Protocol of the Session on June 17, 2011

(Beifall CDU)

Jetzt noch einmal ein Wort zu dem, was Sie vielleicht als Beispiel vorgetragen bekommen haben, Herr Kubitzki, wo Ihnen vorgetragen wurde, das Kind bekommt gar kein Gutachten, sondern muss jetzt gleich in die Schuleingangsphase. Das betrifft einen Bereich, nämlich dort, wo es um die Frage geht, gibt es einen sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen, weil wir mit guter Begründung sagen, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf Lernen da ist, das kann man ja erst sehen, wenn das Kind wirklich in der Schule und im Lernprozess ist. Dazu dient die Schuleingangsphase, das festzustellen. Wenn ein solcher sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird in der Schuleingangsphase, werden selbstverständlich dann die notwendigen Maßnahmen auch ergriffen. In allen anderen Bereichen ist es natürlich so, dass zunächst das sonderpädagogische Gutachten am Anfang steht, aber in diesem speziellen Fall gibt es gute fachliche Gründe zu sagen, lasst uns doch das Kind erst im Lernprozess beobachten, bevor wir feststellen, es gibt hier einen sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen.

Lassen Sie mich noch drei Dinge deutlich machen. Wir brauchen - und das haben die jüngsten Debatten gezeigt, auch die Diskussion hier - ausreichende Bedingungen für die Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts. Im Zentrum der Diskussion steht dabei immer natürlich auch die personelle Ausstattung und auch der Wunsch nach festen Strukturen, nach festen Ansprechpartnern. Hier haben wir uns schon auf den Weg gemacht. Da kann ich Ihnen sagen, es wird hier Verbesserungen geben. Wir haben festgelegt, dass jede Grund- und Regelschule einen festen Ansprechpartner bekommt, und zwar jede Schule - unabhängig davon, ob Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf schon da sind - eine halbe Stelle und dann nach Anzahl der Schüler weitere Stellenanteile, um Ihnen einmal deutlich

(Minister Matschie)

zu machen, ab welcher Größenordnung eine Stelle dann gilt. Bei der Grundschule ab 100 Schüler gäbe es dann eine volle Stelle, die zugewiesen ist für den sonderpädagogischen Förderbedarf.

(Beifall SPD)

Natürlich ist es auch notwendig - darauf ist hier auch hingewiesen worden -, dass Förderstrukturen und die Bereitschaft zur Inklusion nicht abbrechen zwischen Grundschule und Übergang in den weiterführenden Schulbereich. Das ist eine Sache, die kann man schlecht in Gesetzen nur anweisen, sondern hier müssen wir dort, wo Probleme auftauchen, in der konkreten Wirklichkeit dann eingreifen, die Schulen unterstützen, vielleicht auch ein bisschen schieben, wo der Prozess nicht ausreichend in Gang kommt. Dazu sind die Schulämter da, in solchen Fragen dann auch einzugreifen und wir haben natürlich auch bei uns im Haus eine Arbeitsgruppe „Gemeinsamer Unterricht“, die eine Art Clearingstelle auch ist. Wenn Probleme auftauchen, haben wir die Ansprechpartner im Ministerium, die versuchen dann, auch vor Ort zu gehen und solche Probleme mit lösen zu helfen. Ich sage an dieser Stelle auch noch einmal: Unsere Vorstellung zum Beispiel von der Thüringer Gemeinschaftsschule, dass wir nämlich ein Schulleben organisieren können, in der die Kinder von der Grundschule an bis mindestens Klasse 8 gemeinsam lernen können, wäre natürlich auch ein förderliches Modell, um Inklusion sinnvoll über längere Zeiträume voranbringen zu können,

(Beifall SPD)

aber diese Entscheidung muss auch vor Ort getroffen werden, diesen Weg zu gehen, denn da gilt wie an vielen anderen Stellen auch, ohne die Bereitschaft der Betroffenen wird sich dort wenig bewegen lassen.

