Meine Damen und Herren, bereits im Jahr 2010 sind eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt worden in allen Regionen Thüringens. In Zusammenarbeit der BA und des Wirtschaftsministeriums wurden regionale Arbeitsmarktkonferenzen durchgeführt. Wir haben damit Impulse zur Zusammenarbeit der lokalen und regionalen Partner gegeben. Was uns ganz wichtig ist: Auf der ESF-Jahreskonferenz haben wir zum Jahresende 2010 die von Ihnen bereits zitierte Fachkräftestudie/Fachkräfteperspektive 2020 vorgestellt. In diesem Rahmen hat der Minister damals - und ich wiederhole das gern bei jeder Gelegenheit - betont, dass uns Untergangsszenarien nicht weiterbringen. Wer ein optimistisches Projekt „Thüringen 2020“ entwickeln und
vorantreiben will, wer eine Aufbruchstimmung erzeugen will, der muss die Chancen sehen, die sich hinter den Herausforderungen verbergen. Der demographische Wandel ist nicht nur ein Risiko, er ist vor allem auch eine Chance für uns. Wir müssen uns attraktiv zeigen, damit auch junge Menschen tatsächlich gern hier bleiben bzw. zu uns kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es steigen nach zwei Jahrzehnten mit einer schwierigen Arbeitsmarktlage nun demographisch bedingt fühlbar die Beschäftigungschancen sowohl für Jugendliche als auch für Ältere. Zwei zentrale Ziele, die deutliche Verringerung der Arbeitslosigkeit und die Versorgung der Unternehmen mit Fachkräften, könnten in den kommenden Jahren erreicht werden. Dafür müssen allerdings die gesamten verfügbaren Potenziale an Arbeitskräften und alle Ressourcen des Arbeitsmarkts ausgeschöpft werden. Der Arbeitskräftenachfrage steht theoretisch ein breites und auch ausreichendes Potenzial an Arbeitskräften zur Verfügung, das dazu beitragen kann, den künftigen Fachkräftebedarf der Unternehmen zu befriedigen, und zwar Absolventen einer beruflichen Erstausbildung, Absolventen einer Hochschulausbildung - wir haben hervorragende Hochschulen mit sehr gutem Ruf -; ich habe das erst vor Kurzem in Bayern bei einer Veranstaltung gelernt, dass dies in Bayern auch bekannt ist, dass vermehrt insbesondere aus dem nordbayerischen Raum junge Menschen zum Studium nach Thüringen kommen, weil wir eben mit Ilmenau, mit Jena, auch mit Schmalkalden und mit Nordhausen Hochschulen hier in Thüringen haben, die einen sehr guten Ruf haben. Arbeitslose und Personen der sogenannten stillen Reserve - ich möchte es hier schon einmal erwähnen, was z.B. ein Erfolg auch schon zeigt mit unserem Landesarbeitsmarktprogramm, dass wir aus der sogenannten stillen Reserve Menschen herausholen können, Arbeitskräfte, die in andere Bundesländer pendeln, Arbeitskräfte, die in den vergangenen Jahren fortgezogen sind, die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitskräfte bis zum regulären Renteneintritt, Teilzeitbeschäftigte, die eine Vollzeitbeschäftigung anstreben und perspektivisch auch Arbeitskräfte durch Zuwanderung. Schrittweise gilt es, all die Ressourcen zu nutzen, denn nach den Prognosen - es wurde hier gesagt, ja es stimmt - besteht ein Bedarf bis zum Jahr 2020 von ca. 200.000 Fachkräften. Augenblicklich verzeichnen wir noch 123.000 Arbeitslose in Thüringen, 200.000 Menschen sind Arbeit suchend. Es besteht also kein genereller Mangel. Es gilt, diese Menschen an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen und schrittweise zu integrieren. Ich denke - in Richtung Antragsteller gewandt -, selbstverständlich haben Akademiker, Ingenieure und Informatiker ein hohes Beschäftigungspotenzial. Wir müssen es gar nicht erst erschließen, wir müssen diesen Fachkräften einfach gute und marktfähige Löhne zahlen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wenn wir das
endlich verstehen, wenn wir endlich alles dafür tun, unser Billiglohnimage loszuwerden, dann werden auch die Uni-Absolventen ihre Karrierechancen nicht mehr in erster Linie außerhalb Thüringens suchen, dann werden sie in Thüringen bleiben.
Gute Fachkräfte bekomme ich eben nicht für einen Sparpreis. In dieser Hinsicht muss auf allen Ebenen ein Umdenken stattfinden, sonst sägen wir auf dem Ast, auf dem wir selber sitzen und das kann nicht sein. Wir werden nicht lockerlassen, dies bei jeder Veranstaltung, sei es bei Veranstaltungen mit Arbeitgeberverbänden, sei es bei Veranstaltungen in Betrieben, immer wieder zu wiederholen.
