Protocol of the Session on January 19, 2011

Danke, Herr Abgeordneter Günther. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses im Augenblick in der Beratung befindliche neue Thüringer Vergabegesetz und Mittelstandsfördergesetz scheint alle ganz aufgeregt und ganz unruhig zu machen. Ich habe fast den Eindruck, dass die CDU-Fraktion aus der Koalition aussteigen wolle, da sie sich von dem Entwurf ihrer Regierung deutlich distanziert hat, heute wieder und gestern auch im Ausschuss. Wenn man erlebt

(Abg. Korschewsky)

mit Fachkollegen im Vorgespräch zu der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt und man noch hört, dass man - ganz kurz natürlich - nur das aktuelle Gesetz streifen werde, und eigentlich viel lieber nach hinten fragend um Datenmaterial bekommen zu können, die Diskussion sucht, dann erstaunlich erlebt, dass Herr Barth die große Öffentlichkeitsnummer zieht, dann macht mich das, ehrlich gesagt, stutzig und ich frage mich, warum wir das Ganze nicht mit ein bisschen mehr parlamentarischer Gelassenheit angehen könnten. Mit dieser parlamentarischen Gelassenheit auf den Antrag der FDP geschaut, muss man sagen, das ist doch ein total vernünftiger Antrag, der uns, wenn er dann erfüllt werden könnte, Zahlenmaterial, das wir natürlich sehr gut gebrauchen könnten, um Recht fortzuentwickeln, bereitstellen würde. Die Landesregierung sollte das nicht brüsk von sich schieben, sondern ganz klar eigentlich bemüht sein, diese Fragen auch beantworten zu können.

Jetzt hat die Landesregierung, denke ich, relativ plausibel darlegen können, dass diese Daten nicht da sind und es kann nicht im Sinne der FDP sein, dass man, um diese Daten zu bekommen, hier ein neues Bürokratiemonster aufbaut. Wer die Frage stellt dezidiert an vielen Stellen, wie viel, in welcher Größenordnung, mit welchen Kriterien in unseren über 900, fast 1.000 Kommunen Aufträge vergeben wurden, zeigt doch, dass er diese Relation des einmal sich gegen Bürokratie zu wenden und hier zu streichen und ein anderes Mal umfänglichste Daten haben zu wollen, komplett verloren hat. Sehr verehrte Damen und Herren von der FDP, Sie haben diese Relation verloren.

Jetzt will ich ganz kurz noch einmal zum Inhalt dieses Antrags gehen, eine Sache herausgreifen: In der Frage 13 fragen Sie danach, in wie vielen Kommunen, wie oft in Landkreisen, wie oft im Freistaat und wie oft im Freistaat als Auftragsverwaltung für den Bund Aufträge vergeben wurden, wo Unternehmen darauf zertifiziert oder überprüft wurden, ob sie hinreichende Maßnahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern haben. Die Landesregierung sagt: Sie hat keine Zahlen dazu. Der eigentliche Skandal ist doch nicht, dass die Zahl nicht da ist, sondern der eigentliche Skandal ist doch, dass wir bisher keine gesetzliche Grundlage hatten, wenn wir öffentliche Gelder zu vergeben haben, darauf zu achten, dass diese in einem Sinne vergeben werden, mit dem wir dem Gleichheitsgrundsatz, dem Erfordernis aus unserem Grundgesetz heraus, Rechnung tragen. Das ist doch der eigentliche Skandal, der hier inneliegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gestrige Anhörung, um darauf auch noch einmal kurz einzugehen, hat eines ganz deutlich gezeigt. Dieses Gesetz geht aus dem Parlament nicht raus, wie es reingekommen ist. Es ist übrigens ein Zitat von Herrn Machnig. Insofern können auch die Regie

