Protocol of the Session on September 15, 2011

verankerte Schuldenbremse. Wie ist denn Ihr Pfad dahin? Wohin geht die Reise denn bis 2020? Wir wünschten uns einfach eine Perspektive. Wir wollen Sie übrigens auch ermutigen, darüber nachzudenken, ein Konzept zu entwickeln, was auch in Fragen des Wachstums und der Nachhaltigkeit bei Investitionen einen Pfad aufzeigen kann, eben eine Prioritätenliste, ein Konzept, um zu sehen, das Haus in Thüringen ist sturmfest und das können und wollen Sie auch leisten. Das sind Sie uns bislang schuldig geblieben.

Vierter Punkt, vierte Nachfrage - Personal: Je nach dem, wie viel Geld für Investitionen zur Verfügung steht, wird auch beim Personal gekürzt werden müssen. Da gibt es hier und da Gestaltungsspielraum, aber alles wird nicht funktionieren ohne ein Personalentwicklungskonzept, bei dem wir auch wissen, welche Rolle die Pensionsverpflichtungen, die wir zu stemmen haben, tatsächlich spielen. Es genügt nicht, dass Sie sagen, bis 2020 scheiden so und so viele Landesbedienstete altersbedingt aus, 18.000 sind es. Manche Ministerien sind inzwischen auch im Vollzug beim Personalabbau. Wir brauchen wirklich ein umfassendes und ressortübergreifendes Personalentwicklungskonzept. Der Rechnungshof ist an dieser Stelle ganz dicht an Ihrer Seite. Sie sehen, Sie werden von allen Seiten wohlwollend auf dem richtigen Weg begleitet. Die GRÜNEN sind da, der Rechnungshof ist da und die anderen Fraktionen auch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In der Reihenfolge!)

In der Reihenfolge gern, aber es muss gearbeitet werden, es muss nachgearbeitet werden. Was mich sehr gefreut hat an dieser Stelle - ich sage das auch bewusst -, Sie sagten in dem Interview, ohne Strukturreform und Aufgabenkritik geht es nicht. Das ist ja mal was, wenn Sie das auf Ihrer Aufgabenliste auch ganz oben stehen haben. Jetzt muss nur noch damit angefangen werden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die gründen nur einen Arbeits- kreis.)

Arbeitskreis, vielleicht hören wir ja noch, was der tut.

Mein fünfter Punkt bei den Nachfragen ist die ganze Frage der Zinsen: Wie sieht denn Ihr Schuldenabbaukonzept aus? Konsolidieren heißt ja nicht, wir gehen davon aus, die Nettokreditaufnahme bleibt aus welchen Gründen auch immer bei null, konsolidieren heißt ja auch, der Weg, auf dem die CDU mit wehenden Fahnen vorangegangen ist, wird von Ihnen insofern umgekehrt, als dass man sich deutlich macht, dass Schulden abgebaut werden müssen. Die Frage ist, wie Sie das systema

tisch tun wollen. Da wünsche ich mir einfach ein Signal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Haushaltspolitik ist das Königsrecht des Parlaments. Ich sage ganz offen, selbst wenn Sie sagen, uns wurden die Haushaltspläne fristgerecht zugeleitet, sechs Tage ist nicht viel, um sich auf die erste Lesung vorzubereiten. Wir haben uns trotzdem natürlich eingeackert wie alle anderen Kollegen hier auch und uns Fragen und Leitfragen gestellt und danach auch die Bücher „gelesen“. Unsere erste Leitfrage dabei war: Ist der Haushalt nachhaltig? Nein, ist unsere Antwort, nachhaltige Finanzpolitik muss den Spagat schaffen zwischen sparsamem Wirtschaften und klugem Investieren. Da sehen wir noch einige Stellschrauben, die anders gedreht werden müssen.

Der Dreiklang, von dem wir uns leiten lassen, besteht im Endeffekt aus drei Punkten. Zum einen geht es darum, zu sparen, zum anderen geht es aber auch darum, Einnahmen zu steigern und zum Dritten geht es um Strukturreform. Nur mit diesen drei Dingen wird es Ihnen auch gelingen, hier in Thüringen zukunftsfestes Haus sturmfest zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie gehen einen Schritt in die richtige Richtung, indem Sie sagen, wir sparen. Die Frage ist nur, was ist denn jetzt der nächste Schritt? Da wollen wir genau beobachten, was Schwarz-Rot da tun möchte. Ich habe den Eindruck, Sie wissen nicht, was der nächste Schritt ist, deswegen bleibt auch vieles strukturtechnisch gesehen beim Alten und ändert sich nicht.

