Protocol of the Session on April 30, 2010

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete Renner. Es hat sich noch der Abgeordnete Adams gemeldet.

Ich möchte auch eine persönliche Erklärung zu meinem Abstimmverhalten abgeben. Wir Bündnisgrüne stehen an der Seite aller Menschen, die als Polizistin oder Feuerwehrfrau oder Feuerwehrmann oder Notarzt und Notärztin in einen Einsatz gehen. Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass hier ein parlamentarischer Schnellschuss gemacht wurde, der ohne hinreichende Faktenlage und Diskussion im Ausschuss hier durchgebracht wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb gilt das auch für mich und das ist meine persönliche Erklärung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Adams. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und schließe jetzt den Tagesordnungspunkt 7.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3

Drittes Gesetz zur Änderung des Thü- ringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/631 - ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kanis aus der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, je mehr ich mich mit dem Thema Flüchtlinge und ausländische Mitbürger und den Lebensbedingungen dieser Menschen in Deutschland beschäftige, umso mehr erkenne ich die verschiedenen Lebenssituationen und dabei auftretenden Probleme und Schwierigkeiten, vor denen diese Menschen stehen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann und will mich dem bestehenden Handlungsbedarf nicht verschließen. Der bundesgesetzliche Spielraum bei der Unterbringung in Einzelunterkünften vor allem für Familien, Familien mit Kindern und langjährig geduldeten Flüchtlingen muss konsequenter genutzt und vom Land gewollt und ermöglicht werden.

(Beifall SPD)

Wenn eine Familie mit Kindern 16 Jahre in Deutschland lebt, haben die Kinder ihre gesamte Kinder- und Jugendzeit in Deutschland verbracht und sollten voll in ihrem Lebensumfeld und der Gesellschaft integriert sein.

Frau Abgeordnete Kanis, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage.

Eigentlich nicht, danke. Eigentlich ist nur so möglich, einen guten Lebens- und Berufsstart zu schaffen. Ich kann nur wiederholen, dass wir hier Chancen für jeden Einzelnen und für unser Land ungenutzt lassen, indem wir diese Menschen, die zum Teil lange in Deutschland mit einem ungewissen Status leben, nicht integrieren.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da es dabei offensichtlich zu Problemen kommt, ist es gut, dass sich Bürger und Vereine engagieren, sich dieser Problematik annehmen und diese Menschen unterstützen. Es ist auch gut, dass Sie nicht müde werden, auf bestehende Probleme und Schwierigkeiten hinzuweisen. Für diese Arbeit und diesen Einsatz gehört Ihnen unser Dank und unsere Anerkennung. Noch stärker werde ich mir die regional sehr verschiedenen Unterbringungen und Verfahrensweisen anschauen und setze Hoffnung auf die angekündigten Veränderungen durch den Innenminister. Mit den Menschen, die in Deutschland eine neue Heimat finden wollen, sollte sehr verantwortungsvoll vor

Ort und entsprechend der jeweiligen Situation angepasst umgegangen werden.

