Protocol of the Session on January 19, 2011

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Zweiten: Wenn man sich die Zahlen anschaut, es wurde tatsächlich geschafft, die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen von 2000 bis 2008 deutlich zu erhöhen, fast zu verdoppeln, fast 35 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in diesem Alter können heute arbeiten. Das ist gut so, das ist eine gute Entwicklung, die hat ganz sicher nichts damit zu tun, dass Schwarz-Gelb 2009 gewählt wurde und da in irgendeiner Form etwas beigesteuert hat. Das ist in den Jahren zuvor passiert.

Aber worüber reden wir? Wir reden darüber, dass die Menschen sich fragen: Wie kann es sein, dass wir bis 67 arbeiten müssen und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen nicht besser werden? Das ist der Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wo wir gefordert sind, wir auch übrigens hier. Wer möchte, dass länger gearbeitet wird, muss auch die Bedingungen dafür schaffen, dass gute Arbeit möglich ist. Da schaue ich gern in die Ränge von Schwarz-Gelb und sage Ihnen, es gibt ein 50-PlusModell allein auf Bundesebene, ein 60-Plus-Modell wird weder angedacht noch umgesetzt. Wie soll Altersarbeit gestaltet werden? Ich kann mich nicht entsinnen, in den letzten Monaten irgendetwas von Ihnen gehört zu haben. Was ich höre, ist, dass es im Bereich des Arbeitsmarkts 1,5 Mrd. € weniger

(Abg. Künast)

gibt, die investiert werden. So sorgt man ganz sicher nicht für gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen.

Was es auch nicht gibt, wozu sich auch SchwarzGelb hätte äußern können an dieser Stelle, ist ein Gesundheitspräventionsgesetz. Jetzt erklären Sie bitte mal der Pflegerin, dem Pfleger, wie er nach 40 Jahren - 45 muss er arbeiten, um tatsächlich auch den vollen Rentenanspruch zu haben, dabei bleibt es ja - entsprechend arbeiten können soll. Das muss man unterfüttern. Da muss man sagen, folgende Konzepte stellen wir uns vor, folgendermaßen wollen wir Stress abbauen, folgendermaßen sorgen wir dafür, dass es auch gesundheitliche Ruhephasen gibt, folgendermaßen gestalten wir Teilzeitmodelle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das tun Sie alles nicht. Und indem Sie das nicht tun, sorgen Sie auch nicht für die nötige Akzeptanz; diese große Aufgabe muss gestemmt werden. Wir reden also im Wesentlichen darüber, wie wir Arbeitsschutz verbessern, wie wir auch Weiterbildung im Übrigen verbessern. Das sind alles Punkte, die man auch auf Landesebene ansprechen kann. Wir haben ein Landesarbeitsmarktprogramm verabschiedet, wir werden es ausgestalten können. Das heißt, das betrifft im Übrigen auch die Landesebene. Deswegen ist es richtig, darüber nachzudenken, wenn man dazu steht. Das habe ich heute hier von vier Fraktionen gehört, meine eingeschlossen. Da muss man Konsequenzen auf Landesebene ziehen und sich hier im Übrigen fragen, wenn man Förderprogramme strickt: Wie schafft man es denn, den schönen Begriff Diversity zu unterfüttern, nämlich dass junge und ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zusammenarbeiten? Wie schafft man es, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen? Wie schafft man es, dass Menschen nicht durch hohen Leistungsdruck krank werden, früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen und sich dementsprechend nicht mehr einbringen können?

