Protocol of the Session on February 23, 2012

(Beifall DIE LINKE)

Die Wiedereinführung der Vermögensteuer, zum Beispiel in Form einer Millionärssteuer, wäre die beste Schuldenbremse. Ich frage mich ernsthaft, warum Sie ständig nach der Schuldenbremse fragen, aber niemand fragt, wie viel Vermögen es in diesem Lande gibt, das - wenn man es besteuert die öffentlichen Haushalte auch sanieren könnte.

(Beifall DIE LINKE)

Glauben Sie mir, beim Vorschlag der LINKEN, eine solche Steuer einzuführen, wird niemand derer, die

in Betracht kommen, verarmen: Die erste Million bleibt verschont.

Sehr geehrte Damen und Herren, die FDP möchte eine Schuldenbremse in die Thüringer Verfassung aufnehmen. Die CDU hatte dies bereits schon einmal versucht. Frau Lehmann, ausgesprochener Respekt, natürlich bedarf es für eine solche Aufnahme in die Verfassung einer breiten Zustimmung, die gibt es hier in diesem Plenum offensichtlich nicht und auch nicht in der Koalition. Allerdings, DIE LINKE und die SPD waren sich bisher einig, das nicht zu tun, obwohl die Sozialdemokraten im Bundestag beteiligt waren, als eine Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben wurde. Ich will hier nicht wiederholen, was wir bereits erörtert haben, aber ich denke, die SPD wird hier einige Ausführungen machen und sicher erklären, warum sie die Schuldenbremse im Grundgesetz für gut erachtet und die Schuldenbremse in der Thüringer Verfassung nicht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist end- lich mal eine gute Frage.)

Ja, ich denke, die Argumente werden kommen, wir haben das im Ausschuss auch beraten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will Ihnen abschließend noch einmal aus Sicht der LINKEN sagen, warum beides - im Grundgesetz und in der Landesverfassung - falsch ist, auch wenn es in der Landesverfassung so steht. Die Schuldenbremse ist keine Schuldenbremse, sondern sie ist eine Investitionsbremse. Sie zwingt den Bund und die Länder zu kontraproduktiven Sparmaßnahmen. Sie dient als Begründung für mehr Privatisierung, für mehr PPP und für mehr Sozialabbau. Eine gesetzliche Schuldenbremse ist politisch hilflos und politisch auch verantwortungslos.

(Beifall DIE LINKE)

Sie führt den Staat in die Handlungsunfähigkeit, wenn es darauf ankommt, dass er besonders handlungsfähig ist. Ich bedanke mich.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Uwe Barth.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute zum zweiten Mal im Plenum über die beiden Gesetzentwürfe - den Gesetzentwurf und die Verfassungsänderung -, mit denen die FDP-Fraktion vorschlägt, eine Schuldenbremse in die Thüringer Verfassung aufzunehmen. Wir haben die beiden Gesetzentwürfe im März vergangenen Jahres eingebracht, zu einem Zeitpunkt, als es in der öffentlichen Debatte schon sehr intensiv um die

(Abg. Lehmann)

sogenannte Eurokrise ging. Wir müssen feststellen - wir alle verfolgen auch das politische Geschehen außerhalb Thüringens -, dass diese Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten nichts an ihrer Dramatik eingebüßt haben. Ganz im Gegenteil, es ist längst nicht ausgemacht, dass wir auch mit den ganz aktuellen Entscheidungen in Brüssel irgendetwas anderes tun als lediglich Zeit zu kaufen.

Die sogenannte Eurokrise, meine Damen und Herren, ist in Wahrheit eine Staatsschuldenkrise, deren Ursache - der Name sagt es schon - die zu hohe Staatsverschuldung in vielen europäischen Ländern ist. Nun ist in Deutschland die relative Verschuldung sicherlich noch nicht so dramatisch wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist, aber, unsere Staatsschulden sind in der absoluten Höhe natürlich auch schon enorm hoch. Deshalb gilt auch für Thüringen, meine Damen und Herren, dass es hier nicht um eine Schuldfrage geht. Schuld haben an dieser Entwicklung alle Parteien, die in der Vergangenheit irgendwo Verantwortung getragen haben. Es geht also nicht um eine Schuldfrage, sondern es geht, meine Damen und Herren, um die Frage der Verantwortung für die Zukunft, Frau Keller. Es ist nicht eine Frage von Verantwortungslosigkeit. Verantwortungslos ist, wenn man dies alles laufen lässt.

