Protocol of the Session on November 11, 2010

Also, Herr Gumprecht hat schon darauf verwiesen, dass wir mit diesem neuen Gesetz auch Rechtssicherheit schaffen werden für die Kommunen, die von der Beitragserhebung bislang abgewichen sind. Im Moment gibt es stellenweise so was wie gallische Dörfer, die in den vergangenen Jahren anders gehandelt haben, als es laut geltender Rechtslage eigentlich möglich war, und das wird dann nicht mehr so sein. Das heißt, es ermöglicht außerdem eine deutliche Entlastung der Beitragszahler bei bestimmten Voraussetzungen in den Kommunen bis zur Möglichkeit des Verzichts auf Beitragserhebungen. Mich freut insbesondere auch, dass das Problem der Grundstücke geklärt wird, die kleingärtnerisch genutzt werden.

(Beifall SPD)

Sehr wichtig halte ich auch die Festlegung in Bezug auf die Vierjahresfrist für den Erlass der Beitragssatzung, also die Beschränkung für bereits abgeschlossene Baumaßnahmen. Es gibt eine Reihe von sehr vernünftigen Dingen in diesem Gesetzentwurf und ich sage noch mal: Was heute hier als Vorlage der Landesregierung behandelt wird, ist aus meiner Sicht der gelungene versuchte Kompromiss, einen Ausgleich zu finden zwischen zwei sehr gegensätzlichen Positionen, die hier im Freistaat seit Jahren, seit Jahrzehnten existieren und zu einer riesigen Menge, da gebe ich Ihnen recht, Herr Adams, an Zwistigkeiten, an Streit und auch an juristischen Auseinandersetzungen geführt haben. Ich freue mich deswegen schon auf eine sehr interessante Diskussion im Innenausschuss. In Anbetracht der Tatsache, dass es gleich 23 Uhr ist und dass es hier die erste Lesung ist und wir mit Sicherheit auch noch eine sehr farbenfrohe Diskussion, Herr Kuschel, im Innenausschuss haben werden

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ver- sprochen.)

und das dann dort fortsetzen, werde ich jetzt die Überweisung ebenso federführend an den Innenausschuss beantragen. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bergner von der FDP-Fraktion.

Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit Antrag vom 17.02.2010 seinerzeit die Landesregierung aufgefordert, einen Vorstoß zu unternehmen, der es den Gemeinden ermöglicht, Beiträge nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz nur fakultativ zu erheben. Unser Antrag wurde damals abgelehnt. Ich finde, es ist in der Tat an der Zeit, dass wir nun

endlich diesen Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorliegen haben und debattieren können.

Allerdings hat mich schon der Satz vom Kollegen Adams etwas verwundert, dass es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Infrastrukturabgabe sei. Etwas qualifizierter ist der Entwurf schon. Ich glaube, dass es auch nicht der richtige Weg ist, den uns Kollege Adams da vorgeben wollte.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vertrauen Sie mir!)

In dem Fall mit Sicherheit nicht, Herr Kollege.

Ausnahmen von der Beitragserhebungspflicht sind vorgesehen, was aber keine grundsätzliche Aufhebung vorsieht; das bedaure ich persönlich an der Stelle sehr. Das werden Sie mir auch nachsehen, wenn Sie an unseren Antrag denken. Auf jeden Fall sind die Punkte, die zur Ausnahme bei der Beitragserhebungspflicht führen können, aus unserer Sicht zu eng gefasst. Sie haben beschrieben, dass das möglich ist, wenn die Beitragserhebung zu keinem wesentlichen Vermögenszuwachs führt oder wenn die finanzielle Situation dauerhaft so günstig ist, dass sie ohne Verletzung der Einnahmebeschaffungsgrundsätze auf eine Beitragserhebung verzichten können.

Das ist dann eine Einzelfallentscheidung für jede einzelne Straßenausbaumaßnahme und das rechtfertigt eben kein generelles Absehen von der Beitragserhebung, beispielsweise wenn die Verwaltungskosten die Beitragseinnahmen übersteigen. Das ist sicherlich ein interessanter Ansatz, der aber unserer Ansicht nach nicht weit genug geht.

