Protocol of the Session on April 13, 2011

(Abg. Kowalleck)

in gewisser Weise schwer berechenbar, man hat da Schätzungswerte.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, Frau Staatssekretärin. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/2520.

Aufhebung der Residenzpflicht

Schleswig-Holstein hat für die im Land untergebrachten Asylbewerber die sogenannte Residenzpflicht aufgehoben. Das CDU/FDP-Kabinett beschloss dazu am 5. April eine Verordnung, nachdem alle Fraktionen einstimmig für den GRÜNENAntrag zur Abschaffung der Residenzpflicht für geduldete und gestattete Menschen in Schleswig-Holstein gestimmt hatten. Zur Aufhebung der Residenzpflicht äußerte sich der zuständige Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration SchleswigHolsteins in einer Pressemitteilung wie folgt: "Mit breiter politischer und gesellschaftlicher Unterstützung schaffen wir eine Regelung, die einer immer mobiler werdenden Welt angemessen ist. Arbeitsplatzsuche, gesellschaftliche Teilhabe und auch Alltägliches erfordern die Beweglichkeit von Menschen, die wir im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen..."

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur o.g. Aussage des Integrationsministers Schleswig-Holsteins?

2. Ist aus Sicht der Landesregierung die Regelung Schleswig-Holsteins zur Aufhebung der Residenzpflicht auf den Freistaat Thüringen übertragbar und - wenn nein - welche maßgeblichen Gründe führen die Landesregierung zu dieser Auffassung?

3. Ist die Landesregierung mit den Vertretungen anderer Bundesländer, die die Residenzpflicht bereits gelockert bzw. aufgehoben haben - wie z.B. Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen -, im informationellen Austausch über die Folgen und Wirkungen der Aufhebung bzw. Lockerung der Residenzpflicht, wenn ja, welche Erkenntnisse hat die Landesregierung daraus gewonnen und wenn nein, wieso nicht?

4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um das in Artikel 13 der UN-Menschenrechtscharta formulierte Recht auf Bewegungsfreiheit auch in Thüringen für alle hier lebenden Menschen einschließlich AsyIbewerbern und Aufenthaltsgeduldete umzusetzen und welcher Zeitplan liegt dem zugrunde?

Für die Landesregierung antwortet das Innenministerium, Herr Staatssekretär Rieder.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, die Aussagen des Ministers für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein zu bewerten.

Zu Frage 2: § 58 Abs. 6 Asylverfahrensgesetz gibt den Landesregierungen ein eigenständiges und von den Entscheidungen anderer Bundesländer unabhängiges Gestaltungsermessen.

Zu Frage 3: Die Landesregierung befindet sich in ständigem Kontakt mit den zuständigen Ressorts der anderen Bundesländer zu allen das Ausländerrecht betreffenden Fragen. Zu den Folgen und Wirkungen der Aufhebung der Residenzpflicht in den angesprochenen Bundesländern liegen allerdings keine Informationen vor.

Zu Frage 4: Das Recht auf Freizügigkeit gemäß Artikel 13 der UN-Menschenrechtscharta gilt nicht vorbehaltlos. Artikel 29 Nummer 2 der UN-Menschenrechtscharta lässt ausdrücklich Einschränkungen durch Gesetz aus Gründen der öffentlichen Ordnung zu. Dass dies in Deutschland in verfassungsgemäßer Weise geschehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1997 ausdrücklich bestätigt.

Es gibt den Wunsch auf Nachfrage durch die Fragestellerin.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, gehe ich nach Ihren Ausführungen richtig in der Annahme, dass Sie die Residenzpflicht für richtig und menschenwürdig halten?

Es gibt eine Koalitionsvereinbarung. In der Koalitionsvereinbarung haben sich beide Koalitionsparteien darauf verständigt, auf der Basis von § 58 Abs. 6 eine Rechtsverordnung zu erlassen.

Es gibt den Wunsch auf Nachfrage durch die Abgeordnete Berninger.

(Staatssekretärin Dr. Eich-Born)

Danke, Herr Präsident. Herr Rieder, bisher hat sich die Thüringer Landesregierung immer auf § 58 Abs. 6 zurückgezogen und gesagt, eine Ausweitung der Residenzpflicht in Thüringen auf das Gebiet des gesamten Freistaats sei nicht möglich, weil in § 58 ja geregelt sei, dass die Residenzpflicht auf das Gebiet mehrerer Ausländerbehörden ausweitbar sei, „mehrere“ heiße aber nicht alle. Wie sehen Sie das in Bezug auf die Verordnung in Schleswig-Holstein und auch auf die Verordnung, die am 15. März in Sachsen-Anhalt erlassen wurde, wo ja auch die Landesregierung aus CDU und SPD besteht?

