Protocol of the Session on March 22, 2012

Zu Ihrer Frage 3 antworte ich wie folgt: Ziel der Leistung für ergänzende Lernförderung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets ist die Gewährung kurzzeitiger Maßnahmen, mit denen vorübergehende Lernschwächen im Einzelfall behoben werden sollen und auch behoben werden können. Schüler mit erheblichem Förderbedarf in Teilbereichen, zum Beispiel bei Legasthenie oder Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, benötigen jedoch pädagogische oder therapeutische Förderangebote, die nicht mit der ergänzenden Lernförderung erbracht werden können.

(Staatssekretär Rieder)

Zu Ihrer Frage 4 antworte ich wie folgt: Das Bildungs- und Teilhabepaket wurde im Frühjahr letzten Jahres rückwirkend zum 1. Januar 2011 beschlossen. Die Umsetzung stellte die kommunalen Träger vor Ort vor eine enorme Herausforderung, die sie nach meiner Einschätzung im Interesse der berechtigten Kinder und Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit viel Engagement angegangen sind. Es ist bekannt, dass Wohlfahrtsverbände die Umsetzung kritisieren, insbesondere sei der durch die gesetzliche Ausgestaltung vorgegebene Verwaltungsaufwand zu hoch. Allerdings ist durchaus zu beobachten, dass die Leistungen inzwischen gut angenommen werden. Dort, wo das im Einzelfall vielleicht nicht der Fall sein sollte, bedarf es der Auswertung der Gründe, ohne gleich die Umsetzung insgesamt infrage zu stellen. Jedenfalls ist über Leistungsmöglichkeiten, Anlaufstellen vor Ort in vielfacher Weise informiert worden. Gravierende Probleme bei der Umsetzung vor Ort sind aktuell nicht bekannt. Das Land steht den kommunalen Trägern bei Umsetzungsfragen beratend zur Seite. Im Hinblick auf die inhaltliche Umsetzung der Leistungserbringung wird gesetzlich ein Regelungsbedarf durch das Land nicht gesehen. Die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes sind bundesrechtlich im SGB II, SGB XII und im Bundeskindergeldgesetz geregelt.

Ich sehe keinen Nachfragewunsch. Danke, Herr Staatssekretär. Wir haben die stattliche Anzahl von 12 Mündlichen Anfragen heute geschafft. Mit dieser Bemerkung schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Thüringer Gesetz zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Neuordnung der Aufgaben zum Schutz verfassungsrechtlicher Grundwerte Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/4161 ERSTE BERATUNG

Zunächst hat Abgeordnete Berninger von der Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung des Gesetzes.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Entwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Thüringer Gesetz zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Neuordnung der Aufgaben zum Schutz verfassungs

rechtlicher Grundwerte liegt dem Thüringer Landtag ein zweiter Gesetzentwurf aus den Fraktionen zum Themenbereich des Verfassungsschutzes vor. Anders aber als der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beabsichtigen wir nicht, das Niveau an parlamentarischer Kontrolle des institutionalisierten Verfassungsschutzes, dem Inlandsgeheimdienst, in Richtung des auf Bundesebene üblichen Maßes anzuheben, sondern beantwortet die Fraktion DIE LINKE die Frage: Wie viel Schutz und welche Art von Schutz brauchen in der Verfassung verankerte Grund- und Menschenrechte? Eine Frage, die nicht erst seit dem Bekanntwerden des dramatischen Versagens der Geheimdienste bei der Abwehr einer konkreten rechtsterroristischen Gefahr, aber seitdem sehr viel lauter und von immer mehr Menschen gestellt wird. Gerade Letztere wollen sich die Antwort aufsparen, bis sie die Ursachen für das Versagen im konkreten Fall der NSU detailliert aufgeklärt haben. So zumindest verstehen wir die abwartenden Verlautbarungen der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Verkannt wird dabei aber, dass die Forderung nach Abschaffung eines vom Grundsatz her demokratiefeindlichen Instrumentes zum Schutz der Demokratie keine neue ist, keine, die als Reaktion auf die rassistischen Morde eines rechtsterroristischen Netzwerkes erhoben wird. Ein Versagen durchzieht nicht nur diesen einen Fall, sondern die Geschichte des institutionalisierten Verfassungsschutzes.

