Protocol of the Session on November 20, 2009

Wir haben uns schlicht an unsere eigenen Wahlversprechen gehalten.

Aber nun noch mal zum Inhalt. Goethe hat einmal gesagt: „Wüchsen die Kinder fort, wie sie sich andeuten, wir hätten lauter Genies.“ Was heißt das? Kinder haben ein enormes Entwicklungspotenzial, sind neugierig, wollen lernen und ihre Persönlichkeit entwickeln. Genau diese Entwicklungsfenster in den ersten Lebensjahren gilt es zu nutzen. Es liegt an uns, ob wir diese Fenster offen lassen oder verschließen. Bildung beginnt mit der Geburt, das wissen wir alle. Gerade hier kann man ganz deutlich sagen, wer zu spät kommt, den überholt das Leben irgendwann, an dem gehen Chancen vorbei. Wir haben wie versprochen den gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken bei denen, die daran mitgewirkt haben, insbesondere dem Thüringer Landeselternverband Kindertagesstätten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben schon einmal mit uns gemeinsam viele Tausend Unterschriften gesammelt. Ein erneutes Volksbegehren zum gleichlautenden Text ist in Vorbereitung, weil wir dazu gezwungen sind, zweigleisig zu fahren. Das sage ich ganz deutlich an dieser Stelle. Kommt nämlich der Gesetzentwurf nicht zeitnah zur Abstimmung, muss es ein Volksbegehren geben, müssen erneut 200.000 Unterschriften gesammelt werden, damit genau das, was drei Fraktionen, die nun hier auch vertreten sind, im Vorfeld der Wahl versprochen haben, auch Wirklichkeit wird. Insofern kündige ich an, in diesem Fall werden auch wir selbstverständlich wieder auf die Straße gehen, um die notwendigen 200.000 Unterschriften zu sammeln. Ich hoffe, es kommt nicht dazu,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil ich hoffe, dass sich die Landesregierung dieses Gesetzesentwurfs noch annimmt.

Zum Inhalt des Gesetzes: Wir fordern und garantieren mit unserem Gesetzentwurf den Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung von Anfang an. Wir wollen für jedes Kind ab dem ersten Geburtstag einen Kita-Platz und adäquate Bildung, Erziehung und Betreuung. Genau diese drei Begriffe gehören zusammen. Dafür braucht es wesentlich mehr Personal. Mindestens 2.000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen, wenn wir den ambitionierten Bildungsplan von 0 bis 10 betrachten. Genau deshalb reden wir im Volksbegehrensentwurf auch von der Hortbetreuung und mussten das so umfänglich betrachten, weil der Bildungsplan nicht mit dem Kindergartenalter aufhört, sondern bis 10 Jahre geht. Wenn wir diesen Bildungsplan umsetzen und jedes Kind individuell fördern wollen, so wie es das braucht, dann brauchen wir diese Erzieherinnen mehr.

In einer Pressemitteilung von Christoph Matschie vom 15. September heißt es: „Die Personalausstattung in Thüringen liegt weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt.“ Das muss uns zu denken geben. Da bin ich wirklich sehr gespannt, Herr Emde, wo wir denn so derart Spitze sind, wenn wir von den Beispielen absehen, die die Kollegin Jung eben schon benannt hat. Ganz wichtig ist doch, Erzieherinnen brauchen Zeit, um den vielfältigen Anforderungen an sie und den Kindern gerecht zu werden. Dazu gehört ganz besonders auch die Zusammenarbeit mit den Eltern. Eltern und Erzieherinnen teilen Verantwortung und diese Beziehungsarbeit im wahrsten Sinne des Wortes braucht Zeit und Raum und niemandem hier in diesem Haus geht es um Gleichschaltung. Das bitte ich wirklich nicht noch einmal aus der Mottenkiste zu holen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dieser Vorwurf wird nicht wahrer davon, wenn er immer und immer wiederholt wird. Was für uns ganz zentral ist, wenn wir von diesen wichtigen und sensiblen Altersphasen sprechen, ist, dass es keine Aushöhlung des Fachkräftegebots geben darf und des Fachkräfteprinzips, und daran müssen wir uns messen lassen, wenn wir tatsächlich von einem Bildungsplan sprechen, der umgesetzt werden soll. Wir wollen mit unserem Gesetz als parlamentarischer Arm des Volksbegehrens neben dem Rechtsanspruch gerade auch die Angebote für Kinder mit besonderem Förderbedarf bedenken, weil uns hier auch eine integrative Herangehensweise leitet, um allen Kindern tatsächlich gerecht zu werden, auch und gerade, wenn sie besondere Schwierigkeiten haben. Wir wollen - das ist auch enthalten in unserem Gesetzentwurf - die Stärkung der Elternbeiräte. Wir wollen eine Verbes

serung der räumlichen Ausstattung. Wir wollen eine Verbesserung des Personalschlüssels, insbesondere bei den Kleinsten, und wir wollen die Stärkung der Fachberatung.