Ich nenne ein paar Beispiele, wo es aus unserer Sicht sogar in die falsche Richtung geht, ich beginne einmal beim Bildungsbereich. Sie wollen ja gute Bildung, die wollen wir im Übrigen auch. Wir sagen, Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Da ist er wieder der Investitionsbegriff. Dann verstehe ich aber überhaupt nicht, warum 23.000 Schülerinnen und Schülern der Zugang zu freien Schulen in Thüringen erschwert wird. Das ist bloße Ideologie der SPD, das ist Etatismus. Sie wissen genauso gut wie ich, dass staatliche und freie Träger beide zum öffentlichen Bildungssystem gehören, allein Sie anerkennen es nicht und sparen hier auch an der falschen Stelle. Unser Kapital in Thüringen ist gute Bildung und da hilft es uns auch nicht, dass Kontrolle waltet, sondern was uns vor allem helfen würde, sind gute Schulen, die autonom Dinge entscheiden können. Die Schulautonomie müsste gestärkt werden. Sie sind auf dem Holzweg mit solchen Aktionen wie bei den freien Schulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen arbeiten wir bereits an einem Kulturfördergesetz, weil wir den Status quo, der im Augen

blick festgeschrieben wird, in diesem Bereich nicht für zukunftsfähig halten.

Herr Machnig - das muss man auch mal anerkennen, die FDP hat das nicht getan - hat in seinem Haus 250 Mio. € weniger Einnahmen, natürlich können dementsprechend auch die Ausgaben um 150 Mio. € sinken. Er gibt etwas ab, muss man auch dazusagen, weil vorhin gesagt wurde - ich glaube, es war die FDP -, dem sei nicht so. Es muss an verschiedenen Stellen aber trotzdem auch hier aufgepasst werden, wofür er Mittel ausgibt zur Kofinanzierung und wo nicht. Das werden wir tun. Die Kürzung bei der einzelbetrieblichen Förderung sehen wir kritisch, die Sachen beim Landesarbeitsmarktprogramm, die Absenkung der Finanzhilfen an die kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung, alles Punkte, die wir genauer durchleuchten müssen. Der Umbau der erneuerbaren Energien wird aber nur gelingen, wenn er sich übrigens mit der Green-Tech-Agentur und anderen der ThEGA darauf konzentrieren kann, auch ressortübergreifend Energieeffizienz und Energiesparen in den Mittelpunkt zu rücken.

Der Sozialbereich hält fälschlicherweise, muss man sagen, am Landeserziehungsgeld fest - das ist wirklich bedauerlich in vielerlei Hinsicht. Obschon wir wissen, dass bei der Stiftung FamilienSinn für verausgabte 100 € für Familien 116 € Verwaltungsaufwand aufzubringen sind - das war jedenfalls zu lesen -, wird auch an dieser Struktur festgehalten. Es ist im Übrigen falsch - Herr Pidde sagte das vorhin -, im Sozialbereich gäbe es gar keine Kürzungen. Mindestens bei der Schwangerenhilfe soll gekürzt werden. Wir werden uns hier auch kritisch anschauen, was im Haushaltsbegleitgesetz zu lesen ist. Wenn man juristisch gesehen sich das Bepackungsverbot anschaut und darüber eine Stiftung umstrukturiert werden soll, sehen wir das kritisch.

Herr Reinholz, ja erst einmal sehen die Kürzungen in seinem Plan von 90 Mio. € gut aus, aber - der Kollege Ramelow sagte das heute Morgen - die ökologischen Altlasten und die Sondervermögen zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Strukturen sind Punkte mit großer Sprengkraft. Da sind Sie uns auch schuldig, welche Strategie Sie haben und wie Sie dem ganzen vorbeugen wollen, dass uns das so richtig um die Ohren fliegt. Mal abgesehen davon, nicht nur in diesem Ressort, sondern auch in anderen, wir decken Verschleierungs- und Schattenhaushalte auf. Was Sie vorhaben mit der Forstreform ist ein Punkt, über den man auch reden muss, ob der so richtig finanztechnisch angelegt ist.