rungsfraktionen doch auch ganz gelassen sein und unaufgeregt den parlamentarischen Weg dieses Gesetzes verfolgen, indem wir nämlich nach der Anhörung darüber beraten, was wir alles ändern müssen. Das hat gestern ganz deutliche Worte gegeben, um es hier noch ganz kurz zu umreißen: Wir werden natürlich, denke ich, wenn wir vernünftig sind, diese Mittelstandsförderung von der Vergabe wieder trennen. Es ist gar nicht nachzuvollziehen, warum das jemals in ein Gesetz gepresst wurde. Wir müssen natürlich klare Regelungen dazu haben, dass die Unternehmen wissen, was wird denn wie bewertet werden. Ob das die Landesregierung mit einer internen Richtlinie machen will, also einer Verwaltungsrichtlinie, ist mir relativ egal. Es muss nur klar sein, dass beim Inkrafttreten dieses Gesetzes, es klar ist für jeden Verwaltungsmitarbeiter, für jeden, der hier Auftraggeber im Sinne dieses Gesetzes ist, wie hat er ökologische Standards, Standards der ILO Kernarbeitsnormen, Standards der Gleichbehandlung von Frauen und Männern und Standards der Berufsausbildung zu bewerten. Es muss ganz deutlich darauf geachtet werden, dass wir überall da, wo es entscheidungsrelevant ist, kein „kann“ uns leisten, sondern ein „muss“, nämlich bei der Frage, was bewertet werden muss. Wir können es nicht dem einzelnen Mitarbeiter überlassen, ob er heute die Fragen ökologischer Standards bewertet und morgen nicht, das darf nicht sein. Hier muss das Gesetz dringend nachgebessert werden.

Datenschutz - hier brauchen wir Klarstellung. Die Diskussion gestern hat ganz deutlich gezeigt, dass so, wie das Gesetz verfasst ist, es dazu führen würde, dass Vertreter von kommunalen Verkehrsunternehmen beispielsweise beim Handwerker vorstellig werden könnten und Einsicht in die Lohn- und Gehaltsunterlagen nehmen. Das kann wohl nicht Sinn dieses Gesetzes sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen auch eine Klarstellung, was denn vernünftigerweise überhaupt mit diesen unterschiedlichen Verfahrenswegen bewirkt werden soll. Wenn es dafür eine plausible Erklärung gibt, bin ich gerne bereit, in Thüringen diesen neuen Weg zu gehen. Aber die Frage muss erst einmal erklärt, begründet und argumentiert werden, warum das Land hier einen neuen Weg eröffnen will, nämlich in den Verwaltungsgerichtsverfahren. Wünschenswert ist es auch, das hat die gestrige Anhörung sehr deutlich gezeigt, dass wir noch einmal darüber nachdenken, ob jedes noch so kleine und Kleinstunternehmen überhaupt unter diese Regelung fallen soll oder ob wir hier nicht Ausnahmeregelungen für kleine und Kleinstunternehmen machen sollten. Das alles würde das Gesetz besser machen, würde dieses Gesetz, das wir dringend benötigen, um gerecht und zukunftsorientiert in diesem Land mit öffentlichen Mitteln umgehen zu können, nachhaltig investieren

zu können, um das überhaupt möglich machen zu können. Dafür brauchen wir dieses Gesetz, dafür brauchen wir diese Änderungen, um daraus ein gutes Thüringer Gesetz zu machen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Adams. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lemb für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will zunächst noch einmal versuchen, bei den Kolleginnen und Kollegen im Hause fraktionsübergreifend um Verständnis zu werben. Ich habe zumindest ein gewisses Verständnis für den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Barth der ist jetzt gerade raus. Ah, da ist er ja. Wenn man die „Financial Times“ von heute, Ausgabe 19. Januar 2011, nimmt, dann liest man: „Die FDP hat keine Ahnung“, “der Liberalismus müsste neu definiert werden, um Antworten auf die Finanzkrise geben zu können“, „die Freien Demokraten weichen der Verantwortung aus“, „die FDP ist gerade dabei, sich inhaltlich komplett überflüssig zu machen“.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb, wenn man in einer solchen Situation ist, dann muss man Verständnis aufbringen, wenn der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag den Minister herbeirufen will, der ihm Orientierung gibt, der die richtige Richtung aufzeigt, der die notwendigen Weichenstellungen zu den politischen Vorhaben zur wirtschaftlichen Entwicklung zur Förderung des Mittelstandes vorgibt. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis.

