Protocol of the Session on March 21, 2012

Deswegen müssen wir bei den Tarifpartnern werben. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Lebensbedingungen und auch die Betreuungssituationen verändern. Wir müssten es für normal erklären, auch halten und unterstützen, wenn Frauen Karriere machen.

(Beifall CDU)

Ich will eine kleine Geschichte erzählen aus einer Partei, die Sie vielleicht kennen. Dort haben gerade Wahlen zum Landesvorstand stattgefunden. Da hat sich eine Frau zur Wahl gestellt. Die ist dann ernsthaft Folgendes gefragt worden: Wie sie denn ihre vielen Funktionen hinbekommt, sie sei doch voll berufstätig und habe zwei Kinder, wie sie das denn alles machen will.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Das gibt es bei uns auch.)

Ich habe dann gesagt, ich war mit 23 zum ersten Mal Vater, mit 29 zum zweiten Mal Vater, habe damals auch schon voll Politik gemacht. Mir ist diese Frage nie gestellt worden, weil immer davon ausgegangen worden ist, es gibt schon die Frau, die sich darum kümmert. Deswegen sage ich auch, wir brauchen auch einen mentalen und kulturellen Wandel,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass wir alle dann auch für die Familie, für die Partnerin, für die Kinder zur Verfügung stehen und uns gemeinsam dafür einsetzen, dass wir dann auch Formen schaffen durch Kinderbetreuung und welcher Art auch immer, dass beide beruflichen oder sonstigen Aktivitäten auch nachgehen können. Insofern ist der Equal Pay Day ein wichtiger Tag, der uns an eines erinnert, es ist gerade mal 100 Jahre her, dass Frauen wählen dürfen. Seit dem es die Wahlchancen und die Wahlberechtigung für Frauen gibt, brauchen wir auch im Arbeitsleben, im Berufsleben, was Karriere- und Einkommenssituation angeht, endlich den Eintritt ins 21. Jahrhundert. Ich hoffe, in den nächsten zwei, drei, vier oder fünf Jahren werden wir an einem Equal Pay Day mal feststellen können, es ist gelungen, es würde mich freuen. Herzlichen Dank.

(Minister Machnig)

(Beifall CDU, SPD)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf den vierten Teil

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Soziale und rechtliche Gleichstellung von Flüchtlingen als Beitrag zum Abbau rassistischer Einstellungen in Thüringen durchsetzen!“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4209

Ich rufe als Erste für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Berninger auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte mit zwei Zitaten beginnen. Einmal mit „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, aus Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Demgegenüber möchte ich das zweite Zitat stellen, das den Flüchtlingsalltag in Deutschland beschreibt, nämlich „Ein Schlafplatz im Mehrbettzimmer, Gemeinschaftstoiletten und -duschen, zugeteilte Lebensmittel und Hygieneartikel oder Wertgutscheine, Altkleider aus der Kleiderkammer, ca. 1,30 € Bargeld pro Tag - ein Lebensstandard weit unterhalb der Hartz-IV-Grenze ist für viele Flüchtlinge in Deutschland jahrelange Realität.“ - vorgelesen aus dem Heft des Interkulturellen Rates und von PRO ASYL zum Tag gegen Rassismus aus dem vorigen Jahr. „Menschen wie Menschen behandeln“ steht da.

Meine Damen und Herren, der 21. März ist ein besonderer Tag, er ist der Gedenktag für die Opfer des Massakers von Sharpeville in Südafrika. An diesem Tag haben im Jahr 1960 südafrikanische Polizisten mit Maschinengewehren in eine friedliche Demonstration aufgrund ihrer Hautfarbe unterdrückter und diskriminierter Afrikaner und Afrikanerinnen geschossen und 69 Männer, Frauen und Kinder ermordet. Dieser Tag wurde im Jahr 1966 durch die Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ erklärt. In diesem Jahr ist das Motto „Aufstehen, Hingehen, Mitmachen“, zu dem mehrere Organisationen aufrufen und wo aufgefordert ist, mit Politikerinnen über die gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen Rassismus zu sprechen. Das wollen wir jetzt tun in dieser Aktuellen Stunde.

Rassismus ist in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhanden. Das wird immer besonders dann deutlich, wenn rassistische Einstellungen zu Morden und gewalttätigen Übergriffen auf Migranten, vermeintlich Fremde und angeblich nicht in unsere Gesellschaft passende Menschen geführt haben. Dann ist die politische Empörung groß und die Solidarisierung mit den Opfern auch, sehr zu Recht, aber es reicht eben nicht, schöne Worte zu finden, wie wir das am Anfang der heutigen Plenarsitzung auch gefunden haben. Es liegt in unserer Verantwortung, die gesellschaftliche Verbreitung rassistischer Einstellungen in den Fokus zu rücken und auch auf vorhandene strukturelle Diskriminierungen hinzuweisen.

