Protocol of the Session on January 28, 2011

des Jahres die letzten Wehrpflichtigen einberufen wurden, ausgesetzt. Die Bundesregierung gibt als Sparziel für den Verteidigungsetat 8,4 Mrd. € jährlich an. Dass dies nicht ohne Standortschließungen bleiben kann und wird, ist auch bei gänzlich unideologischer Betrachtung ohne Zweifel. Diese Schließungen will Verteidigungsminister Guttenberg erst Mitte des Jahres 2011 konkretisieren, die Anzahl und die jeweiligen Standorte. Doch die Reaktion der Thüringer FDP auf diesen ohne Zweifel radikalen Umbau der Bundeswehr lautet: Alles soll so bleiben, wie es ist. Auch wenn die FDP in ihrem Antrag keinerlei verteidigungspolitisch oder militärisch begründete Argumentation vorträgt, so ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE doch darauf hinzuweisen, dass sich eine Positionierung zum FDP-Antrag auch an diesen Argumenten ausrichten muss.

(Beifall DIE LINKE)

Die verteidigungspolitischen Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung in der aktuellen Fassung machen deutlich ich zitiere -, „dass eine Gefährdung deutschen Staatsgebiets durch konventionelle Streitkräfte derzeit und auf absehbare Zeit nicht zu erkennen ist.“ Daraus wird richtig geschlussfolgert - Zitat: „Ausschließlich für die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angreifer dienende Fähigkeiten werden angesichts des neuen internationalen Umfelds nicht mehr benötigt.“ Daraus ist keinesfalls zu schlussfolgern, dass die Bundeswehr in ihrer bisherigen Größe und Aufgabenausrichtung weiterhin unverändert Bestand haben kann. Einer Neuausrichtung der Bundeswehr, etwa für die viel zitierte Landesverteidigung am Hindukusch oder eine größere Interventionsfähigkeit bei Konflikten im Ausland, erteilen wir als LINKE eine klare Absage.

(Beifall DIE LINKE)

Aktive Verteidigungspolitik ist Politik für den Erhalt des Friedens und das setzt auch innenpolitische Entscheidungen voraus. Dazu gehört die deutliche Verkleinerung der Bundeswehr, die Herstellung struktureller Nichtangriffsfähigkeit der Bundeswehr sowie der weiter im Aufbau befindlichen EU-Militärpotenziale, der Abzug der Atomwaffen, die massive Kürzung der Rüstungsausgaben und der unverzügliche, konsequente Stopp aller Rüstungsexporte.

(Beifall DIE LINKE)

Gemessen an diesen Grundpositionen der Partei DIE LINKE kann es auch keine Zustimmung zu dem Antrag der FDP-Fraktion geben. Aber in einem Punkt sind wir uns mit dem Antrag der FDP einig. Zuhören - jetzt kommt die Begründung: Eine Landesregierung, die auf derartige tiefgreifende Strukturveränderungen bei der Bundeswehr wie sie derzeit angekündigt sind, nicht reagiert, wird ihrer landespolitischen Verantwortung keinesfalls gerecht.

(Beifall DIE LINKE)

Denn für die Thüringer Bundeswehrstandorte trifft zu, was auch für alle anderen Bundeswehrstandorte zutrifft. Bundeswehrstandorte sind örtliche Wirtschaftsfaktoren als Arbeitgeber, als Auftraggeber für das örtliche Handwerk und bei Aufträgen an die Landwirtschaft. Hier fließen Steuergelder in die Regionen. Jede Standortschließung hat demnach auch gravierende Auswirkungen auf die regionale Arbeitsmarkt- und Wirtschaftssituation. Jede Standortschließung hinterlässt Immobilien und dann auch brach liegende Flächen. Darauf rechtzeitig zu reagieren und langfristig gemeinsam mit den lokalen Akteuren und auch mit Wirtschaftsverbänden regionale Nachnutzungs- und Entwicklungskonzeptionen für bislang durch die Bundeswehr genutzte Standorte unter Berücksichtigung derzeit bestehender Wirtschaftskreisläufe und wirtschaftlicher Abhängigkeiten sowie des vorhandenen ökologischen Potenzials - mein Kollege Kummer hat derzeit auf mögliche Nachnutzungsmöglichkeiten für den Truppenübungsplatz Ohrdruf hingewiesen - zu entwickeln und ein Wirtschaftsund Forschungsförderprogramm zu erarbeiten, das die Umstellung von rüstungsrelevanter Produktion und Entwicklung auf eine zivil ausgerichtete Unternehmenstätigkeit befördert, ist Aufgabe einer in die Zukunft gerichteten Landespolitik. Ziel ist die Entwicklung einer zivilen, nützlichen und auskömmlichen Anschlussnutzung unter Beachtung sozialer Aspekte und ökologischer Anforderungen. Konversion ist eben nicht nur eine friedenspolitische Notwendigkeit, sie bietet eine Chance für die Entwicklung einer Region wie Thüringen.

