Protocol of the Session on September 16, 2011

Ich weise Sie noch einmal darauf hin, weil wir jetzt einen Sofortbericht der Landesregierung hatten, gilt in diesem Tageordnungspunkt lange Redezeit.

Ich eröffne jetzt die Aussprache und das Wort hat als Erster der Herr Abgeordnete Kowalleck für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bildungsminister hat in seinem Sofortbericht schon ausführlich auf die einzelnen Fragen des Antrags reagiert. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. In der vorigen Woche konnten wir in einer Mitteilung lesen, dass in Thüringen fast 75 Prozent aller alleinerziehenden Eltern erwerbstätig sind. Nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit sind das deutlich mehr als im Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer und der Quote in Westdeutschland. Nur in Bayern und Baden-Württemberg weisen die Länder eine höhere Erwerbstätigkeit Alleinerziehender auf. Wir konnten weiterhin lesen, dass in Thüringen der Anteil arbeitsloser Alleinerziehender von 9,4 Prozent auf 8,2 Prozent zurückging. Warum nenne ich zu diesem Tagesordnungspunkt diese Zahlen? Weil sie beispielhaft sind, weil sie aufzeigen, wie auch die Kinderbetreuung in unserem Freistaat bedarfsgerecht gestaltet wird, nicht nur für Familien mit zwei Elternteilen, sondern auch für Alleinerziehende, die es oft schwerer haben. Ohne eine gute Kinderbetreuung in unserem Freistaat und das Vorhalten von Betreuungsmöglichkeiten vor Ort sind die eben genannten Zahlen gar nicht erreichbar. Hier in die

(Minister Matschie)

sem hohen Hause besteht auch Einigkeit, dass wir gute Grundlagen hatten und auch gute Grundlagen geschaffen haben. Wir werden natürlich auch weiter an diesem Thema bleiben. Es entspricht auch der Lebenswirklichkeit und den Anforderungen, die wir an uns haben, um noch einmal auf Ihre Antragsbegründung einzugehen.

„Thüringen bei Kindergärten spitze“, so lautete auch vor einigen Wochen die Überschrift in der Thüringer Allgemeinen. Die Studie der Bertelsmann Stiftung hat es bestätigt, der Freistaat hat sich mit einer Ganztagsbetreuungsqoute von über 90 Prozent weit vor alle anderen Bundesländer gesetzt. Der Minister hat es eben auch noch einmal erwähnt. Das Besondere ist dabei, dass die Studie nicht die Auswirkungen des neuen Kita-Gesetzes berücksichtigt. Deswegen möchte ich hier auch noch einmal ganz klar betonen: Wir hatten auch schon vorher wirklich gute Bedingungen und haben noch einmal draufgesattelt. Ich möchte jetzt auch noch einmal explizit auf die Zahlen eingehen, die der Herr Minister genannt hat, denn wir geben fast eine halbe Milliarde Euro aus im Haushalt. Wir haben entsprechende Steigerungen seit 2009. Das muss auch von allen Seiten anerkannt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da passt es zum Thema - das hat der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Gerhard Günther heute deutlich gemacht - Ladenöffnungsgesetz. Hierauf möchte ich noch mal eingehen. Herr Günther hat erklärt, Verkäuferinnen und Verkäufer sollen an mindestens zwei Samstagen im Monat freihaben. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich nehme hier auch das Beispiel der Handelskinder. Die Mütter und Väter, die im Handel arbeiten, brauchen die Zeit für ihre Kinder und die sollten wir ihnen auch geben. Da bin ich dankbar für diese Initiative.

(Beifall CDU)

Der Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ist ein wichtiger Beitrag gerade für berufstätige Eltern. Die Thüringer Eltern nehmen den Rechtsanspruch wahr und die Zahlen des Bildungsministeriums zeigen dabei auch, dass dies sehr gut angenommen wird. Ganztagsbetreuung heißt zehn Stunden täglich. Da müssen wir schon anerkennen, dass die Betreuung in den Kindertagesstätten und Horten entsprechend der normalen Arbeitszeiten gestaltet sind. Ausnahmen gibt es immer wieder, darauf ist Herr Kemmerich eingegangen, und die wird es auch immer wieder geben. Gerade was den Bereich Schichtarbeit angeht, ist das eine Herausforderung, die wirklich an die Eltern gestellt wird und für die sie Lösungen finden. Da muss man dankbar sein, wenn gerade vor Ort in den Kommunen Lösungsvorschläge angeboten werden. Das sehen wir ja auch, dass dies passiert.