(Beifall FDP)

Eine Schuldenbremse ist eine Frage der Verantwortlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht um Verantwortung für die Zukunft. Jeder, der im politischen Rahmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in sozialen Fragen, in Umweltfragen oder auch in Energiefragen über Verantwortung für die Zukunft spricht, der kann dies nur dann glaubhaft tun, wenn er zukünftigen Generationen Spielräume lässt, in diesen Fragen Entscheidungen treffen zu können. Da geht es vor allem um finanzielle Spielräume für politische Entscheidungen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wer kein Geld für Solarmodule hat, wird Holz verbrennen. Wer kein Geld für sich selbst hat, wird sich nicht solidarisch verhalten können, der kann nichts abgeben von nichts.

(Beifall FDP)

Wer kein Geld für ein neues Auto oder für einen FCKW-freien, neuen Kühlschrank hat, der wird die alten Geräte weiter betreiben, bis sie auseinanderfallen. So einfach ist das.

Herr Kollege Blechschmidt, was im Kleinen gilt, das gilt im Großen ganz genauso. Sie brauchen nur nach Griechenland zu schauen ganz aktuell. Wer sind denn die Leidtragenden, wenn Politik über Jahre und Jahrzehnte maßlos agiert und nicht bereit ist, sich einigermaßen irgendwo zu mäßigen?

Schauen Sie nach Griechenland, und Sie werden diese Worte bestätigt finden. Da können Sie Gesetze schreiben.

(Beifall FDP)

Da können Sie in Gesetzen Leistungen nach oben schrauben, da können Sie Mindestlöhne erhöhen, wie Sie wollen, wenn keine reale Leistung dahintersteht, wird die Inflation das am Ende alles wieder auffressen. Das kann man doch nun alles wahrlich gerade live verfolgen, wie das läuft und wie das funktioniert. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir auch hier in Thüringen das uns Mögliche dazu beitragen. Wir müssen auch in Thüringen Verantwortung für die Zukunft übernehmen.

(Beifall FDP)

Verantwortung für die Zukunft übernehmen heißt, solide Haushaltspolitik zu betreiben und auf neue Schulden zu verzichten und mit der Tilgung von alten Schulden endlich auch in nennenswertem Umfang anzufangen. Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen heißt, ein deutliches Signal zu senden, dass wir es ernst meinen mit der Absage an unseriöse und gefährliche Schuldenpolitik. Verantwortung für die Zukunft heißt deshalb im konkreten Fall, eine Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben.

Die Verfassung muss es sein, weil einfache gesetzliche Regeln nicht immer ausreichen und weil es auch einen breiten Konsens braucht, um eventuell Ausnahmen zuzulassen. Denn nur dann besteht wirklich Einigkeit, dass es sich um eine Ausnahme handelt und nicht um ein gerade mal opportunes Handeln, weil es das Einfachste ist.

(Beifall FDP)

Die Entwicklung seit Jahresbeginn hat schließlich auch deutlich gemacht, dass solche Signale benötigt werden. Die Politik muss zeigen, dass sie das verstanden hat, dass die Zeit der Schuldenmacherei endlich vorbei ist. Wir haben alle mitverfolgt oder zumindest mitverfolgen können, dass es im Januar für mehrere EU-Länder zu Bonitätsabstufungen gekommen ist. Frankreich hat seine Top-Bonität verloren. Das kann, meine Damen und Herren, uns nicht egal sein, denn wir haben in Thüringen ein zentrales Interesse daran, dass Deutschland seine TopBonität behält. Schließlich ist es diese Top-Bonität von Deutschland, die uns auch entsprechende Kreditkonditionen sichert. Über Kreditrisiken und Zinsrisiken haben wir in den vergangenen Plenarsitzungen ja schon gelegentlich mal gesprochen, was die in der Summe gegebenenfalls auch für künftige Haushalte ausmachen können.

(Beifall FDP)

Deshalb ist es ein kleines, aber wichtiges Signal, wenn wir aus Thüringen ein Signal senden für Aus

gabendisziplin, indem wir eine Schuldenbremse in unsere Verfassung schreiben. Wenn das Vertrauen erst einmal weg ist, was dann passiert, kann man auch gerade verfolgen in Griechenland. Ich möchte keine Diskussion darum haben, wer eventuell die Hoheit und die Aufsicht über den Thüringer Haushalt bekommt, wenn man uns nicht mehr vertraut, das selber machen zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist eine Entwicklung, die ich für Thüringen nicht will.

(Beifall FDP)

Nun gab es ja Entwicklungen in dem neuen EUVertrag, auch entsprechend dafür zu sorgen, dass Schuldenbremsen in die Verfassungen der EUStaaten aufgenommen werden. Dann geht der in die Mitgliedstaaten und kommt wieder weichgespült, wo es dann plötzlich heißt, dass nur noch von verbindlichen, dauerhaften, vorzugsweise verfassungsrechtlichen Bestimmungen die Rede sein soll. Das ist ein Rückschritt, von dem ich ehrlich sagen muss, dass er mich beunruhigt, weil das genau wieder die Entwicklung hin in opportunes Verhalten ist.