Für eine Erhöhung der Kostenerstattungspauschale, die seit Jahren nicht geändert wurde, werden wir uns einsetzen. Dass die erstatteten Kosten dann auch den Flüchtlingen in gleichem Maße in ganz Thüringen zugute kommen, muss verstärkt kontrolliert werden, kann aber nicht zum Generalverdacht gegenüber den Kommunen führen. Trotzdem können wir weder das Asylverfahrensgesetz noch das Asylbewerberleistungsgesetz in Thüringen ändern. Da bei diesem vorliegenden Gesetzentwurf aber eine explizite Zustimmung zu allen Rechtsverordnungen gefordert wird, können wir dem Dritten Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes in dieser Form nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kanis. Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Rothe-Beinlich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ja schon einmal über diesen Entwurf diskutiert und auch damals schon hat unsere Fraktion angekündigt, dass sie der Fraktion DIE LINKE zum einen sehr dankbar ist, dass sie diesen Entwurf auf den Weg gebracht hat und zum anderen diesem auch zustimmen wird. Frau Kanis, ich war ja nun offenkundig bei der gleichen Veranstaltung wie Sie, wo Sie von dem Beispiel der Frau gehört haben, die seit 16 Jahren hier lebt, viele Kinder hat, die hier geboren sind, und die immer noch keinen festen Aufenthaltsstatus hat. Sie hat von ihren Problemen berichtet. Das hat Sie wie mich, glaube ich, ja auch sehr berührt, wie sie beschrieben hat, dass es für sie nicht möglich ist, beispielsweise für ihre Kinder in der Stadt mal ein Eis zu kaufen, weil sie schlichtweg nicht über das Bargeld verfügt, sondern Gutscheine bekommt, von denen sie leben muss. Die kann sie eben nicht an der Eisdiele z.B. einreichen. Das den Kindern tagtäglich klar zu machen, die hier geboren sind, ist für sie eine nahezu unerträglich Situation, die man auch nicht erklären kann. Das haben Sie ja eben auch deutlich gemacht, dass Integration so jedenfalls nicht funktioniert. Insofern hoffe ich, dass Sie auch sehr bald noch tiefer in diese Materie einsteigen können und sehen - Sie haben ja auch gesagt, Sie wollen verschiedene Unterkünfte besuchen -, wie Menschen hier teilweise leben müssen, wie Flüchtlinge untergebracht sind.

Wir hatten gerade erst vor wenigen Tagen eine Veranstaltung in Saalfeld. Saalfeld war ja schon häufiger in der Diskussion. Es ging wieder einmal um die Unterbringung in Katzhütte in einem Ferienlager, das dafür ursprünglich ausgelegt war, dass dort Kinder zu DDR-Zeiten ihre Ferien verbringen konnten einige Wochen, in dem seit Jahren Flüchtlinge unter, wie wir meinen, unmenschlichen und diskriminierenden Bedingungen leben; das mit Schimmel an den Wänden und ganz vielen Schwierigkeiten.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wissen nun auch - und die zuständige Landrätin saß auch mit auf dem Podium, auf dem wir waren -, dass eine neue Unterbringungsart gesucht wird. In Saalfeld hat sich ja ein engagiertes Bündnis - und Sie haben sich ja gerade bedankt bei den Menschen, die sich auf den Weg machen und sich engagieren, um Integration zu ermöglichen - gegründet, was ein Integrationskonzept auf den Weg bringen möchte. Aus diesem Bündnis heraus kam immer wieder die Frage an die Landrätin Frau Phillip, wo denn nun die Flüchtlinge untergebracht werden sollen, nachdem bekannt geworden ist, dass man Abstand nehmen wird von der Unterbringung in Katzhütte, worüber wir sehr, sehr froh sind. Es wird auch immer wieder deutlich gemacht, dass sich aus unterschiedlichsten Gründen doch eine dezentrale Unterbringung sehr viel besser eignen würde auch und gerade mit Blick darauf, dass die Integration dann besser gelingt. Denn wenn man die Menschen nicht kennt, wenn man keine Nachbarinnen und Nachbarn hat, die in dieser Situation leben, wenn es keine Ansprechpartnerinnen gibt in der Umgebung, wenn es keine Möglichkeit zur kulturellen oder religiösen Teilhabe gibt, zur sozialen Teilhabe gibt, dann ist es ganz, ganz schwer für die Menschen, die aus fremden Ländern hierher zu uns kommen, oftmals in Notsituationen und die dann sehr oft abgelegen in - ich nenne es mal - nicht wirklich geeigneten Einrichtungen untergebracht sind.

Leider war Frau Phillip nicht bereit, an diesem Abend und vor den über 60 interessierten Bürgerinnen aus unterschiedlichsten Orten zu berichten, wo die Flüchtlinge künftig untergebracht werden sollen. Sie hat nur so viel verraten, dass es wieder eine Gemeinschaftsunterbringung sein soll. Das haben sehr viele Menschen dort nicht verstanden. Ich nenne das auch nur exemplarisch. Ich könnte jetzt genauso auch über Gerstungen oder Gangloffsömmern reden. Das sind auch beides Unterkünfte, wo wir meinen, dass Menschen auf eine Art und Weise untergebracht sind, dass man nicht von einer menschenwürdigen Unterkunft sprechen kann.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schwierigkeit ist doch, dass wir alle wissen, und das ist auch sehr gut mit Zahlen unterlegt, dass eine dezentrale Unterbringung sogar kostengünstiger käme.

