Protocol of the Session on December 17, 2009

Im Gegensatz zu Ihnen, setzen wir nicht ausschließlich auf Wachstum, sondern auf eine andere Form von Wirtschaften. Das setzt natürlich Wachstum in Einzelbereichen immer voraus, aber doch nicht in der gesamten Breite und wir können nicht nur aus dem Wachstum heraus Beschäftigung entwickeln wollen,

(Unruhe CDU)

sondern wir haben Bereiche, da muss es auch ohne Wachstum Beschäftigung geben. Im ökologischen Bereich kann ich nicht nur auf Wachstum setzen. Das geht nicht, weil der Ressourcenverbrauch begrenzt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern am geringsten. Es stimmt also auch nicht der Vorwurf, dass wir im öffentlichen Bereich zu viele Beschäftige haben, insbesondere im Vergleich zu den skandinavischen Ländern sind wir ganz weit von der Beschäftigungsquote im öffentlichen Dienst weg. Daran kann es letztlich auch nicht liegen. Ganz lustig ist es natürlich, wenn wir dann über Kosten unsere Vorstellung zum öffentlich geförderten Arbeitsmarkt diskutieren. Da will ich noch etwas sagen. Es war ja der Vorwurf 65 Mio. € in drei Jahren. Sie betrachten dabei nur die Ausgabenseite. Das ist auch unseriös, weil demgegenüber zum Beispiel die Steuereinnahmen und die Einzahlungen in die Sozialsysteme und die Einsparungen in den sozialen Sicherungssystemen stehen. Wenn man das alles hinzurechnet, das haben ja nun Institute ermittelt, ein Hartz-IV-Empfänger kostet dem deutschen Steuerzahler im Jahr rund 13.000 €. Da wird deutlich, es ist kein fiskalisches Problem. Man könnte nämlich die 13.000 € auch in sinnvolle Beschäftigung umlenken. 13.000 € - da wollen Sie sagen, das ist ein fiskalisches Problem. Nein, es ist nur ein Problem des politischen Willens, darauf habe ich zu Beginn verwiesen. Dann wurde von dem Vertreter der FDP gesagt, der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Wer bettelt denn jetzt beim Staat?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Siehe BayernLB.)

Die Privatwirtschaft, die Finanzwirtschaft, weil die ohne den Staat bankrottgegangen wären. Da müssen wir doch mal nachdenken, ob wir nicht irgendwie über unsere Wirtschaftsordnung tatsächlich einen offenen Dialog führen müssen, dass es nicht so weitergehen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde skandalös, wenn Menschen, die sozial benachteiligt werden, unterstellt wird, deren Ziel sei ausschließlich die soziale Hängematte.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie das zu mir sagen, ich bin in einer sozialen Hängematte, weil ich jeden Monat alimentiert werde vom Steuerzahler, unabhängig von der Leistung - ich bin mein Geld wert, das ist ja unstrittig, das ist klar.

(Heiterkeit im Hause)

Ich will jetzt keine Namen nennen, wo ich da eher Zweifel habe.

Aber das stimmt, den Menschen, die wir zwingen, mit 359 € im Monat hinzukommen - das geben wir am Tag aus, meine Damen und Herren, als Abgeordnete und schämen uns dabei manchmal gar nicht, davon müssen die einen ganzen Monat leben -, dann vorzuwerfen, wenn wir sie in Beschäftigung bringen, sie würden in eine soziale Hängematte fallen, also alle Achtung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch eine abschließende Zahl, gerade auch für die Damen und Herren der FDP. Sie sind neu und wissen das noch nicht so, das hat hier öfters eine Rolle gespielt. In Thüringen gibt es de facto keinen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt, der nicht staatlich gefördert würde - nicht einen. Wir haben uns das mal - da ich ab und zu eine Anfrage an die Landesregierung stelle, von dem Instrument mache ich nicht allzu häufig Gebrauch -

(Heiterkeit im Hause)

ausrechnen lassen, 34.000 € hat das Land für jeden Arbeitsplatz im verarbeitenden Gewerbe als Zuschuss im Durchschnitt gewährt. Jetzt frage ich mich, warum wir nicht die Hälfte dieses Geldes zum Aufbau von Arbeitsplätzen im soziokulturellen Bereich verwenden. Wenn Sie so auf Wettbewerb stellen, dann frage ich mich: Warum ist denn dann eine Förderung im ersten Arbeitsmarkt überhaupt notwen

dig? Es funktioniert doch aus Ihrer Sicht alles, Angebot und Nachfrage schneiden sich irgendwo und dann ist doch Ihre Welt in Ordnung. Aber es funktioniert nicht, selbst auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht. Deswegen plädiere ich dafür, aufzuhören von dieser Trennung zu sprechen, als wenn die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt mehr wert wären als die im zweiten oder dritten. Volkswirtschaftlich stimmt das überhaupt nicht.