Sie haben in Ihrem Antrag auch Bundesratsinitiativen gefordert. Auch darauf möchte ich natürlich eingehen. Sie haben hier die richtigen Dinge angesprochen: Mindestlohn und Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit. Das sind unsere zentralen Themen. Wir wissen, bei Leiharbeit ist Thüringen Spitze, was auch den Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen anbelangt. Über 900.000 Beschäftigte befinden sich derzeit bundesweit in der Arbeitnehmerüberlassung, in Zeit- bzw. Leiharbeit. In Thüringen sind das fast 30.000. Heute haben wir erst wieder in der Zeitung lesen können, dass es einen weiteren Zuwachs in dieser Branche gibt. Der Boom in der Zeit- und Leiharbeit steht für einen Großteil der Beschäftigungszuwächse der vergangenen Jahre. Zeitarbeit führt aber zu Lohndumping und zur Aushöhlung von Tarifverträgen,
Stammbelegschaften geraten unter Druck, da reguläre Arbeitsplätze durch die schlechter bezahlten Zeitarbeiter besetzt werden. Das ist Fakt, das können wir nachlesen, das können wir nachweisen. Wir sehen es an der Entwicklung in den einzelnen Betrieben, wo Zeitarbeiter die reguläre Beschäftigung übernommen haben, ist das Lohnniveau gesunken. Gehen Sie in die Betriebe, sprechen Sie mit den Menschen. Ich habe das gemacht. Das haben mir Leute erzählt, die haben teilweise 20 Prozent weniger Verdienst als noch vor zehn Jahren, machen die gleiche Tätigkeit. Reden Sie mit den Leuten, gehen Sie rein. Ich habe das getan. Dieser Missbrauch war im Übrigen nicht im Sinne des Erfinders. Deswegen muss hier auch nachjustiert werden.
Sie alle wissen, die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit steht im Mai 2011 bevor, in wenigen Tagen. Wir haben nicht zuletzt aus diesem Grund das Vergabegesetz als probates Mittel gegen Lohndumping mit auf den Weg gebracht, aber auch bei der Leiharbeit haben wir uns mit entsprechenden Bundesratsinitiativen für das Einziehen von Lohnuntergrenzen stark gemacht. Wir haben aber gemeinsam mit anderen Bundesländern Forderungen gestellt, die weit über die Lohnfrage hinausgehen. Wir haben konkrete Gesetzesvorschläge gefordert, die Dauer des Verleihs an einen Entleihbetrieb wieder zu begrenzen, um die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis beim Entleiher zusätzlich zu fördern. Wir haben die Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen in den Entleihbetrieben ausweiten wollen, die Übergänge von Leiharbeitskräften in reguläre Beschäftigung gezielt unterstützen wollen, z.B., indem der Zugang zu betrieblichen und öffentlich finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen, die über die reine Einarbeitung für befristete Einsätze deutlich hinausgehen, erleichtert wird. Allerdings - und das muss man auch sagen - haben wir bisher mit diesen Vorschlägen in den Bundesratsfachausschüssen keine Mehrheit gefunden. Das ist einfach so. Wir haben keine Mehrheiten gefunden in unseren Bundesratsfachausschüssen. Ähnliches gilt übrigens für die Forderung nach einem Mindestlohn.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen allen Menschen in Thüringen eine Perspektive bieten und wir wollen die Spaltung des Arbeitsmarkts überwinden. Dies wird immer deutlicher. Diese Spaltung des Arbeitsmarkts ist die große Herausforderung für die nächsten Jahre. Dazu gehört eine höhere Tarifbindung der Unternehmen ebenso wie ein gesetzlicher Mindestlohn meines Erachtens. Bei der höheren Tarifbindung sind wir in Thüringen weitergekommen. Wir haben einen Aufruf unterzeichnen können von Arbeitgebervertretern genauso wie von Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften, die ihre Betriebe aufgerufen haben für eine höhere Tarifbindung oder für einen Einstieg in einen Tariflohn. Die ersten wichtigen Schritte sind getan hier mit der konzertierten Aktion.
Sehr geehrte Damen und Herren Antragsteller, Sie thematisieren in ihrem Antrag ergänzend nicht nur die tarifgerechte Entlohnung, sondern auch ganz speziell noch einmal den Fachkräftebedarf in der sozialen Wirtschaft. Auch hier kann ich Ihnen sagen, dass wir bereits tätig geworden sind. Die Parität hat für den Bereich Gesundheits- und Sozialwirtschaft eigens eine Fachkräftestudie in Auftrag gegeben, die wir übrigens finanziell unterstützt haben. Unsere aktuelle Fachkräftestudie benennt einen Fachkräftebedarf von 25.800 Personen bis 2017 bei den Gesundheits- und sozialpflegerischen Berufen. Darum spiegelt sich nicht nur Ersatzbedarf, sondern auch ein Erweiterungsbedarf wider.
Besonders berücksichtigt werden muss natürlich, dass sich die Sozialwirtschaft weitgehend durch Beitragszahler und öffentliche Mittel finanziert. In der Sozialwirtschaft müssen deshalb Weichen gestellt und Finanzierungen gesichert werden. Gefordert sind vor allem hier aber auch die Bundespolitik und die Träger selbst. Höhere Tarifbindungen und Flächentarife könnten aber vor allem in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag sowohl zur dringend benötigten Fachkräftesicherung als auch zur Qualitätssicherung leisten.
