierung wurde dann deutlicher, beschrieb die Situation als: an Silvester in Köln erinnernd. Ein anderer, höherrangiger Vertreter der Landesregierung beschrieb den Vorgang stattdessen so: Die Verdächtigen hätten die Frau wohl zum Tanzen aufgefordert und der Begriff ‚Antanzen‘ sei ihm unbekannt. – Da können wir gern nachhelfen. Seit den Übergriffen der Silvesternacht 2015/2016 – Köln ist ja nur Synonym für viele weitere große und kleinere Städte in Deutschland, in die als „Taharrush gamea“ bekannte sexuelle Gruppengewalt auch in Deutschland angekommen ist. Beschrieben wurde sie erstmals 2012 nach den Vorfällen auf dem Tahrir-Platz in Ägypten. Ilka Eickhof von der FU Berlin erklärte das Phänomen so – mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich –: “Die Taten ähneln denen in Kriegs- und Krisensituationen, bei denen sexualisierte Gewalt nicht nur Ausdruck eines spezifischen gesellschaftlichen Machtverhältnisses ist, sondern die Vergewaltigung von Frauen zum Symbol der endgültigen Unterwerfung und Demütigung des Gegners wird. Die Gewaltausübung ist ein Angriff auf das Selbst und die Würde des Individuums; sie bewirkt den Verlust der Selbstbestimmung über den eigenen Körper, das Opfer wird de-personalisiert.”
Der Ablauf sei bei allen Übergriffen ähnlich: „Die Übergriffe laufen meist so ab, dass ein bis zwei Dutzend Männer einen Kreis um eine Frau bilden und sie, um sie kreisend, belästigen. Die Frau wird angefasst, ausgezogen, mit Gegenständen und
Diese Form der Schwerstkriminalität ist hierzulande unbekannt – besser: sie war es. Denn bereits im letzten Jahr gab es auf dem Zwiebelmarkt einen gleichartigen Vorfall. Misshandlungen von Frauen in Freiburg und München in den letzten Tagen zeigen, dass diese Verbrechen eben kein Einzelfall sind. Da hilft auch der Versuch der Regierungsfraktionen,
das Verbrechen im Ausschuss mittels der schon in Köln aufgeführten Oktoberfestvergewaltigungslüge zu verharmlosen, nichts. Auch aus der Landesregierung hört man dazu bislang kein Sterbenswort. Was nicht sein darf, wird totgeschwiegen.
Wir wollen, dass die Landesregierung das Problem thematisiert und dass sie es löst. Einer Ihrer Vertreter hat ja die einschlägigen Vorschriften der §§ 184i und 184j des Strafgesetzbuchs benannt. Es kann eben unabhängig von einer konkreten Zuordnung bestraft werden, wer sich an Straftaten aus Gruppen beteiligt.
Ich erinnere weiter daran, dass schon über die allgemeine Zurechnung von Mittäterschaft und Beihilfe eine konsequente Ahndung von Straftaten möglich ist.
Ebenso ist man, was andere Konstellationen wie den Straftatbestand der kriminellen Vereinigung angeht, sehr schnell bei der Hand. Wer also handeln will, der kann. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gäste! Herr Henke, ich frage mich jetzt – Sie waren vorhin anwesend, als wir darüber geredet haben, was in Weimar vorgefallen ist –, ob