Heribert Prantl schrieb am 7. Januar 2012 in der Süddeutschen Zeitung: „Die Geschichte des Verfassungsschutzes in Deutschland ist in nicht unwesentlichen Teilen eine Skandalgeschichte. Der Schaden, den der Verfassungsschutz angerichtet hat, war womöglich viel größer als der Nutzen, den er brachte. Hat er Zweifelnde von der Verfassung überzeugt - oder hat er sie in ihren Zweifeln bestärkt? Die Methoden, die der Verfassungsschutz angewendet hat, waren und sind keine Werbung für die Verfassung, die Fehler, die er gemacht, und die Skandale, die er produziert hat, auch nicht.“ Heribert Prantl stellte die Frage: „Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, hat der Verfassungsschutz von den Neonazimorden wirklich nichts gehört und nichts gesehen? Dann ist er, so sagt es der Berliner Journalist Christian Bommarius, zu Recht überflüssig. Und wenn er nichts hören und sehen wollte, dann ist er eine Gefahr für die Verfassung.

Meine Damen und Herren, zum Schutz demokratisch garantierter Grundrechte unterstützen wir keinen Weg, der zuvorderst die Grundrechte durch den Staat einschränkbar macht und diesen Eingriff zudem noch unkontrollierbar. Mit anderen Worten,

(Staatssekretär Prof. Dr. Merten)

wir wollen die Auflösung und die Abschaffung des institutionalisierten Verfassungsschutzes als Geheimdienst. An seine Stelle soll eine Informationsund Dokumentationsstelle ohne nachrichtendienstliche Befugnisse treten, die umsetzt, was sich als gesellschaftliche Meinung nun endlich durchgesetzt haben sollte, nämlich: Der Schutz der in der Verfasstheit einer demokratischen pluralen Gesellschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Kern es ist, Gefahren zu erkennen, öffentlich zu kommunizieren, Menschen aufzuklären und diese selbst zu befähigen, ihnen zur Verfügung stehende Handlungsmöglichkeiten auch zu nutzen. Ein behördlich organisierter Geheimdienst vermag all dies nicht.

Meine Damen und Herren, wir wissen, wir betreten mit dem Gesetzentwurf Neuland sowohl in politischer Richtung als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Während die SPD in Bayern der Auffassung ist, dass zwar eine Abschaffung des bayerischen Verfassungsschutzes sinnvoll wäre, aber den Sozialdemokraten durch Bundesgesetz die Hände gebunden seien, sind wir der Überzeugung mit dem von uns vorgelegten Entwurf nicht nur einen inhaltlich sinnvollen und auch richtigen Vorschlag unterbreitet, sondern auch die Vorgaben aus der Thüringer Verfassung und dem Bundesgesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheit des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz eingehalten zu haben. Der Gesetzentwurf verhält sich bundestreu, aber nicht devot gegenüber einer veralteten Sicherheitsstruktur, die ein gefährliches und überflüssiges Instrument weiter fortbestehen lassen will. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Berninger. Ich eröffne jetzt die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und das Wort hat der Herr Abgeordnete Fiedler für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegt nun in Papierform vor die seit mindestens 15 Jahren von der LINKEN geforderte ehemals PDS, auch da haben sie es schon gefordert - Abschaffung des Verfassungsschutzes. Ja, nur zur Klarstellung, damit das nichts Neues ist und wir hier von irgendetwas Neuem reden. Nun ist es das erste Mal zumindest so richtig umschrieben, verfasst und auf den Tisch gelegt. Da sind wir uns erst einmal einig. Das ist immerhin schon etwas wert. Aber dann endet die Einigkeit, dass es jetzt auf dem Tisch liegt und hier diese Abschaffung ent

sprechend gefordert wird, Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz usw.