Meine Damen und Herren, viele Unternehmen sind vorbildlich bei der Unterstützung der Kinderbetreuung. In meinem Wahlkreis gibt es z.B. eine Firma in Unterwellenborn, die Kindergartenbetreuungskosten für ihre Mitarbeiter übernimmt. Wer Kindergartengebühren bezahlen muss als Eltern, kann nachvollziehen, welche Entlastung dieser Betrag bedeutet und was dieses Unternehmen leistet. Da ist es ein wichtiges Zeichen, dass der Firmenchef jetzt aktuell zum Unternehmer des Jahres im Landkreis ausgezeichnet wird. Gerade im Bereich der Unternehmen, der Bildungsminister hat hier beispielhaft E.ON und ein Krankenhaus genannt, gibt es viele Betriebskindergärten, ich kenne auch dieses Beispiel der Thüringenklinik in Saalfeld. Das sind gute Beispiele, die zeigen, dass sich Beruf und die Kindereinrichtung gut verbinden lassen. Das sind Dinge, die unsere Unterstützung finden und wo wir weiter dranbleiben müssen.

Die Hortbetreuung, darauf ist der Minister auch schon eingegangen, war bereits am Mittwoch Thema an dieser Stelle. Auch hier sprechen die Zahlen für sich, denn etwa 80 Prozent der Thüringer Grundschüler besuchen den Thüringer Hort. Die Grundschulen haben vor Ort mit dem Modellvorhaben „Weiterentwicklung der Thüringer Grundschule“ eine Einbindung der Vereine und der Jugendhilfe erreicht. Hier können wir durchaus immer wieder diese zahlreichen Arbeitsgemeinschaften von Sport, also Fußball, über Instrument lernen, handwerken und vieles mehr nennen, was auch dazu beiträgt, die Kinder sachgerecht pädagogisch zu betreuen und vor allem sinnvoll zu betreuen. Wenn in diesem Zusammenhang immer wieder die finanzielle Ausstattung des Modellvorhabens angeführt wird, sage ich ganz klar, wichtig ist dabei das Engagement der vielen AG- und Übungsleiter und hier muss immer wieder gedankt werden. Ich kann hier nur noch einmal wiederholen, dass die Koalitionsfraktionen entsprechende Vorschläge gemacht haben, um dieses erfolgreiche Modell weiterzuführen. Die Erzieherinnen und Erzieher müssen dabei motiviert sein und wissen, was die Zukunft bringt. Das Bildungsministerium ist in der Pflicht und der Minister - da bin ich auch dankbar - hat das ganz klar an dieser Stelle gesagt, dass man dabei ist, Lösungswege aufzuzeigen, die keine Nachteile für die Betroffenen bedeuten. Es ist dabei verantwortungslos, wenn Ängste geschürt werden bei den Beteiligten.

Wir haben das an dieser Stelle schon oft gehört, DIE LINKE verschließt da zu sehr ihre Augen grundsätzlich vor der Lösung durch das Modellprojekt, obwohl die Ergebnisse, auch die Ergebnisse vor Ort, für sich sprechen. Da habe ich den Eindruck, es geht eher darum, nicht wirkliche Lösungsvorschläge zu bieten, sondern eine negative Einstellung weiter zu behalten, nur weil dieses Modellprojekt von der CDU ins Leben gerufen wurde.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist aber jetzt eine Unterstellung.)

Da bitte ich wirklich, hier sachlich miteinander zu diskutieren und keine Ängste zu schüren bei den Betroffenen.

