Protocol of the Session on January 25, 2012

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Als Nächste hat das Wort die Frau Abgeordnete Karola Stange von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Danke, Frau Lehmann, für Ihre Belehrung. Die war sicher sehr eindringlich und vielleicht aus Ihrem Munde sehr wichtig, aber den Trägern, die davon betroffen sind, ist das vollkommen egal, wie das Kind heißt.

(Beifall DIE LINKE)

Das, was Sie aufgezählt haben, wo keine Sperre auferlegt wird, ist einer Entsolidarisierung der Träger gleichzusetzen, denn die einen bekommen Geld und die anderen sollen erst mal ein bisschen in den Mond schauen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Lehmann, werter Herr Finanzminister, die Landesregierung preist sich mit ihrem Schuldenabbau und beschädigt gleichzeitig mit ihrem Erlass die Vereinslandschaft. Das ist für uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Skandal.

Es ist schon paradox in der Politik. Auf der einen Seite ist es gang und gäbe und wenn es den politisch Regierenden in den Kram passt, wird ein Rettungsschirm nach dem anderen aufgespannt. Auf der anderen Seite werden in genauso schneller Windeseile mit einem Erlass des Finanzministeriums, der über die Zeitung am 10.01.2012 kommuniziert worden ist, also keine vier Wochen nach Verabschiedung des Landeshaushalts, die Träger im Sozialbereich, wie die Frauenzentren, Frauenhäuser, die Vereine, die durch den Landesjugendförderplan abgesichert sind, die Verbraucherschutzzentrale, die Verkehrswacht und viele weitere, in eine Verunsicherung, eine Krise getrieben, die für uns als die LINKE so nicht hinnehmbar ist. Das sage ich an der Stelle ganz deutlich.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Voß, dieses Vorgehen kommt einem Schlag ins Gesicht der Träger gleich, mit Ihren Maßnahmen, die die Träger durchführen, wird die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen diskriminiert. Diese Trägerinnen und Träger, die eine hochwertige, qualifizierte Beratungs- und Betreuungsarbeit, egal in welchem Bereich, erledigen, erledigen das auch im Interesse des Landes und natürlich im Interesse der Kommunen. Sie sind oft eine Reparaturbrigade, die die sozialen Unzulänglichkeiten aufgrund dieses Systems durch ihre Arbeit ausbügeln muss.

Ich nehme an diesem Punkt nur exemplarisch die 13 Frauenhäuser ins Visier. Deshalb hat meine Fraktion DIE LINKE bereits letzten Mittwoch im Gleichstellungsausschuss einen Antrag gestellt, der sich mit den Auswirkungen dieses Erlasses vor allen Dingen im Frauenbereich befasst. Ich kann nur sagen, lesen Sie die Zuschriften der LAG-Frauenzentren oder des Frauenrats, in denen noch einmal eindeutig dargelegt wird, welche Auswirkungen dieser Erlass auf die Arbeit in diesen Bereichen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frauenzentren bieten nicht nur Chancen zur Verbesserung der Lebensqualität von Frauen, sie sind nicht nur wichtiges Element zur Umsetzung der Gleichstellungspolitik, sondern sie leisten natürlich auch einen Beitrag zur Gewaltprävention und

(Abg. Lehmann)

bieten Raum zur Begegnung, Kommunikation und Information. Sie sind somit, und das darf nicht unterschätzt werden, ein Ort für das bürgerliche Engagement und leisten auch einen Beitrag zum sozialen Frieden in diesem Lande. Sollte eine 20-prozentige Mittelkürzung an die Träger ausgereicht werden, dann würde das für kleine Einrichtungen die sofortige Schließung bedeuten und für die großen das Sterben auf Raten.

(Beifall DIE LINKE)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten seit Jahren am Limit, das Thema Gehaltserhöhung war immer ein Tabu, aber allgemeine Preissteigerungen, wie zum Beispiel Wasser, Strom etc., mussten immer durch die Träger selbst erwirtschaftet werden. Sie mussten also schauen, woher Mehreinnahmen requiriert werden konnten. Das können wir nicht länger so hinnehmen. Wer qualitative Arbeit in diesen Vereinen haben möchte, muss hohe und qualitative finanzielle Mittel bereitstellen. Aus diesem Grund ist auch ein steigender Bedarf zu verzeichnen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Altersarmut bei Frauen, fehlende Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Zunahme von Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse, haben dazu geführt, dass immer mehr Beratungsfälle in den unterschiedlichsten Vereinen angelaufen sind. Hierfür bedarf es weiterer stabiler finanzieller Mittel auch des Landes.

Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, wenn seitens des Landes nicht mit den Mitteln gerechnet werden kann, sind die Kommunen schon lange nicht mehr in der Lage, eine Kofinanzierung zu gewährleisten, der KFA hat seines dazu beigetragen. Herr Voß, ich erwarte heute hier von Ihnen eine klare Aussage, ein Bekenntnis von diesem Podium aus an die betroffenen Verbände, dass sie mindestens einen rechtzeitigen Mittelabfluss erhalten, damit sie die Arbeit und die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab Januar finanzieren können, nicht nur die Gehälter, sondern auch die Nebenkosten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Uwe Barth.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Frau Lehmann, vielleicht vorab: Vielleicht sollten Sie die Argumentation von Frau Kollegin Siegesmund zum Zusammenhang zwischen Reserven und Wahlkampfjahren noch einmal genau nachlesen und Ihre daneben legen, ich habe da keinen Widerspruch entdeckt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorab zu sagen: Herr Minister, in der Sache halte ich Ihr Vorgehen nicht nur für richtig, sondern angesichts der konjunkturellen Unsicherheiten, die wir im Haushalt haben, auch für dringend geboten. Meine Kritik, die ich habe, richtet sich nicht gegen die Sache, sondern im Prinzip „nur“ gegen das Verfahren. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eine vorherige Information über die Maßnahme des Finanzministers wäre an den HuFa nicht nur nett und erfreulich gewesen, sondern sie wäre in der Tat notwendig gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das nicht nur deshalb, weil die Bewirtschaftungsreserve so kurz nach der Verabschiedung des Haushalts kam, dass man eigentlich vermuten muss, dass der Erlass schon feststand, als der Haushalt hier verabschiedet worden ist.

In der Sache, wie gesagt, kann ich es nachvollziehen, aber dieses Vorgehen wirft, so finde ich, schon Fragen auf. Die Notwendigkeit, eine Bewirtschaftungsreserve schon aufgrund eines doch relativ geringen Rückgangs der Konjunkturprognose zu verhängen oder auszusprechen, macht ja auch offensichtlich, was meine Fraktion auch während der Haushaltsberatungen immer schon gesagt hat, Sie aber immer bestritten haben, Herr Minister, Ihr Haushalt ist nämlich extrem auf Kante genäht. Und das, Frau Siegesmund, ist auch der Grund dafür, warum es die Reserve gibt und warum sie auch so kurz nach dem Haushaltsbeschluss schon verkündet worden ist.

Wenn es der Regierung nämlich von vornherein gelungen wäre, die Ausgabenwünsche aus den Ministerien unter Kontrolle zu halten, zu begrenzen, dann wäre eine solche Reserve gerade in dem Bereich der vom Volumen her ja relativ geringen freiwilligen Leistungen weder jetzt noch wahrscheinlich überhaupt im Laufe des Jahres nötig geworden.

(Beifall FDP)

Dieser Vorwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen, richtet sich natürlich auch an die Mehrheit hier im Parlament. Wenn nämlich diejenigen, die sich jetzt über die unangenehmen Konsequenzen der Bewirtschaftungsreserve lautstark aufregen, auch im Bereich der gesetzlich und anderweitig festgelegten Leistungen bereit gewesen wären, bei den Haushaltsberatungen einzugreifen und zu sparen und eben nicht nur bei den freiwilligen Leistungen, dann hätten wir das Problem, was wir jetzt haben, gar nicht. Der Wille der FDP-Fraktion war es, über Einsparpotenziale zu reden. Wir haben über 600 Anträge dazu vorgelegt,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kür- zungen, nicht Einsparungen.)

(Beifall FDP)

(Abg. Stange)

auch den, einen Großteil des so eingesparten Geldes in die Schuldentilgung zu stecken. Wenn die Mehrheit dieses Landtags wenigstens einen Teil davon mitgetragen hätte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann müsste der Finanzminister jetzt nicht freiwillige Leistungen durch die Hintertür kürzen. Lediglich die Schuldentilgung würde sinken, wenn die Steuermehreinnahmen oder wenn die Steuermindereinnahmen entsprechend auftreten würden, die ja jetzt in der Konjunkturprognose so vorhergesagt sind.

Geringere Schuldentilgung wäre natürlich bedauerlich, aber es wäre immerhin weniger problematisch als die jetzt vorgenommenen Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen und es ist für die Betroffenen natürlich auch ärgerlich und unangenehm, überhaupt keine Frage. Es ist ungerecht und darüber beschweren sich die Empfänger dieser Leistungen dann auch zu Recht, denn es wäre die Aufgabe dieses Parlaments gewesen, diese Kürzungen vorzunehmen und die Entscheidung selbst zu fällen, wo Geld ausgegeben wird und wo auch weniger Geld ausgegeben wird, anstatt jetzt dem Finanzminister in den Rücken zu fallen und sich auch noch hinter ihm zu verstecken, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn er das eben macht, was wir versäumt haben.

