Protocol of the Session on November 23, 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen und das eine oder andere Gespräch nach draußen zu verlagern.

Bevor wir mit der heutigen Plenarsitzung beginnen, möchte ich aus aktuellem Anlass etwas sagen. Meine Damen und Herren, wir erinnern uns alle an das bundesweite Entsetzen über die Dresdner Rede des Kollegen Björn Höcke, in der er eine 180-GradWende in der Deutschen Erinnerungskultur gefordert und das Holocaustmahnmal als ein Mahnmal der Schande bezeichnet hat. Inhalt und Duktus der Rede sind verantwortungslos; sie entschieden zu kritisieren, verstand und verstehe ich als meine Pflicht. Das Holocaustmahnmal ist ein zentraler Ort des Gedenkens an ein unvergleichliches Verbrechen, den Mord an Millionen Juden. Daran halte ich fest.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestern nun berichteten mehrere Onlineportale, dass Aktivisten des sogenannten Zentrums für politische Schönheit neben dem Wohnhaus des Abgeordneten Höcke in Bornhagen eine Nachbildung des Berliner Holocaustmahnmals errichtet haben. Eigenen Angaben zufolge haben sich die Aktivisten seit fast einem Jahr im Nachbarhaus des Abgeordneten Höcke verdeckt eingemietet. Das Wohnhaus wurde überwacht, seine Familie und er wurden ausgespäht und abgehört.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Das ist doch Quatsch!)

Das wird von der Aktion selbst behauptet.

Auf der Internetseite der Aktion können Gegenstände erworben werden, die offenkundig aus dem Garten des betroffenen Abgeordneten stammen. Der Abgeordnete wird erpresst, dass rechtswidrig im Rahmen der Aktion erlangtes Wissen nur dann geschreddert würde, wenn er vor dem Denkmal auf die Knie falle und für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg aufrichtig um Vergebung bitte. Der Abgeordnete Höcke hat sich aufgrund dieser Aktion für die heutige Sitzung entschuldigt.

Meine Damen und Herren, es besteht kein Zweifel daran, dass ich die politische Meinung und auch die Positionen von Herrn Höcke nicht teile, sondern sie ablehne. Ich halte es aber für ein unverzichtbares Wesensmerkmal unserer freiheitlichen Demokratie, dass aller politischen Gegensätze zum Trotz Kinder, Partner, Familien, das Eigentum,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da kommen wir ja gleich dazu!)

kurzum die Privatsphäre von Politikern nicht zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzungen gemacht werden,

(Beifall CDU, DIE LINKE, AfD)

weil es Sippenhaft auch nur in totalitären Systemen gibt, nicht in freiheitlichen. Gleiches gilt für das Bestehlen, Abhören, Ausspionieren und Erpressen von politischen Gegnern und ihren Familien. Auch diese Methoden sind uns aus beiden deutschen Diktaturen nur zu gut bekannt.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, AfD)

Sie dienen der Zersetzung dessen, den man nicht mehr als politischen Gegner betrachtet, sondern als Feind ausgemacht hat. Ob die Inszenierung in Bornhagen Kunst ist und ob es den Akteuren um ein würdiges Gedenken an die Opfer des Holocaust geht, mag jeder für sich bewerten. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, dass die Einschüchterung und Bedrohung eines Abgeordneten eine „wunderbare Idee“ wäre, wie ich es in einigen Zeitungen lesen konnte. Im Gegenteil: Zu oft beklagen wir hier die Übergriffe auf Abgeordnete, ihre Autos, Büros, auch Wohnhäuser. Die monatelange Aktion von Bornhagen steht dem in nichts nach, im Gegenteil, sie setzt hier noch einen drauf.

(Beifall CDU, DIE LINKE, AfD)

Hier wird unter dem Deckmantel künstlerischer Freiheit ein skandalöser Angriff auf die Freiheit des Mandats, die Unversehrtheit einer Person, von Familie und Privatsphäre unternommen. Aus politischer Ablehnung wird so moralisch kaschierter Psychoterror.

(Beifall CDU, AfD)

Die Vorstellung, meine Damen und Herren, dass dies jeden von uns aus jeder einzelnen Fraktion treffen könnte, wirkt für mich beklemmend und ich halte das für eine Gefährdung unserer freiheitlichen Grundordnung.

(Beifall CDU, AfD)

Ich habe daher den Innenminister bereits in einem Telefonat gebeten, dringend dafür zu sorgen, dass diese sogenannte Überwachung sofort beendet wird und erforderliche Ermittlungen eingeleitet werden.