Zum Zweiten will ich noch einmal deutlich machen: Wir versuchen jetzt auch, verschiedene Angebote für den gemeinsamen Unterricht zu bündeln. Die genaue Abstimmung muss dann vor Ort erfolgen nach den jeweiligen Bedingungen der Schule. Auch hier wird die Umsetzung durch die Arbeitsgruppe im Ministerium begleitet und unterstützt.

Zum Dritten - das habe ich am 7. Mai in Bad Berka angekündigt - möchte ich einen Beirat zum Thema „Gemeinsamer Unterricht“ einrichten. Die Anregungen dazu kamen von Herrn Brockhausen, der heute auch hier ist. Ich bin sehr dankbar für diesen Vorschlag, wir haben den auf dem Landeselterntag aufgegriffen und er soll auch jetzt möglichst rasch in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

(Beifall SPD)

Es gibt zwei Ziele, die ich damit vor allem verbinde. Das eine ist die fachliche Unterstützung bei der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention und der

Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts. Das Zweite ist aber auch ein Werben dafür, bei den Beteiligten vor Ort, in der Öffentlichkeit diesen Prozess positiv zu begleiten. Da gestatten Sie mir vielleicht auch eine Bemerkung. Ich kann ja auch verstehen, wenn Eltern zunächst einmal verunsichert sind, weil sie nicht wissen, ob ihr Kind jetzt wirklich die besten Bedingungen vorfindet. Aber dann ist es unsere Aufgabe auch als politisch Verantwortliche oder der Schulträger vor Ort, gemeinsam den Eltern auch Sicherheit zu geben und nicht Unsicherheit zu verstärken und Angst zu verbreiten, weil wir sagen, das geht alles nicht und das funktioniert alles nicht. Wir müssen in das Gelingen verliebt sein und nicht die Probleme alle an die Tafel schreiben, sonst werden wir nie wirklich vorankommen.

(Beifall SPD)

Ich will, dass dieser Beirat sehr breit besetzt ist mit den Vertretern der Kommunen, Landeselternvertretungen. Die Schulen in freier Trägerschaft, die Fraktionen möchte ich gern einladen, sich hier zu beteiligen, die Landesschülervertretung soll dabei sein, die Lehrergewerkschaften und -verbände natürlich, Behindertenverbände, Vertreter aus der Wissenschaft und aus den Kirchen. Aber ich möchte zum Beispiel auch Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern einbeziehen, damit auch hier ein besseres Gespür dafür entsteht, was für Bildungswege eröffnen wir und wo können die auch hinmünden später einmal im Berufsleben. Natürlich wird Herr Dr. Brockhausen, der Ideengeber, auch in diesem Beirat dabei sein.

(Beifall SPD)

Ich verspreche mir sehr viel davon, wenn wir einen so breiten Ansatz wählen, denn am Ende, und das zeigt ja auch die Geschichte des gemeinsamen Unterrichts hier in Thüringen, reicht es nicht aus, dass wir gute Gesetze und Verordnungen formulieren, denn der Vorrang des gemeinsamen Unterrichts, der steht ja seit 2003 im Gesetz, das ist nichts, womit die Schulen plötzlich überfallen werden, sondern alle wussten, dass das notwendig ist und umgesetzt werden muss. Deshalb ist es wichtig, dass wir wirklich in der konkreten Situation die Umsetzung gemeinsam gestalten. Ich glaube, der Beirat wird hierbei sehr viel helfen.

Eines ist aber auch klar, es ist keine Aufgabe, selbst wenn wir jetzt im September den Beirat zusammenrufen, die dann nach einem halben Jahr erledigt ist. Das soll eine Aufgabe über viele Jahre sein, an der wir kontinuierlich gemeinsam arbeiten müssen, bei der wir auch langen Atem brauchen. Das wird nicht anders gehen, denn die Probleme und Herausforderungen, die verschwinden nicht von heute auf morgen. Nur wenn wir uns auch diese Zeit gönnen und nicht nach einem halben Jahr

(Minister Matschie)

oder nach einem Jahr ungeduldig werden, kann uns dieser Prozess gelingen.

