Protocol of the Session on January 28, 2010

Selbstverständlich, Frau Präsidentin.

Danke schön. Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, bitte.

Vielen herzlichen Dank. Ich habe eine Frage. Sie haben berichtet, dass Sie in drei Aufsichtsräten tätig sind oder in zwei. Ist darunter ein börsennotiertes Unternehmen oder nicht?

Darunter ist kein börsenorientiertes Unternehmen, aber ich habe mir wohlweislich, dass eine Anfrage kommt, den Antrag aus Ihrer Bundestagsfraktion mitgebracht, und da steht gleich im ersten Satz: „Deutschland hat erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung in der Privatwirtschaft.“ Ich bin auch in der Privatwirtschaft in einem Aufsichtsrat.

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Aus vorgenannten Gründen beantragen wir die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und an den Gleichstellungsausschuss. Die Federführung wollen wir dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überlassen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holzapfel. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Stange.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, für mich und für meine Fraktion kann ich erst mal sagen, der Rede von Frau Rothe-Beinlich können wir im vollen Umfang zustimmen. Da sind viele Sätze dabei, die ich mir auch aufgeschrieben habe und die ich jetzt nicht wiederholen will.

Frau Holzapfel, an Sie, ich denke, das Warten auf Stufenpläne, auf eine Bundesregierung, dass sie irgendetwas erarbeiten soll, hat in den letzten Jahren, in der letzten Zeit nie zu wirklichen Aktivitäten geführt. Darum, denke ich, ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der hier heute zur Debatte steht, richtig und gut und wir sind auch sehr zufrieden, dass wir heute hier über diese Thematik reden. DIE LINKE hat sich in den zurückliegenden Monaten und Jahren, in den letzten Legislaturen mit dieser Thematik auch hier im Landtag immer wieder mit Anfragen und An

trägen an die Landesregierung befasst.

So müssen wir heute leider feststellen, dass Thüringen im bundesweiten Vergleich, was Aufsichtsräte, was Frauen in Führungspositionen anbelangt, leider keine rühmliche Ausnahme macht. Auch hier ist es, wie bereits erwähnt, zu verzeichnen, dass in der Wirtschaft in verantwortungsvollen Positionen Frauen leider viel zu wenig zu finden sind.

Wir haben also zwei Aspekte, die wir uns bei dieser Thematik noch einmal sehr genau betrachten müssen. Fehlende Frauen in Aufsichtsräten, generell in Führenspositionen, gleichgültig ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst, sind meiner Meinung nach ein Zeichen von Demokratiedefizit und von wirtschaftlicher Unvernunft.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Demokratiedefizit ist es deswegen, weil Unternehmen ein Teil der Gesellschaft sind und die Gleichstellung von Frau und Mann sogar ein Verfassungsgarant ist. Eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, die wichtigsten Bevölkerungsgruppen in ihre Machtzentren einzubinden - und hier, werte Abgeordnete, kann man ja nicht leugnen, dass die Frauen dazugehören -, nimmt auch nicht die Interessen der Frauen wahr und kann auch nicht die Interessen von jenen konsequent umsetzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer will, werte Abgeordnete, im 21. Jahrhundert eine halbe Demokratie leben? Wer will sich damit abfinden, dass Macht- und Verantwortungszentren, also auch solche in Aufsichtsräten, einfach als Freiräume gesehen werden, in denen die Hälfte der Geschlechter, also die Männer, über die andere Hälfte, über uns Frauen, entscheiden? Das kann doch nicht Ziel der Politik sein.

(Beifall DIE LINKE)

Es kann auch nicht Ziel der Wirtschaft sein - und dies finde ich einen unbefriedigenden Zustand -, wenn hier nicht endlich gehandelt wird. Hier möchte ich gern den Verein der Frauen in Aufsichtsräten zitieren: „Wissenschaftliche Studien haben belegt, dass Diversität der Aufsichtsgremien, das heißt insbesondere die sichtbare Präsenz von kritischer Masse von Frauen, ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.“ Wenn wir uns dieses Zitat von diesem Verein vor Augen halten, so müsste eigentlich eine Mehrzahl von Unternehmen darauf kommen, mehr kompetente Frauen mit ihrem Fachwissen, mit ihren Erfahrungen und mit ihren Lösungskompetenzen einzustellen. Dass das in der Wirtschaft immer noch