Zur Aufhebung des Thüringer Erziehungsgeldgesetzes, weil auch das angesprochen wurde: Ich möchte noch einmal erinnern, bis 2005 gab es in Thüringen eine andere Praxis. Es gab das Landeserziehungsgeld und es gab genauso auch die Möglichkeit, das Kind dennoch für 19 Stunden in eine Kindertagesstätte zu geben ohne finanzielle Abstriche. In unserem Entwurf vom Volksbegehren, das ist ja der Volksbegehrensentwurf, haben wir dieses nur gestrichen, um den vorgegebenen finanziellen Rahmenbedingungen zu genügen und nicht wieder Gefahr zu laufen, wie es in der letzten Legislatur leider üblich war, vor einem Gericht zu landen mit dem Volksbegehren, weil dann wieder darüber diskutiert würde, ob dieses überhaupt zulässig ist, da es entsprechend in den Haushalt eingreift.

Ich möchte noch einen Punkt benennen, der mir sehr wichtig ist. Es wurde eben über das Landeserziehungsgeld und auch das geplante Betreuungsgeld gesprochen. Einige von Ihnen sind hier gut vernetzt im wahrsten Sinne des Wortes, wenn Sie jetzt auf Spiegel-online gehen, im Moment können Sie dort nachlesen, dass sich Frau Ursula von der Leyen ganz klar gegen das geplante Betreuungsgeld ausspricht, und zwar sagt sie: „Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien drohen mit dem Betreuungsgeld bei der Bildung außen vor zu bleiben.“ Ich möchte das einfach einmal so stehen lassen. Deswegen möchten wir Sie bitten, dass Sie sich im Sinne der Sache - denn, ich glaube, unterm Strich sind wir uns einig, wenn wir uns den Bildungsplan anschauen - diesem Gesetzentwurf anschließen, der aus der Mitte der Eltern entstanden ist; ein, wie ich finde, gutes, wichtiges und demokratisches Signal.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für unsere Fraktion beantrage ich die Überweisung dieses Gesetzesentwurfs an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur, an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, an den Haushalts- und Finanzausschuss, selbstverständlich auch an den Gleichstellungsausschuss und an den Innenausschuss. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Seitens der Landesregierung gibt es offensichtlich kein Bedürfnis, zum Tagesordnungspunkt zu sprechen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Aus- sage ist auch eine Aussage.)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Emde jetzt zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Abgeordnetenkollegen, ich will ein paar Worte erwidern, insbesondere zu den Aussagen der Fraktion DIE LINKE, die hier diesen Gesetzentwurf vorlegt. Ich will mich durchaus auch auf die Realitäten in Thüringen beziehen und das ist eben auch Wille der Bevölkerung, dass wir schon Realitäten geschaffen haben. Frau Jung, da bin ich bei den Punkten, die Sie auch einmal mit ansprechen dürfen. Wir haben in Thüringen eine der höchsten Betreuungsdichten, Betreuungsquoten für Kinder in Kindergärten in ganz Deutschland.

(Beifall CDU)

Wir haben eine Wahlfreiheit. Eltern können sich aussuchen, in welchen Kindergarten sie ihr Kind bringen möchten, je nach den Bedürfnissen der Familie. Wir haben mit die längsten Betreuungszeiten für die Kinder in Thüringen.

(Beifall CDU)

Wir haben mit den höchsten Anteil an qualifizierten Fachkräften, die diese Kinder dann in den Kindertagesstätten betreuen. Wir haben bundesweit mit die niedrigsten Elternbeiträge. Das alles kann sich sehen lassen.

(Beifall CDU)

Das alles kostet das Land, aber auch insbesondere die Kommunen sehr viel Geld. Wir nehmen dieses Geld sehr gern in die Hand, denn uns ist es wichtig, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Wir treten dafür ein, dass es auch in unseren Kindergärten ein Bildungs- und Erziehungsniveau gibt, das unseren hohen Ansprüchen Rechnung trägt.

Die CDU-Fraktion hat - wie andere natürlich auch schon lange erkannt, dass es auch noch Entwicklungsfelder in diesem Bereich gibt. Da ist zu allererst die Betreuungsrelation für die kleineren Kinder

im Kindergarten zu nennen, die muss verbessert werden. Das haben wir auch schon lange angekündigt und wird im Einklang mit der SPD-Fraktion jetzt angegriffen; so ist es im Koalitionsvertrag festgehalten. Es ist klar, dass man dazu auch neue und gut qualifizierte Erzieherinnen einstellen muss.

Hier ein Wort zum Bildungsplan für Kinder bis 10, um das noch mal ganz klar zu sagen: Dieser Bildungsplan für Kinder bis 10 ist deswegen entstanden, weil die CDU-Fraktion und die CDU-geführte Landesregierung das in Angriff genommen hat, diesen modernen Weg zu beschreiten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war doch auch Ihr Job.)