(Beifall DIE LINKE)

Dies setzt voraus, dass der Umwandlungsprozess zielgerichtet und vorausschauend gestaltet wird. Der Ruf nach dem Erhalt des Überholten, aber noch Bestehendem ist da in allen Punkten der falsche Ratgeber.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Renner. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Barth für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Monaten im Dezember genau - zwei Kleine Anfragen gestellt zu den Bundeswehrstandorten in Thüringen. Eine Frage war, was die Landesregierung bisher konkret unternommen hat, um die Bundeswehrstandorte in Thüringen zu sichern, welche Unterredungen stattgefunden haben usw. Die Antwort auf diese Kleine

(Abg. Renner)

Anfrage lautete, dass man an den Sitzungen des Ausschusses für Verteidigung des Bundesrats teilgenommen hat. Respekt! Angesichts der tiefgreifenden Strukturreformen, vor denen die Bundeswehr steht und die mit Sicherheit nicht ohne Auswirkungen auf die Standorte in Thüringen bleiben werden, auch da besteht ja Einigkeit, halte ich das für nicht angemessen. Ich bin da ganz vorsichtig in meiner Wortwahl, ich halte es nicht der Lage angemessen. Eine Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses im Bundesrat ist eine Selbstverständlichkeit und keine Maßnahme, um auf diese Veränderungen, die anstehen, zu reagieren,

(Beifall FDP)

was unverständlich ist aus meiner Sicht, weil an der Stelle, glaube ich, tatsächlich Einigkeit besteht in der Frage, dass wir die Bundeswehrstandorte hier in Thüringen brauchen und dass es natürlich unser gemeinsames Interesse sein muss, diese Standorte auch zu erhalten. Da geht es nicht darum, dass alles so bleiben soll, wie es ist, das kann gar nicht so sein, sondern es geht darum, die Standorte zu erhalten. Dass sich an der einen oder anderen Stelle in den Strukturen etwas ändert, dass sich dort sicherlich auch Mannschaftsstärken verändern werden, das ist überhaupt keine Frage. Aber dass die Standorte möglichst alle erhalten bleiben, das ist das Entscheidende, worum es gehen muss.

(Beifall FDP)

Dass das nichts mit der Größe der Standorte zu tun hat, ist nur einer von vielen Punkten. Es gab eine ganz bemerkenswerte Äußerung von den Kollegen der GRÜNEN in dieser Angelegenheit, was die Größe der Standorte betrifft. Der kleinste Standort in Thüringen ist eine Radar-Beobachtungsstelle. Diesen gibt es deshalb in Thüringen, weil die geographische Lage eben so ist, dass von dort aus gut militärische und übrigens auch zivile Luftraumüberwachung gemacht werden kann. Dieser Standort wird unabhängig von seiner Größe mit hoher Wahrscheinlichkeit vorläufig erhalten bleiben, zumindest so lange, bis der Berg durch Erosion nicht so niedrig geworden ist, dass sich die funktechnische Erreichbarkeit dort ändert. Auch die Sportfördergruppe in Oberhof wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in Oberhof bleiben, das ist auch ein kleiner Standort. Also an der Stelle hat das mit Größe nichts zu tun. Da muss man sich schon ein bisschen genauer informieren, wenn man sich denn an der Stelle in die Debatte einmischt.