Schweden und die Schweiz wurden genannt, das sind Länder, die zeigen, wie es gehen kann, wie übrigens auch Gesundheitsprävention funktioniert, wie flexible Rentenlösungen funktionieren. Da können wir uns noch etwas abschauen. Das würde ich mir wünschen, dass wir das tun. Und bei aller Freude an bundespolitischen Debatten, hier im Thüringer Landtag fände ich es wichtig, dass wir auch immer den Bezug finden zum Land - deswegen das Landesarbeitsmarktprogramm - und zum Zweiten dann schon auch die Bedingungen, die man auf Bundesebene beeinflussen kann, auch beim Namen nennt. Das gehört zur Ehrlichkeit der Debatte dazu. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redemeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Für die Landesregierung Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst zwei kurze Vorbemerkungen: Frau Siegesmund, ich denke, Frau Künast und die von ihr vertretene Partei sind ja nicht misszuverstehen. Als das Rentengesetz verabschiedet wurde Rente mit 67 und dann die Überprüfungsklausel -, war ja bewusst die Überprüfungsklausel gewählt worden, weil man gesagt hat, man muss nochmals überprüfen, wie viele Menschen tatsächlich überhaupt bis 65 arbeiten. Deswegen ist das gemacht worden. Wenn man das von vornherein nicht gewollt hätte, hätte man sich auf keine Überprüfungsklausel einigen müssen und hätte gleich das Gesetz so beschlossen. Ich glaube, das ist auch richtig so. Ich denke und stimme Ihnen zu, wir werden auch in den kommenden Jahren nochmals einen richtig starken Anstieg bekommen der Personen, die zwischen 60 und 65 Jahren berufstätig sind, schon einfach aus der Tatsache heraus, dass die Altersteilzeit ausläuft und nicht weiter verlängert wird auch in wirtschaftlich so guten Zeiten, wie wir sie momentan haben, nicht als Instrument der Arbeitsmarktregulierung gebraucht wird, so dass wir da auch mehr Personen haben. Deswegen können wir auch sagen: Zu dem damals verabschiedeten Gesetz stehen wir nach wie vor. Wir haben allerdings mit der Überprüfungsklausel auch einen Anteil gebracht.

All das, was Sie angesprochen haben zur Frage der Arbeitsbedingungen, der Weiterbildung usw., denke ich, sind wichtige Punkte, die wir in der ganz normalen Arbeit auch des Ministeriums mit besprechen. Wir haben z.B. den Arbeitsschutz mit bei uns, wo man schaut, was man noch tun kann. Auch die Arbeitsbedingungen, das wissen wir alle, sind ja wesentlich besser geworden in den letzten 25 Jahren. Ich denke, es ist auch eines wichtig und das ist auch verbunden mit der Psyche - ich bitte hier, mich nicht misszuverstehen -, es ist natürlich auch wichtig, wie Kinder erzogen werden. Wenn für Kinder das Thema Arbeit ein ganz selbstverständliches Thema ist, das nicht per se Stress verursacht, kann man sich einem Arbeitsprozess natürlich auch viel besser widmen.

Ich will eine Falschaussage von Frau Jung korrigieren. Frau Jung hat gesagt, die Leute fallen zwischen 65 und 67 Jahren um und die muss man dann aus der Arbeit zerren. Das ist mitnichten so. Wenn Sie nur mal 25 Jahre zurückdenken, dann wissen Sie, die Arbeitsbedingungen waren schwieriger, wir mussten 8,75, also 9,5 Stunden an der Ar

(Abg. Siegesmund)

beit sein. Wenn ich die heute 80-Jährigen anschaue, die sind 1930 geboren, und diese sind mehr geworden, dann bedeutet das nicht per se, dass Menschen, die ein langes Arbeitsleben haben, tatsächlich auch körperlich und psychisch verschlissen sind. Das kommt immer auf den einzelnen Zustand an. Ich habe persönlich das Beispiel des Dachdeckers nicht so gern.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen vor: Anhebung des Renteneintrittsalters von 67 auf 65 Jahre zurücknehmen. Für die Landesregierung nehme ich zu diesem Antrag wie folgt Stellung:

