Protocol of the Session on September 10, 2010

Frau Lehmann, Sie haben sehr schön ausgeführt, dass natürlich zurzeit die Situation in den Kommunen, Körperschaften auf Bundesgebiet und auf Landesebene sicherlich eher schwere Zeiten sind. Wir sollten uns aber zurückerinnern, dass Schwarz-Rot in Berlin mit dem Beschluss während der Fußball WM 2006 die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 angehoben hat.

(Beifall FDP)

Seitdem verzeichnen wir in dieser Republik Steuereinnahmen, die ihresgleichen suchen und immer noch sind die Einnahmen in 2009 und 2010 deutlich höher als in 2006. Auch in 2006 ist Deutschland nicht untergegangen. Darauf sollten wir uns besinnen und darüber nachdenken, wie können wir tatsächlich sparen. Über Sparen haben wir uns in diesem Hohen Hause auch schon oft unterhalten. Wir mahnen insbesondere an, dass man auch bei der Ausstattung des Staates und bei der Erfüllung von Aufgaben des Staates, des Landes, der Körperschaften das durchaus etwas weniger üppig machen kann.

(Beifall FDP)

Die Personalkosten in Thüringen sind sehr hoch, sind 24 Prozent unseres Aufkommens. Auch in den Kommunen, ich weiß es von Erfurt, sind es auch 24 Prozent der jeweiligen Haushalte. Das halten wir für sehr üppig und damit werden viele finanzielle Mittel eingeschränkt, die wir dafür brauchen - dafür stehen wir -, den wirklich Bedürftigen dieses Landes unter die Arme greifen zu können. Da verschwenden wir Geld an anderer Stelle, um es den wirklich Bedürftigen geben zu können. Da würden wir auch sagen, wir brauchen durchaus mehr. Aber nicht alle, die sich heute auf Leistungen des Staates berufen und beziehen, brauchen dieses Geld.

(Abg. Huster)

Insofern sollte man da tatsächliche Gerechtigkeit herstellen und mehr Motivation, mehr Leistungsbereitschaft fördern. Da sehen wir insbesondere die Mittelschicht, dort wirken nämlich Abgabensenkungen leistungsfördernd, schaffen freie Räume und damit auch Wachstum. Das ist bewiesen. Das haben uns andere Staaten vorgemacht. Das haben wir auch in anderen Perioden, wo wir mit an der Regierung waren, auch schon erlebt. Das wollen wir nun wieder erleben.

(Beifall FDP)

In unserem Punkt 3, Frau Lehmann und liebe Fraktionäre der SPD und CDU, haben wir davon gesprochen, sich bitte mittelfristig dafür einzusetzen, die Abgabenlast dieser Mittelschicht zu senken. Mittelfristig ist nicht in 2010, das sehen wir ein, aber es ist schon so, dass die Konjunktur viel besser läuft als erwartet.

(Beifall FDP)

Man prognostiziert ein Wachstum von jenseits der 3 Prozent. Ich will nicht verhehlen, das ist natürlich auch ein statistischer Gegeneffekt zu 2009, wo wir 4,7 Prozent im BIP gesunken sind. Aber nichtsdestotrotz liegen wir deutlich über den Erwartungen. 2013 werden wir Steuereinahmen gerieren in der Republik, die über allem liegen, was wir je gesehen haben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wahr- scheinlich.)

Diese Spielräume sollen wir nutzen, um die von uns im Fokus stehenden Leute endlich zu entlasten und ihnen mehr von dem zurückzugeben, was sie erarbeitet haben.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Kemmerich, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lemb?

Herr Lemb, bitte.

Herr Kemmerich, thematisch haben Sie eben darüber gesprochen, dass wir diejenigen berücksichtigen sollten, die wenig haben, also die Bedürftigen. Würden Sie mir zustimmen, dass es auch eine unternehmerische Verantwortung im Lande gibt, beispielsweise im Bereich des Friseurhandwerkes, für jemanden, der für Bedürftige zuständig ist? Also müssten die Unternehmer auch dafür sorgen, dass man von seiner Beschäftigung leben kann. Würden Sie mir da zustimmen?

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Die Frage überrascht mich kaum, Herr Lemb.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das war aber keine Antwort.)

