Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen, der heute hier vorliegende Antrag „Frauenquote für Aufsichtsräte von börsennotierten Aktiengesellschaften …“ ist ein wichtiger Antrag und eine gute Gelegenheit, die Diskussion hier zu suchen. Wirtschaftspolitisch will ich dazu kurz Stellung nehmen und meine Kollegin Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich wird noch einmal zu frauenpolitischen Aspekten besonders etwas sagen. Es vergeht keine Woche - und es werden sicherlich alle wirtschaftspolitischen Sprecher aller Fraktionen bestätigen -, in der Sie nicht in einem Wirtschaftsteil irgendeiner Zeitung oder in den speziellen Wirtschaftszeitungen „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ u.ä. einen Bericht darüber finden, wie außerordentlich notwendig es ist, dass wir unsere Wirtschaft in Deutschland fit machen, indem wir Diversity, nämlich eine breitere Aufstellung unserer Unternehmen auch im Management, in den Führungsetagen aufstellen. Das bedeutet in jedem Fall, dass wir Menschen aus allen Schichten aufnehmen, dass bedeutet vor allen Dingen aber, dass wir den Frauenanteil erhöhen. Die Begründungen dafür sind vielfältig, sie gehen einmal davon aus, dass heterogene - und dazu hat Frau Stange schon gerade etwas gesagt - Gruppen einfach zu besseren Ergebnissen kommen können, weil sie unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen mit einbringen. Sie führen EU-Recht an, dass angedroht ist, eine Quote von EU-Seite einzuführen, dass man dem vorgreifen könnte, um rechtliche Regelungen als großes Damoklesschwert über der Wirtschaft abwenden zu können. Es wird aber auch begründet, was richtig ist, dass Frauen nicht nur in der Regel, sondern statistisch in der Realität dann auch besser qualifiziert sind. Wenn Sie sich anschauen, welche Abschlüsse und wie viele Abschlüsse von Frauen auf welchem Niveau an den Universitäten getätigt werden und Sie sich hinterher dann anschauen, wie viele in der Wirtschaft ankommen, dann merken Sie, da passt was nicht zusammen. Und es gibt oft einen Knick in der Lebensentwicklung, in der beruflichen Entwicklung von Frauen. Wir als Thüringer Landtag sind natürlich vernünftig und klug beraten, um die Wirtschaft voranzubringen, helfen wir hier an diesem Knick Frauen mit besseren Einstiegsbedingungen. Diese bessere und Mehrbeteiligung von Frauen wird unsere Thüringer Wirtschaft voranbringen. Wir haben deshalb als GRÜNE den Antrag eingebracht, eine Quote für Frauen in diesen börsendotierten Unternehmen einzuführen und sie gesetzlich einzuführen. Frau Stan
ge, Sie kennen ja unseren Ursprungsantrag. Und Frau Holzapfel hat es dargestellt, welchen langen Weg, es ist ja kaum ein Antrag, der so lange in den Ausschüssen unterwegs ist, dreimal beraten wird im Ausschuss. Und dieser Antrag hat halt eine sehr starke Veränderung. Insofern stimmt Ihr Vorwurf, dass der Antrag der GRÜNEN nicht weit genug gehen würde, nicht ganz, nicht nur nicht ganz, sondern ganz und gar nicht. Es ist eher so, dass wir im Ausschuss feststellen mussten, dass unsere Position, gesetzlich fixierte Quoten hier für Thüringen einzuführen oder uns auf der Bundesebene dafür ganz klar einzusetzen, keine Mehrheit hat. Das ist schade. Das haben wir auch bedauert, aber es ist uns dennoch gelungen, mit Vertreterinnen aus allen Fraktionen - bei Ihnen war die Frau Leukefeld hier auch engagiert - gemeinsam mit unserer Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann Frau Arenhövel einen Kompromiss zu finden, hinter den wir uns alle stellen konnten und der dann auch die Chance hat, umgesetzt zu werden. Sie haben kritisiert, dass dieser Beschluss vollkommen weich und offen sei. Da bin ich nicht ganz einverstanden, deshalb will ich noch einmal exakt den einen Satz zitieren, den wir GRÜNE ja eingestimmt haben, um dem Ganzen auch ein bisschen Biss zu verpassen.