Meine Damen und Herren, der Bildungsminister hat es eben noch einmal unterstrichen, die an dem Modellvorhaben teilnehmenden Schulen werden in starkem Maße individuell gefördert und mit dem Anstieg der Hortangebote wächst die Zahl der regionalen Kooperationspartner. Wir haben hier deutlich gemacht - das ist in den Ausführungen des Bildungsministers deutlich geworden -, dass viele Aktivitäten bestehen, dass wir als Land Thüringen Spitzenwerte haben in der Ganztagsbetreuung. Wir müssen hier dranbleiben, aber wir sollten die Ergebnisse nicht schlechtreden, dafür werbe ich. Lassen Sie uns miteinander sachlich diskutieren und die eine oder andere ideologische Scheuklappe sollte abgelegt werden, damit wir gemeinsame Lösungen finden für die Hortbetreuung. Für die KitaBetreuung haben wir hier zusammengearbeitet und wir sollten das auch zusammen anpacken bei der Hortbetreuung. Danke schön.

Danke, Herr Abgeordneter Kowalleck. Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Danke schön. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe FDPFraktion, die Sie diesen Antrag eingebracht haben zu einem durchaus sehr wichtigen Thema, was uns immer wieder hier beschäftigt. Sie haben eine ganze Bandbreite angesprochen. Es geht Ihnen ja „nicht nur“ - das ist auch ein wichtiges Thema - um die Kinderbetreuung, die frühkindliche Bildung und Erziehung in Kindereinrichtungen, sondern es geht natürlich um die Zeit „davor und danach“ im wahrsten Sinne des Wortes, sowohl zeitlich als auch institutionell.

Eben haben wir Ausführungen gehört - und auch schon im Bericht des Ministers -, die deutlich machen, dass wir in Thüringen in der Tat einen sehr guten Standard haben. Das gilt es anzuerkennen und das erkennen wir auch an und ich erinnere noch einmal daran, was nicht ganz üblich ist, dass wir hier als Parlament gemeinsam mit allen Fraktionen ein Gesetz verabschiedet haben, welches zumindest für den Bereich der Kindestagesstätten tatsächlich hohe Standards setzt, aber in der Praxis durchaus noch verbesserungswürdig ist. Da ist es bei diesem Gesetz so wie bei vielem anderen, was hier schon gesagt wurde, nichts ist so gut, dass

man es nicht noch besser machen könnte. Ohne „nur nach dem Negativen zu schielen“, gilt es ja trotzdem, die Probleme zu benennen, die wir haben, und es gibt da einige Probleme.

Über die Finanzierung des Kindertagesstättengesetzes werde ich jetzt nicht länger reden, ich hoffe nur, dass die 483 Mio. €, die für 2012 eingestellt sind, bei denen wir noch sehr genau nachfragen werden, auch tatsächlich in den Kindertagesstätten und bei den Kindern und den Erzieherinnen und Erziehern ankommen. Denn das war ja das Problem, dass viele Kommunen gesagt haben, das Geld kommt gar nicht bis zu uns. Wir haben es faktisch nicht zur Verfügung. Das Versprechen des Ministers, dass das Kindertagesstättengesetz 1 : 1 vom Land auch tatsächlich getragen und ausfinanziert wird, ist bei den Kommunen in der Praxis oftmals im wahrsten Sinne des Wortes anders angekommen. Die Folge waren dann, selbst wenn das hier niemand schön findet, Beitragserhöhungen, die dann wieder zulasten der Eltern gingen. Das ist natürlich etwas, was wir nicht wollen und was wir nicht wollen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich werden alle zustimmen. Herr Kowalleck hat es eben beispielhaft genannt - leider ist er jetzt nicht mehr da;

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Hier hin- ter Ihnen.)