Auch der Kollege Carius spart, aber an der falschen Stelle. Er spart beim ÖPNV und hat sich da orientiert

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vollkommen falsche Politik.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

an Hessen und Sachsen. Das ist falsches Sparen, denn blühende Landschaften entlang der Autobahn haben wir schon genug, Herr Mohring. Wir wünschen uns blühende Landschaften und Mobilität auch in ländlichen Regionen mit gut ausgebautem ÖPNV.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umweltfreundliche Mobilität ist das Stichwort, nicht nur das Rad, aber gern auch mal zwischendurch, das ist sehr gesund, aber sind an dieser Stelle falsche Prioritäten und auch falsch orientiert. Uns ist Transparenz im Haushalt wichtig. Da wird übrigens auch Herr Geibert im Bereich Polizei noch viel zu tun haben.

Jetzt lassen Sie mich an dieser Stelle noch einige Sätze zu den Kommunen verlieren. Immer mehr Thüringer Kommunen erhöhen die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung. In Gemeinden im Ilm-Kreis und Landkreis Gotha haben sich die Kita-Gebühren fast verdoppelt. Die Vorgaben des Kita-Gesetzes können die Gemeinden nur bei weniger Geld vom Land durch höhere Elternbeiträge umsetzen. Das ist bedauerlich und nach wie vor ein Fakt. Es passt also nicht zusammen, was zusammengehören soll, nämlich die 100 Prozent Ausfinanzierung. Aber und das sage ich ganz bewusst und auch ganz bewusst nach den Eindrücken im Gemeinde- und Städtebund - auch die Kommunen müssen ihren Anteil zum Konsolidieren beitragen. Deswegen ist der Schritt, die Steuermehreinnahmen anzurechnen, richtig aus unserer Sicht. Dennoch müssen den Gemeinden und Kreisen auch künftig so viele Mittel bereitgestellt werden, dass bei der Nutzung eigener und sonstiger Einnahmen die selbstbestimmte Erfüllung ihrer Aufgaben möglich ist. Da hilft auch nur eines, eine Reform des Kommunalen Finanzausgleichs. Bis dahin müsste es auch von der Landesregierung mindestens das Signal geben, ihr bekommt keine zusätzlichen Aufgaben, für die ihr nicht auch die Finanzmittel bereitgestellt bekommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man einfach konstatieren, man muss nur auch dazu stehen und keine leeren Versprechungen machen, wie das in der Vergangenheit öfter passiert ist.

Ich bin ja sehr gespannt, wie die FDP - die den Kommunen jetzt scheinbar alles verspricht und heute auch merkwürdige medizinische Bilder herangezogen hat - das gegenfinanzieren möchte. Sie haben ja meines Wissens auch den Anspruch, zu sagen, wir wollen keine höhere Verschuldung. Ich bin gespannt, wie man mit Streichlisten über Kaffeemaschinen hinaus zueinanderfindet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was bleibt unter dem Strich? Unter dem Strich bleibt mit Blick auf die Wirtschaftslage, sich vom endlosen Wachstumsglauben endlich zu verabschieden. Zumindest Herr Barth hat es immer noch nicht verstanden, die fröhliche Fanfare des unbegrenzten Wachstums ist längst verklungen. Ich wünschte, auch er hätte das gehört. Wir müssen unseren Wohlstand auch in Thüringen so organisieren, dass wir nicht länger sklavisch abhängig von diesem Wachstumsglauben sind. Da stehen wir auch in der gesamtgesellschaftlichen Debatte nach wie vor am Anfang. Wir müssen über begrenztes Wachstum genauso reden wie über Fragen des Investitionsbegriffs.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weder mittel- noch langfristig wird das Land Thüringen aber ohne große Strukturreform einen schuldenfreien Haushalt aus eigener Kraft aufstellen können. Die berühmte und viel zitierte Stabsstelle halte ich für nichts anderes als ein Placebo, um sich über diese Legislatur zu retten. Wenn Sie es ernst meinen mit Strukturreformen, wenn Sie es ernst meinen mit einer Gebietsreform, mit einer Verwaltungsstrukturreform, dann ist die Stabsstelle, nachdem sich bereits Enquetekommissionen und wer weiß auch immer damit beschäftigt haben, wirklich überflüssig. Sie können es einfach tun, Sie wollen es nur nicht

