Protocol of the Session on December 15, 2011

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzelplan 03 des Innenministeriums - hierbei denken alle an die Polizei und Kollegin Renner hat zu Recht auch in einem relativen prozentualen Wert angegeben, wie groß der Anteil der Polizei an dieser Stelle ist. Für uns GRÜNE ist dieses Innenministerium aber immer noch mehr. Ein wesentlicher Teil sind die Kommunen. Auch wenn per Erlass der Kommunale Finanzausgleich hier in das Finanzministerium verschoben wurde, sind doch für uns der Innenminister und der ihn begleitende Innenausschuss immer noch der Ausschuss für die Kommunen und für diese ganz klar zuständig. Wir GRÜNE stellen uns dieser Verantwortung und wissen, dass die Kommunen nur leistungsfähig sein werden, wenn sie angemessen ausgestattet und zukunftsfähig aufgestellt sind, meine sehr verehrten Damen und Herren. Darum sehen wir GRÜNE den Streit in der Koalition natürlich ein wenig mit oppositioneller Belustigung, vielleicht manchmal auch mit rhetorischer Häme, vor allen Dingen aber mit Sorge um die Zukunft Thüringens. Jeden Monat, liebe Koalition, den Sie weiter kleinkariert streiten um die Frage der Gebietsreform, verfrühstücken Sie ein Stück Zukunft Thüringens.

(Beifall DIE LINKE)

Wir streiten auch sehr gern als GRÜNE, aber es muss konstruktiv sein. Deshalb haben wir in den Jahren 2010 und 2011 verschiedene Eckpunkte für die Fortentwicklung unserer Kommunen aufgestellt. Wir sagen ganz klar, hinreichend differenziert, 150.000 bis 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner je Kreis oder kreisfreie Stadt und ganz klar 7.500 bis 10.000 Einwohner in den Gemeinden. Versuchen Sie das einmal miteinander in Einklang zu bringen mit dem, wozu sich die Koalition ganz kurz vor dem Schluss dieser Debatte zusammenraufen konnte. Mit einem Änderungsantrag vom 08.12., also gerade einmal vor einer Woche, legten Sie eins fix drei im Entschließungsantrag fest, dass

(Abg. Renner)

in Zukunft 5.000 Einwohner und die Beendigung der Verwaltungsgemeinschaften und der erfüllenden Gemeinde hier beschlossen werden sollen. Ich will das nur einmal an dieser Stelle zitieren, um ganz deutlich zu machen, dass es nicht nur um die Frage geht, dass Sie sagen, Verwaltungsgemeinschaften und erfüllende Gemeinden werden wir demnächst nicht mehr im Zusammenschluss fördern oder darauf hinweisen, dass das ein guter Weg ist. Dem kann man inhaltlich vielleicht sogar zustimmen, aber Sie machen etwas ganz anderes. Sie nennen Folgendes, ich zitiere: „Die Institute der Verwaltungsgemeinschaft und der erfüllenden Gemeinde genießen künftig keinen Vertrauens- und Bestandsschutz mehr. Ihre Weiterentwicklung zu Landgemeinden wird angestrebt.“ Was bedeutet das? Was sagt das den vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Thüringen? Kein Vertrauensschutz mehr. Kommen Sie am 10. Januar und sagen, ihr seid alle Landgemeinden? Bedeutet das dieser Entschließungsantrag? Bedeutet das, dass Sie erst in fünf Jahren, wenn die Kommunen so nicht mehr zusammenarbeiten wollen, eine Neuregelung anstreben? Sagen Sie den Menschen in Thüringen doch einfach einmal ganz klar, was Sie wollen, und doktern Sie nicht weiter herum und mogeln Sie sich nicht um Ihre Verantwortung herum, eine wirkliche Leitlinie auf den Tisch zu legen. Nehmen Sie sich einmal ein Beispiel an den GRÜNEN, die vor zwei Jahren schon klare Punkte auf den Tisch gelegt haben, an denen wir uns gern kritisieren lassen, so wie das auch in dem Hause gemacht wurde, aber klar in der Aussage, wohin die Reise gehen soll. Da wäre ich mal sehr gespannt, von SPD und CDU etwas zu hören.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Sache ist dabei noch absolut bemerkenswert. Nicht nur, dass Sie sich im Prinzip herummogeln, wohin die Reise gehen soll, sondern Sie kündigen dies auch so kurzfristig im Entschließungsantrag an, dass es eine politische Debatte in Thüringen über diese Frage gar nicht geben kann. Sie gehen einfach wieder über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger in Thüringen hinweg. Wir sagen ganz klar, eine Gebiets-, Funktional- und Strukturreform in Thüringen ist nur mit den Bürgern, nicht gegen die Bürger und auch nicht über die Köpfe der Bürger hinweg zu machen. Stellen Sie sich der Verantwortung, hier in eine Diskussion einzutreten, dann bekommen wir auch eine gute Gebietsreform, die von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zusammenhang Kommunen ist mir eine Sache noch ganz wichtig und die muss hier noch gesagt werden. Es ist vorhin von meinem Kollegen Meyer schon angedeutet worden, Sie beabsichtigen im Haushaltsbegleitgesetz, die Widerspruchsmöglichkeiten zu reduzieren. SPD und CDU reduzieren noch einmal die Möglichkeit oder die Anzahl der

