Protocol of the Session on December 15, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Lieberknecht hat hier erneut das Urteil des Verfassungsgerichts zum Finanzausgleich bemüht und hat gesagt, das Verfassungsgericht hätte die Politik der Landesregierung bestätigt. Zum wiederholten Mal wird hier das Verfassungsgericht aus meiner

Sicht bösartig fehlinterpretiert. Ich bin nicht müde und werde es immer tun und hier darlegen, was das Verfassungsgericht tatsächlich entschieden hat.

Dieses Mal ging es um die Ermittlung der Auftragskostenpauschale, also der Berechnung zu 2010. Da gab es noch die Korridormethode; die gibt es gar nicht mehr, jetzt gibt es die Benchmarking-Methode. Da hat das Verfassungsgericht folgende zwei Leitsätze formuliert. Erstens: Die Bedarfsermittlung bei den Kommunen ist eine politische Entscheidung. Damit wurde deutlich gesagt, es ist nicht die Entscheidung von Beamten im Finanzministerium, sondern eine politische Entscheidung, das ist unsere Verantwortung hier. Der Vorwurf geht nicht an Sie, Herr Finanzminister, der Vorwurf geht an die Mehrheit hier im Hause. Wenn sie sich diese politische Verantwortung von den Beamten aus ihrem Ministerium wegnehmen lässt, ist die Mehrheit selbst schuld. Wir lassen uns das nicht gefallen. Sie müssen immer mit unserem Protest rechnen, also eine politische Entscheidung.

Zweitens: Die Korridormethode ist eine Berechnungsmöglichkeit. Es gibt weitere Berechnungsmöglichkeiten, die zulässig sind. Damit ist natürlich auch klar, dass wir die Entscheidung treffen müssen, ob die jetzige Bedarfsermittlung bei den Kommunen tatsächlich diejenige ist, die die Aufgaben und die Ausgaben bei den Kommunen real abbildet, oder ob es tatsächlich Verwerfungen gibt. Dazu werden wir bei Einzelplan 06 etwas ausführlicher diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde hier auch schon darauf verwiesen, der Doppelhaushalt 2013/2014 würde Planungssicherheit schaffen. Wir als LINKE warnen davor, nicht weil wir gern zum Haushalt reden, sondern weil wir in den letzten Jahren erlebt haben, wie schwankend die Steuereinnahmen sind, schon von Mai bis November, (im Mai und November werden immer die Steuern ge- schätzt). Es gibt erhebliche Abweichungen in diesem Jahr, Herr Finanzminister, wahrscheinlich über 400 Mio. €. Das ist gut so, weil die Abweichungen nach oben sind, aber daran sehen Sie, von Planungssicherheit kann keine Rede sein. Wo noch so viel Dynamik im Steuersystem ist, ist es schwierig, über einen solchen Doppelhaushalt zu diskutieren, aber wenn Sie natürlich erklären, es wird dann einen Nachtragshaushalt geben, dann werden wir uns dem Doppelhaushalt nicht verweigern. Wir haben ausdrücklich Möglichkeiten, immer wieder hier im Hause über Finanzen zu reden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Lehmann hat gesagt, 2012 wird alles gut, wir machen einen neuen Finanzausgleich. Seit 15 Jahren doktert die CDU am Finanzausgleich herum und hat keine Lösung präsentiert. Jetzt müssen Sie der kommunalen Familie und auch mir und unserer

Fraktion erklären, warum wir jetzt Vertrauen in Sie haben sollen, dass es nun im 16. und 17. Jahr klappt. Gut, es gibt einen neuen Finanzminister, der seine Doktorarbeit dazu geschrieben hat, aber, die habe ich gelesen, das ist eine Auffassung, die sehr von den 50er- und 60er-Jahren geprägt ist. Im 21. Jahrhundert sind die Lösungsansätze, die Sie einmal wissenschaftlich untersucht haben, nicht mehr geeignet.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: So ein Unsinn. Aber das ist ein Spezialproblem.)