(Beifall CDU)

Ja, natürlich ist das unser Job. Es gibt auch Länder, die diesen Weg noch lange nicht gehen. Ich will das deswegen sagen, weil ich das schon für zukunftsweisend halte, dass man die Institutionen Kindergarten und Grundschule übergreifend im Bildungsplan abbildet. Wir sind uns einig, dass es gilt, Bildungspläne fortzuschreiben bis an das Ende des institutionellen Lernens. Aber diese Dinge brauchen Zeit. Wir sind jetzt an dem Stand angekommen, dass dieser Bildungsplan in den Kindergärten und Grundschulen bekannt ist und dass er jetzt in die Phase treten muss, wo er jeden Tag in der Arbeitspraxis umgesetzt wird. Dazu bedarf es natürlich auch noch einer Weiterentwicklung der Fachaufsicht, aber unter anderem auch der pädagogischen Qualifizierung. Das alles muss sich in der Kindergartenpolitik niederschlagen und muss natürlich auch Bestandteil des neuen Gesetzes werden. Wir werden uns dabei nicht zur Eile treiben lassen.

Ein Wort zum Landeserziehungsgeld: Das Landeserziehungsgeld ist ein ganz wichtiger Bestandteil von guter Politik für Familie und guter Politik für frühkindliche Bildung. Deswegen wird das Landeserziehungsgeld fortgeführt und bleibt im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld unseren Familien erhalten.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, nun noch mal zum Zeitplan: Es ist wohl allen klar, dass wir nicht ewig Zeit haben, denn wir wollen ja gemeinsam mit dem Trägerkreis die neue Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, aber auch im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden, denn das sind diejenigen, die in Verantwortung sind, diese Dinge vor Ort umzusetzen. Insofern werden wir dem Willen vieler Menschen in diesem Lande nachkommen und Verbesserungen im Kindergartenbereich erzielen. Wir

werden dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, der unsere Spitzenposition in diesem Bereich noch ausbaut.

(Beifall CDU)

Minister Matschie hat jetzt eine Redeanmeldung angezeigt. Bitte, Herr Minister

Frau Präsidentin, meine werten Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil hier einige aus der Opposition den Eindruck erweckt haben, die SPD steht nicht mehr zu dem Vorhaben, das Volksbegehren jetzt auch in praktische Politik umzusetzen.

Wir haben eine klare Vereinbarung in der Koalition getroffen, dass wir die Anliegen des Volksbegehrens aufgreifen, dass wir sie zum nächsten Kindergartenjahr umsetzen. Das werden wir auch so in Angriff nehmen. Wir haben auch schon ein erstes Gespräch mit Vertretern des Volksbegehrens geführt. Der Fraktionsvorsitzende Herr Mohring war dabei, ich war damals noch in meiner Funktion als Fraktionsvorsitzender in diesem Gespräch. Dort gab es eine klare Vereinbarung, dass wir über die Fraktionen von SPD und CDU einen entsprechenden Gesetzentwurf hier im Landtag einbringen. Wir reden über diesen Gesetzentwurf mit den Beteiligten aus dem Volksbegehren. Da wird noch mal in einzelnen Punkten zu prüfen sein: Gibt es da rechtliche Problematiken, die noch nicht ausreichend berücksichtigt worden sind? Gibt es noch technische Fragen, die geklärt werden müssen? Das Ziel ist ganz klar, rechtzeitig zu einer Entscheidung zu kommen, so dass die Initiatoren des Volksbegehrens wissen, ob sie mit der Unterschriftensammlung starten müssen oder nicht. Unser Ziel ist dabei klar, wir wollen die Ziele aufgreifen, wir wollen sie umsetzen, wir wollen bessere frühkindliche Bildung in den nächsten Jahren durchsetzen und ich hoffe, Sie unterstützen uns auf diesem Weg. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung? Frau RotheBeinlich, Sie wollten eine Frage stellen? Herr Minister, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich wollte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie diese? Er gestattet das und Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete.

Herr Matschie, ich frage Sie, in welchen Kompetenzbereich wird die Erarbeitung des Gesetzes fallen, in den Bereich des Kultusministers - es geht ja um die Umsetzung des Bildungsplanes - oder aber federführend in den Sozialbereich?

Ich habe eben deutlich gemacht, Frau Kollegin, dass die Fraktionen den Gesetzentwurf in das Parlament einbringen. Selbstverständlich wird das Ministerium diese Arbeit fachlich begleiten und beraten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Welches?)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Na seins, welches sonst?)

Mein Ministerium.

Ich sehe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen und schließe demzufolge die Aussprache.

Es sind auch hier viele Ausschussüberweisungsanträge gestellt worden. Wir beginnen mit dem ersten Antrag, Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wer diesem folgt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen. Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Gibt es auch keine. Einstimmig ist diese Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur erfolgt.

Wer der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen. Gibt es keine. Stimmenthaltungen? Gibt es auch keine. Die Überweisung ist einstimmig erfolgt.

Wer der Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage jetzt nach den Gegenstimmen. Die gibt es nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es auch nicht. Auch diese Überweisung ist einstimmig erfolgt.