Protocol of the Session on November 20, 2009

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie ruhig erst einmal zu, bevor Sie noch schreien. Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen, ich bin Gesellschafter eines Büros, das meine Frau leitet als Diplomingenieurin.

(Beifall CDU, FDP)

Ich bin sehr wohl dafür, dass sich Frauen in technischen Berufen frei entfalten können, wo immer sie das wollen. Sie dazu zu zwingen, ist der falsche Weg. Wer den Menschen helfen will, setzt sich dafür ein, dass sie den Rücken und den Kopf frei haben für ihre eigentliche Arbeit, anstatt durch immer neue, immer unsinnigere Vorschriften davon abgehalten zu werden. Anstatt sich für die kleinen und mittelständischen Unternehmen einzusetzen, erreichen Sie genau das Gegenteil, meine Damen und Herren. Obendrein haben Sie wenig im Angebot, was nicht längst hinreichend geregelt wäre.

Kommen wir auf einige Beispiele: Ich beschränke mich dabei mit Blick auf die begrenzte Redezeit im Wesentlichen auf den Bereich der VOB, die VOL enthält bereits ähnliche Festlegungen. Bereits heute sieht es in der Praxis so aus, dass sehr wenig Zeit für das Vergabeverfahren zur Verfügung steht. Auf dem Bau beispielsweise werden Fördermittelbescheide oft erst spät ausgereicht bei zugleich sehr sportlicher Terminkette. Daraus resultiert oft der Ansatz sehr kurzer Angebotsphasen und die Auftraggeber lassen dem planenden und ausschreibenden Inge

nieurbüro kaum Zeit zur Angebotsauswertung. Das hier ist eine ganz klitzekleine Ausschreibung von nur 600 m ländlichen Wegebaus. Wenn Sie Glück haben, haben Sie 15, 20 Bieter und dann müssen Sie das erst einmal auswerten.

(Beifall FDP)

Das bedeutet höchste Anspannung, konzentrierte Arbeit unter extremem Zeitdruck. Jetzt kommen Sie und wollen zusätzlich, dass unter anderem im Vergabeverfahren zusätzlich die Einhaltung der ILOKernarbeitsnormen durch Nachweise oder Beibringen einer entsprechenden Erklärung belegt wird. Jetzt wollen Sie, dass Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten, einen Frauenförderplan vorlegen müssen. Ich sage Ihnen mal, was Sie damit erreichen. Wenn jemand einen Betrieb führt mit 23 Leuten, entlässt der vier, dann haben Sie aber was gekonnt.

(Beifall CDU, FDP)

Sie überfrachten das dann noch damit, indem dann geprüft wird, ob das Unternehmen Lehrlinge ausgebildet hat, die Zahlung von Mindestlöhnen überprüft wird. Wissen Sie eigentlich, dass beispielsweise nach VOB/A § 19 die Zuschlags- und Bindefrist 30 Tage nicht überschreiten darf? Wissen Sie, dass in vielen Fällen Fördermittelbehörden vor dem Vergabebeschluss den Vergabevorschlag zur Prüfung vorgelegt bekommen müssen? Wissen Sie, dass Auftraggeber bei der Vergabe nach Ablauf der Bindefrist auf den guten Willen der Bieter angewiesen sind? Wissen Sie, dass Bieter bei aufgehobener Ausschreibung durchaus Schadenersatz geltend machen können?

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Ja.)

Nebenbei gesagt, finde ich es interessant, wie Sie dem Entwurf der LINKEN zustimmen. Das ist spannend.

Sie überfrachten Ihren Gesetzentwurf reihenweise mit Inhalten, die längst schon mit höherem Recht geregelt sind. So beinhaltet beispielsweise die VOB/A § 4 längst die losweise Vergabe ebenso wie das GWB § 97 und bislang auch die Vergabemittelstandsrichtlinie. Bereits jetzt ist es üblich, bei wesentlichen Einheitspreisen, die mehr als 10 Prozent abweichen vom Bieter, nach VOB/A § 24 eine Aufklärung über die Angemessenheit der Einheitspreise zu verlangen. Dann die Forderung, in den Gesetzentwurf zu schreiben, bei mehr als 10 Prozent Unterschreitung des nächsten Bieters die komplette Kalkulation zu überprüfen, zeigt mir, dass Sie keine richtige Vorstellung davon haben, was für ein Zeit- und Arbeitsaufwand damit verbunden ist, abgesehen davon, dass die Lieferpreise in der Kalkulation ja durchaus ein schützenswertes Gut sind.

(Beifall CDU, FDP)

Dieser Kontrollaufwand, den Sie generieren, ist von den derzeitigen Bauverwaltungen vor allem auf kommunaler Ebene weder quantitativ noch qualitativ zu schultern. Das lässt bereits jetzt den Versuch ahnen, diese Leistungen dem beauftragten Ingenieurbüro aufs Auge zu drücken, natürlich ohne eine ordentliche Bezahlung und natürlich ohne, dass die überhaupt in der Lage sind, die fachlichen und personellen Voraussetzungen herbeizubringen. Besonders toll wird es dann, wenn Sie erwarten, dass im Vergabeverfahren die Lohnabrechnungen der Bieter überprüft werden. Geradezu grotesk wird es, alternativ die Abgabe von schriftlichen Erklärungen über die Einhaltung von Gesetzen zu fordern. Das, meine Damen und Herren, ist alter Wein in neuen Schläuchen. Das hatten wir bereits in Thüringen vor einigen Jahren, dass mit jeder Ausschreibung eine Mindestlohnerklärung abverlangt worden ist und das ist aus gutem Grund auch wieder abgeschafft worden,

(Beifall FDP)

weil nämlich diese Mindestlohnerklärungen, die keiner wirklich überprüfen kann in der Zeit eines Vergabeverfahrens, nichts weiter sind als ein nicht prüfbares Stück Papier.