Ein generelles Absehen von der Beitragserhebungspflicht ist Ihrem Entwurf zufolge möglich, aber nur dann, wenn die Gemeinde ohne Verletzung der Einnahmebeschaffungsgrundsätze verzichten kann. Ein Absehen nach 2. ist nicht möglich, wenn die Gemeinde ihre Einnahmen zu einem nicht unerheblichen Teil aus der Erhebung kommunaler Steuern erzielt oder somit über laufende Kreditverpflichtungen einschließlich Kassen- bzw. Liquiditätskredite verfügt oder solche plant. Das wird dazu führen, dass sich diese Ausnahmemöglichkeiten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einen sehr kleinen und - ich füge hinzu - deutlich zu kleinen Kreis beschränken.

Zukünftig sollen die Kommunen nach diesem Entwurf in Abhängigkeit von ihrer Kassen- bzw. Finanzlage den gemeindlichen Eigenanteil an den Investitionskosten erhöhen können. Auch da bringen Sie als Voraussetzung, dass bei Gemeinden einschließlich ihrer Eigenbetriebe keine Geldschulden oder ein Schuldenstand zum 31.12. des Vorjahres von maximal 150 € je Einwohner bestanden haben. Das ist dann schon ein sehr niedriger Satz, wo ich auch meine, auch das wird die Gemeinden, die das

(Abg. Hey)

in Anspruch nehmen können, auf einen sehr kleinen Kreis beschränken. Ich denke, auch dort gibt es Diskussionsbedarf.

Wir meinen ohnehin, die Erhebung von Kommunalabgaben soll in das freie Ermessen der Kommunen gestellt werden. Wir denken, dass dadurch das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gestärkt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Das sieht der Gesetzentwurf leider nur teilweise vor. Ich sage es noch einmal, die Voraussetzungen sind aus unserer Sicht viel zu eng, so eng, dass es kaum eine Gemeinde realisieren kann. Der Gesetzentwurf zum Thüringer Finanzausgleichsgesetz wird die Situation zusätzlich verschlechtern.

Sie führen eine Frist zur Erhebung der Beitragssatzung ein. Durch § 7 Abs. 12 wird die Pflicht eingeführt, spätestens vier Jahre nach Beendigung der Straßenausbaumaßnahme eine Beitragssatzung zu beschließen. Nach Ablauf dieser Frist entfällt die Erhebungsberechtigung mit der einzigen Ausnahme, wenn bei einer Satzung die Nichtigkeit festgestellt wurde. Diese Frist führt dazu, dass eine Heranziehung der Bürger nur für eine gewisse Zeit möglich ist und somit relativ gut vorhersehbar bzw. planbar ist. Die Frist beginnt mit dem 31.12.2011. Ich denke, dass diese Frist zur Erhebung für die Rechtssicherheit der Bürger begrüßenswert ist und auf alle Fälle einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Schwierig wird es mit § 7 a - Wiederkehrender Beitrag -. Der Gesetzentwerfende will die Möglichkeit schaffen, dass das gesamte öffentliche Verkehrsnetz einer Gemeinde eine Abrechnungseinheit bilden kann. Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich sage an dieser Stelle aus der ganz persönlichen Erfahrung heraus: Es wäre schön, wenn das so funktionieren würde, weil das manchen Gemeinden erhebliche Probleme ersparen würde.

Ich erinnere an das Urteil vom 11. Juni 2007 und erinnere an den dort formulierten räumlichen und funktionalen Zusammenhang, den Sie zwar jetzt abschaffen wollen, aber dann möchte ich an dieser Stelle natürlich zu bedenken geben, dass das eine ganz schwierige Debatte mit sich bringen wird in Bezug auf den Vorteilsbegriff. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass das OVG Rheinland-Pfalz zwar eine Entscheidung getroffen hat, die das stützen könnte, aber sie hat eben keine bindende Wirkung für die Thüringer Gerichtsbarkeit und insofern haben wir große Zweifel, ob das so funktionieren wird, auch wenn es sicherlich für manch eine Gemeinde ganz zufriedenstellend wäre. Da meine ich, Herr Innenminister, dass Sie uns auf eine riskante Reise schicken und Sie als Kapitän das Schiff verlassen, bevor es überhaupt losgefahren ist. Ich

glaube nicht, dass wir dort wirklich an das Ziel kommen werden, und ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, auf die Worte von Kollegen Fiedler von vorhin einzugehen. Ich sage ausdrücklich, dass ich Sie als Mensch und als Fachmann sehr schätze und dass ich auch

(Beifall FDP)

die Zeit der Zusammenarbeit in dem zurückliegenden Jahr durchaus als sehr positiv bewerte. Aber es muss schon erlaubt sein, auch ein kritisches Wort zu sagen. Ich denke, wenn man nach so kurzer Zeit ein so wichtiges Mandat, wie es ein Ministeramt ist, wegen einer noch schöneren Stellung verlässt, dann muss man das auch kritisieren dürfen und diese Freiheit nehme ich mir.

