Gleichwohl, wir Sozialdemokraten - das ist kein Geheimnis - haben uns, als das derzeit geltende Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet wurde, seinerzeit auch mehr gewünscht und das derzeit geltende Recht fällt insoweit auch hinter das zurück, wofür wir Sozialdemokraten uns hier schon zehn Jahre lang im Thüringer Landtag stark gemacht hatten. Daher waren wir auch dem Grunde nach bereit, Ihrem Entwurf mit Interesse zu begegnen. Nun ist es aber leider so, dass dieser Entwurf - da möchte ich nicht drum herumreden - doch einfach zu schlecht ist, ich muss das leider so sagen, um als Grundlage für eine Novellierung ernsthaft in Betracht zu kommen. Ich möchte das an drei Beispielen verdeutlichen - ich könnte Ihnen auch alle Regelungen der Reihe nach zerpflücken.
Zum Ersten: Ein Informationsrecht nach Ihrem Entwurf setzt kein rechtliches oder sonstiges besonderes nachzuweisendes Interesse mehr voraus. Ihr Ansatz, dass Staatshandeln grundsätzlich und weitestgehend jedermann und auch Initiativen gegenüber, die Sie nennen in Ihrem Gesetzentwurf, transparent zu machen ist, das ist so weit so gut und so weit auch noch in Ordnung. Die Ausnahmen von diesem - ich nenne es mal anlasslosen - Informationsrecht fassen Sie dann aber sehr, sehr viel enger als das Bundesinformationsfreiheitsgesetz zum Beispiel. Eigentlich und wirklich zwingende Ausnahmen stellen Sie zusätzlich unter den Vorbehalt, dass Informationen aus diesem Bereich Staatshandeln oder auch Interessen Dritter erheblich beeinflussen müssen. Es gibt sozusagen eine doppelte Abwägung. Wenn Sie in § 5 Abs. 1 formulieren - da geht es um sensible personenbezogene Daten -, dass höherrangige Rechte Dritter nur zum Verlust des Informationsanspruchs führen, wenn sie erheblich beeinträchtigt werden, dann ist das einfach eine Sache, die geht eindeutig viel zu weit. Höherrangig heißt höherrangig und dann ist Schluss mit lustig und dann braucht man nicht noch eine zusätzliche Abwägung, ob etwas, das höherrangig ist, auch erheblich beeinflusst wird oder nicht, dann ist einfach Ende. Höherrangigkeit allein soll und muss verfassungsrechtlich und auch nach dem Bundesdatenschutzgesetz ausreichen. Eine der besonders jenseitigen Stellen in Ihrem Gesetzentwurf ist § 5
Abs. 2 letzter Satz. Hier soll ein Dritter nicht mehr nach seiner Einwilligung zur Weitergabe personenbezogener Daten gefragt werden müssen, wenn es sich um Informationen handelt, die - so Ihr Entwurf -, ich zitiere, „der Dritte der Behörde als Unterlage für einen Antrag oder eine Anzeige übermitteln musste“. Mit dieser Regelung könnten Sie sich sämtliche Sozialleistungsanträge aushändigen lassen mit sämtlichen Daten und Angaben, die ein Anspruchsteller darin gemacht hat. Es ist absurd, das geht schon mal gar nicht. Das ist schon mal der erste Klops.
Klops Nr. 2, den ich hier mal nennen möchte: Sie fordern Kostenfreiheit bis zum ersten Exemplar eines elektronischen Speichermediums wie „Diskette, CD-ROM oder DVD“. Meine Kinder wissen nicht mehr, was Disketten sind, aber im Jahr 2011 kann so eine Formulierung nur ein seltsam altertümlicher Scherz sein. Was heutzutage auf elektronische Datenträger draufgeht, wenn ich jetzt mal an mein 32-Gigabyte-Handy denke, was da auf meinem Platz liegt, dann ist das überhaupt kein Kriterium.
