Protocol of the Session on April 29, 2010

Ich erinnere an den Spruch: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“, das sehe ich genauso. Je früher wir damit anfangen, umso leichter wird es zukünftig auch in den weiteren Bildungsabschnitten den Kindern fallen. Als eines der ersten Länder hat Thüringen sich der Aufgabe gestellt, einen umfassenden Bildungsplan für den Elementarbereich zu entwickeln. Mit diesem Bildungsplan verfügen die Kindertageseinrichtungen über eine exzellente Grundlage, um einen ganzheitlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag zu erfüllen. Für diese quali

fizierte Bildungsarbeit müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Es braucht einen guten Personalschlüssel, ausreichend Zeit für die Vor- und Nachbereitung, für den Austausch mit Fachberatung sowie für die Fortbildung. Um dem gerecht zu werden, ist eines der wichtigsten Anliegen im Gesetzentwurf, den Personalschlüssel für Kinder unter drei Jahren zu verbessern. Es wird einen Personalschlüssel von einer pädagogischen Fachkraft zu vier Kindern im ersten, eins zu sechs im zweiten, eins zu acht im dritten und eins zu sechzehn zwischen dem dritten Lebensjahr und der Einschulung geben. Hinzu kommen noch Personalanteile für fachliche Arbeit außerhalb der Gruppe und für weitere Ausfallzeiten. Mit dem neuen Thüringer Kindertagesstättengesetz werden nun trotz der schwierigen Haushaltssituation exzellente Rahmenbedingungen für frühkindliche Bildungsarbeit und bundesweit einmalige Standards geschaffen, weil es bei dem Bildungsprozess auf den Anfang ankommt. Die Startchancen für Kinder müssen so entwickelt sein, dass jedes Kind seine Fähigkeiten in der Gesellschaft und einer sich heute schneller verändernden Welt entfalten kann. Kindereinrichtungen sind Bildungseinrichtungen, sind Bildungsangebote für Kinder und Eltern, sind Orte sozialen Lernens, der Werte, der Bildung, der Werteerziehung und Orte, wo Kinder gemeinsam lernen, lachen und feiern können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer ein solches Leitbild verfolgt, will, dass Eltern und Kinder ein leistungsfähiges, hochwertiges, tragfähiges, bedarfsgerechtes, flächendeckendes und verlässliches Angebot an Kindertagesstätteneinrichtungen vorfinden. Aus diesem Grund wurde im Nachgang der Anhörung unter anderem die Stellung der freien Träger im Kindertagesstättenbereich noch einmal hervorgehoben und den freien Trägern gleichberechtigte Bedingungen im Gesetz verankert. Es war uns aber auch wichtig, deutlich zu machen, dass frühe Bildung und Erziehung im Elternhaus beginnt. Wir wissen aus der Forschung, wie wichtig gute, stabile Beziehungen gerade in den ersten Lebensjahren für Kinder sind. In diesen ersten Jahren werden auch die Weichen gestellt für das, was Neugierde, Vertrauen und Zuversicht ist, aber auch für Verschlossenheit, Aggression und Angst. In diesem Sinne bleibt es bei einem einkommensunabhängigen Thüringer Erziehungsgeld und damit bei der Wahlfreiheit der Eltern hinsichtlich der Betreuungsform. Denn wir sind weiterhin der Meinung und der festen Überzeugung, dass Eltern am besten wissen, was für ihre Kinder das Richtige ist.

(Beifall CDU)

Eltern haben somit auch künftig die Möglichkeit, ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause zu betreuen und diese Erziehungsleistung wird ihnen

weiterhin honoriert. Daneben können sich Eltern in Thüringen aber darauf verlassen, dass ihnen ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes ein erstklassiges Bildungs- und Betreuungsangebot zur Verfügung steht. Denn mit dem neuen Gesetz wird erstmals ein gesetzlicher Betreuungsanspruch für Kinder ab dem ersten Lebensjahr garantiert. Dieser Anspruch umfasst Garantien auf eine mögliche Betreuungszeit von zehn Stunden. Einen Betreuungsanspruch auf einen Ganztagesplatz in dieser Form gibt es in keinem anderen Bundesland. Insofern ist es ein deutliches Signal an junge Eltern, dass sie entweder eine materielle Unterstützung für die Betreuung ihres Kindes oder aber einen garantierten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz bekommen. Neu ist, dass künftig Eltern auch einen Anspruch auf ein verringertes Erziehungsgeld haben, die ihre Kinder halbtags in der Einrichtung betreuen lassen. Das ist nur folgerichtig, denn es wird der Vielfalt der Lebensentwürfe junger Eltern gerecht und ermöglicht Familienvereinbarkeit - Familie und Beruf - und eben auch den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Erziehungszeit individuell zu gestalten.

