Protocol of the Session on August 22, 2014

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

ausgehend von einer radikalisierten Neonazigruppe aus Thüringen, zehn Morde geschehen konnten. Ich möchte den Angehörigen der Opfer hier im Thüringer Landtag noch einmal mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Ich schäme mich dafür, was geschehen ist, und ich verspreche, dass wir in Zukunft alles dafür tun werden, dass wir so etwas nie wieder geschehen lassen.

Der Bericht führt uns noch einmal ausdrücklich vor, welche Ausmaße die rechtsextreme Szene in Thüringen seit den 90er-Jahren angenommen hat. Vor unser aller Augen hat sich ein Netz gewaltbereiter Strukturen entwickelt, aus denen heraus immer wieder Menschen herabgewürdigt, beleidigt, bedroht und körperlich angegriffen wurden und bis heute angegriffen werden. Diese Entwicklung war nur möglich, weil wir die von diesen ewig gestrigen Menschenfeinden ausgehende Gefahr völlig unterschätzt haben. Ja, er war und er ist noch fruchtbar, dieser Boden der Menschenverachtung.

Wir müssen uns auch darüber klar sein, dass das Problem weit vor dem organisierten Neonazismus beginnt. Viele haben heute schon auf den Thüringen-Monitor hingewiesen. Der Zustimmungsanteil zu ausländerfeindlichen und nationalistischen Statements zeigt, dass es in Thüringen noch nicht besser geworden ist. Er führt uns vor Augen, dass rechtsextremistische Einstellungen bis weit in die Mitte unserer Gesellschaft reichen. Wer das nicht wahrhaben will, der ist spätestens nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen völlig blind und verantwortungslos.

Dazu kommt, Vorurteile und Stereotype sind vielfältig. Sie treffen Menschen mit sozialem Status genauso wie Homosexuelle. Sie treten als Antisemitismus, als Islamphobie genauso wie gegenüber Sinti und Roma und Flüchtlingen aus aller Welt auf. Unsere Forderung nach der Einführung eines Landesprogramms gegen Rechtsextremismus blieb daher leider allzu lange ungehört. Deshalb ist es gut, dass alle Parteien dieses Landtags unmittelbar nach der Wahl 2009 der neuen Landesregierung den Auftrag zur Entwicklung eines Landesprogramms erteilt haben. Ich möchte mich an der Stelle bei Ministerpräsidentin Lieberknecht ausdrücklich bedanken, weil Sie es als Mensch und aus ihrer christlichen Auffassung heraus ausdrücklich unterstützt haben, dass dieses Landesprogramm auf den Weg gekommen ist.

Ich habe diesen Auftrag gemeinsam mit den Akteuren der Zivilgesellschaft voller Überzeugung in die Tat umgesetzt. Es war an der Zeit, dass dieses Programm verabschiedet wird. Trotz aller - damals unter die fachliche und politische Gürtellinie gehenden und auch persönlichen - Attacken haben wir Auftrag und Ziel nie aus den Augen verloren. Es galt, endlich Blindheit, Ignoranz, Bagatellisierung und Dogmen zu überwinden. Angesichts des heuti

gen Tages und des heutigen Wissens bin ich all denen dankbar, die uns als externe Experten, profunde Kenner und Mediatoren mit wahrer Engelsgeduld unterstützt haben. Die immerwährende, absurde Diskussion um andere Gefährdungen der Demokratie und die damit verbundenen Versuche der Relativierung haben uns aufgehalten. Auf bittere Weise müssen wir nach diesem Bericht heute erkennen, dass rechtsextreme und rassistische Einstellungen sowie neonazistische Strukturen in diesem Land die zentrale Gefahr darstellen. Deshalb sage ich: Jetzt gilt es, sich mit aller Kraft auf die Bekämpfung dieser Strukturen zu konzentrieren.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir in Thüringen eine Vielzahl von Initiativen und Bündnissen haben, die sich tagtäglich für ein weltoffenes und buntes Thüringen einsetzen. Ich weiß, wie mühsam diese Arbeit oft ist und wie wenig Anerkennung dafür erhalten wird. Ich hoffe, dass wir gemeinsam auch in den kommenden fünf Jahren zeigen, kein Aufmarsch oder Versuch der Nazis in Thüringen bleibt ohne Gegenreaktion. Wir werden sie in jedem Fall unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren, gut drei Monate liegen die Kommunalwahlen in Thüringen zurück. Mit Erschrecken mussten wir feststellen, dass die NPD mit über 60 kommunalen Mandaten mehr als eine Verdoppelung erreichen konnte - all dies mitten in Thüringen und trotz der öffentlichen Diskussion um die NSU-Mörderbande und vor dem Hintergrund des heute vorgelegten Berichts.

Das heißt, wir müssen uns noch mehr anstrengen, unseren Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu zeigen, dass unsere heutigen Bekenntnisse nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern aus tiefem Herzen kommen.

(Beifall SPD)

Alle die in diesem Landtag vertretenen Parteien, alle demokratischen Kräfte des Landes und die Medienvertreter sollten die heutigen Erkenntnisse zum Anlass nehmen, um noch mehr als bisher die Öffentlichkeit auf diese Verflechtungen aufmerksam zu machen. Die Ergebnisse des Ausschusses haben mich in meiner Haltung bestärkt, das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verbotsverfahren gegen die NPD ausdrücklich zu unterstützen. Der Werdegang der NSU-Mörderbande hat noch einmal dokumentiert: Unsere Demokratie muss wehrhaft sein. Es darf keine Toleranz mit den Feinden der Demokratie geben. Herzlichen Dank.

(Beifall im Hause)

Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor, so dass ich die Aussprache schließen möchte. Ich schließe damit auch diesen Tagesordnungspunkt und die erste Sondersitzung des Thüringer

(Ministerin Taubert)

Landtags für den heutigen Tag. Ich danke ganz herzlich für die ausgesprochen faire Debatte miteinander. Ich danke noch einmal unseren Gästen, dass sie zu uns gekommen sind und diese Debatte verfolgen konnten, und damit schließe ich diesen Plenarsitzungstag. Der zweite Aufruf für den heutigen Tag zu einer zweiten Sondersitzung erfolgt in einer Stunde, also um 14.00 Uhr, und wir sehen

uns als Abgeordnete um 14.00 Uhr wieder hier im Plenarsaal.

Ende: 13.01 Uhr