An dieser Stelle will ich einen Satz zu Joachim Linck sagen. Joachim Linck hat - offenbar haben diesen Text ganz viele gelesen - zwei Dinge miteinander verwischt. Ich schätze ihn sehr, er hat für Thüringen viel getan. Aber was man nicht machen kann, ist, Rechtsstaatlichkeit und Demokratietheorien in einen Topf zu werfen, um dann eine relativ banale Aussage hinten herauskommen zu lassen.
Das Zweite: Jürgen Habermas ist vielleicht vielen bekannt. Er hat über politische Partizipation auch schon geschrieben, dass mündige Bürger erwarten, wenn sie denn wählen gehen und ihren Auftrag an dieser Stelle erfüllen, dass sie die politische Öffentlichkeit insofern an uns delegieren, dass wir uns auch damit auseinandersetzen. Das sind die Erwartungen, die an uns gestellt werden, die wollen wir erfüllen. Und wie wollen wir das tun? Natürlich geht es nicht einseitig, lieber Herr Höhn, indem man sagt, die Rechte der Opposition werden geschmälert, indem wir die Redezeiten verkürzen. Das ist ein Punkt, über den kann man diskutieren, aber es kann nicht der einzige sein. Es gehört auch dazu, dass man bereit ist, statt Weihnachtsfeiern Sondersitzungen zu machen
oder länger zu tagen. Es gehört auch dazu, dass man sich darüber verständigt, was es für die politische Kultur in diesem Haus heißt, wenn fünf Fraktionen hier sitzen und nicht mehr nur drei und sich dementsprechend die Meinungsvielfalt verbreitert. Das ist auch gut so und das sagen Sie auch an allen Stellen.
Es gehört auch dazu, dass man offen miteinander darüber redet, wie diese Punkte abgearbeitet werden können und nicht der Presse gegenüber hier und da andeutet, was in Berlin und in der Welt passiert, interessiert uns hier in Thüringen nicht. Ich sehe das anders, ich hoffe, viele von Ihnen auch. Wir werden spätestens am Freitag die Sondersitzung beantragen für Januar, um diese Punkte abzuarbeiten, und ich freue mich jetzt auf die Debatte mit Ihnen. Ich finde anpacken besser als einpacken. Weihnachten ist noch zwei Wochen hin, dann können wir alle einpacken. Jetzt sollte angepackt werden, nämlich die Punkte, die auf der Tagesordnung stehen. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gut überlegt, was ich eigentlich sagen kann zu diesem Thema der Aktuellen Stunde. Es fällt mir eigentlich bis jetzt noch schwer, vernünftig zu antworten, denn so richtige Argumente für ihren Antrag und für die Hintergründe konnte Frau Siegesmund nicht vortragen. Frau Siegesmund, es ist eben so, es gibt eine Bundeskompe
tenz, und wenn zum Beispiel das Thema Hartz-IV, das Sie heute wieder beantragen wollten, in Berlin entschieden wird, dann heißt das nicht, dass es nicht für Thüringen Auswirkungen hat, aber es wird dort entschieden und dann müssen wir nicht das zehnte Mal hier alles durchdeklinieren. Das trifft auf andere Themen auch zu. Insofern hat Prof. Linck und haben andere durchaus recht. Man muss sich schon einmal sehr gut überlegen, ob Themen vielleicht im Landtag nicht unbedingt auf die Tagesordnung gehören. Ich denke, solche Gedanken, wie kann man die Beratung hier im Landtag effektiver gestalten, gehören nicht unbedingt in eine Aktuelle Stunde, sondern in die Vorbereitungsrunden des Ältestenrats und in den Ältestenrat. Es wäre einfach besser, Sie würden sich dort etwas aktiver beteiligen, da wäre uns schon allen geholfen. Ich will nicht auf Vorwürfe eingehen, die Sie uns hier gegenüber äußern. Das macht man nicht unter Kollegen. Ich könnte da auch einiges zurückgeben.
Frau Siegesmund, Sie sprechen die Stärkung der parlamentarischen Demokratie an. Da sind wir uns im Ziel einig, aber die Stärkung des Parlaments besteht doch nicht darin, dass stunden- und tagelang debattiert wird über Tausende von Themen, sondern wir müssen dem Bürger auch kurz, prägnant und verständlich erklären, worum es geht. Wir haben - ich möchte daran erinnern - jetzt drei Tage Plenarsitzungen. Bisher sind wir mit zwei Tagen ausgekommen; das ging auch. Jetzt haben wir drei Tage und es sammeln sich die Dinge. Meine Anregung wäre, Gedanken konzentriert vortragen und damit dafür sorgen, dass die Debatte spannender wird.
Abschließend möchte ich sagen, einen Entscheidungsstau der Landespolitik kann ich nicht erkennen. Diese Koalition hat eine Reihe von entscheidenden Gesetzen vorgelegt. Die werden auch verabschiedet, so, wie sich das gehört.