Zur Verbesserung der Lernbedingungen gehört aus meiner Sicht aber noch mehr. Deshalb möchte ich auch noch einmal auf die Möglichkeiten der Schulsozialarbeit verweisen, die auch ein wichtiges zusätzliches Angebot zur individuellen Unterstützung von Schülerinnen und Schülern und für Familien machen kann. Wir haben jetzt die Chance zur spürbaren Verbesserung der Schulsozialarbeit. Sie wissen, dass wir in den Verhandlungen mit dem Bund durch die SPD-Vertreter maßgeblich vorangetrieben mit dem Bildungs- und Teilhabepaket eine Zusage bekommen haben, die Schulsozialarbeit stärker zu fördern. Auf Thüringen würde jetzt ein Anteil von 10,8 Mio. € entfallen, der jährlich bis 2013 für diese Aufgabe zur Verfügung steht. Danach übernimmt der Bund dann die Grundsicherung im Alter von den Landkreisen und kreisfreien Städten und schafft damit den erforderlichen Spielraum für die Schulsozialarbeit. Jetzt wird es darauf ankommen, das, was dort ausgehandelt worden ist im Vermittlungsausschuss, auch mit Leben zu erfüllen, konkrete Praxis daraus zu machen, die Kommunen mit den notwendigen Mitteln auszustatten, damit die Schulsozialarbeit verstärkt werden kann.

Ich bin mir sicher, dass das auch ein wichtiger Beitrag ist für die Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems, weil hier noch einmal mit anderen Möglichkeiten konkrete Unterstützung für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Familien gegeben werden kann. Ich glaube, Thüringen ist auf einem guten Weg, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, auch wenn noch viele Schwierigkeiten auf diesem Weg vor uns liegen. Ich glaube, dass das am Ende ein Gewinn für alle sein wird, nicht nur für diejenigen, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben, sondern auch für alle anderen Beteiligten.

Sie haben das eben aus der Perspektive eines Vaters beschrieben, der ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat. Ich kenne inzwischen auch viele Geschichten von Eltern, die am Anfang skeptisch waren, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Klasse kommen und die nach einer gewissen Zeit erzählen, welche positive Erfahrung auch für ihre eigenen Kinder darin steckt, welcher Kompetenzzuwachs für die Kinder damit verbunden ist, ein anderes, neues Selbstbewusstsein im Umgang mit anderen, vor denen man vielleicht sonst möglicherweise eine gewisse Scheu hat. Also hier wächst für alle gemeinsam etwas Gutes. Deshalb, glaube ich, ist es aller Anstrengung wert, diesen Prozess weiter voranzutreiben.

Ich begrüße deshalb die vorliegenden Anträge. Wir werden im Ausschuss ausführlich weiter darüber beraten und ich sage auch zu, so wie das in den Anträgen vorgeschlagen ist, dass wir bis zum Ende

des Jahres hier noch einmal einen konkreten Bericht zum Entwicklungsplan über die weitere Realisierung des inklusiven Bildungssystem in Thüringen vorlegen einschließlich des Kita-Bereiches, denn auch das ist hier deutlich gemacht worden, das gehört zusammen. Wir müssen hier nicht in Institutionen denken, sondern wir müssen in Lebenswegen von Menschen denken, und zwar die Förderung von Anfang an, vom Kindergarten beginnend über die Schule bis ins Berufsleben hinein. Nur dann werden wir den Menschen gerecht. Ich freue mich auf eine gute und konstruktive Debatte und hoffe, dass wir gemeinsam etwas bewegen können. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Matschie. Herr Minister, würden Sie noch eine Frage beantworten?

Selbstverständlich beantworte ich noch eine Frage.

Frau Hitzing, dann dürfen Sie dem Minister eine Frage stellen.

Vielen Dank, Herr Minister. Ich möchte gern von Ihnen wissen, bei dem, was Sie jetzt ausgeführt haben, Sie haben das sicherlich gemerkt, habe ich an vielen Stellen zustimmend genickt, weil das natürlich in der Praxis auch so ist, dass, wenn dann die Kinder in der Schule sind und sich die Eltern darauf eingelassen haben und auch die Lehrer - im Übrigen egal in welcher Schulform -, dann funktioniert das auch, weil natürlich die handelnden Personen guten Willens sind, dass das Bildungsziel im Sinne des Kindes erreicht wird.