(Beifall FDP)

Es ist ja richtig gesagt worden vom Kollegen Fiedler, nach dessen Rede ich ganz besonders gespannt auf das Abstimmungsverhalten bin. Wenn er sagt, dass er in dem Ziel, die Standorte zu erhalten, mit uns übereinstimmt, dann gehe ich jetzt mal davon aus, dass Sie dem Antrag dann entsprechend

auch zustimmen. Denn viel mehr steht in dem Antrag auch nicht drin und vielmehr muss in dem Antrag auch gar nicht drinstehen.

(Unruhe CDU)

Es geht nicht darum, dass die Landesregierung eine militärische Begründung für diese Dinge findet. Es ist nicht ihre Aufgabe, sondern das ist Aufgabe des Bundesverteidigungsministeriums, zunächst nach militärischen Standorten im Angesicht der anstehenden Strukturveränderungen zu entscheiden, welche Truppenstärken in welchen Waffengattungen überhaupt noch gebraucht werden. Aber es gibt einen zweiten Punkt nach den militärischen Entscheidungen, da kommt die zivile Politik ins Spiel. Die Bundeswehr entscheidet, wie viel Mann sie braucht, wo die stationiert sind, da gibt es auch ein paar sicherlich infrastrukturell begründete Punkte und anderes mehr. Aber was Attraktivität von Standorten betrifft, das kann eine Landesregierung beeinflussen, das kann eine Landesregierung auch argumentieren und auch im Bund entsprechend an die Entscheider heranbringen. Das ist es und nicht mehr, aber eben auch nicht weniger, was wir mit unserem Antrag begehren, sich unverzüglich und umfassend für den Erhalt und die Sicherung der Bundeswehrstandorte einzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger steht hier drin.

Kollege Fiedler, Sie sind gar nicht zu Ende gekommen mit Ihrem Satz. Ich nehme an, Sie wollten bedauern, dass bei dem Termin am vergangenen Montag in Gera niemand von den anderen Fraktionen anwesend war, dann kann ich Ihnen zumindest für meine Fraktion begründen, warum das so gewesen ist. Erstens sind wir mehrfach schon in Gera gewesen beim Pionierbataillon, zum Zweiten ist die Einladung nun alles andere als langfristig eingegangen. Zum Dritten sind wir zum gleichen Zeitpunkt hier in Erfurt in der Henne-Kaserne gewesen und haben uns den Standort angeschaut. Das ist ein Zufall gewesen, das war keine böswillige Gleichzeitigkeit, aber genauso ist es. An der Stelle ist es doch in Ordnung, wenn wir als Landespolitik insgesamt getrennt marschieren und gemeinsam schlagen. Deswegen ist das an der Stelle ein bisschen billig und kurz gesprungen.

Was erwarten wir von der Landesregierung? Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie neben einer möglicherweise auch internen Standortanalyse, die man natürlich erst einmal haben muss, man braucht ja einen Ist-Stand, von dem man aus dann auch die Marschrichtung bestimmt. Ein nicht näher genannt werden wollender Herr sagt an der Stelle sehr zu Recht: Wenn man kein Ziel hat, ist immer jede Richtung richtig. Aber man braucht eine Richtung. Um die Richtung zu bestimmen, muss man einen Ausgangspunkt haben. Wir brauchen ein Standortmarketing, um das geht es, welches man sowohl den Entscheidern im militärischen als auch

im zivilen Bereich entsprechend nahe bringen muss. Da muss man reden, da muss man argumentieren. Deswegen glaube ich, dass das Ziel, die Standorte zu erhalten, das Ziel ist, um das es gehen muss. Nicht alles bleibt so, wie es ist, sondern die Standorte müssen erhalten bleiben.