ach, Sie sind hinter mir, Verzeihung -, dass es einzelne Unternehmen gibt, die ganz selbstverständlich offenkundig, was aber nicht selbstverständlich ist, die Kinderbeiträge für Kitas übernehmen. Das ist ein Punkt, über den wir hier, glaube ich, in der Tat sprechen sollten, nämlich wie es uns gelingt, dass auch unsere Wirtschaft, dass unsere Arbeitgeberinnen noch sehr viel familienfreundlicher werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten vorhin den Antrag der FDP-Fraktion und auch der Fraktion DIE LINKE, wo es um die Veränderung der Ladenöffnungszeiten ging. Wir wissen alle, dass es ganz häufig in der Regel Frauen sind, die hinterm Ladentisch stehen oder die in dem Einkaufszentrum stehen und das oft sehr lange und das oft auch begründet sehr viel länger, als es gut ist aus Sicht eines Kindes. Denn diese Perspektive, Herr Matschie hat sie vorhin genannt - vielleicht hört er auch jetzt zu -, ist natürlich auch eine ganz wichtige Perspektive. Wir sagen sehr deutlich und, ich glaube, das müssen wir hier diskutieren, dass wir froh sind über jeden Arbeitgeber und jede Arbeitgeberin, die wie in Unterwellenborn vorbildlich Eltern unterstützt, die Kinder haben, und ihnen auch Erleichterungen zukommen lässt, z.B. indem sie die Gebühren für die Kindereinrichtung übernehmen oder selbst Einrichtungen anbieten. Ich sa

(Abg. Kowalleck)

ge aber auch, man kann nicht beliebig flexibel sein als Eltern, weil das irgendwann dem Kindeswohl nicht mehr zuträglich ist. Deswegen, glaube ich, brauchen wir tatsächlich eine neue Arbeitszeitkultur, brauchen wir eine andere Einstellung gegenüber den Menschen, denen wir sehr dankbar sein müssen, dass sie sich auch und gerade angesichts des demographischen Wandels bewusst für ein Leben mit Kindern entscheiden. Das Leben mit Kindern braucht Unterstützung sowohl von den Arbeitgebern und den Arbeitgeberinnen als auch entsprechende Rahmenbedingungen, die die Politik vorgeben kann und muss. Da gibt es, glaube ich, schon noch eine ganze Menge zu tun.

Herr Kowalleck hat vorhin auch angesprochen die Zahl, die wir sicherlich alle schon gelesen haben, dass 75 Prozent unserer Alleinerziehenden, die wieder überwiegend Frauen sind, erwerbstätig sind. Ich habe allerdings eine etwas andere Begründung dafür, warum es so ist. Ich glaube nämlich, dass es das Selbstverständnis von Frauen heute ausmacht, dass sie sagen, ich will selbstverständlich arbeiten, ich will selbstverständlich im Erwerbsleben integriert sein, ich möchte aber auch Kinder erziehen. Dies tatsächlich zu unterstützen, zu gewährleisten, und das nicht nur, weil sie ihre Existenz sichern müssen, sondern weil sie sich selbstverständlich einbringen wollen in der Arbeitswelt genauso wie in der Familie, das, glaube ich, ist etwas, worauf wir noch mehr achten müssen, gerade weil es sehr viele Alleinerziehende hier in Thüringen gibt.

Ich will noch ein weiteres Problem ansprechen, was ich auch wichtig finde. Herr Matschie hat es eben hier noch einmal ausgeführt und wir konnten es neulich schon den Ankündigungen der bildungspolitischen Sprecher Herrn Emde und Herrn Metz entnehmen, dass darüber nachgedacht wird, dass die Horte nicht nur von der Klasse 1 bis 4 selbstverständlich als Bestandteil der Schule mit angeboten werden sollen, sondern darüber hinaus ein Angebot in den Klassenstufen 5 und 6. Herr Matschie hat eben schon die Einschränkungen deutlich gemacht, nämlich dass er nicht weiß, wie er das finanzieren soll, und dass wir darüber sprechen müssten. Ich glaube, die entscheidende Frage ist, was es uns wert ist, den Eltern und den Kindern bestmögliche Bedingungen zu bieten und damit solche Angebote zu machen, dass Kinder frei sind, auch in der 5. und in der 6. Klasse beispielsweise noch einen Hort zu besuchen. Da komme ich noch einmal zu der Problematik, wie wir unsere Horte anbieten, zu dem Punkt, den ich hier vorgestern schon ausgeführt habe. Ich glaube, wir sollten nicht über Begrifflichkeiten streiten, wie die Horte genannt oder angesiedelt werden. Das Entscheidende ist, was vor Ort passiert. Da gehören für uns die Grundschulen mit ihren Horten ohne Wenn und Aber zusammen, und zwar in einer pädagogischen Einheit genauso wie in einer erzieherischen Einheit. Das muss stimmen,

das muss funktionieren. Und: Da finden wir auch gemeinsam einen Weg. Da geht es überhaupt nicht um ein Gegeneinander oder um Schwarzmalerei.

Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt benennen, nämlich das Recht von Frauen auf gerechte Teilhabe am Erwerbsleben. Ich habe eben schon die Alleinerziehenden angesprochen. Es sind aber nicht nur die Alleinerziehenden. Wir wissen, dass viele Frauen allein deshalb, weil sie Kinder haben, keine Aufstiegschancen haben im Beruf. Wir wissen, dass Frauen Schwierigkeiten haben, auch in Führungspositionen vorzudringen, sobald sie angeben, Kinder zu haben. Das kann natürlich auch nicht sein. Deswegen kommt da noch ein allerletzter Punkt hinzu. Ich wünsche mir, dass selbstverständlich auch Väter noch mehr Erziehungsverantwortung übernehmen, dass auch Väter entsprechende Unterstützung erfahren und dass sich immer mehr Väter selbstverständlich entscheiden, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, und dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sich künftig selbstverständlich darauf einstellen, dass die Frauen und Männer, die bei Ihnen arbeiten, auch Mütter und Väter sein können und Unterstützung für das Leben mit Kindern brauchen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Jung für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich will am Anfang etwas machen, was ich sehr, sehr selten mache hier in diesem Hohen Haus. Herr Minister, herzlichen Dank, dass Sie die für mich Große Anfrage der FDP nicht in jedem Detail beantwortet haben, denn dann würden wir heute noch lange sitzen. Wenn ich mir die Frage 7 vorstelle, wie viele Tage im Jahr Einrichtungen zur Kinderbetreuung durchschnittlich geöffnet sind und Sie hätten die über 1.000 Einrichtungen einzeln hier genannt, das will ich einfach nur belegen.

Eine Vorbemerkung will ich noch zu Ihrem Bericht machen. Ich denke, in einem haben Sie nicht recht, im Betreuungsumfang - und das steht nicht im Gesetz - gibt es keine Staffelung der Elterngebühren. Im Gesetz steht ganz klar drin, dass es einen Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung gibt, und es steht nicht drin, dass der nach Stunden gestaffelt werden kann. Das hat man jetzt vereinbart, aber im Gesetz steht es nicht, Herr Minister.

Eine zweite Vorbemerkung zu Herrn Kowalleck: Ich werde heute nicht auf die Hortkommunalisierung noch einmal eingehen, weil ich denke, in der Aktuellen Stunde ist darüber ausführlich gesprochen

(Abg. Rothe-Beinlich)

worden. Ich will nur einen Aspekt dazu sagen. Wir hatten ein Volksbegehren für eine bessere Familienpolitik. Dort haben sich die Unterzeichner des Volksbegehrens ganz klar für die Einheit von Hort und Schule ausgesprochen, weil das dort in dem Volksbegehren noch enthalten war. Wir haben es dann im Gesetz geändert, aber die Unterzeichner haben das noch so unterzeichnet.