Das Wirtschaftsministerium und das Sozialministerium, das TMSFG, haben einen Sozialwirtschaftsbericht initiiert, um Handlungsoptionen für die Branche aufzuzeigen. Das Thema Sozialwirtschaft wird außerdem ein Schwerpunkt des Thüringer Demographieberichts 2011 und hier arbeitet neben dem Sozialministerium und dem Wirtschaftsministerium auch das TMBLV mit.
Meine Damen und Herren, wir müssen endlich lernen, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik richtig zu verstehen. Arbeitsmarktpolitik ist keine ausschließlich soziale Frage, sie ist vor allem eine investitionspolitische Notwendigkeit. Weiterbildung und Qualifizierung werden nicht nur für Arbeitslose, sondern für die Belegschaft und die Unternehmer absolut unverzichtbar. Wird hier an der falschen Stelle gespart, droht der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Fakt ist, die Ressorts der Landesregierung arbeiten bei dem Thema Fachkräftesicherung und -gewinnung sehr gut zusammen. Die Staatssekretärsrunde zu diesem Thema, die ich auch leite, hat sich erst gestern wieder getroffen und hat - diese Steuerungsgruppe - zum Aktionsprogramm getagt. Wir haben den... initiiert, das Aktionsprogramm vorgelegt, die konzertierte Aktion realisiert und viele Einzelmaßnahmen vorangetrieben. Entscheidende Weichen, denke ich, sind gestellt. Wir wissen aber, wir müssen noch hart daran arbeiten. Ich denke, ich habe einige Felder aufgezeigt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Wird die Aussprache zu diesem Sofortbericht gewünscht? Könnten die Parlamentarischen Geschäftsführer mir mal … CDU, FDP, LINKE, GRÜNE und SPD auch, damit alle. Das ist am Ende nicht ganz unentscheidend für Fortberatungen.
Ich eröffne demzufolge die Aussprache zum Sofortbericht und zur Nummer II des Antrags in der Drucksache 5/2382. Ich rufe als Erste für die CDUFraktion Frau Abgeordnete Holzapfel auf.
Ich bin sehr erstaunt. Wir haben hier ein Thema, die Frage der Fachkräfte: Wie gehen wir in Zukunft mit unserer Wirtschaft, mit unseren Arbeitnehmern um? Ich bin erstaunt, wo sich unsere Ministerriege befindet.
Ich mache da auch vor meiner Fraktion keinen Halt. Es wird kämpferisch, ich habe es doch gesagt. Aber nicht nur gegen dort, auch gegen Sie, keine Bange.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen sehr für den Sofortbericht, der auch ganz in meinem Sinne war, das will schon was heißen, aber beim zweiten Teil haben Sie schon richtig in die Richtung geschaut und haben sicher meine großen Augen bemerkt, was da so alles gekommen ist.
den Kern des Antrags so zu gestalten, dass die Landesregierung wieder aufgefordert wird - nun ist sie nicht da, also kann ich mich richtig hier auslassen -, die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns als Thüringer Bundesratsinitiative zu fordern. Die Haltung der CDU-Fraktion zu einem flächendeckenden Mindestlohn, meine Damen und Herren, ist in diesem Hause hinreichend bekannt und wird sich auch mit dem heutigen Antrag nicht ändern.
Nein. Das war vorhin schon in der Debatte schauderhaft, was aus Ihren Reihen für Zwischenrufe kommen, für Störungen kommen.
Lassen Sie doch einfach mal die Leute, die hier vorn stehen, im Zusammenhang reden. Das haben wir doch in der Schule gelernt - oder Sie vielleicht nicht? Ich habe noch ein paar hinter die Ohren bekommen, das fehlt vielleicht heute.
Mit dem Blick auf die zum 1. Mai dieses Jahres anstehende Öffnung des deutschen und österreichischen Arbeitsmarkts für weitere acht EU-Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa versuchen die Antragsteller, die damit verbundene Angst zu nutzen und ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dass ich mich, das merkt man auch hier, insbesondere wegen der Ausnutzung dieser Ängste ärgere, das kann man, wer mich kennt, auch vielleicht verstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Wettbewerb um die klügsten Köpfe, dann brauchen wir eine andere Willkommenskultur.
Es ist noch nicht zu Ende. Und wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Integration, das geht auch in Ihre Richtung, und wenn wir als kleines Land in der Mitte Europas es auch ernst meinen mit einem gemeinsamen Europa der offenen Grenzen, dann gehört auch die Offenheit gegenüber Fachkräften aus Mittel- und Osteuropa dazu. Wir werden noch mehr hören zu diesem Thema.
Gerade wir in Thüringen, dem Bundesland mit der höchsten Unternehmensdichte, werden in Zukunft besonders auf diese Zuwanderung angewiesen sein.