Protocol of the Session on June 18, 2010

(Beifall FDP)

und auch nur in diesem großen Rahmen gestellt. Nicht als singuläre Erscheinung kann man sie richtig bewerten, deshalb ist aus meiner Sicht und aus unserer Sicht jeder Versuch einer Bagatellisierung gefährlich. Dem muss entgegengetreten werden.

(Beifall CDU)

Astrid Rothe-Beinlich - und es gelingt uns wirklich nicht oft, einer Meinung zu sein -, aber an der Stelle will ich ausdrücklich danken auch für diese sehr privaten Erinnerungen hier, weil aus solchen Erinnerungen deutlich wird, wie perfide das System war, und dass es notwendig ist, Herr Kollege Hausold, sich wirklich, bevor man über Einzelheiten debattiert, zunächst einmal auf einer Grundlage zu treffen, auf eine Grundlage zu verständigen. Das Gegenteil von

Rechtsstaat ist Unrechtsstaat.

(Beifall CDU, FDP)

Auch was Frau Pelke berichtet hat, dass es gelegentlich so war, dass man nicht wusste, warum jetzt der eine einen Witz erzählen durfte und warum der andere nicht. Auch das zeigt, dass es keine klaren Regeln gab, dass es kein Recht gab, was da gesetzt worden ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es tut mir leid, dann kann ich das im Ergebnis nur als Unrechtsstaat verstehen und nur als Unrechtsstaat einstufen. Deshalb ist die Debatte, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, wichtig. Wir haben die Opferrente etwa vor drei Jahren im Deutschen Bundestag beschlossen. Frau Neubert, wir haben uns dort in verschiedenen Gesprächsrunden getroffen. Ich will ausdrücklich sagen, dass es mich als damals Bundestagsabgeordneten aus Thüringen auch schon ein Stückchen stolz gemacht hat, dass da immer von einem Thüringer Vorschlag die Rede war, der dort debattiert wurde und an dem sich dann das Ergebnis auch sehr stark orientiert hat. Ich kann nur aus meiner Erinnerung berichten, dass es im Zusammenhang mit der Opferrente auch seitens der Opferverbände ausdrücklich so gewesen ist, dass, weil solche Debatten immer eine Haushaltsdimension haben, die Verbände ihrerseits am Ende gesagt haben, ihnen ist zunächst einmal das Symbol der Rente als Entschädigungstatbestand viel wichtiger als die Frage der Höhe, weil es in der Tat so ist, dass einem die Zeit im Gefängnis, die Jahre der Unterdrückung, die Jahre der Haft, egal, in welcher Höhe so eine Rente denn gezahlt werden würde, niemand und nichts zurückbringen kann.

Ich will aber ausdrücklich sagen, dass es natürlich trotzdem eine Frage der qualitativen Wertschätzung ist, die man auch ganz persönlich empfindet, wenn man sieht, dass die Täter von damals am Ende eine höhere Rente bekommen als die Opfer.

(Beifall FDP)

Das bleibt, glaube ich, eben ein fader und bitterer Beigeschmack. Deswegen bin ich ausdrücklich auf der Seite aller, die sich bemühen und nach allen Möglichkeiten suchen, die Rente zum einen zu erhöhen und zum anderen aber insbesondere die Bedürftigkeitsprüfung, die dem Ganzen noch einmal eine besondere Schwierigkeit - will ich es mal ganz vorsichtig formulieren - verleiht, an dieser Stelle auszusetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir vorhin in der Debatte um den Thüringen-Monitor ge