Meine Frage bezieht sich jetzt auf die Förderschulen. Um diesen Prozess erfolgreich wachsen zu lassen - dazu brauchen wir Zeit, da sind wir uns einig -, wie wollen Sie die Förderschulen dort mit integrieren in diesen Prozess, und zwar meines Erachtens als wichtige Impulsgeber, weil in den Förderschulen tatsächlich sehr viel Sachkompetenz ist? Ich will jetzt mal ganz einfach aus meiner Sicht behaupten, die Kolleginnen und Kollegen des sonderpädagogischen Dienstes, die nur stundenweise in den Schulen sind, können das nicht auffangen, was die Kollegen in den Schulen an Fragen logischerweise auch haben, um das praktisch umsetzen zu können, dass das ein Erfolg wird.

(Minister Matschie)

Sie weisen da noch einmal auf eine ganz wichtige Fragestellung hin. Zum einen, das habe ich ja eben deutlich gemacht, wollen wir für die Schulen feste Ansprechpartner, die fest in der Schule verankert sind, damit es nicht immer nur wechselnde Ansprechpartner gibt. Das Zweite ist, wir brauchen die Kompetenz der Förderzentren und Sonderschulen und das, was wir jetzt an Fachkräften in die Schule geben, das sind ja Fachkräfte, die auch aus den Förderschulen kommen. In dem Umfang, wie wir Kinder im normalen Unterricht integrieren, werden wir ja auch weniger Bedarf in den Förderschulen an Personal haben. Hier findet also ein Prozess der schrittweisen Umgestaltung statt. Die Förderschulen werden damit nicht verschwinden. Die Aufgabe wird sich verändern, sie werden sehr stark auch Netzwerkaufgaben wahrnehmen, sie werden fachliche Beratung wahrnehmen und sie werden natürlich auch nach wie vor Kinder in den Förderzentren haben, die dort gefördert werden, entweder dauerhaft oder für bestimmte Zeiten, in denen die Förderung dort notwendig ist, denn der Prozess ist ja so, das habe ich am Anfang deutlich gemacht, die Fachkommission muss feststellen, wo das Kind seinen Förderbedarf am besten realisiert bekommt und wenn das nicht im inklusiven Unterricht möglich ist, dann muss das Förderzentrum auch zur Verfügung stehen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Da gab es in der Vergangenheit oft Debatten und auch Befürchtungen, jetzt werden die Förderzentren abgeschafft. Nein, das ist nicht unser Ziel, sondern die Aufgabe wird sich schrittweise verändern. Auch nicht von heute auf morgen. Mit der Tatsache, dass mehr Kinder im gemeinsamen Unterricht geschult werden, in diesem Umfang wird auch Personal dann frei, was wir nicht mehr an den Förderschulen, sondern im gemeinsamen Unterricht einsetzen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Matschie. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung zu den drei Anträgen. Es ist jeweils Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar beginnen wir mit der Abstimmung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Hier wurde Ausschussüberweisung zunächst an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur beantragt. Wer dieser zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist dieser Ausschussüberweisung zugestimmt.

Es wurde weiterhin beantragt, diesen Antrag auch an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind eben

falls die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Es gibt 1 Gegenstimme. Gibt es Enthaltungen? Dann ist diese Ausschussüberweisung bei 1 Gegenstimme so auch angenommen.

Wir kommen zum Antrag der Fraktion der FDP. Hier wurde ebenfalls Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur beantragt. Wer diesem folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind auch die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit wurde die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur so beschlossen.

Hier gilt ebenfalls der Wunsch nach Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dieser Überweisung ebenfalls zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Keine Gegenstimme. Enthaltungen? Auch keine Enthaltungen. Damit ist auch diese Ausschussüberweisung so beschlossen.

Es geht um den Antrag der Fraktionen CDU und SPD. Hier wurde auch Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur beantragt. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Dann wurde diese Ausschussüberweisung bestätigt.

Auch hier gilt der Antrag auf Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer auch dem folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind wiederum die Stimmen aller Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Nein, keine. Gibt es Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit wurde auch diese Ausschussüberweisung bestätigt.