Sie sagen, kleine Unternehmen fördern zu wollen und sorgen ganz im Gegenteil etwa mit Ihren Festlegungen zur Lehrausbildung oder zur Frauenförderung dafür, dass der kleine, neu gegründete Klempnerbetrieb noch nicht einmal die Heizung vom kommunalen Kindergarten bauen kann, wenn ein größerer Betrieb bei gleicher fachlicher Eignung die genannten Voraussetzungen erfüllt. Dem kleinen Unternehmen geben Sie so von vornherein keine Chance.

(Beifall CDU, FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzentwurf ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Lassen Sie ihn uns gemeinsam aus dem Verkehr ziehen, damit tun wir etwas für die Umwelt. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP)

Der Abgeordnete Kuschel wollte Ihnen jetzt Fragen stellen.

Sofort, Herr Kuschel. Ich möchte noch die Überweisung an die Ausschüsse beantragen, nämlich Innenausschuss, Ausschuss für Bau, Landesentwicklung

und Verkehr und Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wir beantragen die Federführung im Innenausschuss.

Also, zusätzlich ist der Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr noch beantragt worden. Soweit zur „Beerdigung“ des Antrags.

Abgeordneter Kuschel, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Anfrage zu stellen.

Danke, Frau Präsidentin. Es sind zwei Anfragen.

Gestatten Sie zwei Anfragen?

Ja, selbstverständlich.

Sie stellen sie gleich hintereinander, ja?

Ja. Zunächst danke für diesen Exkurs in das neoliberale Wirtschaftskonzept. Können Sie mir erklären, weshalb gerade Verbände von freien Berufen und Berufsverbände, die der FDP sehr nahe stehen, sich jeglicher Entbürokratisierung im Bereich des Vergaberechts bisher verweigert haben? Ich erinnere dabei an die Diskussion zur HOAI, zur Thüringer Bauordnung, zur Rechtsanwaltsverordnung bzw. zum Rechtsberatungsgesetz oder zu dem Schornsteinfegerprivileg? Jeder Versuch von Politik, dort eine Entbürokratisierung zu ermöglichen, hat die FDP verhindert.

Zweitens: Würden Sie mir recht geben, dass die Verschärfung des Vergaberechts, und zwar im Interesse von Großunternehmen, insbesondere im Zeitraum 1982 bis 1998 erfolgte, als CDU und FDP die Bundesregierung stellte. Wie erklären Sie in dem Zusammenhang Ihre heutigen Ausführungen? Danke.

Zunächst einmal können wir uns gern über Neoliberalismus unterhalten, aber das machen wir mal bei anderer Gelegenheit.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: War das jetzt eine Einladung?)

Fakt ist, dass das, was ich Ihnen geboten habe, ein Exkurs in 18 Jahre Berufserfahrung gewesen ist, Herr Kuschel.

Die Frage, warum sich Verbände an welcher Stelle wie positionieren, richten Sie bitte an die Verbände. Es war keine Position der FDP, die dort zur Debatte stand.

(Beifall FDP)

Es gibt keine weiteren Anfragen. Die Reihe der Redemeldungen aus den Abgeordnetenreihen ist damit erst einmal zu Ende. Für die Landesregierung Minister Machnig bitte.

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde mich dann zum Schluss meiner Rede damit intensiver auseinandersetzen, ich bin noch nicht lange im Thüringer Landtag, aber die letzte Rede war eine der intellektuellen Sternstunden, die ich gehört habe,

(Beifall SPD)

und deswegen werde ich am Ende darauf noch einmal zurückkommen.

Wir beraten heute ein wichtiges Anliegen, nämlich ein Anliegen, bei dem es um folgende Frage geht: Welche Regeln braucht eine Marktwirtschaft und welche Regeln braucht insbesondere eine Marktwirtschaft, die für sich den Anspruch erhebt, soziale Marktwirtschaft zu sein?

(Beifall SPD)

Lassen Sie mich zum Anfang eines ganz klar sagen, eine soziale Marktwirtschaft muss eines verhindern, sie muss verhindern, dass es Dumpingwettbewerbe gibt, Dumpingwettbewerbe

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zulasten von Löhnen, zulasten von Qualität, zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist das Prinzip von sozialer Marktwirtschaft. Und wer soziale Marktwirtschaft will, der muss dafür sorgen, dass es einen intelligenten, unbürokratischen, nachhaltigen Ordnungsrahmen gibt.

Und wenn eine Partei, die zwei Programmpunkte hat, nämlich Steuersenkungen und Bürokratieabbau, und in jeder Sitzung des Landtags oder des Bundestags immer 100 Prozent ihres Programms vorträgt, weil, mehr ist da nicht, dann trägt das nicht zur intellektuellen Klarheit bei.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich, Vergabe ist ein wichtiges Thema, weil sie ein Ordnungsprinzip in einer sozialen Marktwirtschaft ist.

Jetzt habe ich mich mit der FDP auseinandergesetzt, jetzt will ich mich auch eine Sekunde mit dem Antragsteller auseinandersetzen.