Protocol of the Session on October 18, 2012

(Abg. Kemmerich)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weil allein schon mit unseren Vorschlägen zum Vergabegesetz im Jahr 2009 haben wir diese Dinge auch aufgemacht. Sie fanden keine Mehrheit. Deshalb ist es richtig und gut, darüber erneut zu debattieren. Es ist auch richtig und gut, erneut darüber zu debattieren, weil das Thema offensichtlich immer noch nicht wirklich in der Bundesrepublik durch ist. Insofern ist die Initiative, die die Landesregierung im Bundesrat auf den Weg gebracht hat, eine völlig - das haben wir auch schon deutlich gesagt - vernünftige Alternative. Sie stellt sich endlich der Lage, die ich vorhin noch mal ein Stück weit beschrieben habe.

Da will ich freilich auch nicht verhehlen, dass die CDU-Fraktion - und deshalb finde ich übrigens auch den Antrag der GRÜNEN mittlerweile doppelt gut und richtig - offensichtlich auch nicht in diesem Parlament gerne darüber debattieren möchte, denn das kann ich hier vielleicht mal sagen. Also selbst ein Antrag - wir begrüßen als Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit die Mindestlohninitiative der Landesregierung - wurde von der Regierungskoalition vor allen Dingen aber, wenn ich das richtig verstanden habe, von Ihnen, von der CDU nicht gewünscht, meine Damen und Herren. Ihr öffentliches Bekenntnis als Fraktion, die diese Regierung mitträgt zu diesem Mindestlohn fehlt immer noch, meine Damen und Herren. Das fehlt in diesem Parlament immer noch.

(Beifall DIE LINKE)

Solange ich das nicht gehört habe, habe ich da Zweifel. Dass die Sache nicht vom Tisch ist, das sagen mir leider auch andere Informationen, die ich aufnehmen musste. Wenn diese zutreffen - und ich gehe mal davon aus, dass diese zutreffen, aber vielleicht werden wir vonseiten der Regierung oder Koalitionsfraktionen dazu noch in dieser Debatte einiges hören -, dann war die Thüringer Mindestlohninitiative diese Woche im Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrats. Wenn meine Informationen weiter zutreffen, dann ist es so gewesen, dass dieser Ausschuss die Mindestlohninitiative Thüringens vertagt hat. Und es soll so sein, dass insbesondere - in dem Zusammenhang wird unter anderem Kurt Beck zitiert,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer ist Kurt Beck?)

Kurt Beck, ja - einige SPD-regierte Länder große Vorbehalte haben, ob diese Mindestlohninitiative, meine Damen und Herren, auf der Höhe der Zeit wäre, ob man die jetzt so in Gang setzen könne und deshalb brauche man mehr Zeit. Also dann muss ich schon mal ganz deutlich sagen, wenn dies so zutreffen sollte, ist das ein Affront gegenüber der Initiative der Thüringer Landesregierung in

ihrer Gesamtheit. Vor allen Dingen lässt es aber dann natürlich den Eindruck im Raum stehen, dass man offensichtlich mit Blick auf parteipolitische, mit Blick auf wahlpolitische oder sonstige Überlegungen ein so wichtiges Thema für Millionen Menschen in diesem Land wieder auf der Strecke lassen will, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Auch deshalb ist es gut, dass wir heute in diesem Parlament über dieses Thema Mindestlohn reden. Ich hatte schon gesagt, wir werden - gerade übrigens auch deshalb, weil er eben die Frage der Vergabe deutlich mit berührt - dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, weil auch die aktuelle Debatte uns zeigt, dass wir eine Bekräftigung dieser Frage von diesem Haus aus unbedingt weiterhin benötigen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Hausold. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Voigt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, aus den Stellungnahmen gibt es ein sehr eindeutiges Urteil: nicht praktikabel, benachteiligend, unzulässiger Eingriff, weder zielführend noch bundes- und europarechtskonform, nicht verfassungskonform. All das ist Ihnen ins Stammbuch geschrieben worden, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Damit hat sich etwas bestätigt, was wir schon bei der Einbringung dieses Vorschlags hier im Haus diskutiert haben. Die Ausgangslage ist eine relativ simple. Sie haben für den öffentlichen Dienst gesprochen. Dort befinden wir uns in einer Tarifgemeinschaft der Länder und die hat mindestens zwei Bedingungen zu erfüllen. Erstens hat sie zu prüfen, ob es eine Einheitlichkeit gibt in den Arbeitsbedingungen deutschlandweit und zweitens hat sie darauf zu achten, dass auch die Entgelte im öffentlichen Dienst adäquat berücksichtigt werden. All das ist Tarifgemeinschaft der Länder, da ist auch Thüringen Bestandteil. Danach wird das eingehalten, was Sie in Ihrem Antrag gefordert haben. Wenn man jetzt erstens auf Thüringen blickt, dann darf man feststellen, wir haben im öffentlichen Dienst ehedem schon in der untersten Entgeltgruppe einen höheren Tarif als Sie in Ihrem Antrag fordern. Deswegen kann ich nur sagen, dass damit Ihr Antrag schon ad absurdum geführt und auch gar nicht praktikabel und realisierbar ist.