Zweite Frage: In Bezug auf die Verordnung, die die Landesregierung Sachsen-Anhalt am 15. März erlassen hat, hat der Innenminister Hövelmann in der Pressemittelung verlautbart: Diese pragmatische Regelung bedeute - ich zitiere - „eine Verwaltungsvereinfachung und -entlastung für viele Behörden und die Polizei und für die Durchführung des Asylverfahrens bot sie keine Vorteile“. Aus welchen Gründen hält die Thüringer Landesregierung an der Residenzpflicht bezogen auf die Bezirke der Ausländerbehörden fest?

Frau Abgeordnete Berninger, Sie haben § 58 Abs. 6 richtig zitiert. Es ist müßig, darüber zu sprechen, wie diese Vorschrift auszulegen ist, weil sie in Kürze geändert werden wird. Wahrscheinlich wird die Vorschrift schon innerhalb der nächsten 14 Tage so geändert, dass die Ermächtigung auch die Möglichkeit eröffnet, die Residenzpflicht auf das ganze Land auszudehnen. Zum anderen habe ich eben schon gesagt, dass die Landesregierung beabsichtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen. Es geht lediglich jetzt noch um Detailfragen und dazu ist, wie Sie wahrscheinlich wissen, die Meinungsbildung der Landesregierung noch nicht abgeschlossen.

Es gibt noch die zweite Nachfrage durch die Fragestellerin.

Habe ich es eben richtig verstanden, dass Sie planen, die Residenzpflicht auf das ganze Land auszudehnen, so wie Sie das eben ausgeführt haben?

Ich habe nur beschrieben, welche Gesetzesänderung zurzeit im Gesetzgebungsverfahren ist. Dieses Gesetz zur Änderung des § 58 Abs. 6 hat den Bundestag meines Wissens passiert und müsste jetzt

am Freitag auf der Tagesordnung des Bundesrats stehen. Mit anderen Worten, ich habe lediglich die Novelle beschrieben, aber daraus keine Schlussfolgerung gezogen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Schade, Sie hätten jetzt Applaus bekom- men.)

Danke, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2521.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

Mögliche Kriminalisierung des Landesjugendausschusses des DGB Thüringen

Laut einer Pressemitteilung der DGB-Jugend Thüringen drangen am 30. März 2011 mehrere Polizeibeamte auf das Gelände der Gewerkschaft ver.di in der Schillerstaße 44 in Erfurt vor und stellten von den anwesenden Mitgliedern des Landesjugendausschusses der DGB-Jugend Thüringen die Identität fest. Ebenso wurden die Kennzeichen aller Fahrzeuge, die sich auf dem Gewerkschaftsgelände zu diesem Zeitpunkt befanden, erfasst. Die Polizei habe versucht, in das auf dem Gelände befindliche Jugendbüro einzudringen, um Verdächtige zu suchen. Die Durchsuchung und die Identitätsfeststellungen sollen im Zusammenhang mit einer brennenden Mülltonne am Löberwallgraben gestanden haben. Die DGB-Jugend Thüringen protestierte auf das Entschiedenste gegen diese Kriminalisierung eines gewerkschaftlichen Gremiums.

Ich frage die Landesregierung:

1. Was war konkreter Anlass für die beschriebene polizeiliche Maßnahme gegen die auf dem Gelände der Gewerkschaft ver.di sich aufhaltenden Personen?

2. Von wie vielen Personen wurde die Identität aufgrund welchen konkreten Tatverdachts erfasst, verarbeitet und gespeichert?

3. Wie bewertet die Landesregierung die beschriebene polizeiliche Maßnahme vor dem Hintergrund der nach dem Polizeiaufgabengesetz notwendigerweise vorzuliegenden Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff und vor dem Hintergrund des § 4 PAG?

4. Welche Ermittlungsergebnisse liegen zwischenzeitlich vor und wurden angesichts dessen die erhobenen personenbezogenen Daten gelöscht?