Frau Präsidentin, ich zitiere: „Die Thüringer Landesregierung wird aufgefordert, in Unternehmen, in denen sie Mehrheitsanteilseigner ist, den Corporate Governance Kodex durchzusetzen.“ Durchzusetzen, finde ich, hat nicht mehr viele Chancen. Wir werden einen Bericht hören und hier im Parlament erfahren, wenn diese Durchsetzung eben nicht gelungen ist. Nur um mal bei der Realität zu bleiben, auch wenn ich mir den Antrag der LINKEN anschaue und durch die, glaube ich, fünf Punkte gehe, da finde ich auch offene Formulierungen wie: „angestrebt werden soll“, Punkt eins; „wird begrüßt“ in Punkt zwei; „aufgefordert“, Punkt drei oder - es sind sieben - „darauf hinzuwirken“ und Ähnliches. Das sind auch offene Formulierungen, weil ein Antrag niemals ein Gesetz sein kann. Insofern sollten wir da achtsam miteinander umgehen. Wir haben alle höhere Ziele. Wir wollten alle weitergehen. Aber das, was hier dem Parlament heute vorliegt, ist der Konsens, der im Wirtschaftsausschuss gefunden werden konnte und es ist ein erster Schritt. Es geht überhaupt nicht weit genug, es ist ein erster Schritt,
aber jeder lange Weg beginnt mit diesem ersten Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube, dass wir gut daran tun, unsere Wirtschaft fit zu machen unter dem Slogan: „Neue Frauen braucht das Land.“ Vielen Dank.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/BÜNDNIS: Eigentlich haben wir genug. So alt sind wir noch nicht.)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuschauer auf der Tribüne! Herr Adams - leider ist er weg -, ich muss von gestern noch einmal wiederholen. Er hatte so schön gesagt: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Ich will nicht sagen, dass ich jetzt hier vor mir ein Murmeltier habe, aber dieser Antrag wird uns noch viele, viele Monate, vielleicht auch noch diese Legislaturperiode begleiten.
Ich mache da mit, keine Bange, Frau Rothe-Beinlich. Sie wissen auch, dass ich mit diesem Antrag sehr an Ihrer Seite bin. Ich habe das auch das letzte Mal betont. Aber der gestrige Tag hat meine Meinung so ein Stückchen ins Wanken gebracht. Ich möchte das ganz schnell begründen. Es ist nicht nur die Geschichte, dass wir Frauen in den Aufsichtsrat oder in die Aufsichtsräte haben wollen, sondern Frauen auch in Führungspositionen. Ich denke mal, hier sind wir ein Beispiel für Frauen in Führungspositionen.
Wenn wir hier sitzen bis nachts um halb eins und diskutieren um Dinge und in einzelnen Tagesordnungspunkten wird zehnmal das Gleiche gesagt, da denkt ein Abgeordneter - ja, es sind hauptsächlich Abgeordnete -, jetzt haben alle etwas gesagt, nur ich nicht, jetzt muss ich noch einmal da vor, dann frage ich mich, wie wollen wir Frauen überhaupt bewegen, hier in Führungspositionen zu gehen allein in diesem Hohen Haus, wenn ich heute auf die Tagesordnung schaue, das schaffen wir wieder nicht bis 18.00 Uhr. Dann sage ich Ihnen, ich habe keine Lust, in der Vorweihnachtszeit mich hierher zu setzen. Viele, die von Ihnen Mütter sind und Familie haben und Großmütter sind, die werden das sicher auch nicht so gern wollen.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Väter kümmern sich auch um Weihnachten.)
Das ist schon richtig, die Väter kümmern sich um Weihnachten. Aber wir können keine Frauen von draußen bewegen, hier mitzumachen, wenn dieses Testosterongehabe in diesem Haus nicht aufhört.
Es bleibt bei der Auffassung meiner Fraktion; meine Meinung hatte ich hier gesagt. Zunächst, wenn Sie so wollen, als erste Stufe die Zielsetzung, die Umsetzung der Empfehlung des Corporate Governance Kodex vom 26. Mai 2010 werden wir aktiv begleiten. Dieses Regelwerk ist zwar nicht zur Pflicht, aber immerhin zunehmend zur Ehrensache einiger deutscher Unternehmen geworden. Mein Vorredner hat es schon gesagt, es ist auffällig, wie sich mittlerweile Publikationen der Wirtschaftsseite mit diesem, ich sage es mal, Problem - normalerweise sollte es gar kein Problem sein, normalerweise sollte es ganz normal sein - befassen.
