Protocol of the Session on March 24, 2011

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, deshalb bin ich auch dankbar, dass die Ministerpräsidentin schon letzte Woche angekündigt hat, heute ihre Regierungserklärung abzugeben und auch aufzuzeigen, was unsere Landesregierung angesichts dieses globalen Ereignisses tun kann in diesem kleinen Land Thüringen und auch einen Beitrag dafür leisten, dass wir die richtigen Lehren aus diesem Unglück ziehen können, das weit weg von uns geschehen ist. In Deutschland und Europa hat die Reaktorkatastrophe eine Debatte über die Zukunft unserer eigenen Energieversorgung und der Kernenergie ausgelöst. Das ist angesichts der Besorgnis erregenden Nachrichten und der noch mehr bedrängenden Bilder nahezu verständlich.

Ich danke den Fraktionen des Landtags, die gemeinsam mit uns eine Erklärung, eine Entschließung heute zur Tagesordnung vorgelegt haben, dass sie unter unserer koordinierten Leitung einen gemeinsamen Entschließungsantrag erarbeitet haben. Ich will ausdrücklich für uns sagen - aber ich glaube, das werden die anderen Fraktionen auch sagen -, wir bedauern außerordentlich, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht bereit war, den Weg bis zum Schluss mitzugehen. Es hätte uns als Thüringer Landtag insgesamt gut zu Gesicht gestanden, angesichts dieser besonderen und unbeschreibbaren Katastrophe einheitlich aufzutreten. Mir fällt es schwer, dass das, was Sie über den gemeinsamen Konsens hinaus noch formulieren mussten, nicht auch hätten hier sagen können und trotzdem die gemeinsame Erklärung mit auf den Weg gebracht haben. Das bleibt bedauerlich.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Aber ich will das auch sagen, so eine gemeinsame Entschließung von fünf Fraktionen, die aus fünf politischen Richtungen gemeinsam nach einem Konsens suchen, so einen gemeinsamen Konsens kann man nicht mit politischen Maximalforderungen aus seinem eigenen Wahlprogramm überfrachten, das kann nicht gelingen und das zeugt auch nicht von Politikfähigkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, FDP)

Bei allem Respekt - auch ganz persönlich, weil ich das nachvollziehen kann, was Sie aus Ihrem eigenen Gründungskonsens für die Gründung Ihrer eigenen Partei mit sich tragen - ist es doch so, dass für parteipolitische Maximalpositionen an so einem Tag und bei so einer Regierungserklärung kein Platz bleibt.

(Beifall CDU, FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, Maximalpositionen können Sie auf Ihrem Landesparteitag formulieren, da bekommen Sie vielleicht sogar auch Zustimmung,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wann denn dann?)

aber nicht im Parlament, wenn es darum geht, gemeinsame Erklärungen zu finden.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn aber die Gesell- schaft mehrheitlich den Ausstieg wünscht.)

Jeder muss dort seinen Beitrag leisten, wo er Verantwortung trägt.

(Beifall CDU, FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist das wichtig, deswegen will ich das auch noch einmal sagen, es ist inkonsequent, wenn man einerseits hier im Landtag sein eigenes Parteiprogramm durchsetzen

möchte und draußen - außerhalb dieses Landtags dann nicht bereit ist, die Konsequenzen zu tragen, die auch die Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung beschrieben hat. Dazu gehört der unabweisbare Ausbau der Stromnetze. Hier Maximalpositionen formulieren und draußen dann nicht mitmachen, das passt beides nicht zusammen.

(Beifall CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, aber trotzdem bleibt es dabei - und das beschreibt auch unsere gemeinsame Entschließung aller Fraktionen -, die Ereignisse in Japan haben neue Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung nicht kurzfristig erfolgen kann. Angela Merkel hat aus unserer Sicht zu Recht ein Moratorium geschaffen und dafür gesorgt, dass Zeit bleibt, Fragen auch nachhaltiger beantworten zu können. Ich bin dankbar und will das für unsere Fraktion ausdrücklich erklären, dass die Bundeskanzlerin zudem eine Energiekommission eingesetzt hat, die Ethiker, die Politiker, Theologen und Techniker gemeinsam versammelt, um diese Fragen in Ruhe und ohne Hektik zu beantworten. Es war eine richtige Entscheidung der Bundeskanzlerin, diese Kommission einzusetzen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, richtig ist auch, dass nach dieser einschneidenden Erfahrung wie jener in Japan die Bedingungen für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung nochmals grundsätzlich angeschaut werden und auch Fragen nochmals gestellt werden, die - so schien es schon - beantwortet waren. Was gehört zur Wirklichkeit unserer Tage? Unter welchen Herausforderungen stehen wir und in welchem Zusammenhang müssen wir manche realistische Betrachtung, die wir jetzt auch aus der Alltagshektik heraus angestellt haben, noch mal ins Gleichgewicht rücken? Deswegen will ich sechs Anmerkungen machen:

Erstens: Wir sind von der Kernenergie in Deutschland und Europa in einem Maße abhängig, das nicht von heute auf morgen reduziert werden kann. Der Anteil der Kernenergie an der Bruttostromerzeugung lag zuletzt bei 22,4 Prozent. Aber was sagt diese Zahl, wenn man weiß, dass nicht jede Energieform grundlastfähig ist? Deshalb ist eine andere Zahl viel interessanter, nämlich die, welchen Anteil hat die Kernenergie an der Grundlastversorgung? Dieser Anteil an Kernenergie an der Grundlastversorgung liegt bei 48 Prozent. Deshalb, meine Damen und Herren, weil das die Bürger ahnen, wenn ihnen diese Zahlen in diesen Tagen gesagt werden, da sind Antworten, z.B. eine Umfrage von Forsa am 14. März: 71 Prozent der Deutschen glauben, dass wir auf Kernenergie zur Stromversorgung nicht verzichten können. Das sind sogar andere Zahlen als noch vor einer Woche ein anderes Institut gefragt hat. Das zeigt natürlich auch erstens, was fragt man und zweitens, wenn der Rauch

- bildlich - sich gelegt hat und wenn der Alltag wieder einkehrt, dass auch manche Frage, die aus der Betroffenheit aus Japan natürlich heraus gestellt wurde, dann auch mit einem anderen Blick gestellt wird, wenn man schauen muss, wie kann man die Zukunft trotzdem weiter gut organisieren. Deshalb will ich auch eine Frage stellen, die wir natürlich beantworten müssen. Wir haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner im Koalitionsvertrag festgeschrieben, 35 Prozent soll unser Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung, an der Produktion und auch am Verbrauch am Ende bewerkstelligen. Jeder, der ein bisschen Mathematik kann und auch Noten bekommen hat, weiß, wie man das alles rechnen muss, der weiß, dass von 35 Prozent bis 100 Prozent noch was fehlt. Da ist natürlich die Frage zu stellen, auch wenn wir uns politisch vornehmen, wir wollen 35 Prozent Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung und am Verbrauch bewerkstelligen, dann fehlen noch 65 Prozent, die trotzdem erzeugt werden müssen, damit wir unsere Energiebedarfe decken müssen. Wenn all das in erneuerbaren Energieanteilen schon drin ist, Biomasse, Photovoltaik, Windenergie und Pumpspeicherwerke, und ich sage dann gleichzeitig, Atomkraftwerke schalte ich ab, was habe ich dann noch für klassische Stromerzeugungsmomente, um meinen Energiebedarf zu decken?

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Erdwärme!)

Da bleiben plötzlich Steinkohlekraftwerke, dann bleiben Gaskraftwerke und dann bleiben Braunkohlekraftwerke übrig.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Einsparung.)

Da will ich wenigstens fragen, ich will es nur in den Raum stellen und sozusagen eine Lernfrage stellen. Was machen wir dann mit unseren CO2-Werten, wenn der Anteil nur auf der Höhe ist? Ich will nur diese Frage, diese Anmerkung stellen, das hohe Ziel, 35 Prozent oder sogar vielleicht 50 Prozent bis 2020 oder 2030 zu erreichen, es deckt nicht 100 Prozent unseres Strombedarfs für die Zukunft ab. Deswegen muss man in Ruhe darüber nachdenken, wie klärt man diese Fragen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir denken schon sehr lange darüber nach.)

(Beifall CDU)

Zweitens: Meine Damen und Herren, wir sind auf sichere und bezahlbare Energieversorgung angewiesen. Deutschland ist ein Industriestandort und muss dies auch in Zukunft bleiben. Wir können uns nicht an dem einen Tag freuen über die große Vielfalt unserer Wirtschaft und sagen, wir sind das Land mit der höchsten Industriedichte und Betriebsdichte und am nächsten Tag sagen wir aber, dass wir die Rahmenbedingungen so verändern, dass

möglicherweise die Größeren sich einen anderen Standort suchen, wo Energie günstiger zu haben ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist denn das für ein Quatsch?)

Weil die Industrie das Rückgrat unserer Wirtschaft ist und unseres Wohlstands, wissen wir auch, dass Industrie nach gegenwärtigem Stand der Technik und der Nutzung energieintensiv ist. Der Umstieg in eine Energieversorgung ohne Kernkraftwerke muss Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit berücksichtigen.

(Beifall CDU)

Deutschland gehört durch das EEG, das wissen alle, abseits der großen aufgeladenen Debatten schon heute in Sachen Energie zu den weltweit teuersten Standorten. Das wollen wir auch so, weil wir auch sagen, dass der Anteil erneuerbarer Energien sein muss und erhöht werden muss, aber man muss wissen, es kostet den Standort mehr Geld. Das soll die Anmerkung sein. Deshalb bedeutet die Kernenergie als Brückentechnologie - so, wie wir sie verstehen - auch, dass die Betreiber dieser Kernkraftwerke auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien zur Kasse gebeten werden, um die Verbraucher - auch die privaten - nicht noch stärker selbst zu belasten.

