Protocol of the Session on June 22, 2018

Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht sein lang erwartetes und sicherlich richtungsweisendes Urteil. Wir alle können uns noch an das große Presseecho aus Karlsruhe erinnern. In dem Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die NPD ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtetes Konzept verfolgt. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an

einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist damit mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Sie weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität an der Erreichung ihrer gegebenen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele. Das Tatbestandsmerkmal des „darauf Ausgehens“ im Sinne von Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ist hingegen laut Urteil nicht erfüllt, so das Bundesverfassungsgericht.

Der Partei fehlt es derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht, noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar. Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln erscheint ausgeschlossen. So weit zu den wesentlichen Argumenten des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, der den zulässigen Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen einstimmig als unbegründet zurückgewiesen hat.

Die Parlamentarische Kontrollkommission hat im Nachgang zur Urteilsverkündigung zu den Urteilsgründen beraten und begrüßt zunächst ausdrücklich die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass alle V-Leute auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist. Dieser Umstand führte ja im Jahr 2003 im Rahmen des ersten Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zu dessen Einstellung. Auch wurde die Feststellung begrüßt, dass davon auszugehen war, dass die Prozessstrategie der NPD nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht wurde und hinreichende Vorkehrungen getroffen wurden, um im Rahmen der Beobachtung der NPD hierüber zufällig erlangte Erkenntnisse nicht zu deren Lasten zu verwenden.

Das Urteil, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat eine juristische und eine politisch-praktische Ebene. Seiner Bedeutung angemessen ist das Urteil 299 Seiten lang. An mehreren Stellen kommt im Urteil auch Thüringen vor. So wurden beispielsweise die Attacke auf die DGB-Demonstration in Weimar als Beispiel für die Gewaltbereit

schaft der NPD gewürdigt, ebenso die Attacke auf den seinerzeitigen Kandidaten der CDU Zeca Schall als Beispiel für ihre extremistische Ausrichtung.

Umso erstaunlicher, meine Damen und Herren, war es jedoch, dass solche Beispiele für ein Verbot nicht ausreichten, und es stellt sich die Frage: Wie viele Vorfälle hätten denn vorliegen müssen, damit sie als hinreichend betrachtet worden wären? Das politische Signal des Urteils sollte nicht unterschätzt werden, wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Aktivitäten der NPD noch im Rahmen des Legalen sind. Wenn in der Begründung angeführt wird, dass die NPD zwar verfassungswidrig ist, aber im Augenblick außerhalb der Möglichkeiten steht, im politischen System Relevanz zu erlangen, so ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht hierbei Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für ein Parteiverbotsverfahren berücksichtigt hat. Gleichwohl sollte aber auch ein Blick in die Geschichte des letzten Jahrhunderts erfolgen. Gerade die politischen Erfolge der NSDAP in den 20er-Jahren sollten uns mahnen. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Verbot dann noch möglich wäre, wenn eine Partei erst eine gewisse politische Relevanz oder Dominanz erreicht hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu bedenken ist aber auch – das kann im Ergebnis des Urteils als positiv mitgenommen werden –, dass es nun weiterhin die Möglichkeit gibt, die Partei weiter zu beobachten und dass ein Ausweichen der Mitglieder in Kameradschaften oder andere rechtsextremistische Parteien weniger wahrscheinlich ist. Auf mögliche Folgen des Ausschlusses der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung werde ich in einem späteren Berichtsteil eingehen.

Bereits an dieser Stelle möchte ich aber den Aspekt „Wachschutz“ und „Bewachungsgewerbe“ ansprechen. Hier spielt der Aspekt der Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei eine nicht unwesentliche Rolle. Nach § 24 a der Gewerbeordnung liegt eine Zuverlässigkeit in der Regel dann nicht vor, wenn der Betroffene Mitglied einer Partei war, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat und seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Vor dem Hintergrund des NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist es angezeigt, diese Regelung weiter auszulegen, denn die Verfassungswidrigkeit wurde ja unstreitig festgestellt, lediglich ein Verbot wurde aus den bekannten Gründen nicht ausgesprochen. Nach wie vor ist es somit unabdingbar, dass sich sowohl die Zivilgesellschaft als auch die staatlichen Institutionen mit der NPD auseinandersetzen. Hier darf es kein Nachlassen geben. Gleichwohl wäre es von vornherein falsch, die Bekämpfung des Rechtsextremismus allein auf die NPD zu konzentrieren, dies insbesondere auch vor