Ich kann für meine Fraktion nur sagen, dass ich die Bewirtschaftungsreserve bedaure, mich aber noch mehr über die Verweigerungshaltung der Kollegen hier im Hause bei der notwendigen Konsolidierung ärgere, die den Finanzminister zu dieser Maßnahme quasi gezwungen hat. Das gilt natürlich insbesondere für die Koalitionsfraktionen, die diesen auf Kante genähten Haushalt mit ihrer Mehrheit beschlossen haben. Das gilt aber natürlich auch für die antragstellende Fraktion, für die GRÜNEN, die es auch in den Haushaltsberatungen nicht geschafft haben, einen einzigen Cent an zusätzlicher Schuldentilgung in den Haushalt einzustellen. Deswegen finde ich, Sie sollten sich mit Ihrer Moralund Besserwisserkeule, die Sie immer auspacken, auch an dieser Stelle ein Stück weit zurückhalten.

(Beifall CDU, FDP)

Wir haben auch in diesem Jahr wieder Haushaltsberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen und ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin - wir werden auch in diesem Jahr wieder über viele Anträge und auch Sparvorschläge beraten. Das ist die nächste Chance, die wir als Parlamentarier dann auch wahrnehmen sollten und es nicht wieder auf den Minister abwälzen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Birgit Pelke.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werter Kollege Barth, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber so kann man wahrscheinlich nur argumentieren, wenn einem bestimmte sozialpolitische Schwerpunkte nicht besonders wichtig sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Lehmann, ich würde Sie herzlich bitten, bei aller Wertschätzung Ihnen gegenüber, die Situation nicht schönzureden. Was der Finanzminister hier gemacht hat, ist mit dem Parlament Hutzebutz spielen. Ich glaube, das sollten wir uns nicht gefallen lassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das dumpfe Gefühl, dass alle Minister das ähnlich sehen, weil nicht nur die SPD-Minister - außer einem - der Finanzminister noch da ist, aber auch die CDU-Ressortminister wahrscheinlich genügend Frust haben hinsichtlich dieser - wie wir es jetzt noch einmal gehört haben - Bewirtschaftungsreserve.

Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist ein Punkt, an dem ich mich mit Herrn Barth in Übereinstimmung befinde. Ich will noch einmal die Daten festmachen. Es kann doch wohl nicht angehen, dass wir am 15.12. hier in diesem Parlament einen Haushalt beschließen, Sie den Entwurf der Bewirtschaftungsreserve am 20.12. den Ressorts zur Stellungnahme zuschicken und den Durchführungserlass dann am 28.12. Das heißt - und da stimme ich mit Ihnen überein - Sie haben das alles vorher schon gewollt. Das ist entweder politische Strategie gewesen, das kann ja gut sein, oder Ihnen ist nichts Besseres eingefallen.

(Beifall FDP)

Ich habe keine Ahnung, was dahintersteckt, aber jedenfalls ist es in beiden Fällen nicht besonders gut. Im Übrigen, wenn man einen Haushalt gemacht hat, den man hart auf Kante genäht hat - völlig klar - wo ich sagen kann, dass im Sozialbereich eigentlich nichts mehr zu reduzieren gewesen ist, so ehrlich muss man auch sein, wenn man unter diesen Umständen gemeinsam hier einen Haushalt - ich beziehe das jetzt mal auf die Koalitionsfraktionen - zustande kriegt und danach mit dieser sogenannten Bewirtschaftungsreserve ausgerechnet sogenannte freiwilligen Leistungen, die hier politisch als wichtig angesehen worden sind, dann einkürzt Herr Finanzminister, was soll denn das für eine Grundlage sein für die nächsten Haushaltsverhandlungen, wenn Sie sogar einen Doppelhaushalt wollen?

(Abg. Barth)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ist nichts mehr mit Verlässlichkeit, mit Glaubwürdigkeit - nichts mehr. Und zwar nicht nur die Frage von Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit gegenüber dem Parlament, sondern auch all denen, die im Moment nicht wissen, wie es weitergeht.

Nun lassen Sie mich noch einmal zwei, drei Sachen sagen. Das sind die Frauenhäuser, Verbraucherzentrale, das sind Personalstellen im Bereich der Jugendhilfe. Es geht um Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen. Es geht um Zuschüsse an Sonstige für Investitionen im Sportbereich. Es geht um den gesamten Bereich Theater- und Orchesterfinanzierung, Projektmanagerprogramm. Da geht es im Bereich Bildung um die Förderung für Schüler mit Migrationshintergrund. Da geht es im Bereich der Justiz um die Straffälligenhilfe. Was sollen wir denn noch alles auflisten an Dingen, die möglicherweise aus Sicht von Herrn Barth nicht so wesentlich sind, von denen ich aber gedacht habe, dass sie bei der Haushaltsbeschlusslage wichtige politische Schwerpunkte dieses Parlaments sind.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich muss Ihnen sagen, Herr Voß, ich gehe davon aus, dass alle Ressortminister das so sehen, dass das in der weiteren Arbeit keine Grundlage sein kann.