Meine Damen und Herren, das gesamte Thüringer Kommunalabgabengesetz ist durch den Vorteilsbegriff geprägt und ich denke, dass es etliche Juristen gibt, die bereits jetzt daran arbeiten, den Gesetzentwurf - sofern er denn umgesetzt werden wird genau an dieser Stelle zu kippen.

Meine Damen und Herren, wir vertreten die Auffassung, die Kommunen sollen flexibler über die Beitragserhebung sowie über die Eigenbeteiligung entscheiden können. Weiterhin soll die Beitragserhebung für die Bürger angemessener und überschaubarer ausgestaltet und mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Ich denke, wir müssen uns auch unterhalten über das Thema Erneuerungsbeiträge, die gänzlich abgeschafft werden können, da die erstmalige Verwirklichung einer beitragsfähigen Maßnahme den eigentlichen Vorteil begründet und dieser erstmalige Vorteil auch finanziell abgegolten wird. Alle weiteren Maßnahmen der Erneuerung lassen sich als Fortsetzung dieses schon längst entstandenen Vorteils begreifen. Den Gemeinden sollte zudem die Möglichkeit eröffnet werden, soweit sie Beiträge erheben, in Abhängigkeit von ihrer Haushaltslage auf die Erhebung von Stundungszinsen zu verzichten. Auch sollten die Stundungsmöglichkeiten ausgeweitet werden.

Meine Damen und Herren, ich denke, der Gesetzentwurf ist erst einmal ein wichtiger Schritt, der aber an vielen Stellen hinter dem zurückbleibt, was wir für wichtig halten. Wir werden uns gerne in die Diskussion im Innenausschuss einbringen. Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Innenausschuss. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

(Abg. Bergner)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zunächst auf Herrn Gumprecht erwidern. Er hat ein transparentes Verfahren angekündigt für den Innenausschuss. Wir hätten uns gewünscht, dass die CDU und SPD den gleichen Mut gehabt hätten, den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den LINKEN in ähnlicher Art und Weise zu behandeln,

(Beifall DIE LINKE)

und sich dort nicht einer mündlichen Anhörung verweigert hätten. Ja, und wenn die Landesregierung etwas mehr auf die Tube gedrückt hätte, hätten wir beide Gesetzentwürfe gemeinsam beraten können, denn Sie hatten mehr als drei Jahre Zeit. Das ist jetzt kein Vorwurf an Sie, Herr Prof. Huber, aber an Ihre Vorgänger. Sie sind aber dort in Rechtsnachfolge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Hey hat hier formuliert - wie auch andere Redner -, die Einnahmegrundsätze aus der Thüringer Kommunalordnung wären das Korsett, an dem wir uns auch im Bereich der Kommunalabgaben, insbesondere der Ausbaubeiträge, orientieren müssten. Da gebe ich nur zu bedenken, dass es inzwischen in Europa zu diesen Einnahmegrundsätzen modernere Auffassungen gibt, als sie in unserer Kommunalordnung enthalten sind. Ich will Ihnen das an dem Beispiel verdeutlichen, ich verweise auf diese moderneren Regeln. Die gibt es auch in der Bundesrepublik, im Saarland beispielsweise, in Sachsen durch die Rechtsprechung, in Baden-Württemberg, in Hamburg und Bremen. Die haben sich inzwischen davon verabschiedet, dass es sich beim Beitrag um ein spezielles Entgelt handelt, das nach den Einnahmegrundsätzen vorrangig vor Steuern und Krediten zu erheben ist. Insbesondere der Vorteilsbegriff, der hier durch Herrn Bergner schon mal thematisiert wurde, entspricht den modernen Anforderungen überhaupt nicht mehr.