Aber Sie gehören auch einer konservativen Partei an. Wir sind gespannt, Sie sollen Ihre Vorschläge präsentieren, wir werden unsere präsentieren, aber ich kann nachvollziehen, dass die kommunalen Familien den Ankündigungen gegenüber sehr kritisch sind, so dass sie sagen, sie wollen sich erst einmal über den Haushalt 2012 retten und dann sagen sie, 2013 sind die Wahlen auf der kommunalen Ebene vorbei und dann sehen wir weiter.

Die FDP hat wieder etwas Schönes gemacht. Ich wollte Ihnen vorhin eine Frage stellen, Herr Barth, aber auf Ihrem Sprechzettel war das nicht vorgesehen und danach war der Sachzusammenhang nicht mehr gegeben. Sie hatten sich mit der Grunderwerbsteuer beschäftigt und haben gesagt, der ganze Immobilienmarkt geht jetzt den Bach runter

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nein, das ha- be ich nicht gesagt.)

und keine junge Familie kann mehr ein Haus bauen, weil jetzt die Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 Prozent erhöht wird. Ich formuliere es noch einmal: Solange in diesem Land der Kauf eines Brötchens mit 7 Prozent Mehrwertsteuer höher besteuert wird als der Kauf eines Grundstücks, braucht man mit mir über diese Frage der Grunderwerbsteuer nicht zu diskutieren. Eigentlich bin ich dafür, dass bei der Grunderwerbsteuer der Regelmehrwertsteuersatz zur Anwendung kommen könnte, denn Grundstücke kaufen im Regelfall Leistungsträger, also mit 5 Prozent sind die Grundstückserwerber im Vergleich zu allen anderen, die bei jedem Kauf Mehrwertsteuer entrichten müssen, gut bedient.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Barth?

Es freut mich, bitte.

Bitte, Herr Barth, Sie schauen aber dabei auch auf die Uhr.

Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin, das ist nämlich genau das Problem, Herr Kollege, deswegen wollte ich das zum Schluss machen, die Uhr. Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie, wenn Sie mir vorhin schon nicht richtig zugehört haben, wenigstens jetzt bereit wären, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer mitnichten davon gesprochen habe, dass der Immobilienmarkt in Thüringen zusammenbricht, sondern nur die These aufgestellt habe, dass die 2.000 oder 3.000 €, die ein durchschnittliches Häuschen damit in der Steuer teurer wird, für eine kleine junge Familie viel Geld darstellen, die sie im Zusammenhang mit so einer Anschaffung viel besser an einer anderen Stelle in ihrem Haus verwerten und verbauen könnte, als sie als Steuern abzuführen. Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht mehr und nicht weniger gesagt habe?

Die Fragestellung war 1:20, die bekommen Sie jetzt zur Redezeit dazu.

Ich verweigere mich nie, Dinge zur Kenntnis zu nehmen. Nur, das gleiche Problem hat der Brötchenkäufer auch. Der könnte auch sagen, die 7 Prozent Mehrwertsteuer, die auf dem Brötchenverkauf drauf sind, könnte ich viel besser woanders verwenden. Wir befinden uns hier in einem Spannungsfeld,

dass sich der Staat natürlich in irgendeiner Art und Weise finanzieren muss. Es ist ungerecht, dass das Brötchen stärker besteuert wird, der Kauf des Brötchens, als der Kauf eines Grundstücks.

(Beifall DIE LINKE)

Eine letzte Anmerkung, wegen der Redezeit, die FDP hat sich heute als die Hüterin der Haushaltsfinanzen präsentiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie greifen auf Finanzierungselemente zurück, die schon lange der Vergangenheit angehören - früher hat es immer die Landesregierung gemacht, weil sie kein Konzept hatte -, nämlich auf das Instrument der Globalen Minderausgabe. Da kann jetzt jeder, also auch einer, der überhaupt nicht in der Materie steht, einfach hineinschreiben „Globale Minderausgabe“, da haben Sie 60 Mio. € drin. Wenn das Seriosität darstellen soll, dann alle Achtung, da fordern wir schon etwas anderes oder Sie müssen sich in Zurückhaltung üben, das geht auch. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Herr Abgeordnete Barth möchte Ihnen noch eine Frage stellen.