Der dritte Punkt, den ich hier massiv kritisieren möchte und den ich auch grob daneben finde, ist Ihr Vorhaben, den Bürgerbeauftragten zum Ansprechpartner zur Durchsetzung von Rechten nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu bestimmen. Ich habe gehört - ich bin erst seit dieser Periode Mitglied dieses Hohen Hauses -, dass in vergangenen Beratungen von Informationsfreiheitsgesetzentwürfen schon diverse Gutachter Ihnen diesen Punkt vorgehalten haben. Die bei uns ebenfalls schon im Koalitionsvertrag vereinbarte Übertragung auf den Beauftragten für den Datenschutz ist nicht nur im Bundesgesetz so geregelt, sondern mittlerweile auch in zahlreichen Landesgesetzen. Sie haben als Grund dagegen angeführt, es soll bei Ihnen nicht der Datenschutzbeauftragte diese Kompetenz bekommen, sondern der Bürgerbeauftragte, weil der Datenschutzbeauftragte sonst in Interessenkonflikte geraten könnte. Aber da ist doch der Datenschutzbeauftragte dann genau richtig, denn es geht um eine erforderliche Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern, nämlich dem wichtigen und konstitutionell entscheidenden Recht auf Information und dem Recht eines Menschen auf Schutz seiner persönlichen Daten, zum Beispiel wenn er Sozialleistungen beantragt. Ihr Argument, dann soll der Datenschutzbeauftragte lieber nicht gleich darauf schauen, das erinnert so ein bisschen an Augen zu und durch, soll der Dritte dann nur bei Gerichten eine Abwägung durchsetzen können, das finde ich zutiefst bürgerfeindlich.
Ich könnte noch mehr Punkte aus Ihrem Gesetzentwurf aufzählen, der diesen weder zu einem Hasen noch zu einem Igel, sondern letztendlich eher zu einer „Lame Duck“ macht. Da gibt es noch - das muss ich jetzt auch noch einmal sagen - in § 12 Abs. 3 eine lapidare Feststellung, dass eine Infor
mation, die mehrfach nachgefragt wird, in elektronischer Form zu veröffentlichen ist. Wie soll man das denn jetzt verstehen? Man braucht fünfmal fragen, dann kommt es in das Internet, egal, was da weshalb, wie auch abgewogen ist. Es wird nicht an die zulässige Informationserteilung angeknüpft, sondern an die Nachfrage. Wie gesagt, ich habe da noch sehr viel mehr gefunden, aber ich möchte Sie hier nicht langweilen. Ich will Ihnen einfach nur sagen, dass wir es nach alledem nicht für veranlasst oder angemessen halten, den Ausschuss und dann im Rahmen Ihres Minderheitenrechts gar noch Sachverständige mit diesem ausgesprochen unvollkommenen Gesetzentwurf zu befassen, der irgendwelche Versatzstücke vermischt, die gar nicht zusammenpassen.
Sie können sich aber darauf verlassen, dass die Koalition rechtzeitig vor dem Auslaufen des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes einen substantiierten Novellierungsentwurf des Gesetzes vorlegen wird, und zu dem werden wir gern und offen auch gute Anregungen entgegennehmen. Danke schön.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Marx. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Renner für die Fraktion DIE LINKE.
Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, bevor ich zu den einzelnen Regelungen unseres Gesetzentwurfs komme, möchte ich ein paar grundlegende Bemerkungen vorab machen. Demokratisierung ist nicht nur ein Kernanliegen linker Politik, es ist auch ein Kernthema meiner Fraktion. Wenn wir eine offene Gesellschaft befördern wollen, so dürfen Informationen nicht monopolisiert werden. Transparenz, Bürgernähe und Kommunikation sind für uns Bestandteile einer modernen Verwaltung. Neben den strukturellen Vorschlägen für eine Behördenreform, die wir vorgelegt haben, gehört der Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger für uns zu einer Grundanforderung im Bereich der Demokratisierung.
Um was geht es uns? Es geht uns um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also die Möglichkeit, jederzeit Kenntnis der zu der eigenen Person gespeicherten Daten zu erlangen. Es geht uns um Kontrolle des Verwaltungshandelns auch, um schließlich zu einer Erhöhung der Akzeptanz für Behördenentscheidungen zu kommen, und es geht uns um mehr aktive Bürgerbeteiligung. Genau diese drei Punkte, Grundrechte verwirklichen, Verwaltung kontrollieren und mitbestimmen, werden durch die bestehenden bundes- wie landesrechtlichen Regelungen nicht ermöglicht. Es geht uns um einen
Paradigmenwechsel, den wir auch an anderer Stelle hier immer wieder formuliert haben. Der Bürger, die Bürgerin ist kein Störfaktor, deren Anliegen Behörden und Politik abwimmeln müssen, sondern die offene und transparente Auskunft und Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen muss Normalität sein und Kern unserer Demokratievorstellung.
