Protocol of the Session on May 18, 2011

Aber es gab auch - das gehört auch zur Wirklichkeit dazu - in allen Parteien Abgeordnete oder auch Landespolitiker, die das anders gesehen haben und die nicht für eine solche Regelung gewesen sind. Das heißt, wir haben damals schon eine Diskussionslage gehabt, die nicht einfach an Parteigrenzen festzumachen war, sondern wo unterschiedliche Positionen auch in einzelnen Parteien vorhanden

waren. Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir nach einigen Jahren Erfahrung berechtigterweise noch mal die Frage stellen müssen: War denn diese Entscheidung im Rückblick die richtige Entscheidung oder muss man aufgrund der jetzigen Erfahrungen das Ganze noch mal aufrufen? Dazu gehört auch, dass einige in diesem Debattenprozess inzwischen auch ihre Position verändert haben. Prominentestes Beispiel ist Frau Schavan selbst, die damals vehement für eine stärkere Betonung der Länderkompetenzen gestritten hat und heute eine andere Position vertritt und sagt, wir brauchen eine bessere Kooperation zwischen Bund und Ländern.

Zur Debatte gehört es, glaube ich, dass man sich noch mal sachlich deutlich macht: Worum geht es eigentlich? Es geht nicht um die Entmachtung der Länder, es geht um eine gemeinsame Anstrengung für gute Bildung. Das ist für mich der Ausgangspunkt der Debatte. Jetzt gibt es dabei verschiedene Aspekte. Was heißt das eigentlich? Da müssen wir einmal reden über gemeinsame Standards, zum Zweiten über gemeinsame Entwicklungsprozesse in der Bildungspolitik und zum Dritten über die Finanzierung.

Ich fange mal mit den gemeinsamen Standards an. Da möchte ich zunächst festhalten, Bildung endet nicht an Ländergrenzen, Frau Hitzing, in keinem Fall.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Gute Bil- dung.)

Auch gute Bildung endet nicht an Ländergrenzen.

Bei der Frage der Standards - das muss man realistisch sagen - sind 16 Bundesländer inzwischen auf einem gemeinsamen Weg. Das ist allerdings ein langer und mühevoller Weg. Im Mai 2002 hat die Kultusministerkonferenz beschlossen, es sollen gemeinsame nationale Bildungsstandards entwickelt werden. Das ist jetzt neun Jahre her. Wo stehen wir heute? Wir haben bundesweit geltende Bildungsstandards für den Primarbereich für die Fächer Deutsch und Mathematik. Wir haben bundesweite Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss für die Fächer Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache. Wir haben bundesweit geltende Standards für den mittleren Schulabschluss Jahrgangsstufe 10 für die Fächer Deutsch, Mathematik, erste Fremdsprache, Biologie, Chemie und Physik.

Das zeigt, hier ist eine Entwicklung in Gang gekommen zur Entwicklung gemeinsamer Standards, aber wir sind längst noch nicht am Ende dieses Weges. Was noch aussteht, sind auf jeden Fall die Standards für das Abitur. Hier sind wir beim ersten Schritt in der Länderzusammenarbeit, dass im Moment die Standards erarbeitet werden für die Fächer Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache in entsprechenden Entwicklergruppen. Thüringen ist hier auch vertreten. An der Stelle will ich noch

(Abg. Ramelow)

mal einen Blick auf die Debatte zum mitteldeutschen Abitur werfen. Das wäre eben genau nicht der richtige Weg gewesen, sondern wenn wir in einem Prozess der Verständigung aller 16 Bundesländer auf gemeinsame Abiturstandards stecken, dann macht es doch keinen Sinn, jetzt Sonderwege zwischendrin zu wählen und den Flickenteppich nur quasi um ein weiteres Ornament zu schmücken, sondern dann macht es Sinn, alle Kraft auf diese gemeinsamen bundesweiten Standards zu konzentrieren.

(Beifall SPD)

