Die Notwendigkeit eines generellen Abschiebestopps für Asylbewerber aus dem Kosovo, Montenegro, Serbien, Albanien wird von meiner Fraktion nicht gesehen. Aber wir erkennen die Notwendigkeit an, jeden Einzelfall für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörden intensiv zu prüfen und in dringenden humanitären, rechtlichen und persönlichen Begründungen vorübergehend auch zu gewähren. Bei der Bewertung des Einzelfalls sollten künftig auch erhebliche öffentliche Interessen sowie Jahreszeit, witterungsbedingte Ausnahmesituationen im Aufnahmeland berücksichtigt werden. Die Prüfung und die Mitarbeit am UR-2-Projekt sollte kurzfristig geprüft werden und bei positiven Ergebnissen auch umgesetzt werden.
Ich bitte im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Alternativantrag in Drucksache 4/4497. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, der Berichterstatter, Herr Gentzel, hat es gesagt, der Antrag, der Ihnen jetzt zur Entscheidung vorliegt, wurde am 16.12. hier in den Landtag eingebracht. Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE hatten sich durch den Flüchtlingsrat Thüringen dazu anregen lassen, diesen Antrag hier einzubringen wegen der Situation, in die Menschen zurück in das Kosovo zwangsabgeschoben werden.
Ich will ganz kurz auf einige „Argumente“ noch eingehen, die am 16. Dezember in der Debatte gebracht wurden. Meine Vorrednerin hat auch damals für die Fraktion der CDU debattiert und hat die Situation so beschrieben, als dass es dort eine stabile Sicherheitslage gäbe. Sie hat die Abschiebungen damit begründet, dass es ein Rückführungsabkommen gebe und dass auch Einzelfallprüfungen vor der Thüringer Härtefallkommission möglich seien. Dazu muss man natürlich sagen, dass auch bei der Härtefallkommission die letzte Entscheidung immer
das Innenministerium trifft, oftmals abschlägig. Was mir noch ganz besonders in Erinnerung ist, ist das Fragespielchen, was dann hier meines Erachtens aus taktischen Gründen geführt wurde von den Angehörigen der SPD-Fraktion Frau Kanis und Herrn Weber. Hier war dann gefragt worden, ob wenigstens bis zur Beratung im Innenausschuss Abschiebungen ausgesetzt werden könnten. Daraufhin hat Herr Geibert mit „leider nein“ geantwortet, weil er nicht wisse, wann der Ausschuss abschließend berät. Dann war gefragt worden, ob wenigstens bis zur ersten Sitzung des Innenausschusses gewartet werden könnte, aber das hat Herr Geibert auch nicht festgemacht. Bereits am 4. Januar wurde eine Familie mit einem drei- und einem achtjährigen Kind nach Serbien abgeschoben, mitten im Winter, meine Damen und Herren.
Frau Holbe hat in der damaligen Debatte, wie jetzt auch, über das „URA 2“-Projekt geredet. Frau Holbe, URA, nicht UR; das URA 2-Projekt, die Brücke heißt das, finanziert von der Bundesrepublik und vier Bundesländern. Sie haben auch jetzt wieder darauf abgehoben. Meine Frage an Sie wäre gewesen, welche rückgeführten Flüchtlinge denn in den Genuss dieser materiellen Unterstützung durch URA kommen.
Thüringer Flüchtlinge sind das nicht, meine sehr geehrte Kollegin. Es sind lediglich freiwillige Rückkehrer aus den vier Bundesländern, die das Projekt mitfinanzieren.
Sie hatten damals gesagt, die Zustände im Land haben sich stabilisiert. Dem ist nicht so und das haben Sie selber gesehen. Ich glaube nicht, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der rosaroten Brille dort gewesen sind, aber ich glaube, Sie haben eine Augenbinde getragen, Frau Holbe.
Ich möchte daran erinnern, dass im Januar die Jusos gemeinsam mit dem Thüringer Flüchtlingsrat eine Resolution initiiert haben, die von zahlreichen Organisationen, kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen, etc. unterschrieben worden ist...
Ich möchte hier nur noch mal einige wenige Unterzeichner dieser Resolution benennen, nämlich Herrn Machnig, den Thüringer Wirtschaftsminister, Herrn Staschewski, den Staatssekretär, und insbesondere hier im Hohen Hause - er hat zwar als IGMetall-Gewerkschafter unterschrieben, aber er ist auch Mitglied hier im Thüringer Landtag - Herrn Lemb von der SPD-Fraktion. Ich bin sehr gespannt auf sein Abstimmungsverhalten, ob er hier im Landtag auch als IG-Metaller agiert oder sich dem Koalitionszwang unterwirft.