Weil ich schon ahne, was dann kommt, will ich zu den Entwicklungen bei der Bundeswehr insgesamt noch zwei Sätze sagen. Im Jahr 1989 standen etwa 700.000 Deutsche unter Waffen, in der Bundeswehr 500.000, in der NVA etwas über 200.000. Rechnet man mal dazu, was die alliierten Streitkräfte noch hatten, waren weit über 1 Mio. Mann in Deutschland mit den unterschiedlichsten Waffen ausgerüstet in den unterschiedlichen Armeen in Deutschland kaserniert. Die Bundeswehr hat seither permanent Umstrukturierungen erfahren, von 500.000 auf aktuell 220.000 Mann. Der Anteil an Wehrpflichtigen ist immer weiter zurückgegangen. Es sind aktuell 11 Prozent der Soldaten, die in der Bundeswehr Dienst tun, Wehrpflichtige. Das heißt, Umstrukturierungen wären nötig gewesen. Eine Strukturdebatte hätte es gegeben aufgrund der Sicherheitslage, aufgrund der veränderten Auftragslage der Bundeswehr, völlig unabhängig von der Debatte um die Wehrpflicht. Eine weitere Umstrukturierung der Bundeswehr hätte es völlig unabhängig von der Frage „Erhalt der Wehrpflicht - ja oder nein“ gegeben.

(Beifall FDP)

Zum Erhalt oder zur Abschaffung der Wehrpflicht gibt es auch in vielen, in den meisten Parteien ganz klare Beschlusslagen. Bei Ihnen gibt es ein bisschen eine unklare Beschlusslage, Herr Gentzel, bei Ihnen gibt es aus meiner Sicht die unglücklichste von allen, nämlich die, zu sagen, wir schaffen die Wehrpflicht so ein bisschen ab, wir sind so halbschwanger, wir setzen sie wieder in Kraft, wenn wir nicht genügend Freiwillige finden. Was das auch für die Planbarkeit für junge Menschen bedeutet, ist eine ganz andere Frage. Aber deswegen bin ich, obwohl ich persönlich anderer Meinung war und bin, viele Jahre mit meiner Partei da sehr im Reinen, weil es eine klare Entscheidung ist, zu sagen, jawohl, Wehrpflicht wird abgeschafft. Dass die Aussetzung am Ende in die Abschaffung münden wird, ist kein Geheimnis.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Das ist doch dassel- be, Herr Barth.)

(Heiterkeit SPD)

Alles andere, dass das niemand mehr zurückholt, ist völlig klar. Deswegen jetzt einen Widerspruch herbeiführen zu wollen, Herr Kollege Gentzel, weil ich ahne, dass Sie das gleich versuchen werden, und zu sagen, ihr seid für die Abschaffung der Wehrpflicht,

(Unruhe SPD)

bringt deswegen die Bundeswehr in die Bredouille, überhaupt umstrukturieren zu müssen und setzt euch jetzt hier hin und kämpft für den Erhalt der Standorte.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Was ist eigentlich in Berlin beschlossen worden?)

Das wird nicht funktionieren, weil es nämlich auch keinen inneren Zusammenhang gibt, sondern die Umstrukturierung der Bundeswehr findet in jedem Fall statt, hätte in jedem Fall stattgefunden. Deshalb muss es wohlverstandenes gemeinsames Interesse sein, dass wir mit Blick auch auf die zivile Bedeutung der Standorte alle Standorte in Thüringen erhalten.

(Beifall FDP)

Das ist das, was in dem Antrag drinsteht und das ist das, wofür ich herzlich um Zustimmung werbe, insbesondere wenn über das Ziel Einigkeit besteht. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Gentzel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, und auch insbesondere für die Kollegen von der FDP am Anfang in aller Deutlichkeit und in aller Klarheit: Die Zuständigkeit für die Bundeswehr liegt originär beim Bund.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jede, um das ganz deutlich zu sagen, Kaserne auch in Thüringen, die erhalten oder geschlossen wird, wird von der Bundesregierung bzw. vom Bundestag erhalten und geschlossen. Sie sollten sich mal langsam

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zu Ihrer Verantwortung in dieser Bundesregierung, die Kasernen erhält oder schließt, oder zu Ihrer Mehrheit im Bundestag mit der CDU bekennen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon eine Nummer aus dem Tollhaus, dass Ihr Fraktionsvorsitzender hier die Erwartungen an die Landesregierung formuliert und nicht einen Satz oder ein Wort zur Rolle der FDP, die sie einnimmt oder zukünftig einnehmen will zu dieser Frage, verliert. Das ist schon eine Nummer aus dem Tollhaus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe FDP)