dem Hintergrund der Neubildung parteilicher Strukturen in diesem Phänomenbereich wie etwa Der III. Weg und die Partei Die Rechte. Entscheidend ist vielmehr, dass wir und insbesondere auch wir Abgeordnete des Thüringer Landtags die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten und ihren menschenverachtenden Ansichten in aller Deutlichkeit und auf allen Ebenen führen. Alle Altersklassen, insbesondere junge Menschen, müssen wir gegenüber dem rechtsextremistischen Gedankengut immunisieren. Wir brauchen hier eine noch wirksamere Prävention.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Ergebnis der Wahlen 2017 hat sich die Schlagkraft der NPD weiter verringert. Ihre politische Präsenz beschränkt sich auf einen Sitz im Europäischen Parlament und auf diverse Sitze in Kommunalvertretungen. Damit möchte ich in keiner Weise die Umtriebe dieser Partei kleinreden. Schauen wir uns jedoch die Zahlen auf der Bundesebene an, so erreichte die NPD lediglich 176.020 Stimmen bei den Zweitstimmen, was einem Anteil von 0,4 Prozentpunkten und einem Rückgang um 0,9 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 2013 entspricht; damals konnte die NPD noch 560.828 Stimmen auf sich vereinigen. Bei den Erststimmen entfielen auf die NPD 45.169 Stimmen, was einem Anteil von 0,1 Prozentpunkten und einem Rückgang um 1,4 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 2013 mit damals 635.135 Stimmen entspricht.

Mit der Partei Die Rechte nahm eine weitere Partei aus dem rechtsextremistischen Spektrum an der Bundestagswahl teil, die Partei erhielt bei den Zweitstimmen 2.054 Stimmen und bei den Erststimmen 1.142 Stimmen.

Schauen wir uns die Zahlen in Thüringen an, so zeigt sich ein ähnliches Bild. Bei den Zweitstimmen erhielt die Partei NPD 16.083 Stimmen, was einem Anteil von 1,2 Prozentpunkten und einem Rückgang um 2,0 Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 entspricht. Im Jahr 2013 erhielt die NPD 39.107 Zweitstimmen, bei den Erststimmen erhielt die NPD 46.036 Stimmen, was einem Anteil von 0,2 Prozentpunkten und einem Rückgang um 3,7 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 2009 entspricht. Damals konnte die NPD noch 43.588 Stimmen auf sich vereinen, andere Parteien aus dem rechtsextremistischen Spektrum traten in Thüringen nicht an.

Wenngleich diese Bedeutungslosigkeit der NPD mehr als erfreulich ist und das Bundesverfassungsgericht dieses Argument im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens als einen Grund dafür anführte, dass die Partei zwar verfassungswidrig sei, aber nicht verboten werde, gilt es, wachsam zu sein. Die momentane geringe politische Bedeutung der NPD ist lediglich eine Momentaufnahme. Es muss alles

daran gesetzt werden, dass sich das nicht wieder ändert.

Neue Parteien wie Der III. Weg oder die Partei Die Rechte versuchen ihre Strukturen auszubauen und zeigen nicht nur bei Demonstrationen Präsenz. Neben dem politischen Argument und dem stetigen Gegenhalten aller Demokraten und gerade auch von uns Abgeordneten gilt es, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um diesen Parteien ihre politische Arbeit unmöglich zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier kann das Streichen der Parteienfinanzierung ein wirksames Mittel sein.