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und deswegen die Stabsstelle. Genauso wie diese Strukturreformen wichtig sind, haben wir noch einen anderen Reformstau. Da bin ich ausnahmsweise bei Herrn Kollegen Barth, jedenfalls beim Schlagwort, bei der Ausgestaltung dann schon wieder nicht mehr. Ja, die Debatte um die Schuldenbremse müssen wir führen. Wir haben übrigens als Fraktion Ihnen vor einem guten halben Jahr das Angebot dazu gemacht, sich darüber zu unterhalten, allen Fraktionen haben wir das Angebot gemacht. Interessanterweise haben DIE LINKE reagiert und die SPD. Die beiden Fraktionen, die sich hier immer hinstellen und sagen, sie wollen die Schuldenbremse, haben nicht vor, tatsächlich diese Zweidrittelmehrheit in diesem Haus zu organisieren, die haben sich bis heute nicht gemeldet und sollen sich mal an ihre Nase fassen, was sie eigentlich wirklich für dieses Land wollen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

außer irgendwelche Überschriften zu produzieren. Unser Angebot steht aber, wenn Herr Barth und Herr Mohring irgendwann geneigt sind, dann überlegen wir uns gerne, da aufeinander zuzugehen.

Klar ist jedoch auch - und das muss ich an dieser Stelle auch noch mal betonen -, sowohl das Land als auch die Kommunen können ohne eine Verbesserung der Einnahmenseite durch den Bund ihre Haushalte vermutlich nicht allein dauerhaft stem

men. Auch hier ist es ein Leichtes, Frau Ministerpräsidentin, sich für die Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz einzusetzen, die Föderalismuskommission III, die sich zumindest in Ansätzen damit beschäftigen könnte, das Kooperationsverbot auf Bundesebene abzuschaffen, das sind alles Punkte, die wir tatsächlich erwarten können, die wir stemmen könnten. Wie gesagt, an dieser Stelle müssen Sie auch aktiv werden, das ist Ihre Aufgabe.

Meine Damen und Herren, der Anfang ist gemacht. Wir erwarten Konzepte, wir erwarten neben diesen Büchern, die vor uns liegen, neben dem Haushaltsbegleitgesetz, klare Vorgaben, Ihre Ideen zur Frage eines nachhaltigen Wachstums in Thüringen. Wir erwarten, dass Sie dazu stehen, nachhaltig hauszuhalten, und wir erwarten, dass Sie Konzepte vorlegen, wie Thüringen angesichts der demographischen Herausforderung - übrigens auch im ländlichen Raum - besonders lebenswert bleiben kann.

Gestatten Sie mir ganz zum Schluss noch einen Aufruf nach der gestrigen Debatte zum Ministergesetz und nach der kommenden Debatte zu den kommunalen Wahlbeamten und auch hier und da zu den kommenden Debatten zu Fraktionszuschüssen. Wenn man bei sich selber anfängt zu sparen, ist das übrigens das beste Signal, was man auch rausgeben kann. Wir selber sehen an dieser Stelle Besserungsbedarf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen Vorschlag gemacht. Ich ermutige Sie, unsere Vorschläge ernst zu nehmen, da zuzustimmen und damit ein wirklich gutes Signal zu setzen bei aller Debattenkultur. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete, insbesondere auch Dank, es ist zeitlich dann auch fast eine Punktlandung geworden zu dem, was wir uns vorgenommen haben.

Ich unterbreche jetzt die Sitzung. Wir gehen gemeinsam in die Mittagspause und wir fahren um 14.00 Uhr mit der Sitzung fort. Ich erinnere noch gern an die Ausstellungseröffnung, ist ja heute schon oft genug hier zur Kenntnis gegeben worden. Die erste Ausstellungseröffnung findet unmittelbar jetzt statt.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Womit machen wir weiter, mit der Fragestun- de?)

Nein, wir machen erst den Haushalt zu Ende und dann die Fragestunde.

(Abg. Siegesmund)

Meine Damen und Herren, anders als von mir ursprünglich angekündigt, fahren wir fort mit Tagesordnungspunkt 36, der