Mit dem Rentenversicherungs-Altersanpassungsgesetz im Jahr 2007 wurde die Anhebung der Regelaltersgrenze auf das vollendete 67. Lebensjahr beschlossen. Beginnend mit dem Jahr 2012 ist vorgesehen, schrittweise die Anhebung vorzunehmen. Erst für alle nach 1963 Geborenen wird dies in vollem Umfang wirksam werden. Bestimmte Personen genießen Vertrauensschutz, nämlich Beschäftigte, die vor dem 1. Oktober 1955 geboren wurden und vor dem 1. Januar 2007 mit ihrem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag vereinbart oder Anpassungsgeld bezogen haben. Für diese ist weiterhin der abschlagsfreie Bezug der Altersrente mit 65 Jahren möglich. Parallel dazu wird zur Abmilderung auch ab dem 1. Januar 2012 die Altersrente für besonders langjährig Versicherte eingeführt. Danach erhalten zukünftig weiter abschlagsfreie Renten mit dem 65. Lebensjahr, wer 45 Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nachweist. Auch Monate einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung, die sogenannten Minijobs, Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zum 10. Lebensjahr oder auch Ersatzzeiten wie Wehrdienst werden auf die Wartezeiterfüllung angerechnet. Es erfolgt somit keine generelle Anhebung der Altersrente auf das 67. Lebensjahr.

Meine Damen und Herren, seit Jahrzehnten bildet die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland die Grundlage der Alterssicherung als erste Säule. Dies soll, darüber sind wir uns, denke ich, alle einig, auch in Zukunft so bleiben. Aber, meine Damen und Herren, Sie kennen auch die demographische Entwicklung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme, die bereits diskutiert worden sind. Deswegen sei noch einmal der Hintergrund für die Einführung einer längeren Lebensarbeitszeit erwähnt. Der Grund war und ist die finanzwirtschaftliche Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung auch für die Zukunft. Das Ziel, den Beitragssatz von derzeit 19,9 Prozent zu stabilisieren und längere Rentenbezugszeiten finanzieren zu können, soll damit erreicht werden. Dem stehen die zurückgehende Zahl von Arbeitnehmern, die in die Rentenkasse einzahlen, ein späterer Beginn des Erwerbslebens, ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben und eine

längere Lebenserwartung und damit verbunden längere Zeiträume des Rentenbezugs entgegen. Der Gesetzgeber hat mit der Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre auch eine Überprüfungsklausel als Schutzmaßnahme verabschiedet, um die Entwicklung der Arbeitsmarktchancen älterer Menschen zu analysieren und Maßnahmen zu deren Verbesserung einleiten zu können. Die Bundesregierung hat einen eigenständigen Bericht im November 2010 vorgelegt. Es wird dort eingeschätzt, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können. Die Tendenz, ob ältere Arbeitnehmer vermehrt in Arbeit gebracht werden können, wird sich zukünftig zeigen; ich persönlich bin davon überzeugt. Unter dieser Prämisse sollte zu gegebener Zeit eine Aussetzung der Regelung bewertet werden. Für einen konkreten Antrag im Bundesrat wird momentan jedoch weder Aussicht auf Erfolg noch Anlass gesehen. Deshalb, denke ich, sollten wir den Antrag ablehnen, weil wir an der Stelle zwar viel Wind machen können, aber nichts erreichen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt keine weiteren Redewünsche mehr zu diesem Thema. Damit kann ich die Aussprache schließen.

Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden, demzufolge stimmen wir direkt über den Antrag in der Drucksache 5/1527 ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Der Antrag ist damit mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Europäisches Jahr 2010 gegen Armut und soziale Ausgrenzung Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1528

Die Fraktion DIE LINKE hat nicht signalisiert, das Wort zur Begründung zu ergreifen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das steht doch da vorne. Na klar.)

Doch? Dann spricht für die Fraktion DIE LINKE zur Begründung des Antrags der Abgeordnete Bärwolff.