Trotzdem, auch wenn die Länder hier in dieser Frage auf dem Weg sind, muss man sich noch einmal die Frage stellen: Ist das die optimale Konstellation, dass sich 16 Bundesländer hier über gemeinsame Standards über einen sehr langen Zeitraum verständigen müssen oder gibt es vielleicht auch andere Kompetenzzuschnitte, die dafür sorgen, dass diese Aufgabe schneller und effizienter erledigt werden kann? Diese Frage muss zumindest noch einmal diskutiert werden. Noch schärfer stellt sich die Frage bei gemeinsamen Schulentwicklungen, die wir bundesweit vorantreiben müssen. Hier komme ich noch einmal auf das Vorhaben, das inzwischen auch in allen Bundesländern unumstritten ist, dass wir mehr Ganztagsangebote brauchen. Es waren damals Edelgard Bulmahn und ich als zuständiger Staatssekretär, die das Ganztagsschulprogramm, 4 Mrd. € für Ganztagsschulen, auf den Weg gebracht haben. Ich weiß, wie schwer das schon unter den damaligen Bedingungen war, eine Finanzkonstruktion zu finden, die es uns erlaubt, in diesem Bereich eine Förderung überhaupt aufzubauen. Nach der Föderalismusreform ist auch dieser Weg noch verbaut, dass in solcher Art und Weise die Zusammenarbeit organisiert werden kann, dazu kommt auch die Frage gemeinsamer inhaltlicher Entwicklungsprojekte. Wir haben vorher über die gemeinsame Bildungskommission von Bund und Ländern auch Pilotprojekte gemeinsam in allen Bundesländern auf den Weg gebracht, zum Beispiel zur Verbesserung von mathematisch-naturwissenschaftlichen Leistungen und ähnliche Projekte. Auch das kann förderlich für die gemeinsame Schulentwicklung sein, wenn Bund und Länder in solchen Fragen in Zukunft wieder zusammenarbeiten; gemeinsame Schulentwicklungsprojekte. Dazu gehört dann auch die Frage, Finanzierungen zu sichern. Selbst wenn wir uns jetzt in allen Bundesländern einig sind über die Ganztagsentwicklung. Ich schaue einmal auf die Haushaltsentwicklung gerade in den ostdeutschen Ländern, die parallel in diesen Wochen überall diskutiert wird. Wie sollen wir denn bei sinkenden Landeshaushalten eine solche zusätzliche Aufgabe wirklich in Angriff nehmen können ohne zusätzliche Unterstützung des Bundes? Ich weiß im Moment nicht, wie man das anders auflösen soll. Deshalb glaube ich, dass es richtig ist,

dass wir die Debatte noch einmal neu beginnen: Wie ist eine vernünftige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen, wie können wir zu mehr gemeinsamer Entwicklung in der Bildungslandschaft kommen und wie sorgen wir dafür, dass das, was wir politisch gemeinsam wollen, auch ausreichend finanziert ist, wie können Bund und Länder in dieser Frage sinnvoll zusammenarbeiten? Insofern müssen wir in aller Offenheit an diese Frage herangehen ohne ideologische Vorfestlegungen, ohne falsches Auftrumpfen auf der Länderseite nach dem Motto, da werden uns jetzt Kompetenzen beschnitten. Es geht nicht um eine Entmachtung der Länder, es geht um eine gute gemeinsame Zusammenarbeit für gute Bildung. Ich will es auch an dieser Stelle noch einmal sagen, jetzt ist aber die Bundesministerin, die zuständig ist für Bildung und Forschung, auch gefordert, einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen, der dann im Bundestag und Bundesrat besprochen werden kann. Das wird dann auch die Stelle sein, wenn ein solcher Gesetzentwurf vorliegt, an dem sich auch die Koalition in diesem Haus noch einmal zusammensetzen und die Frage stellen muss, wie gehen wir konkret mit einem solchen Gesetzentwurf um. Ich hoffe, dass wir dann bei einer gemeinsamen Position angekommen sind.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Anzüg- lich und extrem entbehrlich.)

In diesem Teil der Aktuellen Stunde gibt es keine weiteren Redemöglichkeiten, es sei denn, die Landesregierung meldet sich noch einmal zu Wort. Das tut sie aber nicht. Damit schließe ich den fünften Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde als Ganzes.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf.

Fragestunde

Wir haben vereinbart, dass wir eine Fragestunde, also 60 Minuten, jetzt noch vor dem parlamentarischen Abend abarbeiten. Die erste Frage ist die des Herrn Abgeordneten Kuschel, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/2579.

Zwischenbericht zur Vermarktung des Industriegebiets "An der A 71" in Geraberg

Der Stand der Vermarktung des Industriegebiets "An der A 71" in Geraberg wurde bereits durch die Landesregierung in der Drucksache 5/159 vom 3. Dezember 2009 dargestellt. Zwischenzeitlich sind weitere 16 Monate vergangen. Erkennbar erfolgt gegenwärtig keine Nutzung dieser erschlossenen

(Minister Matschie)

Industriefläche. Die Erschließungskosten lagen bei rund 6 Mio. €, die Förderung lag bei rund 5 Mio. €. Die Vermarktung der Industriefläche erfolgt durch die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG).

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellt sich der gegenwärtige Stand der Vermarktung der Industriefläche "An der A 71" in Geraberg dar?

2. Welche Überlegungen gibt es hinsichtlich der künftigen Nutzung der nachgefragten Industriefläche seitens der LEG und der Gemeinde Geraberg?

3. Inwieweit soll die nachgefragte Industriefläche möglicherweise in ein Gewerbegebiet umgeplant werden, welche Voraussetzungen müssen dafür vorliegen und welche Auswirkungen hätte dies auf die gewährten Fördermittel?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Staschewski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Aktuell liegen Anfragen von zwei Unternehmen vor, die ein Ansiedlungsinteresse am Standort bekundet haben. Die Verhandlungen mit einem der beiden Interessenten sind nach Aussage der LEG relativ weit fortgeschritten und lassen eine zeitnahe Ansiedlung aussichtsreich erscheinen.

Zu Frage 2: Bezüglich der derzeitigen und zukünftigen Nutzung ist der rechtsverbindliche Bebauungsplan maßgeblich, darin ist der Standort als Industriegebiet ausgewiesen. Darüber hinaus sind die Förderbedingungen und Zielstellungen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ GAW zu beachten.