(Beifall DIE LINKE)

Zumindest in Wohnungen oder wohnungsähnlicher Unterbringung wäre zudem selbstverständlich die Integration sehr viel leichter und sehr viel besser möglich. Gleichfalls weiß eigentlich auch jeder, dass der bürokratische Aufwand für die eigentlich lächerliche Summe, von der Flüchtlinge und Asylbewerberinnen in Deutschland leben müssen, im Prinzip natürlich auch viel günstiger - ich rede jetzt von günstiger, auch wenn wir im Umgang mit Menschen nie danach gehen wollen, was jetzt günstiger ist rechnerisch unterm Strich - wäre, wenn Bargeld ausgezahlt würde, als umständlich Gutscheine auszureichen, die dann oftmals nur in einem Einkaufsmarkt sehr weit entfernt eingereicht werden können und verunmöglichen, sich auch spontan mal zu entscheiden oder weil es ein günstigeres Angebot gibt und man ja auf die Preise schauen muss, auch und gerade wenn wenig Geld zur Verfügung steht, überhaupt handeln zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte in diesem Zusammenhang in der Diskussion um das Dritte Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes auch noch eine andere Sache ansprechen, die uns schon lange am Herzen liegt, die wir ja auch schon in der ersten Debatte zu diesem Thema hier mitdiskutiert haben. Dabei geht es um die Residenzpflicht und um die Aussage von Herrn Minister Huber, dass er sich nicht vorstellen kann, die Reisefreiheit auf das ganze Land Thüringen auszudehnen und dies auch rechtlich ausgeführt hat. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Es gibt Bundesländer, die die Residenzpflicht bereits aufgehoben und die Bewegungsfreiheit ermöglicht haben. Ich muss Ihnen nicht noch einmal darstellen, wie schwierig es ist für Menschen, die ihren Landkreis nicht verlassen dürfen, beispielsweise eine psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen oder aber auch Freundinnen und Freunde zu besuchen oder auch, um einfach mal ins Kino zu gehen. Wenn es dafür jedes Mal nötig ist, einen sogenannten Urlaubsschein - schon der Begriff an sich spricht ja Bände, die Menschen machen ja nicht Urlaub, sondern wollen sich einfach bewegen oder müssen einen Termin wahrnehmen oder wie auch immer - beantragen zu müssen, und da auf das Wohl oder Wehe des Amtes in gewisser Weise angewiesen zu sein, um sich überhaupt bewegen zu können und dafür - das ist gerade auch bei der Veranstaltung zur Residenzpflicht am 21. April hier im Landtag wieder deutlich geworden - teilweise auch noch Gebühren für solche

Bescheide bezahlen zu müssen, auch das von der ohnehin schon geringen Summe, die sie bekommen.

Leider ist es ja auch - ähnlich bei dem Tagesordnungspunkt, den wir vorher behandelt haben - das letzte Mal schon abgelehnt worden, diesen Gesetzentwurf umfänglicher und detaillierter in den Fachausschüssen, die eigentlich aus meiner Sicht prädestiniert dafür wären, zu diskutieren und dort auch zu überlegen, welche Änderungen gegebenenfalls vielleicht von anderen Fraktionen noch eingebracht werden oder Verbesserungen an diesem Gesetzentwurf möglich wären, um diesen mehrheitsfähig zu machen. Ich bedaure das ausdrücklich und verstehe das nicht als eine gut geeignete Diskussions- und politische Kultur, das muss ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, wenn sogar die Debatte verunmöglicht und verweigert wird, darüber auch nur zu beraten mit denen, die für diese Fachbereiche zuständig sind. In diesem Sinn muss ich heute dafür werben, dass Sie diesem Gesetzentwurf, so wie er vorliegt, in dieser Form zustimmen, weil ich denke, dass wir in der Pflicht sind, gerade den Menschen gegenüber, die es ohnehin schon ganz besonders schwer haben, die ein schweres Schicksal mit sich bringen, auch und gerade natürlich den Kindern gegenüber, die oftmals hier geboren sind, kaum eine Chance haben, das Leben zu erleichtern. Insofern werbe ich vehement für die Zustimmung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, vorgelegt durch die Fraktion DIE LINKE. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Es hat jetzt das Wort die Abgeordnete Holbe von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben bereits im letzten Plenum am 25. März dieses Gesetz in erster Beratung behandelt und, ich will es gleich vorwegnehmen, die CDUFraktion lehnt Ihren Antrag ab. Es gibt sowohl bundesrechtliche Regelungen zur Unterbringung von Flüchtlingen in unserem Land als auch Regelungen zur Absicherung des Lebensunterhalts dieser Menschen. Diese Vorschriften haben sich unserer Meinung nach bewährt. Bereits in der ersten Beratung hat unser Innenminister Prof. Huber ausgeführt, dass es in Thüringen keine Menschenrechtsverletzungen gibt, dass Menschen, die hier Asyl und Schutz suchen, im Rahmen dieser Gesetze den Schutz erhalten. Wir haben auch festgestellt in den Ausführun