Ein paar Worte zum Bundesgesetz sind hier notwendig, weil das Thüringer Landesrecht ja wesentliche Teile des Bundesrechts übernommen hat. Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz hat drei grundsätzliche Mängel. Es gibt zu viele Ausnahmen, bei denen keine Akteneinsicht gewährt wird. Im Gesetz werden diese Ausnahmen als öffentliche Belange oder fiskalische Vorgänge bezeichnet. Die Auskunftsfristen sind zu lang und die Gebühren sind zu hoch. Es gibt Auskunft nach Geldbeutel. Die Evaluation des Bundesgesetzes in 2010 durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz fiel sehr negativ aus. Er kritisierte zögerliche und unzureichende, oftmals auch ausbleibende Beantwortung der Auskunftsanliegen der Bürger und Bürgerinnen und forderte eine Novellierung. Das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz, das im Januar 2008 in Kraft getreten ist, fußt auf dem mangelhaften Bundesgesetz, gilt aber in seinen Einschränkungen weit über die Einschränkung des Bundesgesetzes hinaus. Mein Kollege Abgeordneter Frank Kuschel hat diese weitestgehenden Einschränkungen im Landesgesetz vorhin noch einmal genau dargestellt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass von den Möglichkeiten des Informationsanspruchs nur wenig Gebrauch gemacht wird. Und es liegt auch in der Grundausrichtung des Gesetzes begründet und nicht in seiner Anwendung, dass bei mehr als der Hälfte der Auskunftsersuchen in 2008 und 2009 keine Antwort erfolgte. Die Zahlen aus den Kleinen Anfragen sind vorhin schon genannt worden. Die Antworten, die wir gestern zur Mündlichen Anfrage zu den Zahlen aus 2010 erhalten haben, zeigen, dass der Trend sich fortsetzt. Es sind wenige Anfragen und es ist ein sehr hoher Bereich in 2008/2009, die überhaupt nicht beantwortet wurden.
Jetzt ist die Frage aufgemacht worden: Liegt es daran, dass vielleicht die Bürger und Bürgerinnen gar kein Interesse an diesem Informationsanspruch haben? Ich würde sagen, wenn ich als Bürgerin und Bürger weiß, dass mein Recht hier nur sehr unwirksam realisiert wird, werde ich von so einer Anspruchsannahme überhaupt erst mal absehen. Es gibt auch noch ein zweites Problem beim Thüringer Informationsfreiheitsgesetz, dass an keiner Stelle, durch keine Behörde wirklich offensiv auf die Möglichkeiten des Informationsfreiheitsgesetzes hingewiesen wird und vielleicht viele Bürger und Bürgerinnen auch gar keine Kenntnis von ihren Rechten in diesem Zusammenhang haben.
In der Anhörung zum Thüringer Informationsfreiheitsgesetz in 2007 wurde diese restriktive Anwendungspraxis vorausgesehen.
Damals überwog die Kritik gerade an den vielen Ausnahmen und es gab Stimmen von Datenschutzbeauftragten, die damals sehr eindeutig formulierten: Besser kein Informationsfreiheitsgesetz als dieses Informationsfreiheitsgesetz, was wir dann in Thüringen erhalten haben. Diese Kritik ist der Landesregierung bekannt und sie wird auch akzeptiert, sonst hätte Herr Ex-Innenminister Huber nicht im April 2010 verkündet, dass das Gesetz klarer zu fassen sei und bürgerfreundlicher gemacht werden soll. Deswegen kann ich jetzt auch die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Kellner nicht verstehen. Der hat anscheinend die Botschaft des ehemaligen Innenministers Huber nicht gehört, wenn er heute sagt, es gebe keinen Novellierungsbedarf.
Seit dieser Ankündigung - April 2010 - ist nichts passiert und jetzt werden wir aktiv, auch weil auf der Grundlage der bundesweiten Diskussion, z.B. im Zusammenhang mit einem Gesetzentwurf von Greenpeace, Netzwerk Recherche e.V. und Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit, die Ende 2010 ein Bürgerinformationsgesetz vorgelegt haben, die Frage nach Informationsfreiheitsgesetzen wieder an politischer Brisanz zugenommen hat.