Im Januar haben dann - das hat Herr Gentzel gesagt - CDU und SPD diese Delegationsreise beschlossen. Mir kam damals ein wirklich schlimmer Verdacht, den ich aber nicht öffentlich äußern wollte, nicht geäußert habe. Mein Verdacht damals war, hier wird auf Zeit gespielt, damit - wie das auch Frau Holbe eben gerade angedeutet hat - der Antrag sich im April dann erledigt haben wird und man ihn getrost ablehnen kann. Ich habe das nicht öffentlich geäußert, weil ich immer noch Hoffnung hatte. Die hat sich leider nicht erfüllt. Wir haben das schon in der Vorbereitung der Reise gesehen, dass einige der Besuchsstationen, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wir vorgeschlagen haben, zum Beispiel einen Journalisten, der auch hätte dolmetschen können, eine Familie in Gjakova, die auch im Dezember 2011 abgeschoben worden war, gestrichen wurden. Wir haben nur bestimmte Stationen in der Masse, die von CDU und SPD vorgeschlagen worden waren, besucht. Da waren einige für den Zweck der Reise wirklich unsinnige Stationen dabei, zum Beispiel ein privates Gymnasium in Pristina, glaube ich, oder die IMO, die mit zwangsweise
- Prizren, danke schön, Herr Bergner - Zurückgeführten überhaupt nichts zu tun haben. Auch die wirklich löbliche Einrichtung dieser Ausbildungsstätte der Diakonie hat mit zwangsweise Zurückgeschobenen aus Thüringen nichts zu tun.
An dem Tag, als wir dort waren, hat der Leiter dieser Einrichtung zwar gesagt, er hat gelegentlich auch URA-2-geförderte Menschen da, an dem Tag konkret, sagte er, sind in einem Kurs zwei URA2-geförderte Menschen, aber keine zwangsweise Zurückgeschobenen und keine Thüringer zwangsweise Zurückgeschobenen.
Sie erinnern sich alle, an dem zweiten Tag der Delegationsreise waren wir alle sehr verärgert über einen Zeitungsaufmacher in der Bildzeitung. Da war mit den Fotos der Reisenden die Frage in ganz großen Lettern „Was wollen diese Politiker im Kosovo?“ Ich war damals auch empört. Ich war auch nach der Reise dann sehr verärgert über die Art und Weise, wie der MDR Bericht erstattet hat. Ich fand uns da schon sehr auf die Schippe genommen, aber im Nachhinein muss ich sagen, diese journalistischen Beiträge waren zu Recht so, wie sie waren. Die Reise war nur ein Vorwand.
Im Gegensatz zu dem, was Herr Gentzel hier gesagt hat. Er hat zwar drei Termine gesagt, in denen der Tagesordnungspunkt im Innenausschuss zur Debatte stand, das Einzige, was da aber debattiert worden war, waren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, die fragten, wie ist es denn nun, was sind denn Ihre Argumente, sehr geehrte CDUund SPD-Kollegen. Sie haben im Ausschuss nicht intensiv beraten. Die Reise ist nicht ausgewertet worden.
Sie haben uns nicht Ihre Argumente für Abschiebungen zur Kenntnis gegeben und es gibt Argumente, Menschen nicht in dieses Land zurückzuschieben,
Menschen nicht zu zwingen, zwangsweise aus Deutschland wieder dorthin zurückzukehren, nachdem sie jahrelang hier gelebt haben, nachdem ihre Kinder zum großen Teil hier geboren sind, nachdem die Kinder zum allergrößten Teil die dortige Sprache nicht sprechen, sondern nur Deutsch. Ich wollte meine Wut eigentlich im Zaum halten, kann es aber nicht, ich bin einfach so sehr enttäuscht darüber, wie Sie mit diesen Menschen umgehen.
Ich will noch einmal daran erinnern, nach Angaben der Landesregierung von Ende Oktober 2011 geht es um nicht mal 150 Menschen, über die wir hier reden. Dann die „Argumente“ zu hören, wir können nicht die ganze Welt retten; Frau Kanis hat gesagt, ich zitiere: „Auch Sie wissen, dass diese Wünsche von uns für alle Menschen nicht erfüllbar sind, nicht für alle Menschen dieser Welt.“, Frau Holbe hat etwas Ähnliches in der Debatte gesagt. Es geht nicht um die ganze Welt. Es geht um etwa 150 Menschen, um Männer, Frauen und Kinder,
die zum Teil schon seit vielen Jahren hier sind. Ich habe das alles schon erwähnt, bei der großen Arbeitslosigkeit im Kosovo, bei der Situation, dass man dort eben nicht ganz einfach auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle bekommt, sondern dass nur die Leute eine Stelle bekommen, die jemanden gut kennen, dass Minderheitenangehörige nicht in der Lage sind, Stellen zu bekommen. Wir haben die Zahlen gehört, wie viele Menschen an öffentlichen Stellen beschäftigt sind, da gibt es nämlich gesetzliche Regelungen. Die Reintegrationsstrategie sieht vor, dass Menschen, Angehörige der Minderheiten, in staatlichen Stellen beschäftigt werden sollen. Die realen Zahlen sehen aber leider anders aus. Ich möchte hier ganz ausdrücklich Frau Petra Heß, der Ausländerbeauftragten, danken, die auch heute hier ist - guten Tag, Frau Heß -, die in Teilen die Resolution der Jusos, die ich schon angesprochen habe, unterstützt hat, zwar nur bezogen auf den Winterabschiebestopp, die aber in ihrer Pressemitteilung dann von dieser zeitlichen Begrenzung, will ich mal sagen, weggegangen ist, indem sie geschrieben hat: Vorwiegend Roma und Ashkali seien gerade in den Wintermonaten besonders hart getroffen. Diese Ethnien sind schwerer Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt ausgesetzt und finden noch immer keine Akzeptanz in ihrem Herkunftsland. Extrem schwierig ist die Situation für Familien mit Kindern, Alte und Kranke. Und sie wird wörtlich zitiert in der Pressemitteilung: „Da geht es um das nackte Überleben und nicht um die Sicherung von Wohlstand.“ Vielen Dank, Frau Heß, für diese klaren Worte.