(Beifall SPD)

Aber ich will gleichzeitig auch sagen, ich glaube, der Staatssekretär hat das nicht minder schlecht gemacht.

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Der war gut.)

Insofern hoffe ich, dass er eine gute Vertretung war.

Ja, der war gut.

Zum Antragstext selbst haben ja viele meiner Vorredner schon gesagt, dass es sich eigentlich im Kern um eine Große Anfrage handelt. Ich will darauf auch gar nicht weiter im Detail eingehen; es gibt, glaube ich, 50 Einzelfragen, die gestellt worden sind. Der Kollege Adams hat darauf hingewie

sen, dass es ein sinnvoller Antrag sei, wenn er denn beantwortet werden könnte. Aber da er nicht beantwortet werden kann, ist es natürlich im Umkehrschluss auch kein sinnvoller Antrag, weil das ja im Rahmen der Kleinen Anfrage bereits deutlich geworden ist. Wir haben in Thüringen keine gesetzlichen Grundlagen, die die Kommunen verpflichten, eine derartige geforderte Datenerfassung und -weitergabe zu erstellen und aufzuführen. Vieles ist bereits gesagt worden, dass das, was hier von der FDP-Fraktion in dem Antrag gefordert wird, ein riesiger Bürokratieaufwand wäre, wo ja die FDP ansonsten eigentlich immer auf der politischen Bühne auftritt, um Bürokratie abzubauen. Zu dem, was gesagt worden ist mit Blick auf die gestrige Anhörung, will ich noch einmal betonen, dass mein Kollege Günther ja bereits ausgeführt hat, dass wir die Anregungen, die es in der gestrigen Anhörung gab, natürlich aufgreifen; wir werden uns mit den Einzelfragen beschäftigen. Auch ich bin der Auffassung, dass diese Anhörung gestern keine wirklichen substanziell neuen Erkenntnisgewinne gebracht hat. Wer im Vorfeld dieser Anhörung die schriftlichen Stellungnahmen aufmerksam gelesen hat, der wusste, dass es an der einen oder anderen Stelle kritische Anmerkungen gibt, der wusste aber auch, dass es von vielen anderen positive Bewertungen gibt. Im Übrigen will ich noch mal darauf hinweisen, dass ja auch bereits im Verfahren des Kabinetts entsprechende Stellungnahmen eingeholt wurden, die in dem Gesetzentwurf eingebracht und eingeflossen sind.

Worum ging es denn bei der Anhörung gestern im Kern? Es ging im Kern in einer großen Debatte um die Frage: Macht es Sinn, Vergabegesetz und Mittelstandsförderung in einem Gesetz zusammenzufassen?

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Darum geht es doch aber nicht.)

Diesem Thema werden wir uns noch mal gemeinsam stellen müssen, ob die Anhörung in diesem Fall Auswirkungen auf das weitere Gesetzgebungsverfahren hat. Ich bin da zunächst einmal ganz offen und wir werden uns hier darüber unterhalten müssen, welches der beste Weg ist, um ein zukunftsorientiertes Vergabegesetz auf den Weg zu bringen und gleichzeitig auf weiterhin gute politische Forderungen und Förderungen des Mittelstands entsprechend zu orientieren.

Zweitens: Vergabefremde Kriterien - auch das ist ein großes Thema in den vergangenen Wochen und Monaten gewesen. Ich will hier noch mal sagen, wir hatten einige Juristen in der Anhörung, die das in Teilbereichen sehr schön herausgearbeitet und deutlich gemacht haben, dass, wenn es politischer Wille ist - und das ist es nach unserem Koalitionsvertrag -, ein dementsprechendes Vergabege

(Abg. Adams)

setz auf den Weg zu bringen, dann kann man keineswegs von vergabefremden Kriterien reden.

Und ein drittes Thema, auch das wird uns weiter beschäftigen, ist das Thema „Präqualifizierung“. Elektronische Vergabeplattform, insbesondere Letzteres - auch das hat mein Kollege Günther bereits erwähnt - ist ein wichtiger Teil für das, was die FDP in dem Antrag, den es hier zu beraten gilt, will, künftig in der Tat auch abgerufen werden kann, um dann die notwendigen Erkenntnisse für die weitere Entwicklung zu ziehen.