(Ministerin Taubert)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, DIE LINKE forderte in ihrem Antrag zum Thema Europäisches Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung einen Bericht der Landesregierung, was in diesem letzten Jahr 2010 gelaufen ist. Das Europäisches Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung war für verschiedene, gerade auch für Sozialverbände ein ganz wichtiges Jahr. Es gab unter anderem den EU-Armutsmarsch nach Brüssel, wo man auf Niedriglöhne und auf Armut aufmerksam gemacht hat. Die Linksfraktion möchte gern von Frau Ministerin Taubert und dem Sozialministerium einen Rechenschaftsbericht bekommen, was denn da eigentlich gelaufen ist. Eines der letzten Highlights, woran wir uns sicherlich erinnern, ist die noch in letzter Sekunde einberufene oder veranstaltete Fachtagung zum Thema „Kinderarmut“, die in Gera stattgefunden hat. Ich konnte es mir nicht verkneifen und habe die Referenten mal gefragt, wann sie denn eingeladen wurden - sie wurden drei Wochen vor dem Termin der Fachtagung erst angesprochen und eingeladen. Das zeigt so ein bisschen, dass das EU-Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung vielleicht nicht doch ganz weit oben auf der Prioritätenliste war. Aber in diesem Jahr, im Jahre 2011, gibt es das EU-Jahr für mehr Ehrenamt, also für die Stärkung des Ehrenamts. Vielleicht gelingt es, dieses Jahr ein bisschen mehr auf die Tagesordnung zu heben, denn auch Ehrenamt ist ganz wichtig. Wir freuen uns auf die Ausführungen der Ministerin und der Kollege Kubitzki wird dann sicherlich auch noch mal ein paar Sätze dazu verlieren. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags gleich geben möchte. Frau Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich gebe dem frei gewählten Thüringer Landtag natürlich gern einen Rechenschaftsbericht über die Arbeit im internationalen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion DIE LINKE begehrt in seinem I. Teil eine Fülle an Informationen zu Maßnahmen, Projekten und Veranstaltungen der Thüringer Landesregierung im Europäischen Jahr 2010 gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Allerdings darf ich darauf verweisen, dass einige der erbetenen Informationen insbesondere auch über Pressemeldungen der Landesregierung und dank der Homepage des Bundesministeri

ums für Arbeit und Soziales bekannt sind. Informationen zu dem Projekt TIZIAN sind als Link über die Homepage des Sozialministeriums zugänglich, so dass ich mich auf bestimmte Dinge begrenzen möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Europäische Jahr 2010 gegen Armut und soziale Ausgrenzung ist eines der zentralen Themen des vergangenen Jahres gewesen. Thüringen hat aktiv an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Programmbeirat mitgewirkt und so die Planung und Durchführung des nationalen Programms „Mit neuem Mut“ begleitet. Die Arbeitgruppe will ihre Arbeit fortsetzen, um die Auswertung der im Rahmen des Europäischen Jahres durchgeführten Projekte zu begleiten. Auf der Abschlussveranstaltung zum Europäischen Jahr 2010 sollen die Ergebnisse der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe vorgestellt werden. Im Programmbeirat hat sich Thüringen mit NordrheinWestfalen einen Sitz geteilt. Thüringen hat an der Erarbeitung der Auswahlgrundsätze der eingereichten Projekte mitgewirkt.

Insgesamt haben sich 21 Thüringer Projekte um eine Förderung durch das BMAS beworben. Als Siegerprojekt ging das Projekt „Move it!“ der AWO Thüringen hervor. Die Evaluierung dieses Projekts wird vom BMAS durchgeführt. Der Abschlussbericht liegt noch nicht vor. Aus diesem bereits bekannten Zwischenbericht des Thüringer Projekts „Move it!“ hat das BMAS Folgendes mitgeteilt: „Im Sommer 2010 wurden fünf Freizeiten mit den Themenschwerpunkten Partizipation und Menschenrechte durchgeführt. Diese wurden mit einer Multiplikatorenschulung vorbereitet. Ein Teilnahmebetrag von nur 20 €, der zudem in 10 von 97 Fällen von Paten übernommen wurde, gab auch Kindern aus einkommensschwachen Familien die Chance, an der Veranstaltung teilzunehmen.“