Für die Landesregierung antwortet das Innenministerium, Herr Staatssekretär Rieder.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Am 30.03.2011 wurde der Polizei gegen 20.13 Uhr mitgeteilt, dass in Erfurt im Bereich der Löberstraße/Löberwallgraben eine Personengruppe von etwa zehn Personen Mülltonnen umwirft bzw. anzündet. Nach Bestätigung dieses Sachverhalts - es wurde ein brennender Papiercontainer festgestellt - hat die Polizei eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Strafgesetzbuch gefertigt und unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung dieser Straftat ergriffen. Im Rahmen der sofort vor Ort durchgeführten Zeugenvernehmungen erklärte ein Zeuge, dass der Papiercontainer von einer Person angezündet worden sei, die aus einer Personengruppe heraus handelte. Nach Aussage von Zeugen waren die Personen dunkel bekleidet und führten eine Fahne mit einer Antifa-Symbolik sowie einer mobilen Musikanlage mit sich. Die Personengruppe sei nach Entzünden des Müllcontainers in Richtung des Thomasparks gelaufen. Eine entsprechende Absuche des Nahbereichs durch die eingesetzten Kräfte im Thomaspark verlief jedoch ergebnislos. Um 20.18 Uhr wurde von den eingesetzten Beamten vor der Einfahrt zu den Parkplätzen der Schillerstraße 44, der Rückfront des Gewerkschaftshauses ver.di, eine Personengruppierung von ca. 10 Personen festgestellt, auf welche die Personenbeschreibung passte. Ein zwischenzeitlich vor Ort erschienener Zeuge bestätigte, dass es sich um die Personengruppe handele, aus der heraus der Täter den Papiercontainer entzündete. Der Zeuge sagte jedoch auch aus, dass sich der Täter nunmehr nicht mehr in der Personengruppe befinde. Aus diesem Grund wurden die Personalien der anwesenden Personen festgestellt, um sie später als Zeugen zum Sachverhalt vernehmen zu können.

Zu Frage 2: Insgesamt wurden von 12 festgestellten Zeugen die Personendaten erhoben. Ferner wurden die Kennzeichen von zwei Fahrzeugen notiert, in die zwei weitere Zeugen vor Personalienfeststellung eingestiegen waren.

Zu Frage 3: Das Polizeiaufgabengesetz ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die polizeilichen Maßnahmen erfolgten im Rahmen der Strafverfolgung und nicht im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr. Insofern findet sich die Ermächtigung zum polizeilichen Handeln nicht im PAG, sondern in der Strafprozessordnung. Die Identitätsfeststellung erfolgte auf der Grundlage des § 163 b Abs. 2

Strafprozessordnung. Danach kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist, wenn und soweit dies zur Aufklärung der Straftat geboten ist. Die Maßnahme ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Eine der angetroffenen Personen, bei der es sich augenscheinlich um den Objektberechtigten handelte, stimmte einer Nachschau im Flachbau des Geländes zu und ermöglichte diese auch, so dass sich ein Rückgriff auf eine strafprozessuale Ermächtigungsgrundlage für die handelnden Polizeibeamten erübrigte.

Zu Frage 4: Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen und befindet sich weiterhin in polizeilicher Bearbeitung. Aus diesem Grund wurden die erhobenen Daten bisher nicht gelöscht.

Es gibt eine Nachfrage durch die Fragestellerin.

Im Interview mit Radio F.R.E.I. erklärte der Pressesprecher der Polizei, dass er die Maßnahme als Nacheile einordne. Ich würde Sie bitten, mir das zu erklären, insbesondere vor dem Hintergrund Ihrer Antwort auf die Frage 3, dass es eine Zustimmung seitens einer verantwortlichen Person gegeben hätte.

Es gab eine Zustimmung. Das habe ich ja eben gesagt. Ansonsten ist eine Straftat geschehen - Verstoß gegen § 303 Strafgesetzbuch. Nachdem die Polizei darüber informiert wurde, hat sie Maßnahmen zur Strafverfolgung eingeleitet und hat diese Identitätsfeststellung durchgeführt, um im Rahmen einer Zeugenbefragung dann auch den Täter ausfindig machen zu können.

Es gibt eine Nachfrage.

Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, die Nachfrage: Ist bei der Erfassung der Personalien der Anwesenden vor Ort allen mitgeteilt worden, dass sie als Zeugen erfasst werden?

Aus dem Bericht der Polizei, der mir vorliegt, wurde die Maßnahme durchgeführt auf der Grundlage der Strafprozessordnung. Was vor Ort gesagt wurde, ist mir nicht bekannt.