Ich frage jetzt: Soll die Federführung beim Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur liegen? Ja? Dann stimmen wir jetzt noch über die Federführung ab. Ich nehme an, es ist möglich, dass wir über die Federführung für alle drei Anträge abstimmen, weil sie in einem Tagesordnungspunkt behandelt sind. Federführung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur - wer dem so zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aller Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? Das ist auch nicht der Fall, dann ist die Federführung ebenfalls einstimmig bestätigt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Es ist jetzt nach 18.00 Uhr, deshalb rufe ich keinen weiteren Tagesordnungspunkt auf. Es gibt aber noch die angekündigte persönliche Erklärung jetzt

zum Ende des Tages von der Abgeordneten Katharina König von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, zum Zitat: „Die Residenzpflicht führt zu einer rassistischen Kontrollpraxis.“ Eine Entschuldigung von mir für diese Aussage ist nicht notwendig und ist auch nicht sachgerecht. Die Aussage ist inhaltlich zutreffend und ich will Ihnen das gern kurz begründen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung ist der § 14 des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes, in dem es in Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe a) bb) lautet: „Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen, wenn die Person sich an einem Ort aufhält, von dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen.“ In der Praxis ist die Polizei durch das Thüringer Polizeiaufgabengesetz angehalten, Verstöße des unerlaubten Aufenthalts zu kontrollieren. Unerlaubter Aufenthalt heißt infolge der Residenzpflicht, dass sich Flüchtlinge, die z.B. in einer Gemeinschaftsunterkunft in Zella-Mehlis leben und sich auf dem Erfurter Anger aufhalten, eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat begehen, sofern sie über keine behördliche Erlaubnis verfügen. Das allein - und das wurde auch in der Debatte deutlich ist eine Beschränkung des Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit, die einen diskriminierenden Charakter hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber diese Diskriminierung setzt sich fort. Denn die von vielen Flüchtlingen erlebte und von vielen anderen Menschen auch beobachtete Praxis ist, dass insbesondere auf solchen Plätzen, wie zum Beispiel dem Erfurter Anger, aber auch auf Bahnhöfen, in Zügen und Ähnlichen mehr, durch die Bundespolizei Menschen allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds gezielt nach ihrer Identität befragt werden und Ausweisdokumente vorzeigen müssen. Ich möchte Sie hier im Raum fragen, wer von Ihnen selbst schon einmal einer solchen verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrolle ausgesetzt gewesen ist. Flüchtlinge sind es in der Regel häufiger. Die Praxis ist, dass Menschen, die anders aussehen, und zwar nicht nur anders aussehen, sondern aufgrund ihrer äußeren Merkmale als nicht deutsch gedeutet und gekennzeichnet werden, eben häufiger einer polizeilichen Maßnahme ausgesetzt werden. Die äußeren Kriterien sind Hautfarbe, Augenund Haarfarbe. Eine polizeiliche Maßnahme bedeutet immer auch einen Grundrechtseingriff. Das heißt in der Konsequenz, dass Menschen aufgrund körpereigener äußerer Merkmale einem Eingriff in ihre

Grundrechte ausgesetzt sind. Nach dem Soziologen Robert Miles meint Rassismus einen Prozess der Konstruktion von Bedeutungen, durch den bestimmte phänotypische und/oder genetische Eigenschaften von Menschen Bedeutungen dergestalt zugeschrieben werden, dass daraus ein System von Kategorisierung entsteht, indem dem Betroffenen zusätzliche negativ bewertete Eigenschaften zugeordnet werden wie hier beispielsweise der Verdacht einer begangenen Straftat. Grundlage für die von mir aus diesem Grund als rassistische Kontrollpraxis bezeichnete Durchführung von Kontrollen hat ihre Ursache in der diskriminierenden Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die allgemein als Residenzpflicht bezeichnet wird, nicht aber, wie Sie unterstellen, in rassistischen Einstellungen eines einzelnen Polizeibeamten oder der Thüringer Polizei im Ganzen.

Frau Abgeordnete König, bei der persönlichen Erklärung geht es um das eigene Abstimmungsverhalten.