Fälle, in denen das Widerspruchsverfahren nicht mehr möglich sein soll. Sie gehen hier ganz klar auf die Kommunen zu. In den Fällen kommunalrechtlicher Streitigkeiten wollen Sie das Widerspruchsverfahren nicht mehr haben. Ich kann es nicht verstehen, Herr Minister Geibert, dass Sie als Kommunalminister hier mitmachen wollen. Ich finde das außerordentlich unvernünftig.

(Beifall DIE LINKE)

Inakzeptabel jedoch ist der Vorschlag von CDU und SPD, weiter dabei zu bleiben, dass in Asyl- und Einbürgerungsfragen der Widerspruch aufgehoben wird und die Leute gleich zum Gericht gehen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist inakzeptabel und es ist entlarvend unmenschlich, was Sie hier machen wollen, um Geld zu sparen. Einzig und allein um Geld zu sparen, machen Sie es den Menschen, die Asyl suchen und auf der Flucht sind, in Deutschland schwer. Wir als GRÜNE sagen ganz deutlich: Null Toleranz gegenüber dieser Ignoranz.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzelplan 03 umfasst noch viele andere Teile, zum Beispiel auch das Landesamt für Statistik. Es soll nur kurz erwähnt werden. Es ist ein wichtiger Teil, weil neue Regelungen ohne verlässliche Messzahlen natürlich nicht wichtig sind. An dieser Stelle sei allen, die hier mitarbeiten, recht herzlich gedankt. Das Landesamt für Statistik gibt mir die Möglichkeit zur Überleitung zu einem anderen Landesamt, das Frau Kollegin Renner schon direkt angesprochen hat, das Landesamt für den Verfassungsschutz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Recht steht dieses Landesamt in der Kritik. Haben wir nicht alle erwartet, dass Polizei, Verfassungsschutz und Justiz die Möglichkeit haben werden, Rechtsterrorismus zu verhindern oder ihn mindestens sinnvoll und gezielt zu bekämpfen? Wir müssen feststellen, dass wir uns getäuscht haben. Wir sind enttäuscht an dieser Stelle. Das Landesamt für den Verfassungsschutz ist meiner Ansicht nach aufgerufen, selbst effektive Vorschläge für seine Reform, für seine Verbesserung oder - noch besser - für seine komplette Neuausrichtung auf den Tisch zu legen, aber auch wir, liebe Kollegin König. Es ist doch ganz klar, wenn man sagt, verändert euch, ihr müsst etwas anders machen, kann man das nicht ohne die machen.