Meine Damen und Herren von der FDP, ich wusste nicht genau, worauf Sie hinauswollten, weil über Betreuungszeiten und Öffnungszeiten haben wir ja schon oft geredet. Deswegen will ich mich mehr darauf konzentrieren, etwas zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sagen. Windelgeld, Feriencamps für Kinder, Chefs in Teilzeit, Kühlschrankbefüllung, Bügelservice, Coachs for work und parents und flexible Arbeitszeitkonten, das ist nur ein Bruchteil der Maßnahmen, die kleinere, mittlere und inzwischen auch große Unternehmen in den vergangenen Jahren ergriffen haben, um ihren Mitarbeitern und deren Familien das Leben zu erleichtern. In der Familienpolitik, das ist sehr deutlich geworden, hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Vor zehn Jahren, ich kann mich an eine kürzere Periode 2004/2005 noch erinnern, lautete die offizielle Einschätzung nicht nur der großen Unternehmen und ihrer Verbände, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein Thema für die Wirtschaft sei. Sie schreiben in Ihrem Antrag, das halte ich schon für bemerkenswert, die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Ich weiß nicht, ob die Verkäuferinnen, auf die Sie Bezug genommen haben, wirklich unter Karriere einzuordnen sind, ob das die berufliche Karriere ist, die Sie meinen, aber das können Sie ja dann am Ende selbst noch einmal ausführen, was Sie darunter verstehen. Die Wirtschaft sagte ganz deutlich, darum müsse sich jeder Einzelne persönlich kümmern und Familienpolitik sei Sache des Staates. Welche Bedeutung damals vor diesen Jahren dem Staat zugebilligt wurde, zeigte damals der frisch gewählte Bundeskanzler Gerhard Schröder, als er das Familienministerium als Ressort für Gedöns bezeichnete. Familienfreundlichkeit, das ist positiv zu betrachten, wird heute von Unternehmen auditiert. Es geht dabei nicht um PR, sondern darum, ernsthaft eine familienbewusste Arbeitskultur zu schaffen. Trotzdem, meine Damen und Herren, ist das Thema in vielen Unternehmen immer noch tabu. Ich will zuerst wirklich auch auf die Unternehmen eingehen. Flexible Arbeitszeitmodelle sind der Schlüssel zum Erfolg. Wichtig ist, dass dies im Unternehmen von oben vorgelebt wird. Familienfreundlichkeit ist dabei aber kein Selbstzweck. Das zeigen gerade die Branchen, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind. Die haben erkannt, dass solche Maßnahmen die Fluktuation senken und beim Werben helfen. Die Themen Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeitmodelle, das ist momentan ein Dauerbren

ner und ich will sagen, jetzt kommt der Teil Pflege auch noch hinzu.

In Ihrem Antrag aber spielen Sie in der Begründung die Vereinbarkeit gegen den Anspruch von Frauen aus, in Führungspositionen vertreten zu sein, obwohl Sie ausdrücklich von Karriere und Beruf reden. Hier haben Sie meines Erachtens etwas Grundsätzliches nicht verstanden. Wenn eine Verkäuferin am Samstag arbeiten muss und keine Kinderbetreuung hat, steht sie nicht im Gegensatz zu einer Vorstandsfrau bei Telekom, sondern ihr Problem beleuchtet nur die andere Seite der Medaille, denn in beiden Fällen geht es um die Rollenzuweisung von Frauen, die einerseits als Mütter ihren Arbeitsplatz um die Familie herum organisieren sollen und andererseits dazu angehalten sind, unter Männern zu arbeiten und nicht selbst die Macht zu übernehmen. In beiden Fällen - und das hat meine Kollegin Rothe-Beinlich schon ausgeführt - geht es um gesellschaftliche Teilhabe, die nach wie vor zwischen Frauen und Männern nicht gerecht verteilt ist.

Meine Damen und Herren, es stimmt, bei der Diskussion um die Ausstattung der Kindertageseinrichtungen kommt die sonstige Vereinbarkeit von Beruf und Familie manchmal zu kurz. Die Frage lautet, was machen berufstätige Eltern mit all den Zeiten, in denen ihre Kinder weder in die Kita noch in den Hort gehen können und die Eltern trotzdem noch nicht in der Lage sind, zuhause zu bleiben und bei ihnen zu sein, weil sie keine so langen Wochen Urlaub im Jahr nehmen können, es aber in der Regelschule keinen Ferienhort gibt oder dieser dann Schließzeiten hat, wenn sie nicht frei bekommen, weil sie aufgrund hoher Arbeitsanforderungen Überstunden machen müssen, weil ihr Anfahrtsweg zur Arbeit zu lang ist, sie Schicht-, Abend- und Wochendienst haben und dann ohnehin keine Einrichtungen geöffnet sind oder weil eines ihrer Kinder schon wieder krank ist und sie nicht erneut zuhause bleiben wollen oder können. Manche Familien haben es gut, weil die Großeltern in der Nähe wohnen und diese schon im Rentenalter sind.