Der Vorteilsbegriff ist durch drei Kriterien gekennzeichnet. Das sind die Dauerhaftigkeit, die Grundstücksbezogenheit und die Gebrauchswertkomponente. Sowohl beim Abwasser als auch bei der Straße treffen diese drei Kriterien nicht mehr allumfänglich zu. Beim Abwasser kann man sicherlich von der Dauerhaftigkeit ausgehen; da es sich aber um ein Leitungssystem handelt, ist schon die Grundstücksbezogenheit nur noch ganz abstrakt herstellbar. Auch hinsichtlich des Gebrauchswerts ist sehr stark zu differenzieren. Bei der Straße wird es noch offensichtlicher. Dort ist die Grundstücksbezogenheit aufgrund der Mobilitätsentwicklung der letzten 100 Jahre nicht mehr für das einzelne Grundstück herstellbar. Ich kann vor meinem Grundstück eine noch so tolle Straße haben; wenn ich keinen Anschluss an das überregionale Straßennetz habe, entfaltet das im Grunde genommen

keinen Vorteil, so dass die Grundstücksbezogenheit nicht mehr gegeben ist. Und was dort die Gebrauchswertkomponente angeht, dann verweise ich noch mal auf das Thüringer Baurecht. Gehen Sie zur Baubehörde für ein Bestandsgrundstück, das also schon wirtschaftlich oder baulich genutzt wird im unbeplanten Innenbereich, stellen Sie einen Bauantrag, dann prüft die Baubehörde viel, aber nicht den Zustand der Straße. Dort unterstellt sie, die Straße ist durch die Widmung und Vergabe einer Hausnummer vorhanden und nutzbar.

Das ist nicht mehr zeitgemäß, insofern hätten wir uns gewünscht, dass sich die Landesregierung und der Innenminister aus einem Rechtskonstrukt des 19. Jahrhunderts verabschiedet und endlich im 21. Jahrhundert ankommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bürger dürfen jetzt mitdiskutieren, darauf wurde verwiesen; das ist eine neue Qualität. Aber die Bürger wünschen sich nicht nur das Mitdiskutieren, sondern sie wünschen sich das Mitentscheiden. Dieser zweite Schritt ist bisher versäumt worden; sie können zwar Anregungen vorbringen, aber es ändert sich nichts. Da teilen sie das Schicksal der Kommunalen Spitzenverbände: Die dürfen auch viel sagen, und wenn es der Landesregierung ins Konzept passt, werden die Spitzenverbände gehört und wenn es ihnen nicht in den Kram passt, dann sind die Hinweise und Anregungen der kommunalen Spitzenverbände nichts mehr wert.

Sie haben drei Anforderungen an Ihr Gesetz selbst formuliert: bürgerfreundlich, juristisch einwandfrei und bezahlbar. Bürgerfreundlich - die Entscheidung überlassen wir mal dem Bürger, da ist es immer schwierig, wenn wir als Politiker selbst dort den Maßstab setzen wollen, da kommen wir mit den Bürgern ins Gespräch. Juristisch einwandfrei - die Versuche sind bisher alle gescheitert, das Beitragsrecht juristisch einwandfrei zu gestalten. Davon leben Hunderte, wenn nicht Tausende Juristen

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und Professoren.)

und Professoren, ja. Von daher ist die Hoffnung wohl vergebens, außer, wir haben den Mut, das Gesamtsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen und das Beitragswesen zu überwinden. Dann bestünde die Chance, mit einer modernen Verfassung, über die wir ja durchaus verfügen, auch das Recht zu untersetzen. Was die Bezahlbarkeit betrifft, da haben Sie ehrlicherweise nur das Land benannt, für das Land bezahlbar. Sie haben nicht gefragt, ob es für den Bürger bezahlbar ist. Das ist ja das Problem. Das unterscheidet uns offenbar. Wir als LINKE haben neben den öffentlichen Haushalten eben auch die Einkommens- und Vermögenssituation, die wirtschaftliche Situation der Bürger im Blick.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Prof. Huber, Sie haben einige Kriterien bedauerlicherweise nicht herangezogen, um Ihren Gesetzentwurf einer Bewertung zu unterwerfen. Solche Kriterien wären Modernität, darauf habe ich schon verwiesen. Sie orientieren sich nach wie vor an einem Modell, das Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen entwickelt wurde. Auch der Faktor der sozialen Gerechtigkeit ist nur in Ansätzen erkennbar, das gestehe ich aber zu, ist erkennbar, was Stundungsregelung und dergleichen betrifft. Aber was völlig fehlt und da wundere ich mich, weil Ihre Vorgängerlandesregierung dazu sogar Gutachten in Auftrag gegeben hat, das Gutachten von Prof. Ferdinand Kirchhof ist da zu benennen, da ging es um das Äquivalenzprinzip, und zwar aus dem europäischen Recht heraus, das besagt, es soll derjenige die Leistungen bezahlen, der sie auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Das ist beim Abwasser über eine mengenabhängige Refinanzierung, also über die Gebühr viel besser abbildbar. Bei der Straße sollen im Wesentlichen die die Straße finanzieren, die sie auch nutzen. Dazu erheben wir in der Bundesrepublik zwei Steuern, das ist die Kfz- und die Mineralölsteuer, die das wesentlich besser abbilden als die Beiträge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist doch ein weiteres Beispiel für Aktionismus. Er verharrt in alten Denkstrukturen und seit mindestens drei Jahren werden die Bürger hingehalten und ihnen wird eine Lösung versprochen. Sie sind nicht nur enttäuscht, sondern viele werden sich auch betrogen fühlen. Ich kann durchaus dieses Empfinden nachvollziehen.