Ich bin ja nicht darüber erstaunt, dass es erfolgt, also nicht im geringsten bin ich darüber erstaunt, aber ich möchte eines voranschicken: Man sollte eines wirklich nicht machen bei einer Auseinandersetzung, dass man NSU und die ganze Geschichte hier, ich sage bewusst, über Gebühr mit hineinnimmt. Ich komme darauf, mit was ich das begründen möchte. Wenn ich Frau Kollegin Berninger gefolgt bin, hat sie vorhin gesagt, Versagen Verfassungsschutz in Richtung NSU. Wir wissen bis dato - es ist noch nicht zu Ende, es muss die SchäferKommission ihren Bericht vorlegen, es gibt einen Untersuchungsausschuss des Landtags, des Bundestags und, und, und - noch nicht alles, aber wir wissen schon einiges und ich wundere mich, wenn Sie denn konsequent wären, müssten Sie die LKAs abschaffen, die haben Fehler gemacht, da müssten Sie die Justiz abschaffen, die haben Fehler gemacht,

(Beifall SPD)

weil die alle Fehler gemacht haben.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Herr Fiedler, das ist jetzt nicht Ihr Vor- schlag?)

Ich habe nicht gesagt, Sie müssten! Meiner ist es sowieso nicht, weil ich das Landesamt natürlich auch erhalten will, Herr Kollege Ramelow. Da sind wir uns ja einig. Ich meine in der Fragestellung, nicht in der Endkonsequenz.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir sind uns nicht einig.)

Ja, ich will Ihnen nur deutlich machen, wenn Sie denn konsequent sind und sagen, Sie wollen die Abschaffung des Landesamts, weil im Zusammenhang mit NSU, es ist extra benannt worden, in Ihrem Antrag steht drin, weil bedauerliche Verkäufe von Immobilien an rechtsgerichtete Organisationen im Lande leider passiert sind. Das ist unter anderem auch eine Ihrer Begründungen und dann steht nur noch Pößneck drin, wo entsprechende Informationen nicht gekommen sind und das und das passiert ist. Ich will das … Frau Berninger, hatten Sie was zu bemerken?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das hat mit dem Verfassungsschutz zu tun.)

Ja, ja, ich wollte Sie nur noch einmal deutlich daran erinnern, dass wir das hier vor allen Dingen trennen müssen. Deswegen habe ich das eingeschoben. NSU ist doch vollkommen untauglich, das Ganze jetzt zu nehmen, dann müssten wir auch andere abschaffen. Das will ich einfach nur für uns alle festhalten.

(Abg. Berninger)

Nummer zwei ist: Ich denke, die Bundesrepublik Deutschland hat nicht umsonst im Grundgesetz verankert, dass ein entsprechender Verfassungsschutz, also entsprechende Möglichkeiten da sein müssen. Das hat sicher auch etwas mit den Jahren nach 1945 und ähnlichen Dingen zu tun, die dort passiert sind. Ich glaube, auch die Länder sind gut beraten - mir ist bisher kein Land bekannt, das eine Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert hat, selbst in Mecklenburg-Vorpommern, wo DIE LINKE lange mit in der Regierung war, in Berlin, wo DIE LINKE mit in der Regierung war …

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Es gibt keine Präsidialämter mehr.)

Wie sich das nennt, das ist doch egal. Sie sind nach wie vor im Verbund der Verfassungsschutzämter, also des Bundes und der Länder, drin. Selbst damals, in Sachsen-Anhalt als eine Duldung durch die LINKE entsprechend war, ist es nicht gefordert worden. Gut, man kann ja Zuwachs an Erkenntnis haben, man kann das also neu fordern. Ich will damit nur noch mal deutlich machen, das ist alles nichts Neues.