nicht gemacht wird, ist eigentlich ein Beispiel dafür, dass sich viel zu wenige - auch die Männer - mit solchen Studien befassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispiel dafür ist unter anderem auch die Finanz- und Wirtschaftskrise, die wir ja vor einem Jahr - und wir sind ja immer noch drin - in vollen Zügen erlebt haben. Verantwortlich für die Wirtschaftskrise waren zu 95 Prozent die Männer. Ich denke, wären Frauen in verantwortungsvollen Positionen gewesen, wäre so manche Pleite und so manche Auswirkung der Krise verhindert worden.

(Beifall DIE LINKE)

(Heiterkeit FDP)

Aber sehen wir uns doch noch einmal einen anderen Aspekt in der Auseinandersetzung an. Wenn es in der Schieflage um Männer und Frauen geht, dann sind wir auch bei dem Thema Macht. Wer einsieht, dass sein Unternehmen durch Frauen vorangebracht wird, dass also über 40 Prozent von Entscheidungsfindungen und Entscheidungspositionen in einem Unternehmen an Frauen abgegeben werden, hat sich gleichzeitig darauf eingelassen, 30, 35 oder 40 Prozent der sogenannten Macht abzugeben. Auch hier muss die Frage gestellt werden: Wie oft wollen das Männer, wie oft wollen Männer Macht abgeben? Da sind wir quer Beet in allen Parteien, denke ich, gefordert, wo sich Frauen öfter und viel mehr als bisher durchsetzen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Abgeordnete, dass es in anderen Ländern oft nicht viel besser aussieht, ist erwähnt worden. Aber es ist auch erwähnt worden, dass es in anderen Ländern, vor allem in den nordischen Ländern, aktive Initiativen und Gesetzesvorhaben gab, wo bereits die Frauen in Aufsichtsräte per Beschluss gebracht worden sind. Genannt ist hier bereits Norwegen - Norwegen will ich jetzt nicht noch einmal weiter ausführen, meine Vorredner sind darauf eingegangen -, Norwegen hat Gesetze auf den Weg gebracht. Es hat nichts geholfen, dass man einfach davon ausgeht, Good Will wird es regeln, sondern nur durch Sanktionen und Ähnliches sind die Norweger auf die vorliegenden Zahlen, was Frauen in Aufsichtsräten und weiteren Positionen betrifft, gekommen.

Liebe Abgeordnete, über den Antrag, der heute zur Diskussion steht und den wir an die Ausschüsse überweisen wollen, die bereits erwähnt worden sind - und ich möchte namens meiner Fraktion den Wirt

schaftsausschuss noch hinzufügen, da ich denke, der fehlt Frau Rothe-Beinlich -, sollten wir die Argumente austauschen, um genau zu wissen und genau aufzuzeichnen, wie wir diese Positionen von mehr Frauen in Aufsichtsräten auf den Weg bringen können. Die hier bereits oft erwähnten Vereine, sprich der Verein der deutschen Anwältinnen, der Verein des deutschen Juristinnenbunds, genau diese Frauen haben es sich in den letzten Monaten immer wieder zur Aufgabe gemacht, sich inhaltlich und auch juristisch damit auseinanderzusetzen, dass die Forderungen, die heute immer wieder infrage gestellt werden, ob es wirklich sein kann und ob es mit EURecht konform geht, Sie haben diese Forderungen geprüft und ich denke, wir können uns auf ihre Prüfergebnisse und Argumentationen verlassen. In diesem Sinne befürwortet meine Fraktion den Antrag, stellt die Überweisung noch an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, damit es eine breite inhaltliche Diskussion gibt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stange. Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Kemmerich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Rothe-Beinlich, Frau Holzapfel hat mir viel von dem vorweggenommen, dass es durchaus beachtenswert ist, wie Sie die Rolle der Frau selbst definieren. Als selbstbewusste junge Frau oder als Frau überhaupt würde ich mir verbitten, mich so in Ämter hinein quotieren zu lassen, wenn es mir genommen wird, mich über Leistungen dahin zu qualifizieren.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das verstehen Sie nicht.)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das klingt aus dem Mund eines Mannes, wie …)

Sie können gern nachfragen, das ist kein Problem, das wird erlaubt sein.