Warum seit drei Jahren? Spätestens seit Januar 2007 haben wir eine neue Situation. Seit diesem Zeitpunkt können wir auch nicht mehr auf das Urteil des Thüringer OVGs vom Mai 2005 zurückgreifen zum Fall Benshausen, weil sich das Thüringer OVG im Wesentlichen auf eine Entscheidung des sächsischen OVGs bezogen hat. Das haben die sächsischen Richter im Januar 2007 korrigiert. Seitdem gibt es das sogenannte sächsische Modell, wobei die Kommunen selbst entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie Straßenausbaubeiträge erheben. Da stellt sich die Frage: Was in Sachsen geht, warum soll das in Thüringen nicht gehen? Da halte ich es für hilflos, wenn auch Herr Hey dann darauf verweist, es wäre verfassungswidrig, das Beitragssystem infrage zu stellen. Da muss ich hier fragen, ob die Verfassung, also das Grundgesetz, nur in Thüringen gilt oder nicht flächendeckend in allen 16 Bundesländern. Von daher wäre die Frage zu stellen, warum in Bremen, in Hamburg, in Baden-Württemberg keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden, im Saarland und in Sachsen die Gemeinden ein hohes Ermessen haben. Von daher können Sie es zumindest nicht mit der Verfassung begrün

den. Sie können es damit begründen, dass Sie sagen, Sie wollen es politisch nicht, das wäre ehrlich, aber bitte schön nicht mit der Verfassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet keinen Lösungsansatz für die Abwasserbeitragsproblematik und nicht einmal das, Herr Innenminister Huber, was Sie versprochen haben in einem Treffen mit Bürgerinitiativen, nämlich zumindest das Problem des Missbrauchs der Eigenkapitalverzinsung im Gesetz auszuschließen, so dass es aufhört, dass einige Aufgabenträger sich aus der Gebührenkalkulation noch Gewinne ausschütten lassen an die Mitgliedsgemeinden, nicht einmal das haben Sie aufgegriffen. Das haben Sie aber versprochen. Sie haben es versprochen und gesagt, wenn Sie erkennen, dass über die Eigenkapitalverzinsung ein Missbrauch erkennbar ist, dass nämlich das Kostendeckungsgebot umgangen wird, dann wollen Sie dafür eine Lösung anbieten. Die enthält der Gesetzentwurf nicht. Ich kann Ihnen aber versprechen, unsere Fraktion wird Ihnen dort zur Seite stehen und einen ergänzenden Antrag stellen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von den Abwasserbeiträgen sind in Thüringen nur noch 1,1 Mio. Bürger betroffen. Die anderen 1,1 Mio. sind eben nicht mehr betroffen, weil sich dort die Aufgabenträger entschieden haben, keine Beiträge zu erheben. Das sind Aufgabenträger, die keine überzogenen Gebühren haben, insofern werden wir auch bei diesem Gesetzentwurf wieder unseren Vorschlag, den wir gemeinsam mit den GRÜNEN hier in das Parlament eingebracht haben, zur Diskussion stellen, nämlich unter welchen Voraussetzungen ist es denn möglich, auf die Abwasserbeiträge prinzipiell zu verzichten, ohne dass der Landeshaushalt zusätzlich belastet wird. Dazu haben wir detaillierte Vorschläge unterbreitet, auf die möchte ich jetzt nicht noch einmal eingehen.