Das Problem ist, die Studenten, die das nicht nötig haben, werden dadurch kein bisschen unabhängiger von ihren Eltern, während man das Geld, was man da einfließen lässt, gegebenenfalls von denen wegnimmt, die es nötiger hätten.
Aus diesen beiden Gründen können wir als SPDFraktion dem nicht zustimmen. Ich halte den Koalitionsantrag - ich sagte es bereits - durchaus für zustimmungsfähig. Ich halte ihn für eine vernünftige Alternative. Wir setzen uns für eine kontinuierliche Anpassung der Freibeträge und Fördersätze ein. Wir wollen passgenaue Bildungskredite zum Schließen des sogenannten Mittelstandslochs, wir wollen eine Anpassung an sich verändernde Lebensbedingungen, familiäre Umfelder usw. Deswegen denke ich, dass wir mit dieser fundierten Themen- und Anforderungsliste eine Basis geschaffen haben, auf der unsere Landesregierung im Bundesrat eine Initiative entfalten kann. Ich gehe davon aus, dass sie das auch tut. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich möchte mich am Ende ausdrücklich für die konstruktive Zusammenarbeit beim Koalitionspartner bedanken. Wir haben das, denke ich, in einem sehr kollegialen Verhältnis miteinander ausgehandelt. Jeder hätte etwas gehabt, was er mit reingenommen hätte und worauf er verzichtet hat. Trotzdem geht es uns hier nicht um irgendwelche medialen Schaukämpfe. Ich glaube, das war eine sehr gute Arbeitsatmosphäre, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Hartung. Es gibt jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Aber der Herr Minister hat um das Wort gebeten. Herr Matschie, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, bei aller Skepsis, ich glaube auch, dass man sagen kann, dass das BAföG eine Erfolgsgeschichte ist. Neben den 4 Mio. Studierenden, die hier schon genannt worden sind, gab es fast 5 Mio. auch Schülerinnen und Schüler, die seit 1971 davon profitiert haben. Das war für viele die Ermöglichung des Abiturs, für viele die Ermöglichung des Studiums. Auch wenn man immer wieder kritisch darüber diskutieren kann - ist die Förderung hoch genug? -, so war sie doch ein ganz wesentlicher Baustein dafür, dass mehr Menschen höhere Bildungsabschlüsse erreichen konnten. Auch wenn man sich anschaut, die Zahl der Geförderten ist kontinuierlich angestiegen, das zeigt auch der jüngste Bericht, der 19. BAföG-Bericht der Bundesregierung. Im Zeitraum 2008 bis 2010 hat sich die Zahl der geförderten Studierenden um 11 Prozent erhöht und der geförderten Schüler um 3,5 Prozent. Auch wenn man sich die Zahlen in Thüringen anschaut - die letzten verfügbaren Zahlen vom Jahr 2010 -, hier sind 14.200 Studierende gefördert worden und knapp 11.000 Schüler.
Ich denke, das ist ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. Denn es ist in der Tat so, dazu gibt es ja auch eine ganze Reihe von Studien, ob sich junge Menschen für einen höheren Bildungsweg entscheiden, ist nicht immer allein eine Frage der Fähigkeiten, es ist zumindest für einen bestimmten Teil von jungen Leuten auch noch immer eine Frage des Geldbeutels. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass nur ein geringer Prozentsatz der Studierenden aus finanziell schwachen Elternhäusern oder sogenannten bildungsfernen Schichten kommt.
Wer die Studien kritisch liest, der weiß, noch immer ist es so, dass Herkunft über Zukunft ganz wesentlich entscheidet. Wir müssen daran arbeiten, dass sich das in Zukunft ändern kann. Das setzt natürlich nicht erst beim BAföG und bei der Studierendenförderung an, sondern das beginnt im Grunde genommen bei gleichen Bildungschancen im Kindergarten.