hört haben, dass es durchaus gedanklich eine gewisse Nähe gibt zwischen denen, die sich gern und positiv an die DDR erinnern, und denen, die rechtsextremem Gedankengut zuneigen, dann zeigt das noch einmal, dass es - wie ich es vorhin schon formuliert habe - keinen Extremismus in Nagelstiefeln gibt, der der böse Extremismus ist gegenüber einem, der auf Filzlatschen daherkommt und deswegen vielleicht nicht so gefährlich ist. Ich will da auch ausdrücklich jetzt gar niemanden in Haft nehmen, sondern ich will uns alle aufrufen, aus dieser Erkenntnis heraus tatsächlich die Beschäftigung mit dem DDR-Unrecht notwendig bleibt und dass sich diese Beschäftigung nicht nur am Geld festmacht, sondern dass es, wie Sie, Frau Neubert, heute in der TLZ zitiert werden, um Geld und Inhalte geht. Es geht eben darum, dass solche Erinnerungen, wie sie Astrid Rothe-Beinlich hier vorgetragen hat, weitergegeben werden. Da ist nicht nur Geld notwendig, sondern das muss erzählt werden, das muss im Rahmen von Bildungsarbeit an junge Menschen weitergegeben werden, weil es ansonsten tatsächlich so ist, dass außer einem großen Staunen, wie konntet ihr in so einem Staat leben, nicht viel übrig bleibt.

(Beifall FDP)

Die Erinnerung, lieber Kollege Hausold. Deswegen will ich Ihrer historischen Einschätzung über die Ursachen überhaupt nicht widersprechen, da haben Sie völlig recht, aber ich glaube nicht daran, dass das der einzige Weg ist, wie es zu einem solchen System kommen kann - ich glaube nicht, dass der einzige Weg, wie man zu einem totalitären, zu solch einem Unterdrückungssystem kommt, zwangsweise nur über einen Krieg erfolgen kann, sondern ich glaube, dass wir die Tendenzen in der Bevölkerung sehr aufmerksam verfolgen müssen. Das tut der Thüringen-Monitor und wir sind aufgerufen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Die Schlussfolgerung kann nicht heißen, Schlussstrich, sondern die Schlussfolgerung kann nur heißen, Weiterbeschäftigung mit dem System. Zum System haben natürlich auch die Blockparteien gehört. Ich will an der Stelle doch sagen, liebe Frau Kollegin Rothe-Beinlich, da hat jeder seine persönliche Geschichte, aber ganz so einfach war es in vielen Fällen dann eben doch nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wundert mich nicht.)

Natürlich wundert Sie das nicht, das ist völlig klar, mich auch nicht. Ich will ausdrücklich meinen Teil beisteuern. Natürlich hat es viele Widerstandskämpfer gegeben, aber es hat auch Menschen gegeben, die versucht haben, sich im System einzurichten. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es die Blockparteien auch in dieser Form nur deshalb ge

geben hat, weil es eine Partei gegeben hat, die die Existenz weiterer Parteien schlicht an die Bedingung geknüpft hat, als Blockpartei sich auszubilden oder eben verboten zu werden. Natürlich kann man sich heute, insbesondere wenn man damals vielleicht noch minderjährig gewesen ist, mit dem Zeigefinger herstellen und sagen, das haben die alles falsch gemacht und die sind alle Opportunisten gewesen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es geht nicht um: Auf an- dere zeigen...)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem will ich ausdrücklich sagen, dass es auch ganz viele Menschen gegeben hat, die sich bewusst entschieden haben, im Sinn ihres eigenen Lebensweges und auch ihrer Familien den vielleicht etwas bequemeren Weg zu gehen und zu sagen: Um nicht in die SED zu müssen, gehe ich eben in eine Blockpartei.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie stabilisierten damit die DDR!)

