Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Thüringer SPD und die SPD-Landtagsfraktion haben seit Jahren eine klare Haltung zu den Ergebnissen der Föderalismusreform im Bildungs- und Hochschulbereich.
Diese Haltung haben wir bereits während der Beratung der Bund-Länder-Kommission zu den Reformvorhaben wiederholt öffentlich gemacht. Der Minister hat daran erinnert.
Ich möchte noch mal erinnern an unseren Plenarantrag „Verbesserung bei der geplanten Föderalismusreform“ vom 22. März 2006. Er hat sich im Bildungs- und Hochschulbereich für folgende Korrekturen im Reformpaket ausgesprochen. Ich will das mal in Erinnerung rufen:
- Beibehaltung der gemeinsamen Bildungsplanung sowie Zuständigkeit des Bundes bei der Entwicklung und Durchsetzung nationaler Bildungsstandards,
- Erhalt der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in ihrer bisherigen Struktur,
- Streichung des Artikel 72 Abs. 3 Grundgesetz geplante Abrechnungsmöglichkeiten der Länder bei Zulassung und Abschlüssen an Hochschulen.
Meine Damen und Herren, seinerzeit war unser Antrag im Landtag nicht mehrheitsfähig, und um der Wahrheit die Ehre zu geben, er ließ sich auch innerhalb unserer Bundespartei - ich will das klar sagen - nicht durchsetzen.
Nun jedoch, nachdem die Bundesländer seit einigen Jahren in den Genuss der bildungs- und hochschulpolitischen Segnungen der Föderalismusreform gekommen sind, mehren sich die kritischen Stimmen zu genau jenen Punkten, die wir damals aus Thüringer Sicht als dringend verbesserungsfähig benannt haben. Das, meine Damen und Herren, betrifft nicht allein die Bundes-SPD, sondern auch die Bundesbildungsministerin Schavan, die seinerzeit jedoch eine der schärfsten Verfechterinnen einer Entkopplung von Bund und Ländern in der Bildungs- und Hochschulpolitik gewesen ist. Die Erkenntnis, dass die Unübersichtlichkeit der bundesdeutschen Bildungsund Hochschullandschaft durch die Föderalismusreform eher zu- als abgenommen hat, denke ich, ist inzwischen fast schon Allgemeingut geworden.
Meine Damen und Herren, die Kollegen von den GRÜNEN haben aus der langen Mängelliste der Föderalismusreform einen wichtigen Punkt herausgenommen, das Kooperationsverbot bei der Finanzierung von Bildungsinvestitionen. Erinnern wir uns, dass 4-Milliarden-Ganztagsschulprogramm der Regierung Schröder hat auch in Thüringen an sich Schulen dabei geholfen, bessere räumliche und sächliche Voraussetzungen für den Erhalt und den Ausbau schulischer Ganztagsangebote zu schaffen. Die Kollegin Hitzing hat zu Recht darauf hingewiesen. Das Land und die Schulträger hätten allein eine solche Aufgabe in einem derart kurzen Zeitrahmen nicht stemmen können. Dass das Ganztagsschulprogramm von Bund und Ländern damals auf den Weg gebracht wurde, war für Thüringen eine gute und eine wichtige Entscheidung. Nur aufgrund des jetzigen Kooperationsverbots kann es einen ähnlichen gemeinsamen Kraftakt von Bund und Ländern nicht mehr geben.
Ebenso problematisch erweist sich das Kooperationsverbot, und darauf hat auch Frau Dr. Kaschuba hingewiesen, im Hinblick auf das von Bund und Ländern vereinbarte 10-Prozent-Ziel bei den Bildungs- und Forschungsausgaben. Wie sollen es denn die von der Wirtschaftskrise gebeutelten Bundesländer schaffen, bis 2015 - also in schon vier
Jahren - 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung aufzuwenden? Jeder von uns kennt die Finanzlage auf Länderseite zur Genüge, um zu wissen, dass dieses Ziel ohne eine angemessene Beteiligung des Bundes kaum erreichbar sein dürfte. In diesem Punkt sind sich übrigens auch alle Bundesländer, unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung ihrer Kabinette, vollkommen einig.
Meine Damen und Herren, das Kooperationsverbot gehört also mit Sicherheit nicht zu den gelungenen Weichenstellungen der Föderalismusreform. Darüber dürfte in diesem Hause, denke ich, Einigkeit bestehen. Ebenso werden mir die Kolleginnen und Kollegen hier sicherlich zustimmen, dass ein stärkeres In-die-Pflicht-nehmen des Bundes bei der Finanzierung von Bildungsinvestitionen im ureigensten Interesse Thüringens liegt. Anders lässt sich im Freistaat das 10-Prozent-Ziel bei gleichzeitigem Zwang zu einer durchgreifenden Haushaltskonsolidierung, da sind wir uns ja auch einig, überhaupt nicht erreichen. Deshalb plädiere ich dafür, die mit dem Antrag verbundenen Detailfragen im zuständigen Fachgremium, das heißt im Bildungsausschuss, weiterzuberaten. Ich denke, wir kommen dann auch zu vernünftigen Ergebnissen. Danke schön.