Unsere Grundsätze, die wir in dem Gesetz beschreiben, sind: Das Geheimhaltungsinteresse der Verwaltung sollte in möglichst engen Grenzen gehalten werden; antragsberechtigt sind alle natürlichen und juristischen Personen, auch zeitweilige Personenzusammenschlüsse, z.B. Bürgerinitiativen, das ist uns sehr wichtig. Anspruchsstellen sind die öffentlichen Stellen des Landes, der kommunalen Gebietskörperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und Beliehene für hoheitliche Aufgaben. Die Behörden werden verpflichtet, bei der Antragsbearbeitung Fristen verbindlich einzuhalten, und das Auskunftsverfahren sollte so wenig wie möglich formalisiert sein. Es sollte auch möglich sein, seine Anfrage mündlich oder elektronisch zu übermitteln. Das Gesetz enthält ausführliche Regelungen über die Art und Weise der Erschließung und Ordnung des Materials.
Die vollständige Gebühren- und weitestgehende Kostenfreiheit ist durch meinen Kollegen schon dargestellt worden. Wir bleiben auch dabei, dass das Widerspruchs- und Klageverfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch von Gebühren befreit sein sollte, weil es nicht sein kann, dass nur derjenige diesen Weg für sich in Betracht zieht, der über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügt.
Herr Bergner, Sie haben recht, die Frage der Abwägung des Schutzes privater Interessen, auch des Schutzes privater Daten und des Datenschutzes allgemein mit dem Informationsanspruch ist eine schwierige Materie. Wir haben dazu verschiedene Formulierungen gewählt. Grundsätzlich sagen wir: Persönliche Daten dürfen nur mit Zustimmung der Betroffenen herausgegeben werden und das Auskunftsinteresse muss in diesen Fällen ganz eindeutig formuliert sein. Diesen Abwägungsprozess haben wir in § 5 Abs. 3 dargestellt und ich denke, wir werden im Innenausschuss Gelegenheit finden, das noch einmal einzeln zu diskutieren. Aber es ist nicht so, dass auf die Fragestellung, wie eben dieser Abwägungsprozess organisiert sein soll, der Gesetzentwurf von uns keine Antwort gibt. Da haben wir mehrere Passagen direkt zu dieser Frage verwendet. Ich bin ganz gespannt auf die Debatte zum Informationsfreiheitsgesetz - sofern wir heute den Gesetzentwurf an den Ausschuss überweisen -, weil wir nun im Fünf-Parteien-Parlament auch noch Anregungen aus neuen Fraktionen in der Frage erhalten, denen ich grundsätzlich - sage ich einmal an dieser Stelle - im positiven Sinne unterstelle, dass sie ein hohes Interesse an diesem Thema haben werden.
Meine Damen und Herren, wie gesagt, ich beantrage Ausschussüberweisung an den Innenausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Renner. Es hat sich jetzt der Innenminister zu Wort gemeldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Ihnen liegt heute der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Stärkung der Informationsfreiheit vor. Er kann in dieser Form durch die Landesregierung keine Unterstützung erfahren. Das betrifft allerdings nur den Inhalt und den Zeitpunkt - wie noch zu zeigen sein wird -, nicht aber die Sache an sich. Die Fort- und Weiterentwicklung der Informationsfreiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ist ein erklärtes Ziel dieser Landesregierung. Die Koalitionsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das bestehende Informationsfreiheitsgesetz in dieser Legislaturperiode zu evaluieren und auf der Grundlage dieser Evaluation die Informationsfreiheitsrechte zu stärken.
Die Voraussetzungen einer Novellierung des geltenden Informationsfreiheitsgesetzes in Thüringen lassen sich zunächst wie folgt skizzieren: Der Informationsfreiheitsanspruch bewegt sich in einem
rechtssensiblen Umfeld. Die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Informationsfreiheitsanspruchs müssen so strukturiert sein, dass einerseits möglichst effektiv dem Anspruch auf Zugang zu Informationen Geltung verschafft wird, andererseits aber insbesondere empfindliche Daten vor einem unberechtigten Zugriff geschützt werden. Dabei kann es sich um Daten der Behörde selbst, aber auch um Daten von privaten Dritten handeln, die eine Behörde gespeichert hat. Der Gesetzgeber hat hier die Aufgabe, eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte zu treffen, die im Sinne einer praktischen Konkordanz möglichst allen Belangen gleichmäßig und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie der bundesstaatlichen Kompetenzordnung Rechnung trägt. Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE nicht. Er leidet an verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und schlichten handwerklichen Defiziten. Ich darf nachfolgend kurz auf einige besonders gravierende Mängel eingehen, die die Mängelliste der Abgeordneten Marx anschaulich ergänzen.