Das Nächste, Frau Rothe-Beinlich, in Ihrem Antrag steht, dass diese Aufsichtsräte ab 2012 freiwillig mit Frauen besetzt werden, falls dieses Ziel bis 2012 - wieder 2012 - nicht erreicht wird. Also, Sie haben ja großes Vertrauen in die Freiwilligkeit, das würde ich ehrlicherweise direkt von Ihnen durchgehend

fordern. Aber ich weiß nicht, wie viel Zeit zwischen 2012 und 2012 liegt, ist das eine logische Sekunde oder ein Tag oder 365 Tage - insofern halte ich den Antrag schon für inhaltlich sehr fragwürdig. Aber kommen wir einmal zu Ihrem Anliegen. Das Anliegen kann ich durchaus nachvollziehen. Ich glaube, das werden wir als FDP unumwunden unterstützen - Frauen in Spitzenjobs.

(Beifall FDP)

Es gibt vielerlei Gründe, es ist heute schon viel diskutiert worden, warum Frauen heute zwar oftmals Spitzenjobs belegen können, aber vielleicht leider nicht wahrnehmen können. Da gibt es vielfältige Aufgaben, die wir zu ermöglichen haben, auch in Thüringen ermöglichen können, dass Frauen ihrer Qualifikation nachkommen können und ihre Jobs ausüben können und sich automatisch damit qualifizieren für Tätigkeiten in Aufsichtsgremien, in Beiratsgremien oder anderen Gremien. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, hier in der von Ihnen vorgeschlagenen Form in das Aktienrecht einzugreifen. Im Koalitionsvertrag in Berlin hat Frau von der Leyen auch etwas in dieser Richtung angestoßen, eben dieses schwedische Modell nachzuvollziehen und zu sagen, okay, es gibt eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Ich denke, jeder Wirtschaftsführer, jedes Wirtschaftsunternehmen wäre mehr als froh, auf qualifizierte Frauen zurückgreifen zu können, auch dauernd zurückgreifen zu können und sie dann selbstverständlich auch in Beiratsgremien oder Aufsichtsratsgremien zu entsenden oder aufzunehmen. Allerdings, wie gesagt, wir müssen die Voraussetzungen schaffen. Ich denke, es gibt verschiedenste Geschäftszweige, es gibt verschiedenste wirtschaftliche Betätigungsfelder und die alle mit einer gleichbleibenden Quote zu versehen, wird das Ziel nicht fassen, sondern wird sicherlich in manchen Berufen dazu führen, dass es gar nicht die Möglichkeit gibt, auf eine entsprechende Anzahl von Frauen zurückzugreifen und in anderen Geschäftsbereichen gibt es durchaus die Möglichkeit, diese Quote auch überzuerfüllen.

(Beifall FDP)

Ich denke, da sollten wir Wirtschaft Wirtschaft sein lassen und die Möglichkeit, dass sich hier Kompetenz durchsetzt, auch weiter offenhalten, aber ausdrücklich die Kompetenz der Frauen für unsere Gesellschaft und für die Wirtschaft nutzbar machen. Da werden wir jedes Anliegen unterstützen und freuen uns auf weitere Diskussionen. Allerdings werden wir diesen Antrag in dieser Form ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kemmerich. Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Lemb zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es war eine Frau Schaeffler, die einen Haufen Kohle beantragt hat, damit das Unternehmen heute überhaupt noch existiert. Warum hat sie das gemacht? Weil sie eine strategisch völlig falsche Entscheidung getroffen hat durch die Übernahme der Firma Continental.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Weil es eine Frau ist, hat sie das ge- macht …?)

Jetzt bleibt doch mal ruhig!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.

Ich bin noch nicht fertig. Ich will damit nur sagen, Geschlecht allein, und das gilt, glaube ich, für Frauen wie für Männer, ist noch kein Garant für richtige Entscheidungen.

(Beifall SPD, FDP)

Dass ich heute noch einmal Beifall der FDP bekomme, hätte ich auch nicht vermutet.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Vielleicht, weil es nur Männer sind!)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Für richti- ge Erkenntnisse sind wir immer zu Beifall bereit.)