Wenn ich das alles berücksichtige, will ich das Bild gern noch mal aufgreifen. Wenn für uns als Christdemokraten Kernenergie eine Brückentechnologie ist und wir aus der japanischen Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen wollen, dann heißt das, Sie haben das vorhin angesprochen, zügig und ohne schuldhaftes Verzögern über diese Brücke drübergehen. Aber Hektik und schneller runterzugehen und von der Brücke zu springen, das ist nicht der richtige Weg und den gehen wir auch nicht mit.

(Beifall CDU)

Drittens: Meine Damen und Herren, ich habe es schon mal angerissen, will es aber in diesem Punkt noch mal besonders sagen: Wir haben uns ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Damit wollen wir eine Entwicklung verhindern, die jenseits eines Reaktorunfalls ebenfalls zu einer irreparablen Umweltzerstörung führen würde, nämlich weil wir wissen, dass auch andere Energieformen außerhalb der Kernenergie schmutzig und auch teuer sind. Wenn ich auf das eine verzichte, weil das schmutzig ist, ist das andere deshalb noch nicht sauberer, nur weil ich auf das eine verzichte. Deshalb müssen wir einfach wissen, 42,4 Prozent des Stroms sind 2010 also im vergangenen Jahr, noch vor einem Vierteljahr - aus Braun- und Steinkohle erzeugt worden. Dieser Anteil müsste eigentlich, wenn wir unsere Klimaziele erfüllen wollen, eher ab- als zunehmen, soll der CO2-Ausstoß sinken, womit er als Ersatz für Kernkraftwerke problematisch ist. Die Kernener

gie kann deshalb nur, ich bin dankbar, weil das die Ministerpräsidentin auch so ausdrücklich in ihrer Regierungserklärung gesagt hat, in dem Maße zurückgefahren werden, wie auf der anderen Seite erneuerbare Energien dafür taugen und diesen Strombedarf auch in der Zukunft absichern. Deswegen muss es ein Zug-um-Zug-Geschäft geben; Rückbau der Kerntechnik auf der einen Seite und Ausbau der erneuerbaren Energie auf der anderen Seite, aber nicht das eine abschalten und dann schauen, wie mache ich das andere. Das wird nicht funktionieren.

(Beifall CDU)

Weil die Anteile auch derzeit so sind wie sie sind beim Verbrauch

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil Sie es nicht ändern wollen, sind die Anteile so, wie sie sind.)

23 Prozent Kernenergie, 42,4 Prozent des Stroms Braun- und Steinkohle und die anderen Bestandteile alle summiert, um auf 100 Prozent zu kommen will ich auch nur eine Anmerkung machen: Wenn wir uns verpflichten, zu 100 Prozent unseren Strom, der bei uns aus der Steckdose kommt hier in dem Haus und in den anderen öffentlichen Gebäuden in Thüringen, dass der zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie ist und die Anteile sich zunächst nicht verändern, dann muss trotzdem irgendjemand den vermeintlich politisch schmutzigen Strom auch nehmen, wenn er Licht braucht. Da können die einen zwar sagen, wir machen das und verpflichten uns selbst und da gehen wir gut voran und es ist schön, aber die anderen müssen diesen Strom trotzdem nehmen, der dann vermeintlich schmutzig ist. Diese Anmerkung will ich wenigstens machen.

(Beifall CDU)

Bis zu dem Grade ist das anders, wo der Anteil zu 100 Prozent erneuerbare Energien beträgt.

Ich will gern Helmut Schmidt zitieren, der in der „Die Zeit“ am 17. März gesagt hat: „Man muss die Warnung wegen der weltweiten Erwärmung ernst nehmen. Nukleare Elektrizität hilft dabei, sie einzuschränken. Aber noch ist die Wissenschaft nicht so weit, dass sie im vollen Ernst den Politikern empfiehlt, sowohl auf nukleare Energie zu verzichten und stattdessen sich auf Wind- und Sonnenenergie zu konzentrieren.“ Helmut Schmidt hat recht.

(Beifall CDU)

Viertens, meine Damen und Herren, wir sind nicht allein auf der Welt. Die Folgen von Reaktorhavarien machen an den Grenzen nicht halt. Spätestens seit 1986, seit Tschernobyl wissen wir das. Deshalb ist die Ziffer II.9 unseres gemeinsamen Entschließungsantrags so wichtig, der auf ein abgestimmtes europäisches Vorgehen zielt. Das ist nicht leicht, da ringsherum in Europa Kernkraftwerke betrieben

werden. Die Ministerpräsidentin hat beschrieben, wie der Abdeckungsbedarf der Stromerzeugung in Frankreich ist: 80 Prozent. Weltweit sind 442 Kernkraftwerke in Betrieb, 62 sind im Bau und 150 sind in Planung. Das ist nicht weiter erstaunlich.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jetzt nicht mehr.)

Die Planung ist aber trotzdem da, auch wenn Sie als GRÜNE im Landtag auf und nieder hüpfen, die Planung ist trotzdem woanders gemacht und Sie werden sie nicht verhindern können. Ich zitiere auch nur, was der gegenwärtige Stand ist, damit man ihn sich vor Augen führt und nicht die Augen einfach schließt und denkt: Vogel Strauß - Kopf in den Sand und alles ist anders.

(Beifall CDU, FDP)