Ich kann nur hoffen, dass die Mitglieder der SPDFraktion, der Sie ja angehören, sich diesen Worten anschließen.
Meine Damen und Herren, ja, die Regierung im Kosovo bemüht sich, aber die Strategien, der Fonds, alles wird eben nicht vor Ort implementiert. Es gibt nur in wenigen Gemeinden diese Büros zur Reintegration, in den meisten kommen die Reintegrationsbemühungen der Regierung des Kosovo gar nicht an, werden nicht umgesetzt. Anträge sind monatelang unterwegs, weil dieser Fonds, den es zur Reintegration gibt, ganz allein bisher vom Innenministerium entschieden wird; nicht vor Ort wird entschieden, welche Zurückgekehrten welche Unterstützung bekommen.
Auf den Punkt gebracht hat die Situation dort der General der KFOR - da muss ich ganz kurz blättern, den möchte ich nämlich wörtlich zitieren -, er hat gesagt: Die Rückkehrer hätten nur wenigen oder keinen Landbesitz und kaum Angehörige, die sie aufnehmen könnten und der Staat habe nicht die Ressourcen - Zitat - „sie sozial abzusichern“. Es gäbe wohl keine bewusste Diskriminierung bzw.
Benachteiligung vonseiten des kosovarischen Staates, aber - Zitat - „der Staat wird nicht gerade bei Roma und Ashkali anfangen“. Der General hat gesagt, selbst die Roma und Ashkali, die nicht weg waren, lebten - Zitat - „unter erbärmlichen Bedingungen“. Das kann doch nicht Sinn und Zweck eines so gut situierten Landes, wie wir das hier in Thüringen sind, sein, 150 Menschen in der Ungewissheit zu lassen, ob sie zwangsweise in den Kosovo zurückgeführt werden.
Ich möchte ganz kurz noch auf diesen Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD eingehen: Meine Damen und Herren, mit diesem Antrag drehen Sie bewusst unser Ansinnen in unserem Antrag um. Ihr Antrag stellt nämlich die Rückkehr von Menschen in den Mittelpunkt und nicht das Bleiben von Menschen, die im Kosovo keine Lebensgrundlage haben.
Ihr Antrag beschreibt eine Freiwilligkeit, die unter den bestehenden Bedingungen ohne Abschiebestopp eben nicht existiert. Sie verkennen in Ihrem Antrag die spezifische Lebenssituation im Kosovo für rückkehrende bzw. abgeschobene Flüchtlinge, die sich für beispielsweise Kinder und nach einem langjährigen Aufenthalt auch für Erwachsene in der BRD nochmals zuspitzt. Sie fordern mit Ihrem Antrag Behörden im Groben auf, bestehende gesetzliche Verpflichtungen umzusetzen und dabei gehen Sie aber auch noch hinter bestehende gesetzliche Verpflichtungen zurück; das finde ich noch das iTüpfelchen bei Ihrem Antrag. Ihr Antrag unterläuft in einigen Punkten bestehende gesetzliche Normen, und zwar zum Nachteil von Flüchtlingen.
Ich habe von einem jetzt bei der Bundesregierung beschäftigten Mann eine Geschichte gelesen. Der hat den Kosovo 2007 bereist und hat dann eine Familie kennengelernt, die 16 Jahre in Deutschland gelebt hatte und dann zwangsweise zurückgeschoben wurde. Der Mann - vielleicht können Sie erraten, um wen es sich handelt - schrieb dann in sein Tagebuch: „Eine fürchterliche Geschichte, die wir da hören, verbunden mit der dringlichen Bitte“, zu helfen. Er schreibt dann: „Mich macht das wütend: eine völlig sinnlose Maßnahme, diese Kinder aus dem einzigen Leben, das sie kannten, herauszureißen. Ich verstehe nicht, wie Deutschland damit geholfen sein soll.“ Ich möchte noch mal ganz eindringlich an Sie appellieren, nicht Spendenaufrufe zu starten, um Ihr Gewissen zu beruhigen, die nützen nämlich nichts, schon gar nicht,
Thüringen überhaupt keine Kompetenz hat oder kein Angebot machen kann, sondern überlegen Sie es sich, verhindern Sie, dass Menschen, die jahrelang hier waren, ins Kosovo oder nach Serbien zurückgeschoben werden. Danke.