(Beifall CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie bereits in dem Gutachten von Prof. Opielka angeregt, wird das Erziehungsgeld modifiziert und die Lücke zwischen dem Thüringer Erziehungsgeld und dem Bundeserziehungsgeld geschlossen. Das heißt, das Thüringer Erziehungsgeld wird künftig direkt im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld für die Dauer von 12 Monaten gezahlt, unabhängig davon, ob das Bundeserziehungsgeld für ein Jahr in Anspruch genommen oder auf 24 Monate ausgedehnt wird. Zur Finanzierung der hohen Standards bei der Kindertagesstättenbetreuung erbringt das Land beträchtliche Mehrleistungen und verdoppelt fast die direkten Zuschüsse für Kinderbetreuung. Die Kommunen erhalten zukünftig 170 € im Monat für jeden belegten Platz bei Kindern des ersten Lebensjahres, 270 € für Kinder zwischen dem ersten und dritten Geburtstag sowie 130 € für alle Kinder zwischen dem dritten Geburtstag und dem Schuleintritt. Hinzu kommen noch 30 € je Kind jährlich für Fachberatungen.

Ein besonderes Anliegen war uns auch der Erhalt der Infrastrukturpauschale, denn die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, kinder- und familienfreundliche Strukturen zu schaffen. Mit der Infrastrukturpauschale in Höhe von 1.000 € für jedes neugeborene Kind erhalten die Städte und Gemeinden Mittel für Investitionen in Kindertageseinrichtungen, aber auch für Infrastrukturmaßnahmen im Interesse der Familien und der Kinder. Auch dieser Punkt wurde intensiv diskutiert - Vorredner haben es schon angesprochen - und ich bin besonders froh, dass wir uns an der Stelle durchsetzen konnten, die Infra

strukturpauschale nicht zu streichen, denn sie ist mit ein wesentlicher Bestandteil, die Finanzierung sicherzustellen, was die Ausstattung und die Standards anbelangt, um die Kommunen nicht zusätzlich zu belasten.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir im Ergebnis der Beratung zu einem Gesetzentwurf gekommen sind, der die Qualität in der frühkindlichen Bildung in Thüringen weiter steigert, die Verantwortung der Eltern bei der Bildung und Erziehung unterstreicht und der die Kommunen bei der Umsetzung der neuen Standards unterstützt. Ich hoffe und wünsche uns allen, dass diese Standards lange Bestand haben in Anbetracht der sich nicht gerade verbessernden finanziellen Lage. Es sind alle aufgefordert, ihren Teil beizutragen, dass diese Standards auch zukünftig in Thüringen Einzug halten bzw. festgehalten werden können und wirklich ein familienfreundliches Land Thüringen langfristig auch gesichert ist. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass diese Standards lange erhalten bleiben. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kellner. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Jung von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, werte Gäste, wir werden heute gemeinsam ein Gesetz verabschieden, um das wir, DIE LINKE, aber auch viele andere gesellschaftliche Akteure lange gerungen haben. Eine ganze Kindergartengeneration musste darauf warten.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ist das schlimm?)

Ich bin froh darüber, dass wir heute an diesem Punkt sind. Wir haben eine lange Wegstrecke hinter uns im Kampf um bessere Bedingungen für unsere Kinder in den Kindertageseinrichtungen. Gerechnet von der Diskussion des Familienfördergesetzes sind es in Zeit gemessen fünf Jahre und fünf Monate, gemessen in Reden, Pressemitteilungen, Klage- und Erwiderungsschriften beim Verfassungsgericht, Demonstrationen, Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen - ich kann gar nicht mehr sagen, wie viele Podiumsdiskussionen Frau Pelke, Herr Panse und ich

bestritten haben, es ist wirklich nicht mehr nachzuvollziehen -, Absprachen in unserem Trägerkreis, Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Eltern, den Sammlern von Unterschriften, sind es unzählige Seiten bedrucktes Papier, das veröffentlicht und nicht zu zählende gesprochene Worte, die gewechselt wurden.