Bei vielen Familien und vor allen Dingen auch in unseren Gebieten sieht es aber anders aus. Wenn diese Eltern sich dann auf den Weg machen, um für eine sogenannte Differenzzeitbetreuung Unterstützung zu finden, sind sie oft auf sich allein gestellt. Entweder sie haben sehr viel Geld, um sich ein reguläres Kindermädchen leisten zu können, oder sie sind auf Angebote wie Familienzentren oder Großelterndienste angewiesen - diese sind in der Regel völlig überlaufen - oder sie suchen sich eine Babysitterin.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich in Ihrem Antrag auf die Kinderbetreuung konzentriert und da vorrangig auf die Öffnungszeiten. Sie sagen - das unterstelle ich jetzt mal - dass sie nicht ausreichend

sind. Ja, Öffnungszeiten können sicherlich flexibel angepasst werden, aber - und da wiederhole ich es auch, es ist heute schon gesagt worden - nicht so, dass das Kindeswohl gefährdet wird. Es geht eben nicht, dass die Kinder möglichst länger als 10 Stunden in einer Kindertagesstätte betreut werden. Ich hoffe nicht, dass wir für die von Ihnen geforderten Ladenöffnungszeiten die Kinderbetreuung organisieren sollen am Samstag und am Sonntag.

Darauf will ich einfach noch einmal verweisen, dass in den Kommunen wirklich viel dafür getan wird, sich genau auf diese individuellen Bedürfnisse einzustellen. Aber wir sagen auch, wir müssen hier über die individuellen Kinderbetreuungsmöglichkeiten nachdenken und vor allen Dingen darüber nachdenken, wie wir dies auch ausgleichen können, zum Beispiel die Frage stellen: Welchen zusätzlichen Bedarf an Tagesmüttern können wir denn abdecken? Können wir ihn abdecken bei der Bezahlung, die wir momentan für Tagesmütter haben? Können wir ihn abdecken, wenn die ergänzende Tagespflege nach wie vor nicht in das reguläre Angebot der Kindertagesbetreuungen aufgenommen wird - ich rede von der ergänzenden Tagesbetreuung, also die nach der normalen Öffnungszeit der Kindertagesstätte - und bei einem Stundenlohn von 1,59 €, wenn ich die Verpflegungskosten abziehe? Da, denke ich, haben wir Verantwortung, das Thema müssen wir auch noch einmal aufgreifen und bearbeiten.

Wir glauben, dass hier Familienfördermittel noch viel stärker und konzentrierter eingesetzt werden müssen. Hierbei darf man nicht vergessen, dass das Angebot an Tagespflegepersonen auch noch steigen wird, wenn diese angemessen und auch ausreichend finanziert werden, weil wir die Situation jetzt haben, dass wir sie nicht finden für 1,59 €.

In Ihrem Antrag 2 gehen Sie darauf ein, dass die Rahmenbedingungen für die Kommunen im Prinzip verbessert werden sollen. Wenn der Antrag nicht an den Ausschuss überwiesen werden sollte, können wir dem Antrag so nicht zustimmen, weil Sie ja gar nicht sagen, was Sie verbessern wollen. Vielleicht kommt es ja noch, aber aus unserer jetzigen Sicht ist es einfach deshalb nicht zustimmungsfähig, weil wir momentan aus Ihrem Antrag heraus nicht wissen, was Sie damit wollen.

Wichtig ist, dass - und, ich denke, Herr Minister, das haben Sie teilweise gesagt, aber das ist verbesserungswürdig - die Betreuung in den Ferienzeiten in den Schulhorten verbessert wird. Es gibt nach wie vor Einrichtungen, die in den Ferienzeiten schließen und wie schlimm so etwas ist, weiß ich selber von meinem eigenen Enkelkind, wenn dann die Oma sehr weit weg einspringen muss - wohnt in Bayern -, kann ich sagen. Dort gibt es eben sechs bis acht Wochen Schließzeiten und Öffnungszeiten

von 8.00 bis 14.00 Uhr, was gar nicht familienfreundlich ist.