Protocol of the Session on March 24, 2011

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2 in den Teilen

a) Thüringer Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbauund Abwasserbeiträge Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE - Drucksache 5/1413 - korrigierte Neufassung dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/2453

ZWEITE BERATUNG

b) Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/1759 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/2433

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/2447

ZWEITE BERATUNG

Frau Holbe aus dem Innenausschuss erhält zunächst das Wort zur Berichterstattung zu beiden Tagesordnungspunkten 2 a und 2 b.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor so leeren Reihen habe ich, glaube ich, noch gar nicht gesprochen, aber ich will es dennoch tun.

Mit der Drucksache 5/1413 brachten die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die DIE LINKE am 1. September 2010 einen Gesetzentwurf ein, und zwar Abschaffung der Straßenausbau- und Abwas

serbeiträge, ein Änderungsgesetz zum Thüringer Kommunalabgabengesetz. Kernpunkt dieses Entwurfs ist es, die bislang praktizierte Erhebung von Beiträgen durch die Gemeinden gegenüber den Grundstückseigentümern durch die Einführung einer Infrastrukturabgabe abzulösen. Weitere inhaltliche Punkte betreffen Neuregelungen zu den Informationspflichten und damit Änderungen des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes und der Thüringer Kommunalordnung. In der Plenarsitzung vom 9. September 2010 fand die erste Beratung zu diesem Gesetzentwurf statt und dann wurde federführend der Innenausschuss damit beauftragt sowie begleitend der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.

Die erste Behandlung erfolgte im Innenausschuss am 01.10.2010. Hier wurde eine schriftliche Anhörung beschlossen. Die Thüringer Landesregierung brachte am 2. November 2010 mit Drucksache 5/ 1759 einen Gesetzentwurf ein, der Änderungen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vorsieht. Dieser Gesetzentwurf wurde in der Plenarsitzung am 11. November 2010 erstmals beraten und an den Innenausschuss überwiesen. Hier fand die erste Ausschussbehandlung am 03.12.2010 statt, in der die schriftliche Anhörung beschlossen wurde und die Anzuhörenden benannt wurden. Es wurde entschieden, beide Gesetzentwürfe gemeinsam zu beraten. Die schriftliche Anhörung zu den oben genannten Drucksachen wurde dann gemeinsam veranlasst. Es wurden die beiden Thüringer Spitzenverbände, mehrere Bürgerinitiativen, Verbände von Grundstückseigentümern, Professoren wie Prof. Dr. Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität, Prof. Dr. Driehaus vom Bundesverband für Wohn- und Stadtentwicklung sowie der Bund der Steuerzahler zu Stellungnahmen gebeten, die abgegeben worden sind.

Der Innenausschuss beschloss in seiner Sitzung am 18. Februar 2011, die Landtagsverwaltung mit der Erstellung einer Synopse hinsichtlich der im Rahmen der schriftlichen Anhörung zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Stellungnahmen zu beauftragen. In der Innenausschuss-Sitzung am 18. März 2011 wurden beide Gesetzentwürfe beraten, die Synopse wurde herangezogen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist aber sehr übertrieben. Die Regierungs- fraktionen haben geschwiegen, da ist nichts beraten worden.)

Die weitere Behandlung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde heute Morgen im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten mitberaten und mehrheitlich abgelehnt. Ihnen liegt nunmehr die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 5/2433 zur heutigen Plenarbehandlung vor. Danke schön.

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

(Beifall CDU)

Ich eröffne die Aussprache gemeinsam zu beiden Punkten und rufe zuerst für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Hey auf.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuschel, wir haben heute über die zweifellos schwierige Frage zu beraten, wie es denn mit dem Problem der Straßenausbaubeiträge in Thüringen weitergeht. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Abgeordnetenbänke etwas voller sind, aber diese Diskussion, das zeigt es ja heute, ist nicht neu, wir haben vor einigen Monaten bereits im Plenum über dieses Problem gesprochen, ich glaube, erstmalig auch im September, als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE Ihren Gesetzentwurf hier eingebracht haben. Was ich zunächst einmal mit Erstaunen feststellen muss am heutigen Tage, also am 24. März, was die Ausformulierung des Gesetzentwurfs betrifft, Herr Adams und Herr Kuschel, hat sich bis zum heutigen Tage überhaupt nichts geändert.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was richtig ist, kann so bleiben.)

Ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Ich will nämlich zunächst einmal voranstellen, dass ich das bürgerschaftliche Engagement aller Vereine und Verbände und auch der Initiativen sehr schätze, die sich in den letzten gut zwei Jahrzehnten für eine Änderung der rechtlichen Situation in Thüringen eingebracht haben, was das Thema Straßenausbaubeitragsrecht betrifft. Ich weiß, dass Sie das vielleicht verwundert, ich bin ja Mitglied der SPD und bei einigen von Ihnen deswegen sowieso immer an allem schuld und ich habe auch eine vielleicht etwas andere Auffassung als die Bürgerallianz bei diesem Thema. Aber ich muss ja nicht unbedingt einer Meinung sein, wenn es um Gebühren und Beiträge geht, sondern ich habe großen Respekt vor diesen Menschen, die da vor dem Landtag auch gestern wieder demonstriert haben, die das seit mehr als zwei Jahrzehnten tun, und ich weiß aus Einzelgesprächen, es ist ja so, dass viele mich auch anrufen und sagen: Sie sind ja Vorsitzender des Innenausschusses - da wird manchmal verwechselt, ich mach ja nicht die Gesetze, auch wenn ich Vorsitzender eines Ausschusses bin, das muss ich dann immer geduldig erklären, aber es gibt viele Leute die an mich herantreten und die mit mir über dieses Thema reden. Ich weiß, dass mittlerweile viele resigniert haben, dass viele müde sind um weiterzumachen. Es gibt ja etliche, die seit fast zwei Jahrzehnten mit dabei sind, manche sind dazugekommen, manche sind immer noch bei diesem Thema, aber manche sind mittlerweile auch

ausgestiegen. Als ich gestern gesehen habe, dass wir schätzungsweise 150 bis 200 Leute nur vor dem Landtag zu diesem doch sehr brisanten Thema hatten, ich denke, vor rund zehn Jahren - da erzähle ich nichts Neues - hätten Sie an diese Teilnehmerzahl noch eine Null anhängen können. Wenn ich auch eine ganz andere Auffassung über die Regelung dieses Problems habe, kann ich doch immer nur sagen, dass ich vor solchen Leuten den Hut ziehe, die seit mehr als zwei Jahrzehnten für eine bestimmte Sache sehr engagiert eintreten. Die Landesregierung hat nun einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, den ich - das habe ich auch gestern versucht darzustellen - zumindest in Ansätzen als einen Kompromiss betrachte zwischen dem Anliegen z.B. eben dieser Bürgerallianz, die gestern zu dieser Demonstration aufrief und der bisherigen Rechtsauffassung des Gesetzgebers. Unser damaliger Innenminister Herr Huber hat versucht, das bestehende Recht aus meiner Sicht sehr liberal auszulegen. Vielleicht verfolgt er ja heute noch diese Debatte, dann herzliche Grüße nach Karlsruhe oder München, je nachdem, wo er sich gerade aufhält.

Es soll demnach möglich sein, wenn wir auf den Gesetzentwurf der Landesregierung abstellen, dass Kommunen aufgrund ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit oder, ich sage es mal sehr salopp, nach ihrer Kassenlage die Höhe der Beiträge abmildern können. Es wird auch klargestellt, dass es möglich ist, wiederkehrende und einmalige Beiträge nebeneinander in einer Kommune zu erheben. Herr Kuschel, das kann ja sehr wichtig sein, wenn es z.B. um Gemeindezusammenschlüsse geht, weil es ja im Moment zumindest so sein kann, dass in den einzelnen Gemeindeteilen, die sich dann später zusammenschließen, unterschiedliche Verfahrensweisen angewendet werden. Dann ist es ja gar nicht mal so dumm, das so zu regeln. Ich denke, wenn es um Gemeindezusammenschlüsse geht, Herr Kuschel und Herr Adams, da sind wir ja manchmal gar nicht so weit auseinander. Das ist schon mal clever, das so in den Gesetzentwurf mit einzubringen.

Es wird weiter klargestellt, dass die Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen vier Jahre nach Ende der Maßnahme zu beschließen ist und nicht bis ultimo zurückgerechnet. Es wird auch geregelt, dass die Kleingärtner Thüringens hier eine sehr großzügige Stundungsregelung in Anspruch nehmen können. Das wird hier noch einmal präzisiert. Ich denke, das ist auch dankenswerterweise hier mit geregelt. Sie werden jetzt sagen, Herr Kuschel und Herr Adams, das ist nach wie vor trotzdem alles unsozial und ungerecht und der Gesetzentwurf ist schlecht und zu wenig. Sie verweisen dann immer auf Ihren eigenen Gesetzentwurf.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Richtig, Ihr Gesetzentwurf ist ungerecht und unsozial.)