Die Parlamentarische Kontrollkommission unterstützt daher ausdrücklich das gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht am 2. Februar 2018 vom Bundesrat angestrengte Verfahren, die Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Es kann und darf nicht sein, dass auch nur ein einziger Euro öffentlicher Gelder dazu verwandt wird, die Grundfeste unseres freiheitlichen Gemeinwesens zu beseitigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Reichsbürger und Selbstverwalter spielen in der Vergangenheit allenfalls am Rande eine Rolle, wurden sie doch bis vor wenigen Jahren lediglich als Spinner und Querulanten abgetan. In der jüngeren Vergangenheit hat sich dies für die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und somit auch für die Parlamentarische Kontrollkommission grundlegend geändert. Sie sind in den Fokus der Arbeit der Polizei, Justiz und insbesondere auch der Nachrichtendienste geraten. Wenngleich die beschriebene Charakterisierung natürlich auch heute noch ihre Bedeutung hat, stellen ihre immer größer werdende Anzahl und ihr Gefährdungspotenzial eine zunehmende Gefahr darf. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet mit Stand vom 31. Dezember 2017 dem Bundesbeobachtungsfeld Reichsbürger und Selbstverwalter bundesweit 16.500 Personen zu, davon circa 9.000 Rechtsextremisten. Im September 2017 war man noch von 15.000 Personen und 900 Rechtsextremisten ausgegangen. Die Steigerung gegenüber dem September 2017 beruht zum einen sicher auf einem verbesserten Informationsaufkommen, aber zum anderen auch darauf, dass einige Bundesländer nur zögerlich entsprechendes Zahlenmaterial nach Köln liefern. Die von diesem Beobachtungsobjekt ausgehenden wachsenden Gefahren waren auch Gegenstand der Tagung der Vorsitzenden der parlamentarischen Kontrollgremien des Bundes und der Länder im Juni des vergangenen Jahres in Berlin. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder haben die Bearbeitung der Reichsbürgerund Selbstverwalterszene mit Neueinrichtung eines Sammelbeobachtungsobjekts auf Bundesebene seit Ende 2016 nun intensiviert und so konnten

zahlreiche weitere Angehörige identifiziert werden. Was diesen Personenkreis so gefährlich macht, ist, dass sie über Waffen verfügen und dies sicher in den allermeisten Fällen legal. So verfügen nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum 31. Dezember 2017 immer noch rund 1.100 Reichsbürger und Selbstverwalter über waffenrechtliche Erlaubnisse.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da hörst du es!)

Doch wie kann man diese Personengruppe umreißen, was macht sie aus? Bei Reichsbürgern handelt es sich um Personen und Gruppierungen, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und sich stattdessen auf die Fortexistenz des Deutschen Reichs berufen. Die Vorstellungen der Reichsbürger erschöpfen sich jedoch nicht nur in der Leugnung der Existenz der Bundesrepublik, vielmehr halten sie auch das Grundgesetz, die bundesdeutschen Gesetze, Bescheide und Gerichtsurteile für nichtig. Die Reichsbürgerbewegung ist in sich sehr heterogen. Feste Strukturen gibt es allerdings in Form von sogenannten Reichsregierungen und einzelnen weiteren Gruppierungen, die inhaltlich weitestgehend diesem Spektrum zuzuordnen sind. Teilweise stehen die Gruppierungen auch in Konkurrenz zueinander, mehrere sogenannte Reichsregierungen sind ein Indiz dafür. Gleichwohl bietet das Internet die Möglichkeit zur Mobilisierung des Unterstützerumfelds. Das Amt für Verfassungsschutz beschäftigt sich schon seit 2012 mit dem Phänomenbereich „Reichsbürger“. Thüringen kann in diesem Bereich als Vorreiter angesehen werden, da alle anderen Bundesländer und der Bund das Thema entweder lange Zeit heruntergespielt oder derartige Personen lediglich – wie gesagt – als Spinner abgetan haben, ohne ihre potenzielle Gefährlichkeit zu sehen. Letztlich erst mit der Tötung eines Polizeibeamten im bayerischen Georgensgmünd am 19. Oktober 2016 im Rahmen eines Einsatzes gegen einen bekennenden Reichsbürger gewann das Phänomen entsprechende sicherheitspolitische Bedeutung. Die relativ genauen Zahlen für Thüringen resultieren daraus, dass bereits vor einigen Jahren die Behörden dazu aufgerufen wurden, alle Vorkommnisse zu melden, die in irgendeiner Form mit Reichsbürgern zu tun haben.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Fragen Sie die CDU erst mal!)