Wie stellen sich denn Löhne her? Darüber können wir natürlich auch trefflich streiten. Der Lohn wird nicht durch eine Willkür des Unternehmers festgelegt, sondern der Lohn bildet sich auch durch eine Relation auf den Märkten. Und in den dienstleistungsorientierten Gewerben in Deutschland, wozu auch das Friseurhandwerk gehört, bilden sich die Märkte ab durch das Wechselspiel zwischen den Konsumenten und den Anbietern. Wenn die Konsumenten eben nur bereit sind, einen Preis X für eine Leistung zu bezahlen - das gilt auch für die anderen Bereiche -, dann errechnet sich daraus der Lohn. Wir haben noch keinen Friseurbesuch auf Krankenschein oder viele andere Bereiche, die so üppig ausgestattet sind, wie teilweise Leistungen des Staates. Insofern mahne ich gerade da an, weil sich viele Mitarbeiter im Friseurhandwerk in dieser Mittelschicht befinden, dass wir diese Leute nicht durch Abgaben und Steuern arm machen sollten, sondern dass ihnen von der wohlverdienten Leistung mehr bleiben könnte.

(Beifall FDP)

Das würde dem Unternehmer auch Freiheiten geben, Lohnbestandteile nicht an das Finanzamt und in andere schwarze Kassen abzuführen, sondern den Mitarbeitern auszuzahlen.

Herr Huster, bei Ihrer Mahnung nach Steuergerechtigkeit schwant einem manchmal, dass Sie wahrscheinlich selbst bei 100 Prozent Steuerabgaben noch Möglichkeiten finden würden, dass es immer noch nicht reicht. Steuergerechtigkeit stellt sich nicht dadurch ein, dass wir darauf verweisen, wie viele Millionäre wir im Land haben, die sicherlich da sind und deren Zahl auch gestiegen sein soll,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: 8 Mio.)

aber die meisten in diesem Land arbeiten hart und ehrlich und in diesen Durchschnittseinkommen. Diese Leute haben wir im Fokus. Wenn Sie darauf eingehen, dass wir sagen, einfach transparent und auch von Ausnahmentatbeständen im Einkommensteuerbereich befreit, dann ist eben nicht der Findige der Gewinner, sondern wirklich der Fleißige. Wir haben durchaus auch die Findigen im Auge,

(Beifall FDP)

die mal mit - Frau Lehmann hat es gesagt - Abschreibung auf Höchstbeteiligung, Windkraftanlagen, etc. ihre Einkommensteuerlast immens drücken. Auch das ist nicht das, was wir wollen.

(Beifall FDP)

Ein von Ausnahmetatbeständen befreites Steuerrecht würde diese Leute zu absolut viel größeren Steuerzahlungen heranziehen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die SPD-Fraktion erhält Abgeordneter Dr. Pidde das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist wirklich ein starkes Stück. Die FDP, die in Berlin am Ruder ist, die mit diesem Antrag durch das Hauptportal des Bundestages gehen könnte, kommt hier durch das Hintertürchen gekrochen und legt das Papier im Landtag vor und fordert die Landesregierung auf, sie möge doch im Bundesrat ihre Klientelinteressen vertreten. Das ist wirklich ein starkes Stück.

(Beifall SPD)

Wenn eine Partei, die im Bundestag die Oppositionsbänke drückt, so einen Antrag eingebracht hätte, sage ich okay, sie haben keine andere Möglichkeit. Aber bei Ihnen ist es doch nun wirklich der Fall, Sie könnten es selbst entscheiden, aber Sie sind unfähig, sich durchzusetzen. Sie kuschen vor CDU und CSU einerseits, aber andererseits hat Sie die Realität aus dem Gleichgewicht gebracht.

Nun zu Ihrem Antrag selbst - einmal, was Sie wollen und einmal, wie Sie das erreichen wollen. Das Einzige, was das Papier wert ist, auf dem das Pamphlet gedruckt ist, ist die Überschrift: Ein einfaches, transparentes und gerechtes Steuersystem. Ein hehres Ziel, schöne Worte, das würde man sich wünschen. Ihr Parteivorsitzender ist mit verordneter Lockerheit so in den Wahlkampf 2009 gegangen und hat das nimmermüde gefordert. Kaum sind Sie in der Bundesregierung, beschließen Sie als Erstes ein Steuergesetz - das sogenannte Steuerentlastungsgesetz - und Sie machen genau das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

genau das Gegenteil von Steuervereinfachung und da sage ich: Wo ist denn da das Rückgrat? Die FDP als wirbelloses Säugetier - das ist schon stark.