(Abg. Holbe)

Sie müssen schneller dazwischenrufen, Herr Kuschel, sonst kommt das nicht ins Protokoll.

Ihr eigener Gesetzentwurf ist so eine Art Gegenentwurf, um das mal so zu nennen, oder eine Alternative. Ich muss Ihnen sagen, Herr Kuschel und Herr Adams, dass mir eine Sache an diesem Gesetzentwurf wirklich gefällt. Es steht für Thüringen die Frage, wer denn zukünftig für unsere Straße und unsere Infrastruktur zahlen soll. Da gibt es die einen, die sagen, die Straßenausbaubeiträge sollen möglichst abgeschafft werden, das soll die Allgemeinheit tragen oder die Kommune oder der Steuerzahler oder wie auch immer. Es gibt die andere Seite, die sagt, um diese beiden Pole mal darzustellen, dass das Ganze immer von jenem mit zu leisten ist, der diesen besonderen Vorteil von seinem Grundstück, an der die jeweilige Straße anliegt, hat. Über diesen Begriff des Vorteils haben wir uns auch hier im Landtag bereits trefflich ausgetauscht. Das sind so diese beiden gegensätzlichen Meinungen. Was mir gefällt, ist die Tatsache, Herr Kuschel und Herr Adams, dass Sie sich bei Ihrem Gesetzentwurf tatsächlich Gedanken gemacht haben, wer oder vor allen Dingen wie das Ganze gezahlt werden soll. Das ist aber auch schon meine einzige Freude gewesen beim Durchlesen. Die hat aber nicht lange angedauert, ich komme gleich darauf zurück. Sie sagen, das Ganze soll finanziert werden durch diese sogenannte Infrastrukturabgabe, so haben Sie das genannt. Die soll quasi auf alle umgelegt werden. Sie haben dieses Modell hier vorgestellt und auch verteidigt und das nicht nur hier. Ich habe miterlebt, wie das gestern vor dem Landtag wieder abgelaufen ist oder auch in einzelnen Gesprächen mit den Bürgerinitiativen draußen im Land. Bei mir im Landkreis Gotha gibt es eine Bürgerinitiative, die hat über 3.000 Mitglieder, da gab es auch immer mal so Versammlungen. Ich habe damals im September schon gesagt - Herr Adams, Sie erinnern sich vielleicht -, dass ich meine Zweifel habe, ob das, was Sie da hineingeschrieben haben, überhaupt so geht. Nach der Anhörung, die wir im Innenausschuss hatten - da gab es viele Experten, die sich auch zu diesem Gesetzentwurf von Ihnen, den Bündnisgrünen und den LINKEN geäußert haben -, haben sich meine Zweifel eher noch verstärkt, sie sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Der wunde Punkt an Ihrem Gesetzentwurf ist eben diese Infrastrukturabgabe und die hat den Charakter einer Steuer. Wenn diese Infrastrukturabgabe eine Steuer ist, darauf sind wir oft genug eingegangen, dann verstößt dieser Gesetzentwurf gegen geltendes Recht, weil Sie wissen, dass die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt und der sich das nicht nehmen lassen will und es auch nicht zulässt, dass es in einzelnen Ländern bestimmte Steuern gibt, die erfunden, einfach eingeführt oder abgeschafft werden. Das ist also gar nicht möglich. Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Dingen, die ich damals auch schon im September be

mängelt habe bei Einbringung Ihres Gesetzentwurfs, zum Beispiel die Tatsache, ob diese Infrastrukturabgabe auch die Steuerbefreiung des Grundsteuergesetzes berücksichtigt oder nicht und wenn ja, wie.

Um das mal zu präzisieren: Im Moment sind Gebietskörperschaften, Kirchen und religiöse Gemeinschaften, Grundstücke, die für Bereitschaftsunterkünfte, also für Krankenhäuser, Pflegeheime, Altenheime, Kinderheime genutzt werden, Grundstücke von Universitäten und von Schulen grundsteuerbefreit. Was ist mit denen? Das hatte ich damals gefragt. Das haben Sie vergessen zu regeln oder es war nicht wichtig genug. Ich weiß es nicht. Aber wenn wir alle diese Kritikpunkte, die ich heute auch nicht noch einmal aufzählen will, wir können diese im Protokoll nachlesen, mal beiseite schieben, dann stellt sich immer noch die zentrale Frage, Herr Kuschel: Wenn Sie hier eine Lösungsmöglichkeit vorschlagen und die Finanzierung dieser Lösungsmöglichkeit ist verfassungswidrig, wie viel taugt dann Ihr Gesetzentwurf noch?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Woher wissen Sie denn das mit der Verfassungswidrigkeit?)