Die Kommunalverwaltungen haben dankenswerterweise hiervon umfangreich Gebrauch gemacht. Darüber hinaus haben sich auch die Justizbehörden rasch beim Amt für Verfassungsschutz entsprechend gemeldet und informiert. Aktuell gehen wir in Thüringen von circa 880 Fällen und 250 Verdachtsfällen aus. Unter den 880 Fällen sind etwa 50 Personen als Rechtsextremisten einzustufen. Letztere

Zahl zeigt, dass es durchaus personelle Überschneidungen zwischen Reichsbürgern und Rechtsextremisten gibt.

Die Parlamentarische Kontrollkommission begrüßt, dass Thüringen in diesem Phänomenbereich als Vorreiter agiert und sich relativ frühzeitig mit den Reichsbürgern beschäftigt und somit ein relativ konkretes Bild über den betroffenen Personenkreis hat.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Reichsbürger treten in der Regel dann in Erscheinung, wenn behördliches Handeln sichtbar wird, indem sie von Verwaltungsakten betroffen sind und sich diesen Maßnahmen entziehen möchten. In Thüringen gab es bislang glücklicherweise nur wenige Fälle von Gewaltanwendung gegenüber Richtern, Polizisten und Justizangestellten bzw. Angehörigen der Ordnungsbehörden. Zahlreiche Amtswalter, Ordnungsämter, Gerichte und Polizeibeamte werden allerdings nicht nur mit seitenlangen Schreiben malträtiert, sondern es kam in Gerichtssälen auch zu Handgreiflichkeiten. Das Hauptaugenmerk des Amts für Verfassungsschutz liegt im Schutz von Personen, die mit Reichsbürgern umgehen, aber auch in der Sicherstellung, dass unter unseren Polizisten keine Reichsbürger sind. Bezogen auf Waffenbesitzer gilt es, den zuständigen Behörden die notwendigen Informationen und Argumente zur Verfügung zu stellen, um die waffenrechtlichen Erlaubnisse wegen Unzuverlässigkeit entziehen zu können. Dass von den sogenannten Reichsbürgern nicht nur verbale Gewalt ausgeht, hat der beschriebene schreckliche Vorfall in Bayern gezeigt. Nicht nur aus diesem Grunde sieht es die Parlamentarische Kontrollkommission als sehr problematisch an, wenn diese Personen legal über Schusswaffen verfügen.

(Beifall CDU)

Die Parlamentarische Kontrollkommission unterstützt daher jede behördliche Maßnahme, die zum Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse wegen Unzuverlässigkeit und zum Entzug von Waffen führt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schusswaffen gehören nicht in die Hände solcher Menschen. Leider ist es über den Bundesrat trotz einer unterstützenswerten Initiative des Landes Hessen bislang nicht gelungen, das Waffengesetz dergestalt zu ändern, dass es ermöglicht, bei der Erteilung und Verlängerung von Waffenbesitzerlaubnissen im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchzuführen. Als unzuverlässig sollte gelten, wer bei Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder gespeichert ist, weil er auf der Grundlage der Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutz

behörden im extremistischen Umfeld festgestellt worden ist. Gerade auch die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2404 des Kollegen Walk aus dem Oktober des vergangenen Jahres zeigte diese Problematik auf und verdeutlichte, dass ledigliche Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit bislang nicht ausreichen, sondern in den durchzuführenden Ablehnungs- und Widerspruchsverfahren entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen werden müssen.

Die Parlamentarische Kontrollkommission fordert die Landesregierung ausdrücklich auf, diesen unbefriedigenden Missstand durch entsprechende Initiativen auf der Bundesebene zu beseitigen.