Jetzt fangen wir an - gerade in der Situation, wo wir festgestellt haben, was wir jetzt schon wissen und was noch kommt, dass es doch in vielen Punkten Verbesserungsnotwendigkeiten auch in dem Landesamt für Verfassungsschutz, auch bei den Landeskriminalämtern (Polizei), auch bei der Justiz notwendig sind - und nehmen da ein Stückchen raus und sagen weg. Das funktioniert nicht, das passt nicht. Das wird es auch - das will ich ganz deutlich sagen - mit uns nicht geben. Denn wir sind entgegen von Herrn Prantl, der, ich habe zufälligerweise auch sein damaliges Interview oder seine Talkshow gesehen, mittlerweile muss man ja alles aus Talkshows erfahren, in denen dann berichtet wird, wie die Herrn Journalisten meinen, wie alles zu gestalten ist. Ja, wenn sie das so meinen, dann sollen sie doch in die Politik gehen. Da können sie dann auch mitmischen und da können sie dann auch sagen ist der Unterrenner noch da? Ja, ich begrüße natürlich auch, dass einer noch da ist - und den Rest bitte ich auch bei aller freundlichen Berichterstattung, dass sie auch bedenken sollten, Politik gibt es nicht umsonst. Journalisten gibt es nicht umsonst, die brauchen wir genauso, aber es muss auch noch möglich sein, dass Politik entscheidet. Politik hat sich entschieden, Deutschland und wir hier in Thüringen brauchen einen Verfassungsschutz. Wir haben auch diesem Verfassungsschutz viel zu verdanken in diesem Land. Ich und einige hier im Haus haben sich damit schon …

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erzählen Sie mir mal wel- che, Herr Fiedler.)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Bei- spiele.)

Ach ja, dass DIE LINKEN gleich anspringen und DIE GRÜNEN war mir natürlich klar. Ihnen empfehle ich, Frau Siegesmund, Sie sind ja eine nette Abgeordnete, fragen Sie doch mal Ihren Kollegen Adams,

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was die Parlamentarische Kontrollkommission macht, er muss Ihnen ja nicht die Details erzählen, aber er kann Ihnen berichten, dass wir sehr akribisch - Herr Kollege Adams, das ist doch kein Geheimnisverrat, wenn Sie sagen, dass wir sehr akribisch uns die Akten anschauen, sehr akribisch Leute befragen, sehr akribisch uns alles vorlegen lassen, sehr akribisch kontrollieren, ob uns irgendjemand etwas Falsches vorgelegt hat, das werden Sie doch nicht bestreiten. Oder bestreiten Sie das? Herr Kollege Adams, bestreiten Sie das?

(Zuruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Sie haben kein Fragerecht.)

Ja, ja. Ich komme jetzt nicht auf Ihren Kollegen, der den gleichen Kenntnisstand hat und weiß, was los ist.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich meinte nur, dass sich die Verwaltung nicht wieder bei mir beschwert.)

Ich habe genug Zeit, da können wir also ruhig weitermachen.

Meine Damen und Herren, ich will einfach darauf verweisen, dass wir, denke ich jedenfalls, den Verfassungsschutz brauchen. Jetzt hat Frau Siegesmund dazwischengerufen: Warum brauchen wir den eigentlich? Weil wir die freiheitlich- demokratische Grundordnung der Bundesrepublik und der Länder damit schützen wollen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Die können wir selber schützen.)

Es gibt ja nicht nur Rechtsextremisten, Linksextremisten, es gibt ausländische Extremisten, ja einmal muss das wenigstens mit genannt werden, also einmal muss es sein, Frau König, das halten selbst Sie aus, dass es Extremisten auch anderer Art und Weise gibt. Das wissen Sie ganz genau. Es gibt muslimisch geprägte Attentate und Ähnliches.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: … At- tentate …..)

Ach mein Gott, warum lasse ich mich nur immer wieder auf Sie ein.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, nur zu Ihrer Information, Sie haben noch volle 12 Minuten, wegen der Debatte, damit es klappt.

(Abg. Fiedler)