Das ist auch Teil der Geschichte und auch da sind sehr bewusste Entscheidungen, die genauso erzwungen worden sind, dahinter. An dieser kleinen Stelle habe ich eine andere Auffassung und ich finde, dass es nicht ganz so einfach ist. Aber auch deshalb, um darüber zu diskutieren, ist es notwendig, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Deshalb will ich für meine Fraktion ausdrücklich anbieten, dass wir Bundesratsinitiativen, die sich in die genannten Richtungen entwickeln, unterstützen und auch in unserer Bundestagsfraktion dafür werben, dass die Koalition in Berlin sich dieser Dinge annimmt.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss vielleicht noch ein Gedanke: Kollege Zeh hat zu Beginn der Debatte aus einem Buch vorgelesen, in dem die DDR aus meiner Sicht tatsächlich gefährlich verharmlost ist. Die Leugnung des Holocaust ist mit gutem Grund mit Strafe bewehrt. Ich finde es bedauerlich, dass über die DDR jeder ungestraft seine Meinung äußern darf und auch Lügen verbreiten darf. Andererseits ist es auch so, dass wir - und das hat der Thüringen-Monitor auch gezeigt - ein erwachsenes demokratisches System sind. Vielleicht gehört das zu den Dingen, die wir aushalten müssen, wir halten das aus. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter Barth, es gibt noch einen Wunsch auf eine Frage. Lassen Sie die zu?

Können wir das bei einem Kaffee besprechen oder muss es unbedingt hier sein?

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Es geht um Öffentlichkeit.)

Bitte, also wenn Sie das gern möchten.

Das sieht nach …

Herr Kollege Barth, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie mit mir übereinstimmen, dass es angenehmer ist, in der Volkskammer zu sitzen als in Haft.

Ich ziehe es dann doch vor, diese Frage nicht zu beantworten. Vielen Dank.

Danke, Herr Abgeordneter Barth. Ich habe jetzt noch eine Redemeldung zur Rede. Herr Abgeordneter, wird es eine Rede oder?

(Zuruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Es wird nur eine kurze Bemerkung.)

Nur eine kurze Bemerkung und dann eine zweite.

Ja, meine Damen und Herren! Herr Barth, das muss ich Ihnen jetzt sagen und ich bitte Sie auch, dass Sie mir an der Stelle zuhören. Ich habe meine Position zur DDR vorhin hier deutlich gemacht und das ist die der ganz großen Mehrheit in meiner Partei.

(Beifall DIE LINKE)

Aber wenn Sie sich hierher stellen und jetzt wieder den Holocaust mit Verhältnissen in der DDR vergleichen, dann, entschuldigen Sie, haben Sie gar nichts verstanden,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

dann haben Sie eigentlich das Recht verwirkt, als Mitglied einer Partei, die früher Blockpartei war, hier in der Art überhaupt in der Debatte so zu belehren. Das muss ich Ihnen sagen an der Stelle. Ich bin sehr enttäuscht über Ihre Äußerung und dass die in diesem Hause so möglich sein kann und dass Sie sie hier geführt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Es hat jeder das Recht, seine Meinung zu sagen. Das hat er gemacht.)

Danke, Herr Abgeordneter. Ich habe eine weitere Redemeldung von der Abgeordneten König der Fraktion DIE LINKE.

(Unruhe im Hause)

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich fand die Verbindung, die Herr Barth gerade aufgemacht hat, mehr als unglücklich, muss ich auch so sagen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte aber noch etwas anderes zu Herrn Barths Redebeitrag sagen. Er hat gesagt, das Gegenteil von Rechtsstaat ist Unrechtsstaat.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, genau.)

Eli Wiesel hat mal einen wunderbaren Text geschrieben: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung“, sondern ist immer nichts anderes als die Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist auch das, was viele Menschen in der damaligen DDR gekennzeichnet hat - zum Teil bis heute. Gleichgültigkeit gegenüber denjenigen Schicksalen, welche ob ihres Freiheitswillens und Freiheitshandelns verhaftet, verhört oder hingerichtet wurden. „Verzweifelt, wenn da nur Unrecht ist und keine Empörung“ sagte Brecht. Die Empörung und der Widerstand in der damaligen DDR waren viel zu wenig. Wenn Herr Barth heute davon spricht, dass es viele Widerstandskämpfer oder auch -kämpferinnen gab, dann ist das eine Lüge, dann kennzeichne ich es als eine Lüge. Für mich war die