Die gesamtgesellschaftliche Dimension wird darin deutlich, dass gewaltförmiger Rassismus niemals allein steht, sondern immer in Wechselwirkung mit einem Einstellungsrassismus, aber auch dem schon genannten strukturellen Rassismus steht. Eine Ebene, die beispielsweise im Thüringer Landesprogramm leider völlig ausgeblendet wird. Die Diskriminierung von Flüchtlingen per Gesetz durch nur für sie geltende Sondergesetze manifestiert die weit verbreitete ablehnende Haltung gegenüber Menschen, die aus Not und Furcht ihr Herkunftsland verlassen mussten. Die grundsätzliche Verantwortung für die genannten Sondergesetze, deren Abschaffung nicht nur DIE LINKE und DIE GRÜNEN fordern, mag letztlich in der Verantwortung des Bundesgesetzgebers liegen. Die Verantwortung aber, den bestehenden Rahmen dieser Gesetze mit dem Ziel des Abbaus von Diskriminierungen von Flüchtlingen zu nutzen, liegt eben auch in Thüringen, liegt hier bei der Landesregierung, bei den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Die Aufhebung der Residenzpflichtbezirke innerhalb Thüringens und die Ausweitung des erlaubnisfreien Aufenthalts von Flüchtlingen auf ganz Thüringen wäre ein erster Schritt zum Abbau von Diskriminierungen, der gesetzlich zudem auch noch ohne Weiteres möglich ist,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

aber der bislang durch CDU und SPD hier im Landtag abgelehnt wird, obwohl viele andere Bundesländer Ihnen vormachen, wie es gehen kann.

Ähnlich die Gewährung von Bargeldleistungen an Flüchtlinge. Angesichts der seit 1994 unveränderten Leistungshöhe zur Existenzsicherung für Flüchtlinge von 35 Prozent unterhalb des gesetzlichen Existenzminimums ist die Ausreichung von Wertgutscheinen mehrfach diskriminierend, weil sie erstens ein selbstbestimmtes Leben nahezu ausschließt, weil sie zweitens Flüchtlinge häufig dazu zwingt, in teureren Läden einzukaufen, die weit weg liegen, wo dann noch Fahrtkosten anfallen und weil dadurch die Leistungshöhe faktisch weiter verrin

(Minister Machnig)

gert wird. Und sie ist diskriminierend, weil sie drittens zusätzlich Ressentiments und rassistische Einstellungen gegenüber Flüchtlingen durch die Wahrnehmung in den Einkaufsmärkten befördert.

Das Asylbewerberleistungsgesetz legt die Entscheidung, ob Flüchtlinge Bargeld oder Wertgutscheine bekommen, eigentlich in die Verantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte, aber als Rechtsund Fachaufsicht versucht das Thüringer Landesverwaltungsamt seit Jahren Kreise und kreisfreie Städte an der Entscheidung, Bargeldleistungen zu leisten, zu hindern und droht mit Entzug der finanziellen Mittel.

Wir müssen uns damit auseinandersetzen und am Ende dieser Auseinandersetzung mit unseren eigenen Rassismen, dem strukturellen Rassismus, zu der die heutige Aktuelle Stunde beitragen soll, muss zwangsläufig stehen, die eigenen Handlungsmöglichkeiten auszunutzen. Dazu möchte ich Sie auffordern, sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsfraktionen,

Frau Berninger, Ihre Zeit!

- noch zwei Sätze, Frau Präsidentin

Nein.

tun Sie das, setzen Sie endlich den Satz aus Ihrer Koalitionsvereinbarung um, in der bisher nur als Lückenfüller steht, die Landesregierung ermöglicht für alle Menschen, die hier dauerhaft wohnen wollen, eine gelungene Integration.

Frau Berninger!