gen, die hier vorgetragen worden sind, dass es unterschiedliche Handhabungen gibt in den einzelnen Landkreisen und dass es auch Unterkünfte gibt, die noch einiges zu wünschen übrig lassen. Da sind wir einer Meinung,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das war Zynismus jetzt.)

dass diese Flüchtlinge, diese Asylbewerber menschenwürdig in einem guten Zustand untergebracht werden, und es ist wichtig, dass wir hier genauer hinschauen, um diese Missstände dauerhaft zu beseitigen. Natürlich darf kein Gesetz so starr sein, dass man es nicht in die Hand nimmt, und dort, wo man Verbesserungen erkennt, auch diese zu verändern. Ich verweise nochmals auf unseren Koalitionsvertrag, in dem unter Punkt Migration und Asyl detailliert erfasst ist, was wir hier machen wollen, was die Landesregierung plant. Ich bin kein Lehrer, um hier ständig die Dinge zu wiederholen. Ich glaube, wir haben uns sehr ausführlich unterhalten. Nun sagte jemand, bei Wiederholung prägt man sich bestimmte Dinge besser ein, aber mit Blick auf die Uhr möchte ich hier Ihre kostbare Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen und erspare mir das.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Ich nehme mir Zeit.)

Schauen Sie nach, wir haben in der letzten Debatte sehr ausführlich zu einzelnen Zahlen, zu Kostensätzen, zu den hier lebenden Flüchtlingen und Asylbewerbern gesprochen, zur Unterbringung in Einzel- und Gemeinschaftsunterkünften und haben auch zu den Gesetzgebungsverfahren und zu den Gesetzesgrundlagen gesprochen. Wir werden uns mit dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz in den nächsten Monaten intensiv befassen, um Mindeststandards und die Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern auf ein verbessertes, einheitliches Niveau zu bringen. Die Residenzpflicht soll in den Bereichen, in denen es sinnvoll erscheint, überprüft werden. Ich warne jedoch vor der Vorstellung, dass wir diese auf das ganze Land Thüringen ausbreiten werden. Es wird sich auf die Bereiche beschränken, die zweckmäßig und sinnvoll sind.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Welche sind das denn?)

Das werden wir vorgelegt bekommen und wir werden dazu, denke ich, dann auch in den Ausschüssen debattieren können. Wir stimmen überein, dass die in Thüringen lebenden ausländischen Flüchtlinge eine angemessene Unterkunft erhalten, dass sie selbstverständlich zur Sicherung des Lebensunterhalts mit den notwendigen Leistungen versorgt werden, und dies schließt auch die notwendige Krankenversor

gung ein, auch die psychologische Beratung. Ich glaube, hier macht es auch noch mal Sinn, genauer hinzuschauen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie haben das auch abgelehnt.)

Wir müssen natürlich die bundesrechtlichen Vorgaben schon in ihrer Reihenfolge beachten. Vielleicht nur ein Punkt, den ich hier mal herausgreife, diese Wertgutscheine. Dazu gibt es auch gesetzliche Vorgaben. Wir haben jetzt bei uns im Kyffhäuserkreis die Wertgutscheine abgeschafft.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)