(Heiterkeit FDP)

Meine Damen und Herren, wenn wir die Fälle ermäßigter Umsatzsteuer betrachten und wir haben das hier schon ausführlich diskutiert, dass die einzelnen Fälle für Ermäßigung oder Nichtermäßigung kaum nachvollziehbar sind, aber wenn die FDP gegen den Rat aller Fachleute weitere Sondertatbestände einführt und diese erweitert, dann kann man das nicht nachvollziehen. Ich rede von dem ermäßigten Umsatzsteuersatz für Hotelübernachtungen. Zahl

reiche Steuerexperten haben vorher und auch jetzt danach sich geäußert, dass hier ein neu entstandenes Bürokratiemonster aufgebaut worden ist. Mittlerweile gibt es auch in der Union Absetzbewegungen von diesen unsinnigen Steuergeschenken an eine bestimmte Klientelgruppe. Aber es bleibt auf jeden Fall festzustellen, es lohnt sich eben doch, Millionenspenden an die FDP zu machen, man bekommt - wie Familie von Finck, die Haupteigentümer des Mövenpick-Hotelketten-Imperiums, inzwischen zu berichten weiß - hundertfach das Gleiche zurück, was man dort einsetzte - und da geht es nicht um Peanuts. Nicht anders ist es mit den Laufzeiten der Atomkraftwerke, die einfach erkauft werden und da geht es noch um eine ganz andere finanzielle Dimension.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wie viel ha- ben Sie damals für die Abwrackprämie be- kommen?)

Meine Damen und Herren, die frühere FDP-Staatsministerin, Herr Barth, Sie kennen sie gut, Frau Hamm-Brücher, hat sich im „Spiegel“ geäußert, und zwar am 16. Januar dieses Jahres und ich zitiere: „In der Regierung macht die FDP reine Klientelpolitik. Sie kümmert sich um die Steuerfragen einer bestimmten Schicht - das ist alles. Eine Partei für das Volk sei die FDP keinesfalls, denn für die brennenden gesellschaftlichen Probleme biete sie leider keine Lösung an.“

(Beifall SPD)

Staatsministerin Hamm-Brücher, FDP, über FDP jetzt. Und das ist der Punkt. Es geht Ihnen nicht um Steuervereinfachung. Es geht Ihnen allein darum, eine bestimmte Klientel zu entlasten, die Klientel der Besserverdienenden. Und mit diesem Etikett „Steuervereinfachung“, das Sie dem Ganzen ankleben, sage ich, das ist brutalst mögliche Verschleierung von Tatsachen.

(Beifall SPD)

Ganz nebenbei müssen auch wir, auch der Freistaat Thüringen, das mit ausbaden, was Sie uns eingebrockt haben. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz führt bei uns im Haushalt und bei den Thüringer Kommunen zu Mindereinnahmen von fast 100 Mio. € Jahr für Jahr. So haben Sie einen Teil der Probleme, die wir im Thüringer Haushalt jetzt haben - einen Haushalt aufzustellen ohne viele neue Schulden - zu verantworten.

Meine Damen und Herren, Steuervereinfachung ist ein hehres Ziel, es steht auf der politischen Tagesordnung, es wird auch darüber nachgedacht. Man muss aber auch sehen, dass sich die Kompliziertheit des Systems historisch entwickelt hat. Das Steuersystem ist das Ergebnis des ständigen Bemühens, eine leistungsgerechte Besteuerung zu erzielen. Ich weiß es nicht, ob die Begriffe „einfach“ und „gerecht“ im Steuersystem überhaupt vereinbar

(Abg. Kemmerich)

sind, denn was ist denn „einfach“? Die FDP sagt, wir machen drei Steuersätze, einen Stufentarif und das soll gerecht sein? Das ist auf jeden Fall ungerechter. Es würde wieder den Besserverdienenden nützen und die breite Masse der Steuerpflichtigen belasten.

Meine Damen und Herren, die FDP fordert in ihrem Antrag eine Senkung der Abgabenlast für die Bürger. Wieder so ein schöner Satz - wer würde sich das nicht wünschen? Aber in Wirklichkeit machen Sie genau das Gegenteil von dem. Schauen wir uns doch mal die Krankenversicherung an: Sie ist doch der Offenbarungseid. Die FDP schont die Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Ihre Partei schont die Pharmabranche. Sie schonen die privaten Krankenkassen und die Zeche bezahlt der Bürger.