2,29. Es hat sich zu Wort gemeldet für die FDPFraktion Frau Abgeordnete Hitzing. Ich verweise darauf, dass dann meine Rednerinnen- und Rednerliste erschöpft ist, falls es noch weitere Anmeldungen gibt. Herr Abgeordneter Blechschmidt danach.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich bin der Meinung, Entscheidungsstau in der Thüringer Landespolitik ist kein Thema für die Aktuelle Stunde,
denn Entscheidungsstau entsteht, wenn wir nicht zum Entscheiden kommen. Derzeit ist wichtig, dass wir effizient und wirkungsvoll debattieren, das heißt, wir müssen nicht mit dieser Diskussion den vorhandenen Status quo noch erhärten.
Wir werden mit dieser Diskussion effektiv nichts ändern, außer dass die Zeit, die sowieso schon kurz bemessen ist, durch uns aufgebraucht wird. Deshalb sollte unser Ziel sein, so schnell wie möglich in die Fachdebatten zu kommen. Ich glaube, da sind viele meiner Meinung oder wie sehen Sie das? Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, ich gestehe auch zu, dass ich im ersten Moment bei Wahrnahme der Aktuellen Stunde nicht wusste, wohin das Pferd laufen sollte und die Begründung hat nur einen Teil dieses getan, denn es steht nun mal nicht drin, Entscheidungsstau im Thüringer Landtag, sondern Entscheidungsstau in der Thüringer Landespolitik. Das war, wie gesagt, nicht ganz präzise formuliert. Meine allererste Überlegung war auch, Kollegin Hitzing, man könnte da in einen Vergleich verfallen, wer solchen Antrag stellt und eine Debatte hier führt über Verkürzung von Debatten, der ist ähnlich wie einer, der eine Nachtdemo macht und gegen Ruhestörung demonstriert. Das ist dasselbe Prinzip, an der Stelle gebe ich Ihnen recht, Frau Hitzing. Aber dennoch ernsthaft, man muss auch über die Frage sprechen dürfen, was für ein Spannungsbogen hat sich in den letzten Wochen und Monaten im Thüringer Landtag aufgebaut. Ich gebe recht, wir haben demokratische Grundprinzipien. Die sind festgehalten und die hat jeder einzelne Abgeordnete, aber auch jede einzelne Fraktion in Anspruch zu nehmen und darf sie auch in Anspruch nehmen. Ich nenne nur beispielhaft an der Stelle das Initiativrecht, Gesetze einzubringen, Anträge zu stellen, Kontrollrechte, Anfragen, Informations- und Fragerecht oder bis hin eben auch Beschlussvorlagen zu machen oder Beschlüsse dann zu initiieren - wie gesagt, jedes einzelnen Abgeordneten, jeder einzelnen Fraktion.
Demgegenüber steht unsere eigene Geschäftsordnung, was die Redezeit anbetrifft, was das Aufstellen und Abarbeiten der Tagesordnung betrifft, was die Ausschussarbeit angeht und was natürlich Anhörungen - wie gesagt, nur stichwortartig - mündlicher oder schriftlicher Art sind. Dieser Spannungsbogen zwischen unseren eigenen Rechten, die wir in Anspruch nehmen, und der Geschäftsordnung, also dem Moment, das wir uns selbst gegeben haben, um arbeiten zu können. Drittens kommt noch dazu, und das will ich ausdrücklich betonen, die selbstkritische Betrachtung unseres eigenen Anteils
bei dieser Form des Entscheidungsstaus. Da nehme ich alle ins Boot einschließlich sogar der Landesregierung. Im Wissen aber dieses Spannungsbogens und der selbstkritischen Sicht werde ich mir natürlich auch die Bemerkung gegenüber dem ehemaligen Landtagsdirektor nicht ersparen. Die ist nicht hilfreich an der Stelle. Denn ich glaube schon, wenn wir dazu da sind, politische Meinungsbildungsprozesse in diesem Land mit zu fördern, zu begleiten und zu gestalten, dann haben wir auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, über unseren Tellerrand hinauszuschauen und bundespolitische Aspekte, die uns betreffen, die uns als Land und die auch die Kommunen betreffen, mit zu debattieren und hier zu thematisieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es kurz machen an dieser Stelle. Die aufgeworfene Problematik ist berechtigt. Wir müssen selbstkritisch in die Debatte gehen, das heißt aber auch, mit Blick auf die Geschäftsordnung entsprechende Vorschläge machen. Meine Fraktion wird auf der Grundlage unser aller verfassungsmäßigen Rechte diese Vorschläge in die Geschäftsordnungsdebatte einbringen. Dann hoffe ich, dass dieser für mich Abarbeitungsstau in Zukunft nicht mehr entsteht und wir zielgerichtet und zeitnah Politik betreiben können. Vielen Dank.