Inhaltlich leerlaufend und eine Stärkung der Informationsfreiheit lediglich suggerierend ist beispielsweise § 4 Abs. 1 Satz 3. Diese Norm sieht vor, dass der Informationsanspruch auch von zeitweiligen Personenzusammenschlüssen geltend gemacht werden kann, sofern eine Ansprechperson benannt worden ist, die die Initiative nach außen vertritt. Dass hier jede ad hoc sich gründende und sich möglicherweise genauso schnell wieder auflösende Gruppierung einen Anspruch haben soll, ist schlicht überflüssiger gesetzgeberischer Aktionismus.
Denn bereits jede Einzelperson, die sich in einer solchen Form engagiert, kann den Anspruch selbst geltend machen. Schlicht verfassungswidrig ist die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Entwurfs. Diese Norm betrifft die Informationserteilung in gerichtlichen Verfahren. Ein Anspruch auf Informationserteilung soll nur dann nicht bestehen, wenn eine solche die Gerichte in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen würde. Diese Regelung setzt also voraus, dass der Informationsanspruch grundsätzlich auch gegenüber Gerichten besteht und nur in diesem Ausnahmefall des Betroffenseins der richterlichen Unabhängigkeit nicht greifen soll. Ich will hier nicht weiter thematisieren, dass es in der gerichtlichen Praxis kaum möglich ist, zwischen Angelegenheiten zu unterscheiden, die die richterliche Unabhängigkeit betreffen, und solchen, die es nicht tun. Letztlich hat im Geschäftsgang der Gerichte alles entweder unmittelbar oder mittelbar mit der Wahrung der verfassungsrechtlich verankerten richterlichen Unabhängigkeit zu tun. Vielmehr will ich Folgendes anmerken: Hier wird von der Fraktion
DIE LINKE die föderale Kompetenzverteilung schlichtweg übergangen. Die einzelnen Gerichtsverfahren sind beispielsweise in der Zivilprozessordnung, in der Verwaltungsgerichtsordnung oder auch in der Arbeitsgerichtsordnung abschließend bundesrechtlich geregelt. Dort ist gleichfalls und zudem abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen welche Personen Akteneinsicht nehmen können.
Gleichfalls verfassungsrechtlich bedenklich ist die Norm des § 4 Abs. 2 Nr. 4. Danach soll ein Informationsanspruch nicht bestehen, soweit durch die Informationserteilung die Rundfunkanstalten in ihrer journalistisch-redaktionellen Arbeit berührt sind. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen journalistischer und nichtjournalistischer Arbeit dürfte nur schwer möglich sein. Der Entwurf erkennt zudem nicht, dass die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Staatsverträgen zwischen den Ländern beruht. Der vorliegende Entwurf will also, dass Thüringer Landesrecht einseitig in die auch von anderen Ländern getragenen Staatsverträge über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten regelnd eingreift. Dies wäre ein glatter Fall von Überschreitung der Gesetzgebungskompetenzen über die Ländergrenzen hinaus.
Und noch etwas in diesem Zusammenhang: Warum sollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgenommen werden, nicht aber die Universitäten und Hochschulen, sobald ihre wissenschaftliche Arbeit durch ein Informationsbegehren tangiert wäre. Sollen also aktuelle Forschungsergebnisse Thüringer Hochschulen einfach von dritter Seite ohne Weiteres ausgefragt werden können? Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt hier eine Antwort schuldig und verkennt damit, dass die Hochschulen in Thüringen Träger des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit sind und deshalb auch eines besonderen Schutzes bedürfen.