(Beifall FDP)

Da finde ich es auch ganz spannend - Frau Lehmann hat das schon erwähnt -, dass es Kollegen der SPD im Bundestag gibt, allen voran der haushaltspolitische Sprecher - das ist ja immerhin eine beachtliche Position, die der Kollege Schneider dort hat -, der auch dafür wirbt, dass wir Schuldenbremsen in die Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten aufnehmen. Nur hier in Thüringen sind Sie nicht bereit, diesem Aufruf zu folgen.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wenn ich vorhin von der Verantwortung für die Zukunft gesprochen habe, dann will ich sagen, eine verfassungsmäßige Schuldenbremse wäre auch ein Signal an die nachwachsende Generation. Auch das dürfen wir bei dieser Debatte nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen unseren Kindern versprechen, dass wir nicht länger auf ihre Kosten unser Leben gestalten. Dazu brauchen wir am Ende auch eine Schuldenbremse.

(Beifall FDP)

Machen wir uns doch nichts vor. Wenn man ehrlich ist, muss man doch sagen, dass es tatsächlich schwierig ist, ohne eine verfassungsmäßige Schuldenbremse wirklich konsequent auch in schwierigeren Zeiten bei einer Haushaltsdisziplin zu bleiben und ohne neue Schulden auszukommen. Die Versuchung ist immer da. Das ist vielleicht einfach menschlich und das ist ja nicht erst seit gestern bekannt, das ist keine neue Entdeckung. Ich habe ein Zitat gefunden von einem Vordenker der Aufklärung, David Hume, ein Engländer, der schon im 18. Jahrhundert gesagt hat: „Es könnte kaum unklüger

sein, einem verschwenderischen Sohn Kredit bei jeder Bank in London zu gewähren, als einen Staatsmann zu ermächtigen, in dieser Art Wechsel auf die Nachwelt auszustellen.“

(Beifall FDP)

Diese Warnung - über 200 Jahre alt - sollten wir uns zu Herzen nehmen, meine Damen und Herren. Denn es ist doch so: Es liegt in unserer Natur, beliebt sein zu wollen, unpopuläre Entscheidungen also zu vermeiden. Sparen ist unpopulär - bei den Betroffenen allemal - und deswegen ist es so, dass wir uns da auch selbst eine Hürde legen müssen, uns selbst bremsen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und damit die Schulden bremsen müssen. Deswegen, Herr Kollege Mohring und meine sehr verehrten Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, reicht es nicht aus, wenn wir uns mit den Regelungen in der Landeshaushaltsordnung begnügen. Das wissen Sie auch selbst. Ich habe da ein schönes Zitat gefunden: „Jetzt stellen Sie sich doch eine Situation vor“, heißt es da, „die Thüringen noch einmal in die Situation bringt, es gäbe noch einmal eine Neuauflage dieser Koalition von 1995 bis 1999. Dann seien Sie doch froh, wenn dann spätere Generationen darauf zurückblicken können und sagen können, wegen der Schuldenbremse hat die zweite Große Koalition nicht mehr die meisten Schulden im Freistaat Thüringen gemacht.“ - Zitat Mike Mohring, gesprochen hier in diesem Saal am 19. März 2009.

(Beifall FDP)

Die dazugehörige Drucksache, um die es ging, trägt die Nummer 4/4969. Das ist ein Gesetzentwurf der CDU-Landesregierung: Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen, in dem es - hört, hört - um Vorschläge oder um die Aufnahme eines grundsätzlichen Neuverschuldungsverbots in die Verfassung des Freistaats Thüringen geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf wurde damals auch zur namentlichen Abstimmung gestellt und auf der Ja-Seite finden sich dann doch so Namen wie Lehmann, Annette - hat hier vorhin gesprochen -, Lieberknecht, Christine - dem einen oder anderen auch bekannt in verantwortlicher Position -, Mohring, Mike - sitzt dort und versucht sich gerade zu rechtfertigen -, Walsmann, Marion - auch mal Finanzministerin gewesen.

Meine Damen und Herren, das finde ich eine bemerkenswerte Angelegenheit. Deshalb sage ich, Herr Mohring, Sie haben das hier gesagt und Sie haben diese Forderung auch in der Öffentlichkeit immer wieder wiederholt, auch auf Ihrer Homepage heißt es: „Mit einer verfassungsfesten Schuldenbremse können wir dafür sorgen, dass Thüringen unabhängig von den Wahlausgängen seine finanzi

elle Handlungs- und politische Gestaltungsfähigkeit wahren kann.“ Das stimmt genau. Dann lassen Sie doch diesen Worten auch Taten folgen, anstatt sich in der Öffentlichkeit immer als Befürworter der Schuldenbremse feiern zu lassen - hier ist die Stunde der Wahrheit, hier kommt es darauf an.