Hier ist diskutiert worden auch noch einmal über das Deutschlandstipendium. Zunächst bleibt, glaube ich, einmal festzuhalten, dass sich nach einem Jahr gezeigt hat, dass der Verwaltungsaufwand für das Einwerben der Stipendien zumindest bisher in keinem vernünftigen Verhältnis steht zum Ergebnis. Man muss ja auch sehen, dass man mit einer ganz
kleinen Prozentzahl zunächst eingestiegen ist. Selbst diese kleine Prozentzahl an Geförderten ist nicht erreicht worden. Hier in Thüringen war das im vergangenen Semester mit Stand November letzten Jahres gut die Hälfte der 236 Stipendien, die zu diesem Zeitpunkt vergeben werden konnten. Selbst wenn man annimmt, dass sich das noch ein Stück entwickeln wird, muss man auch noch mal die Frage stellen, ob es inhaltlich richtig angelegt ist.
Nun habe ich nichts dagegen, dass Leistung auch besonders gefördert wird. Aber wir alle führen ja die Debatte hier auch über knappe Haushaltskassen in Bund und Ländern und unter solchen Bedingungen muss ich mir die Frage stellen: Was ist dann wichtiger, dass ich für einige on top noch irgendetwas fördere, die es nicht unbedingt brauchen, oder dass ich mit begrenzten staatlichen Mitteln dafür sorge, dass die jungen Menschen, die sich das finanziell sonst nicht leisten können, die staatliche Förderung bekommen und diese Förderung vielleicht etwas besser ausgestaltet wird? Angesichts dieser Alternative ist für mich eines ganz klar: Die Priorität muss die Stärkung des BAföG haben und damit die Stärkung von Bildungsgerechtigkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist hier mehrfach deutlich gemacht worden, das BAföG musste und muss auch heute immer wieder an veränderte Bedingungen angepasst werden. Ich bin dafür, dass wir uns stark machen für eine kontinuierliche Anpassung der Bedarfssätze, so dass wir nicht nur alle paar Jahre dann mal über Schritte im BAföG diskutieren, und diese Bedarfssätze müssen sich auch an den veränderten Lebenshaltungskosten orientieren. Wir haben heute einen BAföGHöchstsatz von 76 € und wir haben einen von der HIS ermittelten studentischen Mindestbedarf von 772 €. Ich sage jetzt nicht, da müssen wir mit einem Schlag von der einen Summe auf die andere Summe kommen, aber ich will einmal deutlich machen, dass hier auch eine gewisse Lücke klafft und wir mit kontinuierlicher Anpassung dafür sorgen müssen, dass der BAföG-Satz auch mit den veränderten Lebenshaltungskosten Schritt hält. Wir wollen auch eine kritische Überprüfung der Voraussetzungen für die Fördereingangsberechtigung, denn in vielen Fällen ist die Freibetragsgrenze zu niedrig gefasst. Es gibt junge Menschen, die keine Förderung erhalten, obwohl ihre Familie vielleicht nicht mehr finanziell in der Lage ist, den notwendigen Unterhalt zu leisten, das sogenannte Mittelstandsloch ist hier auch diskutiert worden und auch glaube ich, hier müssen wir praktikable Lösungen finden. Und wir müssen Förderlücken schließen. Das gilt zum Beispiel für den Übergang vom Bachelorzum Masterstudium. Ich denke, es macht Sinn, wenn man eine dreimonatige Förderung unter Vorbehalt dann macht, also vor dem Vorliegen der Bachelorzeugnisse, damit eine Aufnahme des Master
studiums ohne Unterbrechung der Förderung auch möglich ist. Auch angesprochen wurde die Vereinbarkeit von Familie und Studium, das heißt, wer Verantwortung für Kinder trägt, aber auch zum Beispiel wer Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige trägt, braucht besondere Unterstützung, deshalb fordern wir als Koalition die Öffnung des BAföGs für Teilzeitstudierende und wir fordern, dass familiäres Engagement auch auf die Förderungshöchstdauer angerechnet wird.