Ich frage jetzt in die Runde: Ist damit der Berichterstattung und dem Wunsch des Sofortberichts Rechnung getragen? Können sich alle Fraktionen damit identifizieren? Sehe ich Widerspruch? Das sehe ich nicht.
Dann kommen wir jetzt zur beantragten Überweisung. Frau Kollegin Rothe-Beinlich, Sie meinen sowohl Teil I, also die weitere Diskussion zum Sofortbericht, als auch Teil II?
So ist es richtig, okay. Mir liegt der Antrag auf Überweisung dieses Antrags in Punkt I und II an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur vor. Wer für die Ausschussüberweisung ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aller Fraktionen. Danke. Damit ist der Antrag an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überwiesen. Ich schließe an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 8.
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9. Ich habe einen Geschäftsordnungsantrag. Herr Abgeordneter Barth, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, namens meiner Fraktion beantrage ich zu diesem Tagesordnungspunkt die Herbeirufung des zuständigen Fachministers, des zuständigen Mitglieds der Landesregierung, unseres Herrn Wirtschaftsministers. Der Wirtschaftsminister hält sich nach meiner Kenntnis, das war in der Presse angekündigt, zurzeit in Greiz bei einer parteinahen Veranstaltung seiner Partei auf. Es war für ihn genauso wie für uns alle erkennbar, dass das Thema Vergabegesetz, zu dem gestern eine Anhörung gewesen ist, heute auf der Tagesordnung steht. Wir alle mussten auch Termine verändern mit Blick auf das heutige Sonderplenum. Ich finde, das kann man von einem Mitglied der Landesregierung genauso erwarten. Ich beantrage deswegen, dass wir für diesen Tagesordnungspunkt Herrn Minister Machnig herbeirufen.
Danke, Herr Abgeordneter Barth. Nach § 34 Abs. 1 der Geschäftsordnung ist es nach Antrag einer Fraktion möglich, hier im Landtag genau diese Herbeiholung des Ministers zu beschließen. Deshalb frage ich Sie jetzt: Wer die Herbeiholung des Herrn Minister Machnig an dieser Stelle wünscht und dem zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen der Fraktionen der CDU und der SPD und 1 Stimme der Fraktion DIE LINKE. Enthaltungen? Das sind die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE. Damit ist die Herbeirufung abgelehnt.
Berichterstattung über die Auswirkungen von Änderungen im Vergabeverfahren Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/1556
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich freuen, wenn wir heute endlich dieses Thema debattieren können. Bei aller Wertschätzung für den Herrn Staatssekretär, ich finde, dass es gerade bei dieser Thematik nicht angeht, dass noch nicht einmal der Vertreter des Ministers in der Vertreterliste gemäß Kabinett anwesend ist.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist vom 29.09.2010. Seit Oktober stand er immer wieder auf der Tagesordnung. Im Oktober war auch die erste Lesung des Vergabegesetzes. Es hätte also inhaltlich dort bereits sehr gut dazu gepasst und es ist schade, dass wir diesen Antrag erst heute beraten können. Er enthält ein Berichtsersuchen über die Vergabepraxis in Thüringen. Vor dem Konjunkturpaket hatten wir ausgesprochen inhomogene Schwellenwerte rings um Thüringen herum. Ich will mal ein Extrembeispiel erzählen: Da war es so, dass man in Thüringen Tiefbaumaßnahmen bis zu 100.000 € beschränkt vergeben konnte, im benachbarten Bayern beispielsweise bis zu 300.000 €. Das bedeutet, wenn der Bürgermeister einer thüringischen Gemeinde in Grenznähe einen ländlichen Wegebau für 110.000 € zu vergeben hatte, dann hat er dies öffentlich ausschreiben müssen, sein bayerischer Kollege konnte den Dorfplatz für 295.000 € beschränkt ausschreiben. Nun haben wir nichts gegen Wettbewerb, aber Wettbewerbsgerechtigkeit sieht natürlich anders aus. Deswegen haben wir, als es dann die zeitlich befristete deutliche Anhebung dieser Schwellenwerte gab, im November 2009 mit einer Mündlichen Anfrage gefragt, wie es weitergehen soll mit Schwellenwerten, und die Antwort war, man könne dazu noch nichts weiter sagen, es müsste erst ausgewertet werden.