Ich bin begeistert.

Sie gestatten es.

Das werden wir sehen. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Kuschel, würden Sie mir noch einmal erklären, wie Sie Ihre Antwort eben dann interpretiert wissen wollen. Möchten Sie die Steuern für das Brötchen auf 5 Prozent senken oder besteht Ihr Ziel in Wahrheit darin, die Grunderwerbsteuer auf 19 Prozent anzuheben?

Beim Brötchen stimme ich Ihnen zu, weil es ein Grundnahrungsmittel ist; da bin ich tatsächlich bereit, über noch geringere Mehrwertsteuersätze nachzudenken. In unserem Konzept haben wir auch eine weitere Differenzierung der Mehrwertsteuer für sogenannte Luxusgüter vorgesehen. Ich persönlich - ich weiß jetzt nicht, was meine Partei dazu sagt -, bin dafür, bei der Grunderwerbsteuer den Regelmehrwertsteuersatz als Diskussionsgrundlage zugrunde zu legen. Das können Sie so erklären, Ihren Lobbyisten können Sie das so erklären. Regelmehrwertsteuersatz - derzeit 19 Prozent -, wir wissen nicht, wie lange er bei 19 Prozent liegt. Das ist meine persönliche Auffassung, hatte ich Ihnen gesagt.

Die bilateralen Gespräche verlagern wir woandershin. Die Redezeit ist jetzt ausgeschöpft. Ich habe auch keine weiteren Redeanmeldungen mehr aus den Fraktionen, aus der Landesregierung auch nicht, so dass ich jetzt die Generalaussprache zum Haushalt schließe.

Es ist vereinbart worden, ich erinnere nur noch einmal daran, dass wir zum Einzelplan 02 - Staatskanzlei - erst nach 15.00 Uhr sprechen werden, so dass ich nun den Einzelplan 03 - Innenministerium - einschließlich der Artikel 1, 2, 3, 4 und 15 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2012 debattieren werden.

Die vereinbarten Redezeiten für die Fraktionen betragen für die CDU-Fraktion 15 Minuten, für die

Fraktion DIE LINKE 14 Minuten, für die SPD-Fraktion 12 Minuten, für die FDP-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jeweils 9 Minuten. Falls die Landesregierung insgesamt länger als 15 Minuten reden sollte, würde sich dann die Redezeit verlängern. Ich rufe als Erste auf für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Renner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Debatte über den Haushalt des Innenministeriums muss mit einigen Anmerkungen zur Struktur- und Stellenentwicklung bei der Polizei beginnen, denn die Strukturen der Polizei haben einen gewaltigen Anteil von 63 Prozent an den Gesamtausgaben des Innenministeriums. Doch trotz dieses hohen Mitteleinsatzes bestehen bei den Beschäftigten und den Interessenvertretungen berechtigte Sorgen, dass eigene Ansprüche an die Arbeit, aber auch - finde ich - berechtigte Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr in vollem Maße erfüllt werden können. Grund hierfür ist die berechtigte Sorge, dass die prognostizierten Effekte aus der Strukturreform nicht in dem Maße eintreten werden wie erhofft, um den gleichzeitigen Stellenabbau und geringer werdende Ausbildungszahlen zu kompensieren.

Ganz konkret geht es um die auch für uns besorgniserregende Annahme, dass auf Dauer nicht alle Basisdienststellen und ein Streifendienst in den Nachtstunden aufrechterhalten werden können, wenn man bedenkt, dass 929 Stellen, davon 644 Vollzugsbeamte, künftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Erschwert wird für uns als Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker, aber auch für meine Mitglieder im Haushalts- und Finanzausschuss die Analyse der Aufgaben- und Personalverteilung durch die Zusammenlegung der Kapitel 14 und 15, also ehemals der Polizeidirektionen und der Bereitschaftspolizei zu einem neuen Kapitel „Polizeidienststellen“.