Auch hier im Landtag haben wir viele Male darüber diskutiert und viele kontroverse Standpunkte ausgetauscht. Wäre die Häufigkeit der Debatten schon ein Beweis für Qualität von Politik, wie gut sähe es dann im Bereich der Kindertagesbetreuung in Thüringen aus.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben einen langen Weg hinter uns und zahlreiche Kämpfe, um - das sei bei aller Euphorie auch einmal erwähnt - den Standard in Thüringer Kindertagesstätten auf bundesdeutschen Durchschnitt anzuheben. Vorreiter, Herr Matschie, sind wir nach unserer Auffassung leider immer noch nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zum Bildungsland Nummer 1

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Da muss ich Herrn Matschie aber mal recht geben.)

(Heiterkeit im Hause)

- ach, Herr Mohring - haben wir z.B. beim Betreuungsschlüssel immer noch Nachholbedarf und die Statistiken zu Europa will ich überhaupt nicht erwähnen.

Es handelte sich nie um utopische Forderungen, überzogene Vorstellungen, realitätsferne Träumer oder, wie Sie manchmal auch gesagt haben, linke Spinner. Ja, Spinner haben Sie gesagt. Es ist noch nicht lange her, dass man als solcher und zumindest als Utopist galt, wenn man nach einer Umkehr rief oder gar eine Ausweitung des Rechtsanspruchs auf ganztägige

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bildung in Kindertagesstätten fordert.

Während meiner ersten Rede in diesem Hohen Hause - und das darf ich heute an so einem Tag einmal erwähnen zur Bildung von Anfang an - hat Herr Krauße dazwischengerufen: „So ein Blödsinn. Das hat

Ihre Mutter wohl bei Ihnen versäumt.“, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist ja wohl eine Unverfrorenheit.)

(Unruhe im Hause)

Heute - Herr Fiedler, Sie kommen auch noch dran, keine Angst - hat sich die Diskussion erheblich gewandelt und wir haben einen Stand erreicht, den wir ganz wesentlich dem Trägerkreis, und hier insbesondere den Eltern, zu verdanken haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte hier stellvertretend wirklich vier Namen nennen: An erster Stelle Bettina Löbl, die Vorsitzende

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

des Thüringer Landeselternverbandes und - ich sage es dazu - Mitglied der SPD.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte Peter Häusler nennen als parteiloser Elternvertreter von Anfang an und Sprecher des Trägerkreises.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte Hans-Arno Simon nennen als Vertrauensmann des Trägerkreises, Mitglied der CDU.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Und Ralph Lenkert, immer noch parteilos, aber inzwischen über seine Tätigkeit des Sprecherrates Bundestagsabgeordneter der LINKEN.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Immer noch.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie haben eine bewundernswerte Beharrlichkeit und zahllose ehrenamtlich geleistete Stunden mit ihrem Engagement und ihrer Leidenschaft gegen alle Widerstände, Schwierigkeiten, scheinbare Ausweglosigkeit parteiübergreifend für die Interessen der Thüringer Kinder gekämpft. Dem Trägerkreis mit all seinen gesellschaftlichen und politischen Akteuren ist

es auch dank der Eltern gelungen, mit Symbolen wie gelben Bändchen und Luftballons, das Thema visuell im Alltag präsent zu halten. Es ist ihm gelungen, dass sich die CDU nicht in der bequemen Regierungsecke einrichten konnte, die da heißt, wir haben die Mehrheit, also wir haben recht. Immer und immer wieder wurde die CDU mit den Folgen des Gesetzes konfrontiert, die Öffentlichkeit informiert und das Thema im politischen Tagesgeschäft präsent gehalten. Dank des Trägerkreises haben sich alle damals in der Opposition befindlichen Parteien darauf verständigt, das Volksbegehren umzusetzen, wenn sie in Regierungsverantwortung kommen. Dank des Trägerkreises konnte während der schwierigen Koalitionsverhandlungen und bis heute der Druck mit der Unterschriftensammlung aufrechterhalten werden, der die regierungstragenden Parteien dazu bewogen hat, den Gesetzentwurf in der heute abzustimmenden Version vorzulegen. Ralph Lenkert hat heute Morgen verkündet - 59.122 Unterschriften. Inzwischen sind mindestens noch 2.000 bei mir allein im Zimmer angekommen, also eine ganz stattliche Anzahl. In Gera haben wir bereits lange die 10-Prozent-Marke überschritten, dank auch eines breiten Bündnisses mit der SPD-Stadtratsfraktion und den Jusos.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Aber wir haben auch in einzelnen Gemeinden fast 100 Prozent erreicht. Herr Fiedler, da komme ich auf Sie; in Ihrer Gemeinde Tröbnitz