Im Übrigen sieht der Gesetzentwurf zum Vergabegesetz eine Evaluierung vor. Auch das geht in die Richtung, wie der Antrag der FDP, der heute nicht beantwortet werden kann, in Zukunft will. Insofern bezieht sich meine Empfehlung, die Empfehlung meiner Fraktion für die nun folgende Abstimmung ganz klar darauf:

zu I. ist das Berichtsersuchen, so weit es beantwortet werden konnte, erfüllt;

zu II. ist es abzulehnen.

Demzufolge bitte ich auch die Mitglieder der anderen Fraktionen, diesem Antrag zu folgen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Lemb. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Bergner für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, Herr Kollege Lemb, offensichtlich hatten Sie bei diesem kleinen Ausfall in Richtung des Kollegen Barth keine tiefgreifenderen Argumente zu bieten. Auf jeden Fall aber vermitteln Sie den Eindruck, wenn Sie über Wirtschaft reden, als wären Grimms Märchen dagegen geradezu naturwissenschaftlich.

(Beifall FDP)

Es ist aber in Ihrer Rede ein Satz gewesen, den teile ich ausdrücklich. Sie haben gesagt, der Staatssekretär hat es nicht minder schlecht als der Minister gemacht.

(Beifall FDP)

Herr Staatssekretär, wir haben die Antworten gelesen auf die Mündliche Anfrage und die Kleine Anfrage und genau deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Sie haben heute wiederholt, was Sie dort geschrieben haben, nämlich es gebe kein statistisches Datenmaterial und es ist für Sie nicht nachvollziehbar, was wir damit wollen.

Doch, sage ich, mit einem Funken guten Willens wäre es genau möglich, diese Daten zu erfassen. Es kann mir doch keiner erzählen - und das kann ich Ihnen auch aus der beruflichen Praxis sagen -, dass nicht zuhauf die Verdingungsunterlagen von abgeschlossenen Bauvorhaben überall vorrätig sind und dass es nicht möglich wäre, genau diese Fragen, die wir gestellt haben, zu erfassen.

Lassen Sie uns doch, wenn Sie jetzt an dieser Stelle auf einmal mit dem Bürokratiegespenst kommen, was Ihnen bei Ihrem Gesetzentwurf nicht einfällt,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Stimmt. Ich hätte gesagt, der wäre nicht einmal so gut.)

darüber debattieren,

(Beifall FDP)

wie man einen Konsens finden kann. Wie man vielleicht einen Datensatz statistisch gesichert gewinnen kann oder ob man nicht zum Beispiel mit einer wissenschaftlichen Arbeit an einer Universität oder einer Fachhochschule genau diese Daten erfassen kann, die nämlich notwendig sind, um hier mit Mittelstandsförderung in diesem Land voranzukommen. Sie sind notwendig, um zu wissen, wie Vergabe in Thüringen funktioniert, um zu wissen, wie Vergabe in Thüringen funktionieren kann, damit mittelständische Unternehmen in diesem Land eben nicht im Wettbewerb benachteiligt werden. Welche Erkenntnisgewinne durch eine Differenzierung in Auftragsverwaltung Bund und die Aufträge durch das Land und in kommunale Aufträge erreicht werden soll, das will ich Ihnen gern sagen. Es soll genau erreicht werden, ob es auf den unterschiedlichen Ebenen öffentlicher Auftragsvergabe signifikante Unterschiede gibt. Genau dafür ist diese Differenzierung in unserer Fragestellung, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wenn Sie die Diskussionen um das Vergabegesetz reflektieren, und wenn ich auch höre, wie es der Minister heute reflektiert hat u. a. in den Medien, dann muss ich sagen, wenn er etwas mehr seiner kostbaren Zeit tatsächlich dieser Anhörung geschenkt hätte, hätte er zu einem gänzlich anderen Ergebnis kommen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)