Protocol of the Session on April 29, 2015

lehnt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen, Frau ScheringerWright, klar ist, dass Sie Ihrem eigenen Koalitionsvertrag damit widersprechen. Da steht nämlich: „Thüringen wird sich umfangreich an der bundesweiten Datenplattform ‚GovData‘ beteiligen [...].“ Dort steht auch, dass die Koalition beabsichtigt, ein zentrales Informationsregister

(Unruhe DIE LINKE)

aufzubauen, das den Open Data-Prinzipien völlig entspricht. Aus den zehn Open Data-Prinzipien auf GovData kann man entnehmen, dass Sie die Erhebung von Nutzungsgebühren, die Weiterverarbeitung von Daten, die Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen generieren, von vornherein ausschließen. Mit anderen Worten: Laut GovData sollen explizit auf Grundlage entgeltbefreiter öffentlicher Daten neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Ja, und da haben Sie auch Recht, öffentliche Daten können Investitionen, Werte, Gewinne zur Folge haben. Aber daran sollten wir alle ja wohl ein gesamtwirtschaftliches Interesse haben, anstatt von Gelddruckmaschinen zu fabulieren, Frau Scheringer-Wright. Eben diesem Interesse kommt unser Gesetzentwurf nach, indem die vorgeschlagenen Lizenzbedingungen völlig diskriminierungsfrei gestaltet worden sind.

Frau Scheringer-Wright ist im Namen der gesamten Koalition der Auffassung, Interoperabilität sei ein technischer Begriff. Die Landesregierung selbst hat in der Drucksache 6/67 allerdings festgehalten, dass Gesetzestexte und die darin verwendeten Begrifflichkeiten wie Interoperabilität abstrakte Regelungen darstellen, die einer rechtskonformen Auslegung unterliegen, die sich aus der Rechtsprechung oder ergänzenden amtlichen Begründungen ergeben. Nun wurde die Interoperabilität als abstrakter Begriff bereits durch ein ganzes Bündel an Spezifizierungen wie zum Beispiel auch die rechtliche Interoperabilität konkretisiert, und zwar durch amtliche Begründungen unter anderem durch die Drucksache 17/12495 des Deutschen Bundestags oder durch den Europäischen Interoperabilitätsrahmen. Ich glaube nicht, dass die Thüringer Landesregierung beabsichtigt, bereits bestehende amtliche Begründungen neu zu erklären.

Frau Scheringer-Wright, Interoperabilität ist kein technischer, sondern ein abstrakter Rechtsbegriff, und damit erweisen sich Ihre Ausführungen als völlig haltlos.

Frau Scheringer-Wright, Herr Malsch, Frau Ministerin Keller, Sie drei haben dafür plädiert, dass wir mit einer Änderung des Thüringer GDIG so lange warten sollten, bis die Vorstufe eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens abgeschlossen ist. Ich nenne Ihnen fünf Gründe, warum es jetzt an der Zeit ist, dieses Gesetz zu ändern. Der erste Grund ist banal. Ein EU-Pilotverfahren kritisiert nicht den Gesetzesvollzug, sondern die Gesetzgebung. Aus die

(Abg. Kobelt)

sem Grund muss nach unserer Auffassung der Verfahrensanlass mit sachkundigen Mitarbeitern und Mitgliedern im entsprechenden Ausschuss besprochen werden.

Der zweite Grund ist nicht weniger banal. Wir alle können lesen und sind dadurch befähigt, Regelungen auf der europäischen Ebene mit denen auf der Landesebene abzugleichen, und zwar Buchstabe für Buchstabe. Man braucht keine zusätzliche Instanz oder ein EU-Pilotverfahren, um herauszufinden, was richtig oder was falsch ist. Das Pilotverfahren ist übrigens nicht Anlass dieser Debatte, sondern stützt zusätzlich unsere Kritik am Thüringer GDIG.

Der dritte Grund ist, dass gemäß Thüringer Umweltinformationsgesetz und Thüringer Informationsfreiheitsgesetz alle Bürger einen Zugang zu amtlichen Informationen haben sollen. Beide Gesetze bilden den kleinsten gemeinsamen Nenner im Zugang zu Umweltinformationen. Nach Auffassung der Landesregierung in der Drucksache 6/308 besteht kein Regelungsbedarf, um die Weiterverwendung der vom Thüringer GDIG betroffenen Umweltdaten für außerbehördliche oder natürliche Personen zu gewährleisten. Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Thüringer UIG, dem Thüringer IFG und widerspricht logischerweise auch dem Absatz 8 der Präambel der INSPIRE-Richtlinie und dem damit verbundenen Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG). Die Novellierung des IWG Mitte dieses Jahres fordert explizit die Verwendung von Standardlizenzen für die Weiterverwendung von Daten im elektronischen Rechtsverkehr. Gesetzgebungen, die sich gegenseitig behindern oder widersprechen, verursachen aus unserer Sicht einen enormen Verwaltungsaufwand und gehören schon deshalb auf den Prüfstand.