(Abg. Hausold)

Wenn wir uns den zweiten Punkt anschauen. Sie haben darauf verwiesen, dass man doch auch bei den Aufträgen, bei der Auftragsvergabe das Ganze so gestalten soll, dass mindestens 8,50 € gezahlt werden. Realerweise haben wir doch ein Thüringer Vergabegesetz seit dem 01.05.2011, das das genau in den Blick nimmt, dass sowohl auf der einen Seite Tariftreue existiert und zweitens auch Entgeltgleichheit. Insofern ist auch diese Forderung erfüllt. Deswegen kann ich nur sagen, dass Ihr Antrag allein aus nicht bedarfsgerechten Kriterien abgelehnt werden muss, aber vor allen Dingen auch, weil er sich nicht im Praxistest bewährt. Wenn Sie sich anschauen, Sie fordern 8,50 € bei Unternehmen, wollen auf der anderen Seite aber auch die Tarifparteien gestärkt wissen, dann kann ich nur feststellen, wir haben zum Beispiel eine Tarifautonomie, die auch branchenspezifische Mindestlöhne zulässt. Wenn Sie jetzt in die Abfallwirtschaft schauen - ich habe es schon bei der Einbringungsrede gesagt -, 8,33 € haben dort die Tarifpartner miteinander vereinbart. Wenn es jetzt nach Ihrem Gesetzesentwurf ginge, würde der Müll in Thüringen nicht mehr abgefahren werden, obwohl die Tarifparteien das gemeinschaftlich so vereinbart haben

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Unsinn.)

und branchenspezifischer Mindestlohn dort existiert. Dementsprechend kann ich nur sagen, es ist komplett wirklichkeitsfern, was Sie hier gefordert haben.

Jetzt will ich etwas zu Herrn Hausold sagen, weil Sie schon eine ganz ordentliche Milchmädchenrechnung aufgemacht haben, weil Sie gesagt haben, jawohl, jetzt machen wir mal einen Mindestlohn auf 8,50 € und am Ende werden dann - wie viel waren es - 7 Mrd. € mehr in die öffentlichen Kassen gespült werden. Daran sieht man doch, wie Ihr wirtschaftspolitisches Grundverständnis ist. Am Ende ist ein Lohn immer die Zusammensetzung aus der Produktivität und aus der Wertschöpfung, die Sie erreichen können. Diese Produktivität bemisst sich doch am Ende natürlich auch durch den Konsumenten, der selbst darüber entscheidet, wie viel er gewillt ist auszugeben. Das ist genau die Doppelzüngigkeit.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Wirtschaftliches Unverständnis!)

Wenn Sie und ich - wir haben wahrscheinlich ungefähr die gleiche Zeit, die wir beim Frisör verbringen - zum Frisör gehen, sind Sie denn gewillt 22 € oder mehr zu zahlen? Wahrscheinlich nicht, sondern Sie zahlen am Ende nur

(Unruhe DIE LINKE)

ja, jetzt können Sie alle nicken. Das sind doch die Gruppen, mit denen Sie sich unterhalten müssen, gehen Sie doch einfach mal in einen Frisörladen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Sind Sie nicht der Generalsekretär der CDU?)

Ist es sehr unhöflich, wenn ich ausrede? Herr Ramelow, Sie können doch ruhig noch mal hier vorkommen, das ist alles kein Problem.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Aber Sie reden Müll.)

Ich habe gerade über die Abfallwirtschaft geredet,

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Sie haben vom Müll geredet.)

branchenspezifischer Mindestlohn 8,33 €, eingeführt von der Unionsregierung. Insofern sehen Sie 18 Mindestlöhne in Deutschland, alle von der Union eingeführt. Sie waren nicht bei einem beteiligt, deswegen sind Sie doch bitte schön ruhig.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Wenn ich mir jetzt mal die Frage stelle, wie der Praxistest aussieht für solche Mindestlohnforderungen, die immer aus Ihrer Ecke kommen, dann darf man doch wirklich feststellen, es gibt …

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Re- den Sie jetzt eigentlich gegen Frau Lieber- knecht?)