An der Stelle würde ich eines noch unterstreichen, wir Parlamentarier sind auch aufgerufen, neue und sinnvolle Vorschläge zu machen. Da bin ich bei dem Vorschlag der LINKEN. Ich glaube, er ist un

glaublich populär und es ist unglaublich witzig, aber er ist wenig realistisch. Sie gehen hier rein und sagen, alle nachrichtendienstlichen Mittel sollen sofort gestrichen werden. Das ist unvernünftig. Ab 1. Januar, sagen Sie, hat dieses Amt dann nicht mehr 6,2, sondern 5,8 Mio. €. Dann sitzen dort lauter Leute, die vorher nachrichtendienstlich gearbeitet haben, und sollen jetzt wissenschaftlich arbeiten. Das haben Sie mal innerhalb von 14 Tagen organisiert. Sie haben überhaupt keinen realistischen Ansatz hier, wie man das machen kann. Ich empfehle wirklich, dass wir uns alle zusammensetzen, und wenn die Analyse steht, so, wie wir das als Fachpolitiker auch beraten haben, wirklich an dieses Landesamt heranzugehen, an alle Sicherheitsbehörden heranzugehen, Schulungen in den Staatsanwaltschaften und in der Polizei, dass so etwas niemals wieder passiert, und eine ganz deutliche Umbildung des Landesamtes für den Verfassungsschutz vorzunehmen. Ihre Fachpolitiker wissen das.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will aber an der Stelle nicht verschweigen, dass einzig und allein die Zivilgesellschaft uns helfen wird, solchen rechten Tendenzen, solchem Rechtsextremismus entgegenzutreten.

Herr Abgeordneter, wenn Sie bitte zum Ende kommen.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. Dieser Einzelplan 03 lässt jegliche Schwerpunktbildung vermissen, er ist technokratisch und er hilft uns nicht weiter. Es gibt nur einen Debattenausgang hier, es gibt viel zu tun, lassen Sie uns damit beginnen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bergner von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben vorhin von der Ministerpräsidentin gehört, auch die Opposition habe die Notwendigkeit der Konsolidierung erkannt. Wie sehr sich die Regierung diesem Ziel verpflichtet sieht, sehen wir beim vorliegenden Einzelplan 03. Es gibt hier erneut einen Zuwachs, der Ansatz 2012 ist um 6.563.000 € gestiegen auf 595.219.900 €. So viel zu dem Satz, dass auch die Koalition das verstanden hätte.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, der größte Zuwachs besteht bei den Personalausgaben, hier ist ein Anstieg um 20.800.800 € auf rund 415,1 Mio. € zu verzeichnen. Das sind ca. drei Viertel der Gesamtausgaben. Nun hat uns die Landesregierung ihr Stellenabbaukonzept 2020 vorgelegt. Hieraus ist ersichtlich, dass im Bereich des TIM 2.016 Stellen abgebaut werden sollen. Auf den ersten Blick hört sich das einem vernünftigen Ziel an, da allen bekannt ist, dass die Thüringer Landesverwaltung im Vergleich mit anderen Ländern in der Tat überproportioniert ist. Ernüchternd an der Streichung von 2.016 Stellen ist aber, dass davon 926 Stellen bei der Thüringer Polizei gestrichen werden. Das heißt, dass fast die Hälfte der Einsparungen beim Personal auf dem Rücken der Polizei ausgetragen wird.

(Beifall FDP)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies der richtige Weg ist. Die Thüringer Polizei, meine Damen und Herren, macht eine sehr gute Arbeit,

(Beifall FDP)

aber wenn sie weiter so geschröpft wird, wird sie früher oder später nicht mehr dazu in der Lage sein.

(Beifall FDP)

Dazu kommt noch, dass wir vor wenigen Wochen hier im Hohen Haus die Polizeistrukturreform verabschiedet haben, das heißt, die Mehrheit des Hauses hat es verabschiedet, wir haben es nicht, mit dem Motto: „Weniger Häuptlinge, mehr Indianer“. Ich kann Ihnen eins sagen, wir haben selbstverständlich mit den betroffenen Polizeibeamten viele Gespräche geführt und bisher weiß niemand so richtig, wie diese Reform umgesetzt werden soll, und eine Vielzahl von Polizisten glaubt nicht daran, dass wirklich mehr Polizisten freigesetzt werden können.