Von den vielen Projekten und Veranstaltungen, die sich in Thüringen mit dem Thema des Europäischen Jahres beschäftigt haben, möchte ich an dieser Stelle nur drei weitere beispielhaft nennen. Im März 2010 fand an der Fachhochschule Erfurt in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen eine Fachtagung „Wege aus der Kinderarmut“ statt. Am 30.11.2010 hat in Gera als Abschlussveranstaltung Thüringens zum Europäischen Jahr 2010 ein Kongress zum Thema „Thüringer Strategien gegen Kinderarmut“ stattgefunden. Die renommierte Sozialwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Jutta Allmendinger stellte eine Agenda gegen Bildungsarmut von Kindern vor. Dieses wichtige Thema haben auch die Herausgeber des gemeinsamen sozialen Wortes im Frühjahr 2010 benannt. Bildung kann ein Schlüssel zur Bekämpfung der Kinderarmut in Thüringen sein. Die Teilnehmer des Kongresses waren sich einig, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderarmut selbstverständlich auch nach Ablauf des Europäi

schen Jahres 2010 fortzusetzen ist. Da hat das Sozialministerium zum Abschluss des Europäischen Jahres 2010 im Rahmen des Thüringer Schülerwettbewerbs „Schau nicht weg - gemeinsam stark gegen Kinderarmut in Thüringen“ alle Thüringer Schülerinnen und Schüler dazu aufgerufen, sich mit dem Thema Kinderarmut zu befassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, soweit in der Anfrage nach der Wirksamkeit der Medienkampagne zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefragt wird, kann ich hierfür keine auf Thüringen beschränkte Antwort geben. Das BMAS hat uns mitgeteilt, dass die Medienstrategie eine Vielzahl von Maßnahmen, deren Wirkung zum Teil bereits jetzt sichtbar ist, umfasst. Jedoch wird erst die nach Abschluss des Europäischen Jahres 2010 durchzuführende Evaluation weitere Ergebnisse der Öffentlichkeitsarbeit erbringen. Das unter Punkt I.1 f abgefragte Projekt des DGB Bildungswerks Thüringen ist nicht durchgeführt worden, weshalb ich auch keine Ergebnisse dazu präsentieren kann.

Ich möchte zu Punkt 2, dem Frageblock bezüglich der Thüringer Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung mit Nachhaltigkeit kommen. Mit dem Programm TIZIAN trägt das TMSFG zur sozialen Aktivierung von Menschen bzw. Familien bei. Es wurden Integrationsprojekte bei Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch mit Kindern in Zusammenarbeit mit den Trägern der Grundsicherung entwickelt. Diese Projekte zielen auf die Unterstützung bei persönlichen Problemlagen, Qualifizierung und die Heranführung an den Arbeitsmarkt mit Nachbetreuung. Insgesamt wurden 37 TIZIAN-Projekte bis Ende 2009 durchgeführt, rund 1.200 Teilnehmerplätze wurden dazu bewilligt. Hierbei können bis zu 2.000 Kinder betreut werden. Derzeit sind die Projekte noch nicht beendet. Die Träger befinden sich noch in der Umsetzungsphase. Eine bestimmte Organisationsform war den Projektträgern nicht explizit vorgegeben. Die Form eines Integrationszentrums besteht etwa in Nordhausen mit dem SIZ. Daneben wurden aber auch Integrationsteams bei Projektträgern gebildet. Die Initiative TIZIAN wird als Bestandteil der Halbzeitevaluierung des Operationellen Programms des ESF evaluiert. Der Endbericht der Halbzeitevaluierung liegt erst am 31. Januar 2011 vor. Daher kann ich heute noch keine abschließenden und verbindlichen Aussagen zu den Teilfragen 2 a - e des Antrags treffen.