Gibt es noch Redewünsche seitens der Abgeordneten? Bitte, für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Dr. Pidde.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema der Aktuellen Stunde heißt „Entscheidungsstau in der Landespolitik“. Da kann ich Ihnen nur sagen, setzen Sie die dunklen Brillen ab, machen Sie die Augen auf und dann sehen Sie, dass von „Entscheidungsstau“ doch weiß Gott nicht die Rede sein kann!
Die Regierungskoalition in Thüringen macht ihre Arbeit. Sie macht diese Arbeit solide und sie macht diese Arbeit geräuschlos.
Ich war in dieser Woche mit meinem Fraktionsvorsitzenden Uwe Höhn zur Fraktionsvorsitzendenkonferenz der SPD-Fraktionen aus den anderen Landtagen. Dort hat man gestaunt, wie wenig Negatives über die Thüringer Landespolitik überhaupt über die Landesgrenze Thüringens hinausdringt. Deshalb sage ich, die Regierungskoalition macht ihre Arbeit. Wir machen das auf der Basis des Koalitionsvertrags. Dort ist festgeschrieben und ausgehandelt worden, was die beiden Fraktionen sich in den nächsten fünf Jahren oder jetzt noch vier verbleibenden Jahren vorgenommen haben. Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man, dass vieles davon auch schon erledigt ist: Wenn ich an das Kindertagesstättengesetz denke, das ist eines der modernsten in Thüringen überhaupt. Wenn ich an die Umsetzung des Gesetzes zur Einführung der Gemeinschaftsschule denke usw. - viele von den Punkten sind schon erledigt. Dass es einigen Fraktionen hier vielleicht inhaltlich nicht weit genug geht, das ist Ihre persönliche oder Ihre politische Meinung. Dass es einigen nicht schnell genug geht, weil man denkt, man kann alles mit der Brechstange und sofort durchsetzen - das ist Ihre Meinung. Aber in jeder Koalition, egal wer mit wem hier eine Koalitionsregierung eingehen würde, müssen Kompromisse geschlossen werden, müssen die Dinge ausgehandelt werden. Das braucht natürlich etwas Zeit. Aber die Zeit nehmen wir uns und wir setzen die Dinge, die im Koalitionsvertrag stehen, auch so um. Der Wähler hat das so gewollt, dass wir das so machen.
Wenn vonseiten der anderen Fraktionen oder von den GRÜNEN gesagt wird, hier werden Dinge im Landtag nicht schnell genug abgearbeitet oder es dauert zu lange, zum Beispiel bei den Bildungsgesetzen haben Sie sich gerade erst im letzten Plenum beschwert, hier würde etwas durchgepeitscht und es wird zu schnell abgearbeitet: Überlegen Sie erst einmal, was Sie wollen!
Dann zitieren Sie bitte Herrn Professor Linck, den ehemaligen Landtagsdirektor, nicht nur dann, wenn es Ihnen passt. Wenn es Ihnen passt, holen Sie seine Zitate heraus und weisen darauf hin, welche maßgeblichen Dinge er zur Demokratie gesagt hat. Und wenn er sich heute äußert, in der OVZ ist zu lesen,
dass er beklagt, dass immer mehr Bundesthemen hier bearbeitet werden im Landtag, wo sie nicht hingehören und dann auf niedrigem Niveau noch einmal diskutiert werden, dann wollen Sie das nicht mehr, dann hören Sie es nicht gern. Sonst zitieren Sie ihn gern. Wenn er hier sagt, es sind viele Abgeordnete da, Berufsabgeordnete. Natürlich wird auch geschaut, dass diejenigen auch Anträge einbringen und dann sagt er, die Hälfte der Anträge sind Luschen. Das muss man einfach mal so zur Kenntnis nehmen.
Lassen Sie es doch einfach so stehen, wie es ist. Unser Problem ist doch Folgendes - das hat doch mit der Regierungsarbeit nur am Rande zu tun. Die Arbeit der Opposition ist wichtig. Wir haben hier einen Antragsstau im Landtag. Anträge werden von Mal zu Mal fortgeschleppt. Ich finde das nicht gut. Es liegt aber insbesondere daran, dass wir - und auch das haben wir gestern noch einmal beraten die ausufernsten Redezeiten aller sechzehn Landtage haben. Überall in den anderen Landtagen sind kürzere Redezeiten. Dort kann man auch in fünf Minuten auf den Punkt kommen oder in zehn Minuten und nicht wie hier, dass Pamphlete vorgelesen werden, zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten lang. Deshalb denke ich, hier müssten wir wirklich noch einmal ran. Ich danke der Kollegin Hitzing, die das sehr schön gesagt hat, mit dieser Aktuellen Stunde, mit diesen dreißig Minuten, haben wir wieder die Hälfte einer Gesetzesberatung hier an Zeit verloren.