Natürlich sind auch weitere Einsparungen vom TIM vorgesehen, dies betrifft unter anderem die Zuweisungen für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse. Diese werden gleich ganz gestrichen, obwohl von Ihrer Seite immer gepredigt wird, wie gut doch die freiwilligen Zusammenschlüsse seien. Dies reicht aber noch nicht aus, die Koalition trägt auf dem Rücken der Gemeinden, die sich freiwillig zusammenschließen wollen, ihr Gezänk aus und das haben wir in den aktuellen Tagen ganz deutlich erleben müssen.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die Kommunalpolitiker sich derzeit mehr als veralbert vorkommen, wenn sie die Zeitungen aufschlagen und erfahren, wie man hier mit dem Willen der Ge

(Abg. Adams)

meinden umgeht, meine Damen und Herren, das ist mehr als nachvollziehbar.

(Beifall FDP)

Der Entschließungsantrag der CDU und SPD zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Strukturen im Freistaat Thüringen bringt das Fass zum Überlaufen. Hier wird schon einmal die Gebietsreform vorbereitet und ich frage mich, wofür die Expertenkommission ins Leben gerufen wurde.

Eine weitere angebliche Einsparung befindet sich im Haushaltsbegleitgesetz, meine Damen und Herren, nämlich, und das ist hier schon mehrfach angesprochen worden, die Einschränkung des Widerspruchsrechts von Bürgern gegen Verwaltungsakte von Behörden. Für mich, meine Damen und Herren, ist das die versuchte Konsolidierung des Landeshaushalts durch die Beschneidung von Bürgerrechten und das machen wir nicht mit.

(Beifall FDP)

Durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens, meine Damen und Herren, in bestimmten Sachgebieten soll der Verwaltungsaufwand reduziert und das Verfahren beschleunigt werden. Wir gehen davon aus, dass sich die Entlastungseffekte bei der Verwaltung in Grenzen halten werden, da anstatt eines Widerspruchs formlose Beschwerden ebenso zunehmen werden wie das Bedürfnis an mündlicher oder schriftlicher Erläuterung. Aber spätestens, meine Damen und Herren, wenn geklagt wird, hat sich die Beschleunigung ins Gegenteil gekehrt.

(Beifall FDP)

Die Verwaltungsgerichte werden durch die Abschaffung der Widerspruchsverfahren überlastet. Hierbei geht es nicht nur um die zahlenmäßige Steigerung der Eingänge, sondern auch um die Anfragen der Bürger, in welcher Form sie sich jetzt gegen einen Bescheid zur Wehr setzen können und welche Kosten auf sie zukommen werden. Auch entsteht für die Verwaltungsgerichte ein erhöhter Ermittlungsaufwand, den es bislang nicht gab. Auf unsere Kleine Anfrage wurde uns vom TIM mitgeteilt, dass Widerspruchsverfahren beim Thüringer Landesverwaltungsamt im Jahr 2010 von einer Woche bis 19 Monate gedauert haben.

Wenn im Ausländerrecht ein Urteil durchschnittlich im Jahr 2010 18,9 Monate dauerte, ist es mehr als fraglich, ob wir mit der Einschränkung des Widerspruchsverfahrens für eine Beschleunigung sorgen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Es ist eigent- lich klar, dass Sie es nicht schaffen.)

Danke, so ist es. Auch ist der Landesregierung nicht bekannt, wie viele Ausgangsbescheide, Widerspruchs- und Klageverfahren bei den Gebiets

körperschaften geführt werden, außer man hofft bei der Landesregierung insgeheim darauf, dass durch einen beschwerlichen Klageweg und somit einer hohen Hemmschwelle die Fallzahlen sinken. Genau das, meine Damen und Herren, ist das Problem; die Landesregierung versucht, auf Kosten von Bürgerrechten Einsparungen zu erzielen.

(Beifall FDP)