Wissen Sie, Herr Adams, das ist ganz interessant, wenn Sie die Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf sehr genau mit verfolgt haben und die schriftlichen Stellungnahmen: Ich sage Ihnen aus dem Hut heraus schon mal vier Expertenmeinungen, die eingegangen sind, vielleicht haben Sie sie überlesen: Der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sagt, das, was Sie wollen, Herr Adams und Herr Kuschel, geht nicht. Der Deutsche Mieterbund sagt, das, was Sie da einführen wollen, ist eine Steuer, das geht gar nicht. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer sagt, Herr Adams und Herr Kuschel, Sie sind auf einem Holzweg. Der Gemeinde- und Städtebund sagt, wir haben erhebliche Zweifel, ob so was überhaupt rechtlich durchführbar ist. Herr Kuschel, selbst der Juristische Dienst hier im Hause, den Sie beauftragt haben, sagt, das, was Sie da wollen, ist überhaupt nicht rechtlich möglich. Daher weiß ich das, Herr Adams. Ich finde es schon ziemlich bemerkenswert, wenn Sie so eine Zwischenfrage stellen. Es war zwar keine Zwischenfrage, sondern ein Zwischenruf, okay.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Es gab also viele Anzuhörende, die diesen wunden Punkt hier angesprochen haben. Das wissen Sie. Was passiert heute, frage ich Sie? Wir haben uns im September das erste Mal über diesen Gesetzentwurf unterhalten. Wir haben jetzt den 24. März, das ist mehr als ein halbes Jahr später. Was passiert heute, frage ich Sie? Nichts, gar nichts. Sie lassen diesen Gesetzentwurf trotz der Zweifel, die auch von den Experten geäußert wurden, einfach so auf dem Tisch liegen. Man hätte jetzt annehmen

können, dass Sie sagen, da müssen wir wahrscheinlich an diesem einen zentralen Punkt in irgendeiner Form noch ein bisschen rumdrehen, damit der auch Chancen hat, hier durch das Parlament zu gehen. Aber es passiert nichts. Der liegt hier auf unseren Tischen, aus dem Gesetzesentwurf der Landesregierung machen Sie Frikassee, das ist klar. Draußen bei den Menschen - und das ist das, was mich so verbittert, das sind Leute, die sich seit zwei Jahrzehnten für geänderte Rechtsverhältnisse einsetzen - erzählen Sie noch vollmundig auch gestern wieder, Sie hätten die Lösung des Problems gefunden. Ich zitiere Herrn Kuschel aus einem Pressespiegel von gestern, der sagt: „Unser Vorschlag würde die unendliche Leidensgeschichte der Straßenausbaubeiträge beenden und den Gemeinden

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

eine bürgerfreundliche Alternative bieten.“ Ich sage Ihnen eines, Herr Adams und Herr Kuschel: Mit einer Lösung dieses Problems, das die Leute landauf und landab beschäftigt, hat Ihr Gesetzentwurf so viel zu tun wie der IKEA-Katalog mit Schweden. Ich habe auch die ganzen Wochen gerätselt, warum Sie sich nicht bewegt haben bei Ihrem Gesetzentwurf. Man hätte nun sagen können, ein halbes Jahr Zeit ist ausreichend, in der die Opposition etwas hätte machen können. Ich nehme an, Sie haben gar keine andere Lösung, Sie haben gar keine andere Idee. Oder - Herr Kuschel und Herr Adams, dafür gibt es in dieser Debatte auch noch Gelegenheit - Sie gehen jetzt nach mir hier vor an dieses Pult und sagen, Herr Hey, alles Unsinn, hier ist die Meinung von Fachexperten und von Steuerspezialisten und die sagt, Infrastrukturabgabe rechtlich einwandfrei und sauber. Aber das können Sie nicht, stattdessen - deshalb komme ich so richtig in Fahrt - bekräftigen Sie die Menschen, die hier demonstrieren, noch in ihrer Auffassung und befeuern das fleißig und sagen, wir haben eine echte Alternative, die ist bürgerfreundlich. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Sie widersprechen auch nicht den vielen Menschen draußen oder beraten sie nicht richtig, wenn es darum geht, jetzt ein Volksbegehren auf den Weg zu bringen, wie ich es schon über die Ticker habe lesen müssen. Wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung hier angenommen wird, ist gesagt worden, dann werden wir ein Volksbegehren starten. Da gab es gestern auch keinerlei Widersprüche von Ihnen. Das Wesen dieser Demonstration gestern Herr Adams, da muss ich sagen, das hat mich sehr enttäuscht - war ohnehin - ich will es mal so formulieren - ich bin gestern mehrfach als Volksverräter betitelt worden. Sie waren ja persönlich dabei, haben das alles miterlebt. Es waren Trillerpfeifen mit, das ist alles legitim. Auch dass man große Plakate umhängt und den Beruf eines Pfarrers diskriminiert,