Ich erkläre es Ihnen doch gleich, Sie können doch ganz beruhigt bleiben, es ist doch alles kein Problem. Sie wollen uns immer theoretisch über Mindestlöhne belehren, aber am Ende müssen Sie doch mal der Wahrheit ins Auge schauen. Sie reden davon, dass in 20 von 27 EU-Mitgliedstaaten Mindestlöhne existieren sollen. Korrekt, aber dann müssen wir eben auch mal über die Höhe reden. In fünf europäischen Mitgliedstaaten gibt es Mindestlöhne, die zwischen 7,65 € und 10,20 € oder 10,15 € liegen. Dabei sind Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Belgien und wenn Sie sich die anschauen, o.k., die liegen alle darüber, aber alle, die darunterliegen, die restlichen Staaten sind alle zwischen 4,60 € und 0,79 Cent, das sind Griechenland und Bulgarien. Dann gibt es Ausnahmeregeln in den einzelnen Ländern, wo zum Beispiel Unternehmen subventioniert werden, die Mindestlohnempfänger einstellen, die Jugendliche einstellen. Das kann doch bitte schön keine europarechtliche Regelung sein, die wir gemeinschaftlich anstreben. Wir wollen doch einen Arbeitsmarkt, wo die Menschen auch mit der Produktivität und dem Arbeitslohn für gute Arbeit auch eine faire Entlohnung

bekommen. Genau deswegen setzt sich eben die Union für etwas anderes ein. Sie setzt sich dafür ein, dass wir eine Lohnuntergrenze haben, die übrigens auch dafür Sorge trägt, dass Frauen und Jugendliche, die es besonders schwer haben, in den Arbeitsmarkt hineinzusteigen - das sind OECD-Studien

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und dann nicht mehr bei Herrn Kemmerich für 3,28 € arbeiten können.)

Ja, sehen Sie, das ist genau das Thema. Denunzianten sind immer diejenigen, die am schlimmsten sind in dieser Republik. Ich finde, das gehört sich nicht.

(Beifall CDU, FDP)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LIN- KE: 3,28 € ist eine Tatsache und keine De- nunziation!)

Genau aus diesem Grund kann ich Ihnen nur sagen, Sie müssen wirklich auch mal über die Wirkungen im wirtschaftspolitischen Sinn nachdenken.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Man sollte unsere Niedriglöhner schützen vor dieser Welt.)

Die Union macht sich genau deswegen stark für eine Lohnuntergrenze, weil sie sagt, überall in den Ländern, in denen der Mindestlohn höher ist als der branchenspezifische Durchschnittslohn, wirkt der Mindestlohn als ein Einstellungshemmnis. Bestes Beispiel ist Frankreich, dort haben wir eine exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit, die u.a. damit zu tun hat, dass der Mindestlohn so hoch angesetzt ist. Wir setzten uns dafür ein, dass es quasi einen Mindestlohn gibt - das ist durch alle Studien belegt -, der dafür Sorge trägt, der eine Absicherung nach unten, eine federnde Lohnuntergrenze darstellt, der also quasi nicht über dem branchenspezifischen Durchschnittslohn liegt. Deswegen setzt sich auch die Thüringer Landesregierung - und hier ist das Bekenntnis, Herr Hausold -, genauso auch die CDU-Fraktion dafür ein, dass wir eine Lohnuntergrenze haben, dass wir den Ost-West-Anteil wegfallen lassen und dass wir vor allen Dingen eine aus Tarifpartnern bestehende Kommission ins Leben rufen, die dafür Sorge trägt, dass am Ende Tarifpartner darüber entscheiden, welcher Mindestlohn hergestellt wird und nicht irgendein politischer Jahrmarkt, wo Sie dann natürlich mit exorbitanten Forderungen unterwegs wären.

Deswegen kann ich nur sagen, das, was Sie hier an Schaufensterpolitik betreiben, hat nichts mit der realen Politik draußen zu tun. Die Union hat jeden einzelnen branchenspezifischen Mindestlohn, der in Deutschland bezahlt und geleistet worden ist, mit verhandelt, mit auf den Weg gebracht. Sie hatten als rot-grüne Bundesregierung lange genug Zeit,

das auch mal hinzubekommen, das haben Sie nicht gemacht. Deswegen kann ich die GRÜNEN jetzt nur aufrufen, nutzen Sie doch die Chance, bei Herrn Kretschmann dafür zu appellieren, dass er die Thüringer Initiative unterstützt, und wenn er das macht, glaube ich, bekommen wir das gemeinschaftlich ganz gut hin. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Voigt. Es gibt jetzt noch den Wunsch auf die Nachfrage von der Abgeordneten Leukefeld.

Ja, bitte.