Mit der Kleinen Anfrage vom 05.02. haben wir erneut gefragt, der Grundtenor der Antwort war, es wird dazu keine Statistik geführt und deswegen könne man nicht antworten. Wir meinen aber, genau diese Fragen müssen den zuständigen Minister umtreiben. Deshalb haben wir mit unserem Antrag sehr dezidierte Fragen gestellt, denn wir meinen schon, dass wir uns Gedanken machen müssen, dass Thüringer Unternehmen im Wettbewerb zumindest nicht benachteiligt sind,
und dass wir uns Gedanken machen müssen, auf welchem Ast dieses Land sitzt, wenn wir von dem Ziel eines selbsttragenden Aufschwungs reden. Teil II unseres Antrags enthält eine jährliche Berichterstattung der Fragen 1 bis 9, 12 und 13 seit Inkrafttreten der jeweils neuen VOB, VOL und VOF.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag wollen wir einen Erkenntnisgewinn anschieben, der aus unserer Sicht notwendig ist, um die richtigen Weichen zu stellen für einen selbsttragenden Aufschwung, um die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen, inwieweit eine Be
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie an dieser Stelle um Zustimmung zu Teil II unseres Antrags. Ich danke Ihnen.
Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht. Das Wort hat Herr Staatssekretär Staschewski.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Frau Präsidentin, ich freue mich sehr, dass ich auf den Antrag der FDP hier sehr ausführlich eingehen darf. Es sind ja sehr detaillierte Fragen, die Sie gestellt haben, 13 Einzelfragen, in denen Bezug nehmend auf die Vergabe- und Vertragsordnung umfangreiche Datensätze nachgefragt werden. Und es ist festzustellen, meine sehr geehrten Damen und Herren oder Herren von der FDP, dass hierzu im Bereich der nationalen Vergaben kein statistisches Datenmaterial vorliegt. Wir sprechen über die VOB, VOL, VOF separat aufgeschlüsselt nach Aufträgen des Landes, der Landkreise, der Gemeinden und solchen, die vom Land in Auftragsverwaltung vergeben werden können. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ist der antragstellenden Fraktion auch bereits durch die Beantwortung vom 22. März 2010 der Kleinen Anfrage 296 des Abgeordneten Bergner, FDP, „Auswirkungen der Änderung der Schwellenwerte in Thüringen“ bekannt, falls Sie diese Antwort gelesen haben. Es ist also für mich nicht nachvollziehbar, wieso Sie auf die eindeutigen Feststellungen in der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage, dass es im Unterschwellenbereich in Thüringen keine Statistikpflicht gibt, einen derart detaillierten Fragenkatalog hier vorgelegt haben. Ich gehe aber selbstverständlich noch weiter ausführlich gern darauf ein.
Erstens: Die Statistikpflichten im öffentlichen Auftragswesen sind in Artikel 19 Abs. 5 des Genfer Beschaffungsübereinkommens geregelt. Diese Vorschrift wurde auf EU-Ebene 2004 in die reformierten Vergabekoordinierungsrichtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG umgesetzt. Der deutsche Gesetzgeber hat die Statistikpflichten der europäischen Vergaberichtlinien mit den Vergabe- und Vertragsordnungen in das nationale Recht umgesetzt, vergleiche § 23 a VOB/A und § 19 VOF. Diese Statistikpflichten werden wie folgt begründet:
Mit dem Genfer Beschaffungsübereinkommen haben die wichtigsten Industriestaaten ihre Beschaffungsmärkte gegenseitig geöffnet. Daher wird der Anwendungsbereich des Abkommens von jedem Vertragsstaat im Verhältnis zu jedem anderen Vertragsstaat ausgehandelt. Um bei diesen Verhandlungen eine belastbare Verhandlungsgrundlage zu haben, bedarf es aussagekräftiger Statistiken über das genaue Beschaffungsvolumen in den jeweiligen Vertragsstaaten. Zudem hofft die Europäische Kommission, anhand der Statistiken einen Überblick über die Anwendung der Vergaberichtlinien zu bekommen.
Zweitens: In Thüringen existiert keine gesetzliche Grundlage, die insbesondere die Kommunen verpflichten würde, eine derartige Datenerfassung und -weitergabe durchzuführen. Wegen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts könnten die kommunalen Auftraggeber auch nur durch ein materielles Gesetz zur Erhebung und Weiterleitung solcher Daten angehalten werden. Aufgrund der Vielzahl von Vergabestellen in Thüringen, vor allem im kommunalen Bereich, wäre eine derartige statistische Erfassung nur mit hohem bürokratischen und finanziellen Aufwand umzusetzen. Ein fachliches Erfordernis im Hinblick auf diesen Aufwand ist nicht zu erkennen, denn in Thüringen gelten zurzeit die Vergabeordnungen in unmodifizierter Form, das heißt, landesspezifische Besonderheiten im Vergaberecht gibt es derzeit nicht. Auch aufgrund der angespannten Haushaltslage, vor allem der Kommunen, und des bürokratischen Aufwands wäre eine gesetzliche Verpflichtung mit der von der Fraktion der FDP geforderten jährlichen Berichtspflicht mit Datenerfassung und -verarbeitung von Hunderten öffentlicher Vergabestellen kaum vertretbar.