(Beifall CDU)

Bis dahin ist im Rahmen von Einzelfallprüfungen die negative Prognoseentscheidung sehr gerechtfertigt, wenn sich eine Person offen dazu bekennt, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Rechtsordnung als nichtexistent zu bezeichnen. Diese Einzelfallprüfungen sind aus unserer Sicht stringent fortzuführen. Zudem sieht die Parlamentarische Kontrollkommission die Schulungs- und Informationsveranstaltungen des Amts für Verfassungsschutz zum Phänomen Reichsbürger als wirksames Mittel zur Aufklärung und Sensibilisierung an. Diese Veranstaltungen sollten in Zukunft fortgeführt und in ihrer Anzahl noch erhöht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Beispiel für die potenzielle Gefährlichkeit von Reichsbürgern ist sicher auch das Ergebnis von Durchsuchungsmaßnahmen am 28. März des vergangenen Jahres in drei Objekten in Nohra und Uthleben im Landkreis Nordhausen zu erkennen. Dort wurden bei einer der Szene zuzurechnenden Person 14 Langwaffen, zwei Pistolen, zwei Revolver, 5.000 Schuss Munition und 3,5 Kilogramm Schwarzpulver sichergestellt. Dazu hatte der Mann einen Schießstand gebaut, für den fand man 16 selbstgegossene Kanonengeschosse. Der 64Jährige und eine 43 Jahre alte weitere Beschuldigte waren als Sportschützen im Besitz waffenrechtlicher Erlaubnisse und ordnungsgemäß angemeldeter Waffen. Der dritte, 34-jährige Beschuldigte besaß keine Erlaubnis zum Waffenbesitz. Aufmerksam geworden war die Polizei, als im Internet Bilder kursierten, auf denen sich die Beschuldigten mit einer Kalaschnikow und anderen illegalen Waffen zeigten. Da die Zuverlässigkeit der Beschuldigten nicht mehr gegeben war, wurden die Waffen eingezogen und der Waffenschein sowie die Erlaubnis zur Schwarzpulverherstellung entzogen. Und nur einige Wochen früher fand die Polizei bei einem sogenannten Reichsbürger in Sondershausen Substanzen und Chemikalien, aus denen Sprengsätze hätten hergestellt werden können sowie elektrische und elektronische Bauteile für den Bau von Zündvorrichtungen. In diesen Kontext reiht sich eine wei

tere Information vom Januar dieses Jahres ein, dass in der Reichsbürgerszene auch in Thüringen eine bewaffnete Gruppe den Aufbau einer eigenen Armee plant und sich auf einen Tag X vorbereitet. Für diesen Zweck sollen sich Reichsbürger aus mehreren Bundesländern bei einem konspirativen Treffen mit dem Aufbau einer militärischen Organisation befasst haben. Dies hätte sicher eine neue Qualität. Bislang unvernetzte Einzelaktivisten und Kleinstgruppen könnten mobilisiert werden, sich enger zusammenzuschließen und feste Strukturen aufzubauen. Zudem verfügt die Szene über eine große Anzahl an legalen und illegalen Waffen. Wie real diese Planungen waren, haben die bundesweiten Durchsuchungsmaßnahmen am 8. April 2018 unter Leitung der Bundesanwaltschaft gezeigt. In Berlin, Brandenburg und Thüringen wurden Häuser und Wohnungen von Angehörigen einer möglicherweise rechtsterroristischen Vereinigung mit Bezügen zur Reichsbürgerbewegung auch von Spezialkräften der Polizei durchsucht. In Thüringen war ein Objekt in Steinbach im Wartburgkreis betroffen, welches vom Bundesund Landeskriminalamt durchsucht wurde. Wenngleich die Suche nach Waffen erfolglos blieb, so war die Aktion jedoch ein wichtiges Zeichen an die Reichsbürgerszene, um deutlich zu machen, dass rechtsfreie Räume nicht geduldet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Entwicklung in der sogenannten Prepperszene besorgniserregend und sie bleibt zu beobachten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch im Rahmen der Berichterstattung zu den Reichsbürgern und Selbstverwaltern musste die Parlamentarische Kontrollkommission wiederholt zur Kenntnis nehmen, dass die Personalausstattung des Amts für Verfassungsschutz – ich hatte das bereits gesagt – anscheinend kaum ausreicht, um die Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen zu können.