Darüber hinaus werden detaillierte Daten zu den einzelnen Projekten im Rahmen einer freiwilligen Trägerbefragung erhoben. Die Ergebnisse werden in Beantwortung der Kleinen Anfrage 1108 - Erste Ergebnisse von TIZIAN - im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend zum ersten Teil des Antrags festhalten, dass wir der Bekämpfung der Armut, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, allen Verantwortlichen auch über das Jahr 2010 hinaus verpflichtet bleiben.

Damit leite ich über zum Teil II des Antrags, der die Erstellung eines Maßnahmekatalogs gemeinsam mit allen Akteuren zu konkreten Vorhaben zum Abbau von Armut und gegen soziale Ausgrenzung bis Ende des Jahres 2010 fordert. Ich darf voraussetzen, dass ein solcher Maßnahmekatalog bereits existiert, denn alle Fraktionen hatten ja zum Teil daran mitgewirkt. Dieser wird auch ständig fortgeschrieben. Zudem ist die Landesregierung regelmäßig im Gespräch mit verschiedensten Vertreterinnen und Vertretern der sozialen Akteure.

So habe ich im Oktober 2010 die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des gemeinsamen Wortes zu einem Gespräch eingeladen, um die wesentlichen Aspekte der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelungen zur Ermittlung der Regelbedarfe gemeinsam zu erörtern. Gestatten Sie mir zu sagen: Kinderarmut, finanzielle Armut kann zunächst mit auskömmlichen Regelsätzen bekämpft werden; wir müssen andere Dinge mit dazustellen. Das Teilhabepaket wird eine Möglichkeit sein, etwas zu lindern. Es ist ganz wichtig, dass man die Bekämpfung der Kinderarmut nicht nur als eine Aufgabe des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit betrachtet, das nach Kräften mit allen zur Verfügung stehenden Personen daran gearbeitet hat, sondern dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe aller Ministerien, aller Akteure im kommunalen Bereich und natürlich auch von Einzelpersonen ist, die sich dieser Thematik, wie ich finde, erfreulicherweise zunehmend in ihrer Gemeinde annehmen.

Meine Damen und Herren, aufgrund der tatsächlich bereits stattfindenden Zusammenarbeit mit den sozialen Akteuren auf dem Gebiet der Armutsbekämpfung empfehle ich, und das will ich durchaus betonen bei uneingeschränkter Anerkennung der besonderen Bedeutung der Armutsbekämpfung, die Anträge abzulehnen. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Ich frage zunächst in Richtung der Fraktionen: Wird Aussprache gewünscht? Fraktion DIE LINKE, Fraktion der SPD, CDU-Fraktion, FDP-Fraktion und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dann eröffne ich jetzt die Aussprache zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags und gleichzeitig zu Nummer II des Antrags in Drucksache 5/1528. Als Erste erhält Frau Abgeordnete Meißner für die CDU-Fraktion das Wort.

(Ministerin Taubert)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 24.09. des vergangenen Jahres nur einige kurze Bemerkungen von mir. Zum I. Punkt, in dem die Informationen gefordert wurden, kann ich nur sagen, der Sofortbericht hat uns eine umfassende Darstellung dessen gegeben, was im letzten Jahr getan wurde. Dafür danke ich Ihnen, Frau Ministerin. Aus Sicht der CDU-Fraktion ist anzumerken, dass wir diese Veranstaltungen, Maßnahmen und Projekte nicht nur begrüßen, sondern auch für die Organisation danken und wir die dort gefundenen Ansätze natürlich auch in Zukunft weiter verfolgen wollen.

Zum Punkt II Maßnahmekatalog bis zum 31.12.2010: Allein an der Stelle sieht man, dass der Antrag überholt ist und eigentlich hätte zurückgezogen oder geändert werden müssen. Deswegen dazu keine weiteren Anmerkungen von mir.