Zu Frage 3: Nach Kenntnis des TMWAT und der LEG besteht seitens der Gemeinde weder die Absicht noch übrigens die Notwendigkeit, den Status des Standorts vom Industriegebiet in den eines Gewerbegebiets umzuwidmen. Umgekehrt wäre es komplizierter, weil andere Rahmenbedingungen herrschen. Auf die ausgereichte Förderung hätte eine mögliche Umwidmung keine Auswirkung, da unter zuwendungsrechtlichen Aspekten in diesem Fall nicht zwischen Industrie- und Gewerbeflächen differenziert wird.

Gibt es dazu Nachfragen? Das ist der Fall. Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, die Erschließung dieser Industriefläche von nicht einmal 10 Hektar hat 6 Mio. € gekostet. In 15 km Entfernung sind weitere erschlossene Industrieflächen am Erfurter Kreuz von 400 Hektar vorhanden. Ist denn der jetzige Interessent, der infrage kommt, ein Interessent, der tatsächlich eine Industriefläche benötigt, oder wäre der nicht auch in einem Gewerbegebiet unterzubringen gewesen? Wie würden Sie aus heutiger Sicht - das Industriegebiet ist schon mehrere Jahre erschlossen und ungenutzt - die damalige Entscheidung bewerten, an diesem Standort ein Industriegebiet zu schaffen? Das waren gleich zwei Fragen. Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht.

Ich beantworte gern die zwei Fragen. Soweit ich informiert bin, könnte auch der eine oder andere Bewerber oder Interessent sich in einem Gewerbegebiet niederlassen. Das müsste ich aber noch, um das konkret zu sagen, kann ich das auch gern noch nachreichen. Aber wir unterscheiden da ja auch nicht zwischen Gewerbe- und Industriegebiet. Also im Industriegebiet darf sich auch entsprechend selbstverständlich niederlassen, der sich sonst auch im Gewerbegebiet niederlassen kann.

Wir haben die grundsätzliche Richtungsänderung in der Landesregierung, dass wir uns konzentrieren auf großflächige Industrie- und Gewerbegebiete und hier schauen, weil es unsere Erfahrung ist, dass oftmals kleinteilige Flächen viel schlechter zu vermarkten sind, als die großflächigen. Insofern gibt es dazu schon eine veränderte Haltung.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Frage der Abgeordneten Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Drucksache 5/2591 auf. Es antwortet für die Landesregierung das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, Frau Staatssekretärin Dr. Eich-Born. Bitte schön.

Ersatzbeförderung bei Flügen auf der Linie ErfurtMünchen?

Die Fluglinie Erfurt-München wird durch den Freistaat Thüringen jährlich mit 2 Mio. € gefördert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie war die Auslastung der Flüge durchschnittlich und wie war die Auslastung bei den 10 Prozent der am geringsten ausgelasteten Flüge in den letzten drei Jahren?

(Abg. Kuschel)

2. Wie oft (absolut und in Prozent) fielen in den Jahren 2009 und 2010 die Flüge nach und von München aus?

3. Wie war die Auslastung der ausgefallenen Flüge durchschnittlich und bei den 10 Prozent der am geringsten ausgelasteten Flüge und wie wurden die Passagiere in diesen Fällen an ihren Zielort befördert?

4. Wurden die realen Kosten dieser Ersatzbeförderung bei der Bemessung des Zuschusses berücksichtigt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Schubert beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Die durchschnittliche nominale Auslastung der Flugstrecke Erfurt-München lag im Jahr 2008 bei ca. 41 Prozent, im Jahr 2009 bei ca. 33 Prozent und im Jahr 2010 bei ca. 36 Prozent. Die Auslastung bei den 10 Prozent der am geringsten ausgelasteten Flüge in den letzten drei Jahren lag bei ca. 12 Prozent.

Zu Frage 2: Im Jahr 2009 wurden von den geplanten Flügen des Luftfahrtunternehmens 30 Linienflüge, dies entspricht ca. 2 Prozent, auf der Strecke Erfurt-München nicht durchgeführt. Im Jahr 2010 wurden von den geplanten Flügen des Luftfahrtunternehmens 85 Linienflüge, dies entspricht etwa 7 Prozent, auf der Strecke Erfurt-München nicht durchgeführt.

Zu Frage 3: Dazu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Die Ersatzbeförderung der Passagiere ist ausschließlich Aufgabe des Luftfahrtunternehmens. Das Unternehmen muss gemäß Verordnung EG Nr. 261 aus 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen für eine angemessene Ersatzbeförderung der Fluggäste sorgen oder den Flugpreis erstatten.

Zu Frage 4: Nein, die Ersatzbeförderung und die damit verbundenen Kosten sind ausschließlich Angelegenheit des Luftfahrtunternehmens. Bei Flugausfällen werden entsprechende Rückforderungen der vereinbarten Ausgleichszahlungen fällig, sofern eine Abweichung von der vertraglich geregelten Mindestleistung vorliegt und die Flugausfälle von der Fluggesellschaft zu vertreten sind.