(Beifall CDU, AfD)

Ein öffentliches Interesse an Ermittlungen stelle ich im Interesse einer ungehinderten Ausübung des freien Mandats hiermit fest.

(Beifall CDU, AfD)

Meine Damen und Herren, ich bin mir darüber im Klaren, dass ich womöglich hier nicht für jeden Einzelnen von Ihnen gesprochen habe, aber es ist im Interesse eines jeden Einzelnen von Ihnen meine

Pflicht, das hier zu sagen, auch wenn der Kollege, den es heute betroffen hat, vielleicht von dem einen oder anderen nicht geschätzt und die Aktion vielleicht als glücklich oder sonst irgendetwas gewertet wird.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darum geht es doch nicht!)

Es geht um die Erpressung und Bedrohung eines Abgeordneten und ich erwarte da in diesem Haus auch mehr Solidarität.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Herr Carius, darum geht es doch gar nicht! Sie haben den Kunstgedan- ken nicht verstanden!)

(Unruhe CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte das an dieser Stelle beenden und würde daher jetzt in die Tagesordnung eintreten, eröffne damit die Plenarsitzung, begrüße einige Zuschauer auf der Besuchertribüne und darf sagen, dass die heutige Sitzung gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags aufgrund eines Antrags der Fraktion der CDU einberufen wurde. Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen in der Drucksache 6/4745 vor.

Der Abgeordnete Schaft hat als Schriftführer neben mir Platz genommen und Herr Abgeordneter Herrgott führt die Redeliste.

Für die heutige Sitzung haben sich einige Kollegen entschuldigt. Das sind der Abgeordnete Fiedler, die Abgeordnete Liebetrau und der Abgeordnete Harzer. Den erkrankten Kollegen möchte ich alles Gute und vor allen Dingen die besten Genesungswünsche ausrichten.

(Beifall im Hause)

Frau Ministerin Keller hat sich ebenfalls entschuldigt und Frau Ministerin Werner dann zeitweilig, auch das ist klar.

Ich habe noch eine sehr angenehme Pflicht, der ich gerne nachkommen möchte: Der Abgeordnete Christian Tischner ist Vater geworden; die Mutter und der kleine Sohn Karl sind wohlauf. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Nachwuchs!

(Beifall im Hause)

Ich darf zur Tagesordnung darauf hinweisen, dass ein Alternativantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/4762 verteilt wurde, und frage, ob es noch weitere Wünsche zur Beratung gibt. Das ist momentan nicht der Fall. Auch zur Tagesordnung gibt es keine weiteren Wünsche, sodass wir nun in die Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

„Lauinger-Affären“ endlich ein Ende setzen – Justizminister entlassen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/4744 dazu: Verantwortungslosem Regieren endlich ein Ende setzen – Möglichkeit des Regierungsrücktritts nach Artikel 75 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen nutzen Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/4762

Ich frage die Fraktion der CDU, ob sie das Wort zur Begründung wünscht. Der Abgeordnete Walk hat sich dazu gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter Walk.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher, heute geht es schlicht um die Frage von Glaubwürdigkeit, politischem Anstand und Verantwortung. Bundespräsident Steinmeier hat jüngst in einem eindringlichen Appell ganz unmissverständlich eingefordert: Verantwortung geht weit über eigene Interessen, auch über Parteiinteressen, hinaus und Parteien sind dem Gemeinwohl verpflichtet,

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Da spricht doch gerade der Generalsekretär!)

sie dienen unserem Land. Kurzum: Gemeinwohlinteressen stehen immer über Parteiinteressen und stehen auch immer über persönlichen Interessen.

(Beifall CDU, AfD)

Dieser Gemeinwohlverpflichtung, dieser hohen Verantwortung unterliegen in erster Linie also die Minister – wörtlich –: Diener des Staates. Und dass insbesondere ein Justizminister hier eine herausgehobene Verantwortungsposition einnimmt, muss ich nicht besonders betonen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als unbestechlicher Gradmesser, besonders für einen Justizminister, muss doch gelten, das Recht wie den eigenen Augapfel zu hüten und dieses eben gerade nicht zum eigenen Vorteil auszulegen.

(Beifall CDU)

Das wiederum verlangt auch das richtige Maß in der Durchsetzung eigener Interessen und der Wahl der Mittel. Das gilt ganz besonders in Zeiten wie diesen.

(Präsident Carius)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben erst im letzten Plenum hier ausführlich den Thüringen-Monitor diskutiert. Neben den vielen erfreulichen Aspekten ist eines deutlich geworden: Den politischen Akteuren schlägt ein breites und immer wieder verbreitetes Misstrauen entgegen, und das muss uns hier im Hohen Hause doch zu denken geben.