(Beifall CDU)

Gerade bei der Bearbeitung der Reichsbürgerszene zeigt sich, dass zur Aufgabenerfüllung Personal aus anderen Bereichen abgezogen werden musste, um die Kräfte entsprechend bündeln zu können. So wurde Personal aus dem Bereich Linksextremismus zur Unterstützung eingesetzt. Lediglich in Akutfällen fand eine entsprechende Fallbearbeitung statt. Hier muss dringend über Abhilfe nachgedacht werden. Es kann nicht das Risiko in Kauf genommen werden, dass zur Erfüllung einer Aufgabe eine andere vernachlässigt wird.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit dem Islamismus/Ausländerextremismus zu einem weiteren Phänomenbereich kommen. Die abstrakte Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus, insbesondere seitens der verbotenen Terrororganisation „Islamischer Staat“ und

dschihadistisch motivierte Gewalttaten, war im gesamten Berichtszeitraum in Deutschland unverändert hoch. Gewalttaten waren und sind danach jederzeit möglich. Deutschland ist zum Zielpunkt von islamistischen Tätern geworden. Der Terrorismus hat Deutschland erreicht. Dieser Satz in seiner ganzen Härte ist leider eine Tatsachenfeststellung für die Gefährdungslage in unserem Land. In den vergangenen Monaten mussten wir eine Zunahme von Anschlägen in der Bundesrepublik verzeichnen – so am 18. Juli 2016 auf einen Regionalzug bei Würzburg in Bayern, als ein wohl islamistisch motivierter 17-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan fünf Menschen schwer verletzte und selbst dabei zu Tode kam. Hierbei handelte es sich um den ersten Anschlag auf dem Territorium der Bundesrepublik, der eine Verbindung zum sogenannten Islamischen Staat aufweist. Nur wenige Tage später kam es erneut in Ansbach zu einem Sprengstoffanschlag vor einem Festivalgelände, bei dem der 27-jährige Asylbewerber selbst ums Leben kam und 14 Personen verletzt wurden. Neben Bezügen nach Thüringen gab es auch hier Anhaltspunkte für eine dem islamistischen Terrorismus zuzuordnende Motivation. Der schwerste Anschlag war zweifellos der verheerende Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Bei dem Anschlag kamen 12 Menschen ums Leben, 56 weitere trugen teils schwere Verletzungen davon.

Diese Anschläge stehen im Zusammenhang mit einer weltweiten Anschlagsserie, so am 22. Mai 2017 in Manchester, am 17. Juni 2017 in London, am 17. August 2017 in Barcelona, am 15. September 2017 wiederum in London, am 1. Oktober 2017 in Marseille und am 31. Oktober 2017 in New York. Neben der Durchführung von komplexen Anschlagsvorhaben durch gut ausgerüstete und in mobilen Zellen agierende Attentäter sind gleichermaßen Tatausführungen durch Einzeltäter unter Nutzung von einfach zu beschaffenden Tatmitteln zu befürchten. Letzteres hat in der Konsequenz zur Folge, dass spontan ausgeführten Taten mit präventivpolizeilichen und nachrichtendienstlichen Maßnahmen kaum begegnet werden kann. Einzeltäter informieren und radikalisieren sich zumeist über soziale Netzwerke im Internet. Daher ist vor allem das engste Umfeld dieser Personen aufgerufen, frühzeitig Persönlichkeitsveränderungen mitzuteilen und aktiv zu werden. Das bezieht Vereine und Institutionen der Zivilgesellschaft mit ein. Besonders wichtig ist auch eine Sensibilisierung und Schulung von Personal, insbesondere des öffentlichen Diensts, der Polizei, der Justiz, der Feuerwehr und anderen Großorganisationen. Hier ist es von größter Bedeutung, Radikalisierungstendenzen und extremistische Ansätze frühzeitig zu erkennen.

Die Parlamentarische Kontrollkommission sieht es auch als sehr problematisch an, dass es trotz ge

setzlicher Vorgaben zur Begrenzung der Abgabe größerer Mengen von Stoffen, die auch zum Bau von Sprengsätzen genutzt werden können, nicht schwierig ist, solche Mittel im Online-Handel zu beschaffen und im Internet gleich die Anleitung zum Bombenbau quasi mitgeliefert zu bekommen. Als ebenso problematisch wird die mitunter unzureichende Informationslage bei den zuständigen Behörden, wie den Ausländerbehörden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, angesehen, valide Informationen über eingereiste Personen zu bekommen. Dieser Umstand muss zwingend, wo noch nicht geschehen, eine Verbesserung erfahren.