(Beifall AfD)

Zum vierten Grund: Die 2014 vorgestellte Strategie für E-Government und IT des Freistaats Thüringen fordert im Abschnitt 2, dass Verwaltungsangelegenheiten prozessorientiert und durchgängig elektronisch bearbeitet werden sollen. Im Thüringer GDIG fehlt aber genau das, nämlich eine Berücksichtigung der Bestimmung, dass die Kombination und Interaktion von Geodaten ohne wiederholtes manuelles Eingreifen möglich und mit einem Zusatznutzen verbunden sein muss – so die Richtlinie. Genau aus diesem Grund können Geodaten auch nach sechs Jahren Thüringer GDIG nicht elektronisch durchgängig und prozessorientiert konsumiert werden.

Der fünfte Grund ist der folgende: Der Europäischen Kommission ist es völlig gleichgültig, ob der Anwendungsbereich des Landesgesetzes über die Festlegungen der Richtlinie hinausgeht. Die Richtlinie wird dadurch nicht weniger erfüllt. Wenn aber die weiter gehenden Anwendungsbereiche dazu

führen, dass das Gesetz von den Kommunen gar nicht und von der Landesverwaltung nur unzureichend vollzogen wird, dann muss man nach Ursachen fragen. Dazu sagten mir viele Bürgermeister, dass der Erfüllungsaufwand für die Daueraufgabe des Vollzugs des Thüringer GDIG gemäß dem Konnexitätsprinzip überhaupt noch nicht verhandelt worden ist. Die Bürger teilen auch nicht die Auffassung der Landesregierung, wonach die Verwendung der Geodateninfrastruktur den Erfüllungsaufwand der Kommunen aufwiege. Der initiale Erfüllungsaufwand dieses Gesetzes liegt bei knapp 100 Millionen Euro unter Berücksichtigung des TVöD und ohne Folgekosten. Die Grundlage meiner Rechnung kann aus dem Protokoll der ersten Lesung entnommen werden. Es obliegt nun der Landesregierung, 100 Millionen Euro zusätzlich aufzubringen oder das Gesetz so zu ändern, dass es der Richtlinie entspricht, aber zugleich die Kommunen entlastet.

Frau Ministerin Keller, nun zum angeblichen Widerspruch, unser Gesetzentwurf schmälere die Vielfalt der verfügbaren Geodaten. Frau Ministerin, wenn die Koalition sich der AfD-Forderung eines offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns anschließt, worunter auch eine Open-Data-Politik fällt – und das geht ja erfreulicherweise aus dem Koalitionsvertrag hervor –, dann werden alle Daten aus den Verwaltungen, egal ob es Haushaltsdaten oder Geodaten sind, nach den Kriterien der Open-DataCharta der G8-Staaten der Öffentlichkeit zugängig sein. Unser Gesetzentwurf schmälert nicht die Verfügbarkeit von Geodaten, er schmälert allenfalls die Verfügbarkeit von Daten, die dem INSPIRE-Pseudostandard entsprechen. Pseudostandard deshalb, weil für den ausschließlichen Zweck einer gemeinschaftlichen Umweltpolitik bestimmte und zum Teil sehr komplizierte Datenformate festgelegt wurden, die keinerlei Relevanz außerhalb der politisch gesteuerten Verwaltungsarbeit besitzen. Der Erfüllungsaufwand des Thüringer GDIG wird aber maßgeblich durch diese Pseudostandards beeinflusst. Es zwingt den Verwaltungen Softwaretechnologien von Monopolisten auf und erfordert ganz spezialisiertes Personal.

Die AfD fordert die Entlastung der Kommunen, da diese, wie die Landesregierung bereits bestätigte, nicht von der Richtlinie betroffen sind und weil die kommunale Maßstabsebene für eine europäische Umweltpolitik kaum eine Rolle spielt. Wir halten es stattdessen für viel nachhaltiger, wenn kommunale Daten einem offenen Industriestandard folgen. Damit erhöhen wir nämlich die Nachnutzbarkeit durch eine breite Kompatibilität für Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft bei zeitgleicher Verringerung der Erfüllungskosten.

Meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten, ich habe dargelegt, dass die Landesregierung sich unglaubwürdig macht, wenn sie ein Transparenzregis

ter nach Hamburger Vorbild fordert, aber für eine Teilmenge von Verwaltungsdaten offene Lizenzen ablehnt, wenn die Landesregierung den Empfehlungen im Tätigkeitsbericht des Informationsfreiheitsbeauftragten, Dr. Hasse, nicht Folge leistet und Geoinformationen kostenfrei in das Transparenzregister einstellt, wenn Frau Ministerin Keller davon spricht, dass sich das Gesetz bisher als praxistauglich erwiesen hat, obwohl nach sechs Jahren keine einzige Kommune das Gesetz vollzogen hat und die Landesverwaltung aufgrund fehlender Download- und Transformationsdienste den Systemstatus Prototyp noch nicht einmal erreicht hat, wenn die Landesregierung sich zum E-Government bekennt, sich aber weigert, ein Gesetz zu machen, das Datenaustausch ohne wiederholtes manuelles Eingreifen ermöglicht, und wenn die Landesregierung am derzeitigen Gesetzestext festhält, ohne 100 Millionen Euro zusätzlich im Haushalt für die Kommunen zu veranschlagen.

Liebe Kollegen, zeigen Sie unseren Bürgern, dass wir in der Gesetzgebung Vernunft walten lassen, das heißt, dass wir bei Themen wie Informationsfreiheit und Steuergeldeinsparung zum Wohle Thüringens an einem Strang ziehen. Aus diesem Grund bitten wir um eine Beratung des Entwurfs im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten als federführendem. Im Weiteren bitte ich um die Publizierung unseres Gesetzentwurfs im Landtagsforum. Sollte wider Erwarten der Ausschussüberweisung nicht zugestimmt werden, werde ich Ministerin Keller persönlich zur größten deutschsprachigen Wissenschaftskonferenz am 8. Juli nach Salzburg einladen. Ich habe mir dort einen Vortragsblock reservieren lassen mit dem Titel „GDI Deutschland – ein Prototyp vor dem Aus“. Dort sollen dann insbesondere die paradoxen Auffassungen der regierungstragenden Fraktionen führenden Wissenschaftlern vorgetragen werden. Das stimmt mich hoffnungsvoll, dass der Nachhall in der Fachpresse zum Umdenken bewegt. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung Frau Ministerin Keller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zunächst erst einmal herzlichen Dank, Herr Krumpe, für die Einladung zu einer wissenschaftlichen Konferenz nach Salzburg. Ich denke, es gibt sicher sehr viele Kongresse oder Konferenzen, an denen ich teilnehmen könnte in der Zeit, die ich da vielleicht nach Österreich fahre. Ich denke, das kann vielleicht jemand anderes ma

chen. Wir haben wissenschaftliche Begleitung dafür.

(Zwischenruf Abg. Krumpe, AfD: Frau Sche- ringer-Wright!)

Ich denke, das dürfen Sie ruhig mir überlassen.

Aber unabhängig davon noch einmal zu Ihrem Vorschlag: Sie haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes vorgelegt mit folgenden Zielen – nur mal grob formuliert, auch wenn Sie das jetzt noch mal vertiefter vorgetragen haben –: zum einen Freizügigkeit der öffentlichen Geoinformationen und Bereitstellung als Open Data, Entlastung der Kommunen und der unteren Verwaltungsebene sowie Festlegung einheitlicher Lizenzbedingungen für öffentliche Geoinformationen. Ja, Herr Krumpe, diese Ziele verfolgt die Landesregierung in gleichem Maße, hält allerdings eine Änderung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes zumindest mit den jetzt vorgeschlagenen Inhalten nicht für erforderlich. Dabei geht es nicht um die Weigerung, hier ein Gesetz auf den Weg zu bringen und zu verabschieden.

An der ablehnenden Haltung, wie ich sie im März hier im Namen der Landesregierung dargelegt habe, hat sich aus folgendem Grund nichts geändert: Die Europäische Kommission hat im Februar 2014 ein Pilotverfahren zur Überprüfung der rechtlichen Umsetzung der Richtlinie 2007/2/EG, der INSPIRERichtlinie, so, wie Sie es auch angesprochen haben, die sich mit dem Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur befasst, gegen Deutschland eingeleitet. Dieses Verfahren ist noch immer in der Schwebe. Eine abschließende Stellungnahme seitens der Europäischen Kommission fehlt. Angesichts dieser Überprüfung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes auf europäischer Ebene, die noch andauert, wäre eine Änderung unseres Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes zum jetzigen Zeitpunkt in jedem Fall – unabhängig von den inhaltlichen Kritikpunkten, die wir hier auch aufgezeigt haben – nicht zielführend. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist erneute Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten beantragt worden. Wir stimmen darüber ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der anderen Fraktionen. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir stimmen in zweiter Beratung über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in Drucksache 6/342 ab. Wer für den Gesetzentwurf stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen

(Abg. Krumpe)

der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei den Gegenstimmen der anderen Fraktionen ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich schließe damit den heutigen Plenartag und möchte darauf hinweisen, dass heute noch ein parlamentarischer Abend stattfindet. Wir sehen uns morgen um 9.00 Uhr an dieser Stelle wieder.

Ende: 18.17 Uhr