(Beifall DIE LINKE)

Ich rufe jetzt für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Holbe auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Landtagskollegen, Frau Berninger hat es ja auch noch mal wiederholt, was unsere Präsidentin eingangs zur Landtagssitzung gesagt hat; heute der Internationale Tag gegen Rassismus. Passend dazu das Thema „Soziale und rechtliche Gleichstellung von Flüchtlingen als Beitrag zum Abbau rassistischer Einstellungen …“. Gerade in den letzten Monaten haben wir gesehen, wie menschenverach

tend die Neonaziszene hier in Deutschland - Thüringen, Sachsen-Anhalt insbesondere - gearbeitet hat und letztlich auch vor Morden nicht zurückschreckte. Rassismus ist ein Thema, das sich nicht nur im Flüchtlingsbereich, im Asylbereich wiederfindet, sondern in Einzelbereichen in der Mitte unserer Gesellschaft. Hier sind wir alle aufgefordert, schon frühzeitig in der Erziehung, in der Bildung entsprechende Schwerpunkte für die Stärkung der Menschenrechte, der Freiheit, der Demokratie und der Solidarität zu setzen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: … und diskriminierende Gesetze abzuschaffen.)

Hierbei denke ich nicht nur an die Schule, sondern an die Erziehung im Elternhaus. Durch die Ausländerbeauftragte Hess wurde kürzlich eine Studie „Migration, Integration, Herausforderung für Thüringen“ herausgegeben. Wir haben darin nachlesen können, was wir wissen, dass der Ausländeranteil hier in Thüringen verhältnismäßig gering ist, und dennoch ist es notwendig, so im Fazit, besondere Anstrengungen zum interkulturellen Austauschdialog und Zusammenarbeit vor Ort zu fördern und damit Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen.

Nun zum Schwerpunkt der Aktuellen Stunde, die rechtliche und soziale Gleichstellung - ich fange mal mit der rechtlichen Betrachtung an. Hier verweise ich auf die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 und auf die für Asyl gemachten Gesetze des Bundes und des Landes, maßgeblich dann ausgefüllt mit den entsprechenden Rechtsverordnungen. Hier sind die strikte Achtung und der Schutz der Würde der Menschenrechte gerade im Zuge der Asylverfahren, wenn Flüchtlinge zu uns kommen, vorgegeben und diese werden auch in der Praxis in Thüringen umgesetzt.

Die Anerkennung von Flüchtlingen orientiert sich ausschließlich daran, ob sie hauptsächlich politisch verfolgt werden bzw. von Gewalt, Krieg und Verfolgung bedroht sind. Hier haben wir die Einfügung im Grundgesetz mit dem Artikel 16 a.

Bei der Bewertung der sozialen Gleichstellung von Flüchtlingen, Asylbewerbern verweise ich bei Letzteren auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes. Demnach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für Asylbewerber ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs entwickelt hat. Art und Umfang der Sozialleistungen sind grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer des Aufenthalts in Deutschland abhängig gemacht worden. Auch dies wurde nicht beanstandet. Abweichend von den §§ 3 und 7 Asylbewerberleistungsgesetz trifft das SGB XII zu. Leistungsberechtigte haben Anspruch, wenn sie eine Dauer von 36 Monaten hier in Deutschland waren

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: 48.)

(Abg. Berninger)

und Leistungen bezogen haben, so dass sie dann den Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind, wenn sie - hier muss man die Einfügung noch hinzutun ihren Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Eine weitergehende Gleichstellung zwischen Asylbewerbern und Sozialhilfeempfängern ist ausdrücklich bei der Schaffung dieses Asylbewerberleistungsgesetzes nicht vorgesehen worden und aus Sicht der CDU-Fraktion besteht auch kein Handlungsbedarf für entsprechende Änderungen. Danke schön.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie sind so verlogen, Frau Holbe.)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht zäumt die Formulierung des Themas das Pferd von der falschen Seite auf. Wir können und wir müssen auch gerne eine Debatte führen, wie sich die rechtliche und soziale Situation von Flüchtlingen verbessern lässt. Dazu haben wir ja nicht zuletzt mit unseren Vorstößen zur Residenzpflicht uns auch immer wieder eingebracht. Der Abbau rassistischer und fremdenfeindlicher Einstellungen jedoch ist weniger eine Frage von Paragraphen als vielmehr eine Frage der Geisteshaltung.

(Beifall FDP)

Dort, meine Damen und Herren, müssen wir ansetzen, wenn wir fremdenfeindliche Einstellungen zurückdrängen wollen. Die Frage der Geisteshaltung bedeutet zuallererst der Umgang mit Bildung und Information über andere Kulturen und Bedingungen in den Herkunftsländern der betroffenen Flüchtlinge.

(Beifall FDP)

Wir müssen uns die Frage stellen, warum kommen denn Flüchtlinge zu uns, warum fühlen wir uns denn verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen und warum, meine Damen und Herren, sind wir gut beraten, diese Verpflichtung auch kommenden Generationen ans Herz zu legen.

(Beifall FDP)