Der erste Arbeitsmarkt wäre schon längst zusammengebrochen, wenn nicht der Staat immer wieder regulierend auch über die Zuschüsse eingreifen würde. Das, was wir verlangen, ist einfach Arbeit als soziales Grundrecht, und da sind wir uns im Klaren, im klassischen produktiven Bereich wird das nicht mehr funktionieren. Wir haben aber ausreichend zu tun in dieser Gesellschaft und da müssen wir nur den Arbeitsbegriff anders definieren. Wenn wir hier auf den Sozialkombi abstellen, dann ist das keinesfalls eine Huldigung der bisher völlig danebengegangenen Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition und jetzt bei CDU/FDP wird es nicht besser, sondern es sind ganz kleine Pflänzchen und die müssen wir irgendwie entwickeln, weil - da komme ich zum Ausgangspunkt zurück - wir alle kein Patentrezept haben, aber einfach wissen, ein Weiterso geht nicht, also müssen wir versuchen - auch was uns andere Länder vormachen, die nicht in Verdacht stehen, eine sozialistische Gesellschaftsordnung aufzubauen, aber die machen es uns vor -, dass es in einem öffentlich geförderten Bereich durchaus möglich ist, einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zu leisten. Ich will mich mit der Massenarbeitslosigkeit in diesem Land nicht abfinden. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Es gibt weitere Meldungen von Abgeordneten. Herr Abgeordneter Kemmerich von der FDP-Fraktion.

Herr Kuschel, ein bemerkenswertes Durcheinander, ich bin begeistert. Wachstum brauchen wir nicht, ich frage mich nur, wie wir die letzten 20 Jahre auf der Hinterlassenschaft Ihrer Vorgängerpartei an diese Stelle hier gekommen sind ohne wirtschaftliche Dynamik.

(Beifall CDU, FDP)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Das hat so einen Bart.)

Den langen Bart hat die Rede von Herrn Kuschel, das kann ich entspannt zurückgeben. Meine Damen und Herren, noch mal ausdrücklich: Wir brauchen keine Drohgebärden. Wir sind die Partei, die Motivation vermitteln möchte,

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die Leistungsbereitschaft fördert, die Leistungsanreize setzt und sie nicht im Chaos der Sozialistischen Einheitspartei untergehen lässt. Wir wollen die 3 Mio. Arbeitslosen aktivieren. Wir wollen die 3 Mio. Arbeitslosen dazu führen, dass sie, anstatt zu Hause zu sitzen und nichts zu tun zu wissen, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun können. Deshalb wollen wir mit Mitteln die Leistungsanreize deutlich stärken, die Arbeitsaufnahme erleichtern, damit zum Beispiel nicht mehr für 360 Mrd. € Schwarzarbeit in Deutschland stattfindet.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Im Friseurhandwerk.)

Schwarzarbeit findet deshalb statt, weil Abgaben zu hoch sind,

(Beifall FDP)

weil Leistungsanreize falsch gesetzt werden, weil Hinzuverdienstmöglichkeiten zu dieser Hartz-IV-Gesetzgebung falsch sind. Wenn ein junger Mann oder ein junges Mädchen Ferienarbeit aufnehmen will und nun mal in prekären Verhältnissen lebt, dann wird das angerechnet. Da bekommt ein 16-Jähriger schon erklärt, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten. Damit muss man aufhören.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wer hat denn das gemacht?)

Wir nicht, die Hartz-IV-Gesetzgebungen stammen nicht von der FDP.

(Beifall FDP)

Die Hartz-IV-Gesetzgebungen stammen von anderen. Wir sind ja gerade dabei, diese Fehler zu beheben, damit sich Arbeitsaufnahme wieder lohnt.

(Beifall FDP)

Frau Leukefeld, eines ist der Unterschied zwischen unseren beiden Ansätzen: Wir wollen nicht die Arbeitsaufnahme für Leute, die von unserem Staat leben - ob das 13.000 € sind oder nicht, vielen Dank für die Zahl -, unter Freiwilligkeit stellen, sondern wir wollen es verpflichtend machen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da habt ihr zugestimmt.)

Wir sagen, man hat ein Anrecht darauf, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in eine Maßnahme zu kommen, und man hat auch die Pflicht, sich in eine solche Maßnahme zu begeben, damit man der Gesellschaft wieder zur Verfügung steht. Danke.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Elke Holzapfel, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kuschel, ich möchte das mit der Hängematte auf keinen Fall bei der FDP hängen lassen. Die Hängematte kam von mir.

(Beifall FDP)

Aus diesem Grund sage ich noch einmal die letzten drei Sätze. Ich habe gesagt, dass es sehr schwierig ist, für Langzeitarbeitslose eine geeignete Arbeit zu finden. Das ist auch meistens die Aussage von Kommunen und von Kreistagen, die gehören ja dazu. Mein vorletzter Satz war: Die Erfahrung hat uns gelehrt, der Staat kann am Ende niemals der bessere Unternehmer sein.

Frau Holzapfel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kubitzki?

Ach, Herr Kubitzki kennt mich doch ganz genau, der kann mich doch nachher beim Kaffee fragen. Das machen wir doch sowieso noch.

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Feige, feige.)

Nein, nein, bleiben Sie mal stehen! Das machen wir gleich.

Frau Holzapfel, ich erteile das Wort. Herr Kubitzki kann seine Frage jetzt stellen, denn Frau Holzapfel möchte wohl antworten.

Herr Kubitzki, ich bitte um Ihre Frage.