Wie gesagt, das Regelwerk ist nicht zur Pflicht, aber immerhin zur Ehrensache geworden. Ich möchte zwei Menschen mal hier zitieren. Auf einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts in Berlin war im April überaus deutlich zu hören - ich zitiere Herrn Udo Steffen, Präsident eines Frankfurter Unternehmens, der in einer Studie den Zusammenhang zwischen einem höheren Frauenanteil im Aufsichtsrat und höherer Leistungsfähigkeit belegt hat: „Nicht nur können Frauen eher über den Tellerrand von Jahresabschlüssen hinausschauen, um wichtige Entwicklungen zu entdecken,“
„sie sorgen außerdem noch dafür, dass häufiger Aufsichtsratssitzungen stattfinden und diese dann auch besucht werden. Schließlich fehlen Frauen seltener als Männer bei diesen Sitzungen und Männer wiederum fehlen weniger, wenn mehr Frauen anwesend sind.“
Da soll mir mal einer erklären, woran das liegt. Herr Ministerialrat Ulrich Seibert aus dem Bundesjustizministerium fand bei dieser Veranstaltung sogar, ich zitiere: „dass es eine volkswirtschaftliche Dummheit sei“, bestausgebildete, hochqualifizierte Frauen nicht entsprechend einzusetzen.
Diese Dummheit, meine Damen und Herren, ist allerdings noch weit verbreitet. Denn derzeit sind gerade einmal 13 Prozent der Sitze in den Aufsichts
gremien unseres Landes mit Frauen besetzt. Diese Plätze - auch das gehört zur Wahrheit - haben Frauen in weiten Teilen den Betriebsräten und Gewerkschaften zu verdanken.
Jetzt mache ich es mal so, wie das der Innenminister gestern gemacht hat, wenn es zu laut wird, hat er einfach leise gesprochen oder aufgehört.
Also 13 Prozent sind mit Frauen besetzt. Wem ist denn das eigentlich zu verdanken? Diese Plätze, das gehört auch zur Wahrheit, haben Frauen in weiten Teilen den Betriebsräten und den Gewerkschaften zu verdanken.
Denn Sie müssen mir mal die restlichen 87 Prozent Frauen bringen, die überhaupt wollen, sich einer solchen Tortur zu unterziehen.
Und dass Sie mich nicht falsch verstehen, es geht mir nicht um eine politisch korrekte Alibiregelung, sondern um eine nachhaltige Umsetzung der Chancengleichheit für die besten Köpfe und Talente,
Es liegen bereits wirtschaftliche Erfolgsnachrichten von Unternehmen vor, denen die gleichberechtigte Entscheidungskompetenz von Frauen und Männern an der Spitze keinerlei Abbruch getan hat. Auf diesem Weg müssen wir die Unternehmen zielorientiert in die richtige Richtung drängen. Das Beispiel Telekom aus dem Sommer dieses Jahres lässt hoffen. Bis 2015 will dieses Unternehmen freiwillig in Selbstverpflichtung die 30-Prozent-Marke erreichen. Doch was nützt es den Frauen, wenn Telekom - so habe ich es gehört, ich weiß nicht, ob es stimmt, kann man sich mal erkundigen - seinen Betrieb hier in Erfurt schließen will/soll/muss - weiß ich nicht - und die Frauen dann nach Leipzig, Halle oder nach Dresden fahren müssen. Ich sehe da auch gewisse Schwierigkeiten für Frauen.
Die Signale, die uns aus Europa erreichen, die Ausführungen der Bundesfrauenministerin Christina Schröter, die sich schon so ein kleines bisschen wieder gewandelt hat, dafür möchte ich mich jetzt nicht verbürgen, der Druck ist aber immer noch da
aus den Frauenorganisationen - das sagte Frau Stange hier schon -, dann natürlich auch ganz dringend aus der Frauenunion kündigen eine Quotenregelung an, wenn sich die Wirtschaft mit ihren eigenen Selbstverpflichtungszielen allzu viel Zeit lässt.
Wir werden zwar nicht noch mal neun Jahre brauchen, aber ich sage es noch mal, Frau Rothe-Beinlich, was nützt die Quote, wenn die Frauen nicht da sind.