Jetzt Anmerkungen zu einem weiteren auch in diesen Tagen politisch wichtigen Kapitel im Haushalt des Innenministeriums, ich spreche von Kapitel 10, den Geldern für das Landesamt für Verfassungsschutz. Hier geht es um Millionenbeträge. Wir haben immer gesagt, das ist nicht neu, dieser Dienst ist nicht kontrollierbar, gefährdet die Grundrechte und ist völlig untauglich.

(Beifall DIE LINKE)

Nach den nun im Raum stehenden Informationen über einen jahrelangen Geldfluss in neonazistische Strukturen in Thüringen, die Ausgangsort für die Neonaziterrorgruppe NSU sind, müssen wir diese Einschätzung ergänzen. Der Einsatz von V-Leuten, die Gründung von Tarnfirmen und das Agieren unter falschem Namen und unter falscher Adresse sind eine Gefahr für die Demokratie und möglicher

(Abg. Kuschel)

weise auch für die Unversehrtheit von Menschen, die nicht in das Weltbild von Neofaschisten passen. Daher fordern wir als Sofortmaßnahme ein Memorandum beim Einsatz von Spitzeln.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern - und so ist unser Vorschlag auch in unserem Entschließungsantrag formuliert -, dass die entsprechenden Mittel im Haushalt des Landesamts gestrichen werden. So können wir zum einen ausschließen, dass es zu Begünstigungen von Neonazis und deren Strukturen durch Geldzuwendungen kommt und dass Neonazis zu rechtsextremen Straftaten ermutigt werden oder diese gar möglicherweise noch gedeckt sind. Wir schließen damit eine Schnittstelle zwischen Staat und Neonazismus, die schließlich auch zum Scheitern des ersten Verbotsverfahrens gegen die NPD geführt hat. Daneben fordern wir in einem Entschließungsantrag den Umbau des Landesamts in eine öffentliche und demokratische Beratungs- und Dokumentationsstelle für Menschen, Grundrechte und Demokratie.

(Beifall DIE LINKE)

In diesem Entschließungsantrag formulieren wir aber auch eine weitere wichtige Aufgabe, den dringenden Evaluierungsbedarf des Landesprogramms für Demokratie und daraus abgeleitet eine Überarbeitung zu einem wirklichen Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und umfassende Demokratisierung der Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir werden morgen sicherlich auch noch Gelegenheit haben, in der Beratung zu den Sicherheitsgesetzen - darunter auch zum Verfassungsschutzgesetz - an diesem Punkt weiterzudiskutieren.

Wenn es auch nicht Gegenstand des Einzelplans 03 ist, dennoch aber ein Thema der Innenpolitik, muss ich noch einige Bemerkungen zum Thema Datenschutz machen. In der Beratung zum Datenschutzgesetz spielte zuletzt die Frage einer vollständigen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten eine zentrale Rolle. Insbesondere die Datenschutzkontrolle im privaten Bereich, die immer größere Bedeutung gewinnt und immer neue technische Möglichkeiten hat, erfordert entsprechende materielle und personelle Ausstattung in der Datenschutzbehörde. Um es deutlich zu sagen: Dem Verfassungsschutz stehen für das Betreiben groben und gefährlichen Unfugs 98 Personen zur Verfügung,

(Beifall DIE LINKE)

dem Datenschutzbeauftragten 0,8 Personen, wenn es die überhaupt gibt, zur Kontrolle der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen im privaten Bereich. Welchen Umfang das hat, können wir uns

alle vorstellen. Daher unser Entschließungsantrag, mit dem wir vorschlagen, sechs frei werdende Stellen aus der Landesverwaltung plus entsprechende Sachmittel in den Bereich des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz umzuwidmen. So weit unsere Vorschläge in dem Entschließungsantrag, wir bitten um Zustimmung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.