Auch § 5 des Entwurfs ist aus verfassungs- und europarechtlicher Hinsicht zu kritisieren. Es würde damit einer gesetzlich nicht hinreichend konturierten Einschätzungsprärogative der Behörde überlassen bleiben, ob sie personenbezogene Daten Dritter herausgibt oder nicht. Darüber hinaus widerspricht diese Norm den Regelungen sowohl der europäischen Datenschutzrichtlinie als auch den einschlägigen Bestimmungen über den Schutz besonders sensibler Daten im Thüringer Datenschutzgesetz. Der Entwurf setzt sich beispielsweise ohne Weiteres über die Vorgabe in § 4 Abs. 5 Thüringer Datenschutzgesetz hinweg. Die Nutzung besonders geschützter personenbezogener Daten - hierzu gehören beispielsweise solche nach der ethnischen Herkunft oder der politischen Meinung - ist nach dem Thüringer Datenschutzgesetz nur unter ganz bestimmten, sehr engen Voraussetzungen möglich.
Entsprechende Vorgaben enthält im Übrigen auch Artikel 8 der Europäischen Datenschutzrichtlinie. Diese gibt unter anderem auch die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Einwilligung des Dritten vor, die durch den Gesetzentwurf nicht hinreichend abgebildet werden.
§ 5 des Entwurfs enthält darüber hinaus keine Regelungen zur Frage, wie der vom Auskunftsverlangen betroffene private Dritte sich gegen eine solche Auskunft zur Wehr setzen kann. Sofern der Dritte nicht in die Informationsweitergabe einwilligt, überlässt § 5 Abs. 3 des Entwurfs der Behörde nach diffusen Abwägungskriterien die Entscheidung, ob die privaten Daten herausgegeben werden oder nicht. Die Normierung eines effektiven Rechtsschutzes für den privaten Drittbetroffenen, wie er von der Verfassung gefordert wird, fehlt. Auch dies - zeigt der vorliegende Gesetzesentwurf - ist gesetzgeberisches Stückwerk. Er ist unzureichend durchdacht und verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt aufgreifen. Artikel 3 des Gesetzes sieht eine Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes der Verwaltungsgerichtsordnung dergestalt vor, dass künftig Verfahren vor den Thüringer Verwaltungsgerichten in Angelegenheiten nach dem Informationsfreiheitsgesetz gebührenfrei sein sollen. Frau Abgeordnete Renner hat diesen Punkt eben gerade noch einmal herausgestellt. Auch dies verstößt gegen die föderale Kompetenzordnung. Das Recht der Gerichtsgebühren ist abschließend im Gerichtskostengesetz und im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt.
Bereits nach diesem kursorischen Blick über den Gesetzentwurf muss festgestellt werden, dass er zur Stärkung der Informationsfreiheitsrechte untauglich ist. Dies basiert neben einer mangelnden Abwägung der betroffenen Rechte vor allem auch auf der nur lückenhaften Kenntnis der bisherigen Erfahrungen mit dem geltenden Informationsfreiheitsgesetz. Erst die Sammlung und Auswertung der Erfahrungen aus der Landes- und Kommunalverwaltung sowie der sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Umgang mit dem Informationsfreiheitsgesetz können in einer Zusammenschau mit den Erkenntnissen anderer Bundesländer sowie des Bundes und unter Berücksichtigung bisher ergangener Rechtsprechung eine taugliche Grundlage bilden, eine Gesetzesnovelle zu entwerfen, welche das Informationsinteresse der Bürger stärkt und zugleich die zu schützenden Interessen Dritter wahrt.
In diesem Interesse führt die Landesregierung derzeit eine umfassende Evaluierung des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes durch, deren Ergebnisse bis Ende April vorliegen und dann zügig einer Bewertung zugeführt werden. Die Vorlage des Entwurfs einer Novellierung des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes soll dann alsbald im Jahr 2012
durch das Thüringer Innenministerium erfolgen. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Geibert. Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wurde Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Insofern stimmen wir jetzt zuerst ab über die Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2395 an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt gegen die Ausschussüberweisung? Das sind die Stimmen der Fraktionen CDU und SPD. Enthaltungen? Gibt es keine. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt für heute auch geschlossen.
a) Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drucksache 5/2407 ERSTE BERATUNG
b) Drittes Gesetz zur Änderung der Thüringer Landeshaushaltsordnung Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drucksache 5/2408 ERSTE BERATUNG
Ich frage: Wünscht die FDP das Wort zur Begründung zu ihren Gesetzentwürfen? Das ist der Fall. Herr Recknagel, Sie haben das Wort.