alles okay, mag ja so sein. Aber, Herr Kuschel, wenn Sie Veranstaltungsleiter sind, der Herr Geibert hat es auch mitgehört, und dann so Vorwürfe kommen wie, das, was CDU und SPD heute hier wollen, das ist noch schlimmer als das, was die Kommunisten früher gemacht haben, da muss ich Ihnen sagen, in meinem eigenen Erleben der Geschichte meiner Partei, der SPD, was in der Nachkriegszeit mit den Kommunisten passiert ist und so in Vergleich zu stellen, da stehen Sie dahinter. Dann gab es einen Mann - das kommt noch dazu -, der stand eineinhalb Meter links vor Ihnen, Herr Adams, der hat wörtlich zu mir ins Gesicht gesagt: Sie gehören abgeurteilt. Sie gehören abgeurteilt das haben Sie genauso gehört, Herr Geibert auch. Ich bin froh, dass das Wort „standrechtlich“ nicht noch mit dazugenommen wurde. Aber, ich denke, Herr Kuschel, egal wie hoch die Emotionen

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie sind aber sehr sensibel.)

bei so einem Thema aufschlagen, wenn Sie Versammlungsleiter sind und Sie, Herr Adams, dann hätte die Möglichkeit bestanden, mal eineinhalb Meter nach vorn zu gehen und zu ihm zu sagen: Hör zu, der ist zwar nicht Ihrer Meinung und der hat auch eine andere Auffassung, aber es ist ein Kollege von mir und abgeurteilt gehört der nicht. Diesen Mut hatten Sie nicht, Herr Adams.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Sie haben sich von diesem Mann dann entfernt, das habe ich gesehen, Sie haben sich 10 Meter weiter weggestellt. Okay, aber Sie hätten durchaus mal mit ihm reden können und Sie auch, Herr Kuschel. Das muss ich sagen.

Sie haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt - und das ist das, was mich ein bisschen verbittert -, der nicht …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist unglaublich.)

Das ist auch unglaublich, Herr Adams, das ist unglaublich, was sich da gestern abgespielt hat, auch vom Niveau her, das war unterirdisch. Das hatten Sie auch unter anderem mit in der Hand. Ich habe mich hinterher mit ein paar Leuten unterhalten, die nicht so eine Ayatollahmeinung hatten von diesem einzelnen Herrn, mit denen man ganz normal sprechen konnte. Aber Sie hätten es auch in der Hand gehabt, mal zu den Menschen zu gehen und zu reden. Ich hatte das nicht und auch Herr Geibert nicht. Das muss ich schon sagen, das ist starker Tobak. Sie haben hier einen Gesetzentwurf, der ist nicht wasserdicht, und statt uns allen zu beweisen, dass das, was Sie wollen, wirklich geht - das kommt ja noch dazu -, verkaufen Sie das dann noch als bürgerfreundliche Alternative. Herr Adams und Herr Kuschel, etwas was so riecht, so aussieht, das verdient es auch beim Namen genannt zu wer

den. Das ist ein starkes Stück, das ist eine Veralberung jener Leute, die da draußen gestanden und sich seit zwei Jahrzehnten für eine Veränderung dieses Rechts eingesetzt haben. Das ist meine persönliche Auffassung.

(Beifall CDU, FDP)

Es hilft auch nicht weiter, Herr Ramelow, obwohl ich Sie sehr schätze, wenn wir draußen vor den Leuten, wo die Stimmung ohnehin schon angeheizt ist, wörtlich als Fraktionsvorsitzender einer Partei hier im Landtag erklären, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung einer Kriegserklärung an das Land gleichkommt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So ist es. Dazu stehe ich auch. Sie haben nicht begriffen, was ich gesagt habe. Ich habe ge- sagt, rückwirkend bis 1991 das Geld einzu- treiben, das ist eine Kriegserklärung. Zitieren Sie richtig, wenn Sie in Ihrer Betroffenheit da vorn stehen.)

Ja, aber, Herr Ramelow, glauben Sie nicht, dass wir nicht alle gut daran täten,