Zum Schluss vielleicht noch einen Blick auf die Bürokratie der Beantragung: Wir haben immer noch sehr aufwendige Formularbearbeitungen und lange Bearbeitungszeiten, die unnötig Ressourcen binden. Auch hier, glaube ich, lässt sich mit etwas Geschick ein besserer Weg finden. Das sind die Punkte, die sich auch im Antrag der Koalitionsfraktionen finden. Für mich bleibt entscheidend: Das Studium sollte eigentlich nie an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. Deshalb sage ich auch, wir sollten realistisch bleiben. Der Ausbau des BAföG zum Zwei-Säulen-Modell ist sicher gut gemeint, aber wir müssen die Frage stellen: Ist das eine sinnvolle, eine realistische Lösung angesichts begrenzter Mittel? Und wir müssen auch die Frage stellen: Ist das der richtige Schritt angesichts des Charakters des BAföGs auch als Sozialleistungsgesetz? Wir haben mal durchgerechnet nach dem Zwei-Säulen-Modell, was hier vorgeschlagen worden ist, etwa über 30.000 Thüringer Studierende, die bislang kein BAföG erhalten, den Sockelbetrag bekommen, 300 €. Das hieße für Thüringen allein eine jährliche Mehrausgabe von rund 38 Mio. €. Angesichts der Haushaltsentwicklung bei sinkenden Landeshaushalten kann ich mir nicht vorstellen, dass es Sinn macht, einen solchen Schritt zu gehen, sondern ich glaube, wir sollten die Kraft auf die konzentrieren, die tatsächlich aus sozialen Gründen das BAföG brauchen. Ich denke, wir lassen hier lieber die Kirche im Dorf und konzentrieren uns auf das, was wir machen können. Wir haben die Ausgaben für die Bereiche Bildung und Wissenschaft erhöht. Ich will nur zwei Zahlen nennen. Die neue Rahmenvereinbarung für die Hochschulen enthält 120 Mio. € mehr als die letzte Förderperiode und Sie wissen, dass wir gerade beim Ausbau der Kindergärten deutlich zugelegt haben und hier die Landesförderung um 170 Mio. € aufgestockt worden ist. Das ist ein gewaltiger Kraftakt für den Freistaat und wir gelangen hier auch an die Grenzen.
Ich will zum Schluss sagen, wenn wir das Ziel, 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufzuwenden, tatsächlich erreichen wollen, dann müssen wir auch den Bund stärker in die Pflicht nehmen. Die Bundesländer sind hier an ihre Grenzen gelangt, gerade auch die neuen Bundesländer, in denen eine Abschmelzung des Solidarpakts stattfindet, die mit sinkenden Landeshaushalten steigende Notwendigkeiten in der Bildung fi
nanzieren müssen. Das geht irgendwann nicht mehr auf und deshalb bleibt die Forderung der Länder, die Länder in der Bildung finanziell besser auszustatten. Ich hoffe, dass sich irgendwann beim Bund etwas bewegt. Herr Voigt hat es hier deutlich gemacht, die Vorstellungen, die die Koalitionsfraktionen hier in den Landtag einbringen, werden wir als Landesregierung selbstverständlich aufgreifen in einer Bundesratsinitiative und in die Beratung über eine künftige BAföG-Novelle einbringen. Ich hoffe, dass wir dann auch im Haushalt die Unterstützung des ganzen Hauses haben, wenn die Ausgaben für BAföG dann steigen und hier im Haushalt einzustellen sind. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Matschie, für Ihren Beitrag. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.
Da die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Ablehnung des Antrags empfiehlt, stimmen wir jetzt direkt ab über die Nummern II.1 und II.2 des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/3355. Wer diesen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen der FDP, CDU und SPD. Gibt es Enthaltungen? Das sind die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD, hier zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP in der Drucksache 5/4110. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der FDP. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aller anderen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir stimmen jetzt direkt ab über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drucksache 5/4047 unter Berücksichtigung der Ablehnung des Änderungsantrags. Wer dem Antrag von CDU und SPD in der vorliegenden Form zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU- und der SPD-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Enthaltungen? Das sind die Stimmen von der FDP-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag angenommen.
Bevor ich auch die Plenarsitzung für heute schließe, möchte ich noch darauf hinweisen, dass sich fünf Minuten nach Abschluss unserer Sitzung der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit im Raum 202 trifft. Jetzt darf ich die Sitzung tatsächlich beenden und freue mich, Sie alle hier morgen um 9.00 Uhr wiederzusehen. Vielen herzlichen Dank.